Ihr Lieben!
Nachdem sich heute wieder der Dachdeckermeister angekündigt hatte – und zwar für 8 Uhr früh !!!!! – konnte ich meinen generalstabsmäßig geplanten Tagesbeginn nicht wie gewünscht durchführen. Der hätte zehnmal umdrehen beinhaltet. Aber die Balkonsanierung geht vor, daran wird auch während meiner Abwesenheit weiter gearbeitet. Aber das ermöglichte mir einen frühen Aufbruch Richtung Marburg, der ersten Station meiner Reise.
„Cora-Schatz, wir haben eine Woche Urlub!“ flötete ich meiner Weggefährtin beim Beladen zu. „Ja, Du vielleicht!“ schnippte sie zurück, „Ich muss ja fahren!“. Auf meine Anmerkung, dass ich ja auch irgendwie in den Fahrprozess eingebunden sei, und wir ja nun eine gaaaanz tolle Zeit vor uns hätten, seufzte sie nur.
Was hat denn Luther so in Marburg getrieben, fragt sich der neugierige Leser, gelle? Da fand das sogenannte Marburger Religionsgespräch statt, 1529 war das; zwischen den Lutheranern und progressiveren Reformationsgruppen herrschte Unklarheit über die Abendmahlsfrage. Außerdem hat unser Maddin hier mehrmals gepredigt, wenn er auf seinen vielen innerdeutschen Reisen hier mal einen Stopp eingelegt hatte.
Und der Gerry, was hat der so in Marburg gemacht? Ja nun, der ist erstmal zur Elisabethkirche gelaufen, dem ältesten rein gotischen Kirchenbau Deutschlands. Die Elsi war eine Heilige, die uns auf der Wartburg noch einmal begegnen wird. Sie wurde im Alter von 4 Jahren mit dem 11jährigen Ludwig von Thüringen verlobt und starb, verhärmt von einem entbehrungsreichen Leben, das sie Armen und Kranken widmete, bereits mit 24 Jahren.
Dann lief der Gerry zum Landgrafenschloss den Berg hoch. Gefühlte 1000 Höhenmeter auf 1 Km Strecke. Nach erfolgreicher Reanimation konnte er sich dann da umschauen. Schöne Ausblicke bieten sich da oben. Es hat zwar ein bisschen genieselt, aber bei Sonne hätte mich der Weg nach oben … Für runter dachte ich an einen Bus. Aber der Busfahrer erklärte mir, dass er nicht an der Altstadt vorbeikäme. Und obwohl er eigentlich hätte abfahren müssen, schleppte er mich noch zur Burgbrüstung und gestikulierte mir den Weg nach unten in die Altstadt. Ein netter Mensch!
Die Altstadt ist entzückend. Klar, viel Fachwerk, alles ein bisschen verwinkelt und einen schiefen Turm gibt es auch noch. Nämlich den der Lutherkirche. Die Läden in den Straßen sind noch besonders, nicht der übliche Einheitsbrei aus Handy- und Ein-Euro-Läden. Und an allen Ecken und Enden findet man interessante Fotomotive. Ich mag Marburg. Auch wenn es hie und da ein wenig sehr burschenschaftelt.
In strömendem Regen ging es dann gen Eisenach. Gottseidank klarte es vorher ein bisschen auf. Ich fuhr etwas länger als geplant, weil Google Maps anfing, zu spinnen, alle 30 Sekunden die Route neu berechnete und mich im Kreis fahren ließ. Ich nutzte meine andere Navi-App, die mich dann aus Marburg herauslotste. Leider sind – auch schon auf der Strecke nach Marburg – überall Baustellen und die Navi-App führte mich auch kilometerlang über Bundesstraßen, wo ich über einen Abschnitt von fast 20 Kilometern einem geriatrischen LKW (Durchschnittsgeschwindigkeit 15 km/h) hinterherdackeln musste, ohne die Chance, überholen zu können.
In Eisenach angekommen beschloss ich, direkt auf die Burg hochzufahren, da das Museum dort um 17 Uhr schließt. Und anders ist eine Besichtigung der Studierstube Luthers dort nicht möglich. Achja, der Maddin. Was hat der denn mit Eisenach zu tun? Nun, er ist dort ab 1498 zur Schule gegangen und wurde von Friedrich dem Weisen nach einer fingierten Entführung 1521/22 auf der Wartburg schutzinhaftiert. Der Papst hatte den Bann, der Kaiser die Reichsacht gegen den Ketzer Luther ausgesprochen. Quasi ein Todesurteil damals. Die Zeit der „Gefangenschaft“ nutzte Luther, damals aka Junker Jörg, zur Übersetzung des Neuen Testamentes ins Deutsche und gebrauchte dabei die Sprache des Volkes und nicht die der Gelehrten.
Und der Gerry? Ich habe die bestinvestiertesten 2 Euro Fuffzig meines Lebens ausgegeben, um mit dem Shuttle-Taxi vom Parkplatz auf die Burg hochzufahren. Der Fußweg ist zum Fürchten steil! Für eine Führung war ich zu spät und so erlief ich mir die Burg mittels einer Erklärbär-App. Die Burg ist natürlich quasi grundsaniert worden, aber Teile der alten Anlage sind immer noch sichtbar. Sie ist wirklich sehenswert und interessant. Highlights natürlich das reich verzierte Elisabeth-Zimmer (da isse wieder), der Sängersaal (mein Lieblingswort aus dem Wikipedia-Artikel dazu ist „Sangspruchgedichte“), der große Festsaal und – natürlich – die Lutherstube.
