Lutherreise: Epilog

Ihr Lieben,

ich bin wieder hier, in meinem Revier…. Heute früh habe ich noch schnell das Goethe-Schiller-Denkmal besucht, das ist mir gestern völlig durchgegangen, lief einmal um das Schloss Belvedere herum und schaute mir auf fast halber Strecke noch Alsfeld an. Lutherstadt. Wer hätte es gedacht? War nett dort, zumal gerade ein Riesen-Tamtam gemacht wurde wegen irgendeines Laufereignisses.

Es hat die ganze Zeit abwechselnd geschüttet und klarte dann wieder auf. Ich hatte Glück, dass ich immer in eine Regenpause kam, wenn ich irgendwo aussteigen musste oder wollte.

Zahlen? 15 Städte, 7 Hotels, 6 mal Frühstücksei unterschiedlicher Qualität :-), zweieinhalb Tankfüllungen für knapp 1.400 Kilometer Strecke. Mehrere Biere und ein Mitbringsel, nämlich Spielkarten aus Altenburg. 1 sehr lieben Freund getroffen. Ca. 20 Parktickets und fast ebenso viele Eintrittskarten (und man nimmt gerne viel und auch gerne noch mal extra für eine Fotografiererlaubnis). Zwei Stadtführungen. 7 Brötchen, die allesamt total lecker waren. Wieso bekomme ich im Rheinland nicht so gute Qualität?

Rangfolge der Städte:
1. Platz: Erfurt, Weimar, Wittenberg
2. Platz: Alsfeld, Eisenach, Gotha, Marburg
3. Platz: Gera, Halle, Leipzig, Torgau
Der Rest hat es nicht ganz aufs Treppchen geschafft.

Würde ich die Luther-Reise wieder machen? UNBEDINGT! Ich würde mir aber mehr Zeit in den topplatzierten Städten nehmen und z.B. Eisleben und Mansfeld maximal für je 30 Minuten anfahren (es sei denn, man möchte in das beste Hotel der Reise :-))

Und was kommt jetzt? Ein kleine Kurzreise über das letzte Septemberwochenende vielleicht, am 8. Oktober ein Tagesausflug in die Niederlande (unsere Bilder sind bereit zum Abholen) und im Dezember zum Relaxen auf die Kanaren.

Schön, dass Ihr dabei wart. Bleibt gesund und munter und immer neugierig!

Euer

Tag 7: Gera, Jena, Weimar

Ihr Lieben!

Reformation, Reformation, Reformation, überall! Auch in Gera, Jena, Weimar. Aber ganz ehrlich, jetzt hat es sich ausgeluthert. Jetzt ist mehr Lotte als Luther angesagt. Aber wie üblich von vorne…

Ich gehe davon aus dass ihr ausführlichst über mein Frühstücksei… Wie, nein? Also wirklich. Nee, jetzt braucht ihr auch nicht betteln.

Mein erster Halt galt den „roten Spitzen“, die hatten wir gestern in Altenburg nicht mehr geschafft. Die roten Spitzen sind das Wahrzeichen von Altenburg, was sich mir nicht ganz erschließt. Altenburg verfügt über ein Schloss in der Größe von 3000 Fußballfeldern und wählt als Wahrzeichen einen Doppelturm mit unterschiedlichen Mützen auf. Wenn das nicht mal Understatement ist.

Weiter ging es nach Gera, wo ich ziellos durch die Altstadt streunte. Das Zentrum ist ganz nett, es ist eine typische mitteldeutsche Stadt, alte und neue Bausubstanz wild durcheinander gemischt. Auch hier einiges an Leerstand und einiges dem Verfall preisgegeben. Gestern bei der Stadtrundfahrt in Leipzig habe ich aber gelernt, dass das nicht unbedingt mit Spekulation zu tun haben muss, sondern dass oft die Eigentumsverhältnisse völlig ungeklärt sind. Auch nicht besonders in Schuss ist das bei Gera liegendes Schloss Osterfels, das ich danach ansteuerte. Aber man hat einen sehr schönen Ausblick über die Weiße Elster hinweg nach Gera.

Da das Wetter immer unbeständiger wurde, es regnete dauernd, ließ ich eine ausführliche Besichtigung von Jena aus und entschied mich stattdessen, dort nur das Gartenhaus von Schiller zu besuchen. Das war ganz hübsch. Ich möchte auch einen Gartenhäuschen! Mit Bediensteten und Köchen und einem Gärtner.

Das letzte Ziel meiner Reise, Weimar! Einfach nur schön! Obwohl ich im Regen ankam. Ich fuhr sofort in ein Parkhaus beim Goethehaus, denn was kann man bei Regen Besseres tun, als ein Museum zu besuchen? Jetzt ist es ja so, viele dieser Museen, das Bachhaus, die Lutherstube, das Goethe-Wohnhaus, Schillers Gartenhaus… es sind ja mehr oder weniger Museen, die überhaupt nicht darstellen, wie unsere Komponisten, Dichter und Denker gelebt haben. Ich möchte auf jeden Fall nicht glauben, dass Luther von sich selbst 300 Büsten in seiner Wohnstatt aufgestellt hat. Aber wie ich schon zum Bachhaus in Eisleben bemerkte, es ist schon etwas Besonderes, den Fußstapfen dieser berühmten Personen zu folgen. Und ganz unlehrreich sind die Besuche ja nun auch nicht.

Inzwischen war die Sonne wieder durchgekommen, daher entschloss ich mich zu einem kleinen Stadtrundgang. Ich kam am Schillerhaus vorbei, lief über den Rathausmarkt, besuchte die Bastille – wo ich erfuhr, dass Johann Sebastian Bach einmal vier Wochen wegen Halsstarrigkeit eine Haftstrafe absitzen musste, der alte Schlingel – erkundete den Schlosshof, und wollte anschließend die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek besichtigen. Man beschied mir, dass die Führungen und Einzelbesuchstermine bis morgen Mittag ausgebucht seien. Das gibt ja Anlass zur Hoffnung, dass unser Volk doch nicht vollkommen verblödet ist. Ach herrje, das ist jetzt aber gerade sehr selbstgefällig. 🙂

Ich suchte mein Hotel auf, wo ich nicht das Zimmer bekam, dass ich eigentlich bestellt hatte, aber in diesem Fall erwies sich das als gut, da das Zimmer womöglich kleiner ist, aber ich jetzt kein Etagenbett in meinem Raum stehen habe. Das Hotel ist ganz in Ordnung und liegt relativ zentrumsnah. Von dort aus lief ich durch den Park an der Ilm zu Goethes Gartenhaus. Dabei passierte ich das sogenannte römische Haus.

Just, als ich die Sonnenblumen, die Goethe wahrscheinlich noch selbst von Hand gepflanzt hat, bewundert habe, rief ein Redakteur von WDR an, ich möge doch am Montag in die Lokalzeit kommen, um über unsere Bürgerinitiative zu berichten. Ach du jeh!!! Das ist ja nun leider so gar nicht meins. Ich werde versuchen, jemand anders aus der Initiative dafür zu gewinnen. Aber wenn ihr Pech habt, dann könnt ihr mich nächsten Montag im Fernsehen bewundern. Schreckliche Aussicht!

Ein Bier war dringend von Nöten, das nahm ich im schwarzen Bären am Rathausplatz ein. Dieses Wirtshaus soll das älteste am Markt sein, und datiert zurück auf 1540. Dafür schmeckte das Bier erstaunlich frisch. Hatte ich schon erwähnt, dass ich immer versuche, lokale Biere zu trinken? In manchen Gegenden Deutschlands sollte man dies tunlichst sein lassen. Aber hier in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt war nicht eine einzige Verirrung dabei. Alles sehr süffig, alles sehr bekömmlich, alles sehr lecker.

Derart gestärkt erlief ich mir noch die Wielandstatue, das Liszt-Haus, die Bauhaus-Universität, den alten Friedhof mit der Fürstengruft, wo auch die mehr oder weniger bestückten Särge unserer beiden Dichterfürsten Johnny und Freddy stehen. Ja, in Schillers Sarg lag wohl kein Schiller. Zu guter letzt, bevor ich mir im Restaurant „36 Pho Co“ einen vietnamesischen Burger gönnte, sah ich mir noch die Stadtkirche Peter und Paul an, vor der das Herder-Denkmal steht.