Es gibt ja Zweifel, ob Luther, warum auch immer – sei es, um den Teufel zu vertreiben, oder aus Verzweiflung über eine unübersetzbare griechische Stelle der Bibel – ein Tintenfass warf, aber der Fleck an der Wand wurde öfter erneuert. Auch soll sein Schreibtisch nachgebaut worden sein, weil Touristen Splitter davon mitnahmen, bis quasi das Möbel als solches nicht mehr zu erkennen war. Lutherreisende gab es nämlich schon im 16. Jahrhundert. Er wurde ja, was ihm einerseits gefallen, aber auch gleichzeitig angewidert hätte, wie ein Heiliger verehrt.
Auch der Blick von der Burg ist wundervoll. Ein Besuch lohnt sich wirklich. Auch wenn Parken, Eintritt, Fotografiererlaubnis, Shuttletaxigebühr etc. sich auf einen stattlichen, disneylandvergleichbaren Betrag summieren. Nun gut, das Schloss jeden Tag putzen zu müssen, ist ja auch nicht billig. Das Gerücht, dass in den Verliesen der Burg die Wartburg-KFZs gebaut wurden, erweist sich übrigens als unwahr, wenn man weiß, dass es keine Verliese gibt.
Weiter ging es zum Hotel, das zwar über einen eigenen Parkplatz verfügt, der aber beschrankt war. Ich kurvte ein bisschen rum und fand einen akzeptabel nahen Parkplatz, wo ich kostenfrei stehenbleiben kann. Dann der Schrecken. Kurz vor meinem Erreichen des Hotels spuckte ein Reisebus Tausende von amerikanischen Touristen aus, die dann alle vor mir an der Rezeption standen. PUH! Liebe Hoteliers: Reisegruppen bitte in der Hotelwäscherei abwickeln!
Das Zimmer ist ein Einzelzimmer, ich hatte zentrumsnah kein vernünftiges mehr bekommen, der Deutsche ist ja gerade reiseverrückt, und das besonders in nationaler Hinsicht. Dafür, dass es ein Deluxe-Zimmer sein soll ist es etwas „billig“, aber das Hotel ist ganz nett. Für 4 Sterne hätte ich mir aber einen Mini-Kühlschrank geünscht.
Ich machte mich kurz frisch und dann ging die Tour de force in Eisenach los: Lutherhaus, Bachhaus, Rathaus, schmales Haus, Nikolaikirche, Predigerkirche, Georgskirche. Das Lutherhaus ist eigentlich das „Cotta-Haus“, uns Maddin hat da als Schüler Obdach bei Ursula Cotta, der Frau des damaligen Bürgermeisters gefunden. In der Georgskirche hat Luther gepredigt und J.S.Bach wurde dort getauft. Die Familie Bach stellte über weit mehr als ein Jahrhundert die Organisten dort. In Köln würde man das Klüngel nennen.
Martin Luther und Johann Sebastian Bach sind sich übrigens Zeit ihres Lebens nie begegnet, obwohl beide so lange in dieser schönen Stadt lebten. Komisch, was? *zwinkersmiley*
Zurück im Hotel bestellte ich mir erst einmal ein lokales Pils. Man nimmt das so ernst hier mit der 7-Minuten-Regel, dass man die Zeit verdoppelt. Lecker. Halb abgestandenes Eisenacher Wartburg-Bier. Da ich der einzige Gast war, fragte ich nach 10 Minuten, was das Bier getan habe, um unter dem Zapfhahn verdorren zu müssen. Mir wurde beschieden, dass ein gutes Pils immer erst allen Schaum verloren haben müsse, um nachgezapft werden zu können. Nun ja. Bei Gelegenheit erzähle ich Euch mal von der lustigen Fasswein-Kellnerin (Tita, weißt Du noch?) oder der antialkoholischen Bedienung (Elke, weißt Du noch?). Fragt einfach nach.
Am Abend – es ist ja auf jeder Reise immer wieder eine Herausforderung – musste ich mir ein schönes Plätzchen zum Essen suchen. Da es nun dauerhaft regnete, bemühte ich ein einschlägiges „Empfehlungsportal“ und entschied mich für das Kartoffelhaus. Ich bekam mit Ach und Krach einen Tisch und hatte einen wunderbaren Abend mit thüringischem Mutzbraten, Seidenklößen, Rotkohl und einem kalten, frischen Bier aus einer Brauerei in Steinbach, ganz in der Nähe. Und ein Kartoffelschnäpsken, dass in der Knolle serviert wurde. Und supersympathischer Bedienung. Und so originell eingerichtet! Leute, das waren glatte 5 von 5 Sternen!
Ich wankte zum Auto, um mir aus meiner Kühlbox (Reiseprofi!) einen Wein zu angeln, begab mich auf mein Zimmer und vollendete diesen Bericht, den ihr jetzt quasi in den Händen haltet. Superschöner, interessanter erster Tag. Rumluthern macht definitiv Spaß und lässt tagsüber Pfunde purzeln, die man sich dann abends wieder anfressen kann.
Morgen geht’s nach Erfurt. Kommt Ihr mit?
Liebe Grüße, Euer
(also known as Juncker Jerald)
P.S.: Ihr wollt das schmale Haus sehen? Also, mit mir wäre das schon voll bewohnt:
P.P.S.: Hier der Autor bei einer seiner schwersten Aufgaben – das Testen der örtlichen Braukunst. Ich mache das alles nur für Euch!
Weiterhin viel Spaß, Junker Jerald 😉
Danke, lieber Forscher, fürs Mitreisen. Dein Wunsch hat sich erfüllt, es hat wirklich Spaß gemacht.