Was Luther angeht, fühle ich mich jetzt fit für „Der große Preis“, ältere Semester erinnern sich noch an Wum und Wendelin und Thööööölke? Aber es ist jetzt auch gut mit großer Kultur. Morgen freue ich mich auf mein Zuhause und werde den ganzen Sonntag NIX und WIEDERNIX machen. Herrlich! Auf dem Weg nach Hause werde ich möglicherweise noch ein oder zwei Besichtigungspausen machen und morgen Abend dazu und über die Reise insgesamt noch einen kleinen Epilog verfassen. Aber dennoch möchte ich mich schon jetzt verabschieden und herzlichen Dank für Eure Begleitung sagen!

Ich hoffe, diese kleine Reiseschilderung war Euch nicht zu datenlastig und ich freue mich, wenn Ihr bei meiner nächsten Reise wieder dabei wärt.

Alles Liebe, Euer Gerry

Wollen wir Wein, wie weiland Wieland?

Tag 6: Leipzig und Altenburg

Ihr Lieben!

Wieder einmal gab es keine Rührei… und ja, ich bin besessen! Aber dafür hatte ich wieder ein verhältnismäßig großes Zimmer und die schlechten Bewertungen trotz derer ich das Zimmer buchte, konnte ich nicht nachvollziehen. Ich war zufrieden.

Tagesordnungspunkt 1 heute war die Leipziger Stadtführung ab der Touristen-Information. Unser Stadtführer hat das wirklich sehr gut gemacht, wir liefen erst eine knappe Stunde durch die Innenstadt, um dann mit dem Bus noch anderthalb Stunden lang auch entferntere Ziele zu besichtigen. Wir lernten sehr viel über die Messestadt Leipzig, Stichwort Mustermesse, über den radikalen Stadtkernabriss Anfang des 20. Jahrhunderts, der dafür sorgte, dass kaum ein barockes, klassizistisches, geschweige denn Renaissancegebäude stehen geblieben ist und so einiges mehr. Dafür gibt es jetzt sehr viele Gründerzeitbauten, und Leipzig strahlt einen hanseatischen Charakter aus, da trotz der großflächigen Zerstörung im Krieg einiges stehenblieb und zerstörte Gebäude wieder rekonstruktiv aufgebaut wurden. Es ist eine ganz angenehme Stadt. Eine solche Stadtführung ist auf jeden Fall jedem zu empfehlen, man bekommt einen guten ersten Einblick, der weit über das Innenstadtzentrum hinaus auch in die Vororte gewährt wird. Sogar das Völkerschlachtdenkmal wurde angefahren.

Nach Beendigung der Stadtführung eilte ich zum Café Central, wo mein Freund Matthias schon auf mich wartete. Wir wollten zusammen nach Altenburg fahren, der nächsten Station auf der Lutherreise.
Luther hat hier sehr oft gepredigt, und sein guter Freund Georg Burkhardt, der sich selbst den Namen Spalatin gab, hat Altenburg quasi reformiert.

Unser erster Halt galt unserem Hotel, von dem wir nicht wussten, ob es über unsere Zimmerbuchungen informiert war, denn ich bekam keine Antwort auf meine Anfragen, und als ich das Hotel noch einmal wegen der Parkplatzsituation anschauen wollte, teilte mir das Buchungsportal mit, dass das Hotel nicht mehr angeboten wird. Wir waren sehr erleichtert, dass wir herzlich willkommen wurden. Die Maisonette-Wohneinheit ist groß, sehr liebevoll, wenn auch nicht nach unserem Geschmack eingerichtet, aber wir fühlen uns wohl hier.

Wir liefen zum Schloss. Das Altenburger Schloss ist riesig. Der Altenburger Adel spielte eine wichtige Rolle in der Region und hat maßgeblich dazu beigetragen, die Regionsgrenzen so zu formen wie sie jetzt sind. Hier wurde 1820 auch das Kartenspiel Skat erfunden. Im Schloss gibt es ein entsprechendes Spielkartenmuseum. Das besuchten wir, zudem auch eine Ausstellung über den Umgang mit Tod an den ernestinischen und albertinischen Höfen sowie die herzoglichen bzw. kurfürstlichen Gemächer.

Wir liefen an der Bartholomäikirche vorbei, in der – wie könnte es anders sein – Luther gepredigt hatte, bestaunten die vielen denkmalgeschützten Häuser und suchten unseren Weg zum Marktplatz, um unseren Hopfenpegel auszugleichen. Wir wurden im Ratskeller fündig. Über den sehr schönen Rathausmarkt liefen wir dann zur Brüderkirche, um das Glockenspiel anzuhören. Wir streunten weiter ziellos durch den Ort, um dann ein schönes Restaurant zur erreichen, in dem wir dann auch gut gegessen haben. Ich hatte thüringischen Rostbrätel. Lecker.

Wieder in unserer Wohnung angekommen plauderten wir noch über dies und das und dann war es auch Zeit, mit diesem Bericht anzufangen. Matthias muss morgen früh sehr früh zum Bahnhof, ich werde mir noch die roten Spitzen (das Wahrzeichen von Altenburg), ansehen, um dann weiter zu meiner letzten Station der Reise, nach Weimar zu fahren. Da wird es dann nicht mehr nur um Luther gehen, denn die Stadt hat ganz andere berühmte Söhne und Töchter. Bis morgen also, wenn ihr mögt.

Liebe Grüße, euer Gerry

Tag 5: Torgau und Leipzig

Ihr Lieben!

Am späten Abend rumorte es in der Gemeinschaftsküche. Als ich mir meinen Wein aus meinem Kühlschrankfach abholte, stolperte ich eine riesige Gruppe fremdländischer Menschen, die dort gemeinsam ein Abendessen zubereitete. Als ich einen guten Abend wünschte und sie meiner gewahr wurden, schauten sie dermaßen verschreckt, ich bin froh dass niemand ein Tintenfass nach mir geworfen hat. Dieses Cranach-Haus gefällt mir ganz gut. Es ist relativ einfach, hat aber viel Charme, auch dadurch, dass es als Begegnungsstätte international besucht ist.

Beim Besuch des Lutherhauses war ich fast alleine, das war eigentlich sehr schön, denn so konnte ich alles genau anschauen, ohne im Weg zu stehen oder warten zu müssen. Hier ist natürlich Luther satt. Es gibt gefühlte 50.000 Gemälde und 20.000 Büsten. Dazu Bildnisse von allerlei anderen Theologen, Landesherren, Mitgliedern der Universität und so weiter und so fort. Als einzige Frau war Katharina von Bora vertreten. Jedenfalls soweit ich das beobachten konnte. Dann die Lutherstube, das bekannte Portal, die Handschriften… Definitiv ein Muss auf einer Lutherreise!

Weiter ging es nach Torgau, wo Luther, Bugenhagen, Melanchthon, Jonas und andere die sogenannten Torgauer Artikel veröffentlichten, die in das Augsburger Bekenntnis mündeten. Torgau ist gleichzeitig die Geburtsstätte Friedrichs, des Weisen, als auch die Grablegungsstätte der Katharina von Bora.

Mein erster Halt hier war Schloss Hartenfels, welches nicht nur eine von Luther geweihte Schlosskirche aufweist, sondern im dritten Reich auch das Reichskriegsgericht beherbergte. Es ist laut Wikipedia „das größte vollständig erhaltene Schloss der Frührenaissance Deutschlands“. Und wer DEFA-Filme mag: Hier wurde „Dornröschen“ gedreht. Ich erklomm die gefühlten 5.000 Stufen des Hausmannsturms, es sind natürlich nur 164, um auf einer 5 cm breiten Austrittsplattform wegen der Anstrengung reanimiert zu werden, wieder in Ohnmacht zu fallen, diesmal wegen des Höhenkollaps, um dann einen wunderbaren Ausblick zu genießen. Warum tue ich mir solche Sachen eigentlich immer wieder an? Es ist und bleibt ein Mysterium.

Im Graben des Schlosses werden übrigens Bären gehalten. Wahrscheinlich auch nicht schlechter als im Zoo, aber irgendwie sitzen die ja ewig auf diesem kleinen Areal fest.

Die Stadtkirche St. Marien bewahrt die sterblichen Überreste der Katharina von Bora, von ihrem Mann liebevoll „Herr Käthe“ genannt. Sie floh zum wiederholten Male aus Wittenberg vor der Pest und starb sechs Jahre nach ihrem Mann in Torgau. Als einziger Besucher der Kirche bekam ich eine kleine Privatführung vom Aufpasser, der mir geduldig sehr viele Dinge erklärte, so z.B. warum man nicht weiß, wo genau Katharina von Bora begraben liegt; das lag an vandalisierenden napoleonischen Soldaten. Er erklärte einige kunstgeschichtlich wichtige Objekte in der Kirche, zeigte mir noch das Grab von Sophie von Mecklenburg und erzählte mir von Berichten seiner Großmutter über die schrecklichen Geschehnisse während der NS-Zeit. Torgau war berüchtigt für die Brutalität, mit der Häftlinge behandelt wurden. Ein düsteres Kapitel der Stadtgeschichte.

Torgau verfügt auch über eine wundervolle kleine Altstadt, die musste ich natürlich auch besuchen. Auch hier ist wieder der Rathausplatz besonders sehenswert. Der Besuch von Torgau hat mir sehr gut gefallen.

Weiter ging es nach Leipzig. Luther war dort nach einer theologischen Disputation, die dem Herzog Georg nicht behagte, nicht mehr gern gesehen. Aber Leipzig war Handelsmetropole und eines der Zentren der Buchdruckkunst. Von hier aus verbreiteten sich seine Schriften rasant. Sein Widersacher, der Ablasshändler und Dominkanermönch Tetzel hatte sein Grab in der Paulinerkirche, die aber Ende der sechziger Jahre durch das DDR-Regime gesprengt wurde. Ob Tetzel vorher umgebettet wurde, entzieht sich jetzt meiner Kenntnis. Aber vielleicht hat er sich ja selbst einen Ablassbrief gegönnt und ist so zumindest dem himmlischen Fegefeuer entkommen.

In Leipzig kam ich etwas später an als geplant, so dass ich meinen Schlüssel fürs Hotel aus einer Box holen musste. Ich musste allerdings auch mindestens 30 Minuten durch die Straßen kurven, um einen Parkplatz in der Nähe des Hotels zu finden. Vielleicht hätte ich einfach in den sauren Apfel beißen und einen Parkhausplatz für zwei Tage bezahlen müssen. Naja, so stehe ich halt zwei Blocks weiter.

Nach kurzer Rast lief ich auf gut Glück in die Innenstadt und schaute mit das ein oder andere an. Neues Rathaus, altes Rathaus, Thomaskirche, Auerbachs Keller…

Da ich aber für morgen früh eine Stadtführung gebucht habe, lasse ich es dann für heute auch gut sein, und trödele mich so in den Abend hinein. Ehrlich gesagt, es ist ja nach gewisser Zeit bei einer solchen Reise auch der Punkt erreicht, wo man vom Sightseeing die Schnauze gestrichen voll hat. Diesen Punkt habe ich scheinbar heute Mittag erreicht. Es gab vor langer Zeit im Stern mal einen Cartoon von, ich meine es sei Neugebauer gewesen, der den Untertitel trug „Es hat sich ausgekathedrahlt!“. Morgen Mittag treffe ich mich nach der Führung dann mit Matthias, und wir werden zusammen nach Altenburg fahren. Fahrt ihr weiter mit?

Liebe Grüße, Euer Gerry

Tierbilder erhöhen bekanntlicherweise die Klickzahl

Tag 4: Halle an der Saale und Wittenberg

Ihr Lieben!

Was für ein wunderbares Hotel das war. Wenn es Euch je nach Eisleben verschlägt: Graf von Mansfeld. Vorzugsweise eine der Suiten. Nur das Rührei war irgendwie… jaja, ich weiß, ich bin davon besessen. Ich hör ja schon auf.

Wittenberg! Schlosskirche! Das ist wie Amerika, das ist wie Buchdruck, das ist wie Kartoffel! Das hat unser Leben verändert. Klar, in Polen werden mehr Kartoffeln pro Kopf verzehrt als hier und es soll immer noch Katholiken geben. Und was Amerika und Bücher angeht, läuft ja auch gerade einiges nicht rund, gelle? Aber von vorne:

Leider sah es mit dem Wetter nicht besonders gut aus, die Biker hatten beim Frühstück alle ein langes Gesicht. Man beruhigte uns, es würde im Laufe des Tages besser. Und so war es dann auch. Kurz vor vor meinem ersten Stop klarte es deutlich auf.

Halle an der Saale. Was hat unser Reformator hier getrieben? Wenig eigentlich. Nicht er, sondern einer seiner mächtigsten Gegenspieler residierte hier: Kardinal Albrecht von Brandenburg. Er war einer der größten Nutznießer des Ablasshandels. Er hatte es halt gerne prächtig. Kommt ja auch in den besten Familien, z.B. am Bischofssitz in Limburg oder dem Sitz des RBB in Berlin, vor. Zudem wohnte in Halle ein Freund Luthers, Justus Jonas, in der Schmeerstraße 2. Na, wer horcht noch auf? Justus Jupiter Jonas heißt der Chef der 3 ???. Ob sich der amerikanische Autor Robert Arthur bei der Namensfindung etwa von der deutschen Reformationsgeschichte hat inspirieren lassen? Eher unwahrscheinlich, denn im Original heißt der junge Jonas nur Jupiter.
Ja, und Luther hat dann auch noch – nachdem Albrecht aus der Stadt vertrieben worden war – gegen Ende seines Lebens mehrmals hier gepredigt.

Und ich? Ich kurvte erst einmal durch Halle, das durch seine stellenweise extravagante Verkehrsführung auffällt, um am Händel-Carrée zu parken. Und dann liegt eigentlich alles in Fußweite, was man sehen möchte. Halle ist im Krieg schwerer beschädigt worden als Erfurt, das fast gänzlich von Bomben verschont blieb. Aber es gibt noch etliche interessante Gebäude. Halle wirkt auch wieder viel geschäftiger. Ich lief am Händel-Haus vorbei – DEM großen Sohn der Stadt, Hallelujah! -, bestaunte die eigenartige Architektur des Halleschen Doms (es könnte von außen, wenn die Kirchenfenster nicht wären, auch der Sitz der Halleschen Turbinen-Fabrik KG&Co. aus 1894 sein), besuchte eine sonderliche Ausstellung mit dem Namen „Weltall-Erde-Mensch“ mit sehr exzentrischen Exponaten im Hof der Neuen Residenz und beendete meinen Rundgang an der Moritzburg. Dieses Museum beherbergt u.a. moderne Kunst. Hat mich gereizt, aber die Zeit, die Zeit. Insgesamt habe ich schlicht zu viel Aktion und zu wenig Zeit geplant.

Ich lief am Wilhelm-Friedemann-Bach-Haus vorbei zum Hallmarkt und Markt, wo sich die Marktkirche befindet. In dieser viertürmigen Kirche bewahrt man die Totenmaske Luthers auf. Ich fragte die Dame am Informationsschalter danach und sie wollte mir die Sakristei dafür sogar aufschließen, damit ich nah herangehen hätte können, aber eine Schulklasse war im Weg. Ob ich Zeit hätte? Hah! Ich begnügte mich daher mit einem Blick durch das Sakristeifenster. Ein Funfact ist, dass man früher die Totenmaske dazu benutzt hat, um Luther wie in einem Wachsfigurenkabinett auszustellen. Mit Hut auf, Glasaugen und Talar. Irgendwann merkte man wohl, dass das nicht angemessen war und unterließ es. Den fünften Turm des Marktplatzensembles bildet dann der rote Turm, alles zusammen dann das Wahrzeichen Halles. Mit einem letzten Blick auf die Händel-Statue auf dem Markt, die eine Regenbogenbrillebrille trug, verabschiedete ich mich von Halle und nahm Kurs auf Wittenberg.

Was Wittenberg mit Luther zu tun hat, muss meines Erachtens niemandem mehr erklärt werden. Er zog 1511 in das dortige Augustinerkloster und lebte quasi den Rest seines Lebens dort, selbst als das Kloster aufgelassen wurde, später auch zusammen mit seiner Frau, Katharina von Bora, die mit Leidensgefährtinnen aus einem Kloster bei Grimma mithilfe Ḷuthers nach Wittenberg floh. 1525 heirateten die beiden, ein ketzerischer Mönch und eine entlaufene Nonne. Skandal! Bild und Bunte hätten sich nicht mehr eingekriegt. Kurz, ich verweise auch auf die ausreichend vorhandene Literatur, Luther hat den zentralen Teil seines Lebens hier verbracht und mit dem Thesenversand (die Hammer- und Nagel-Geschichte am Schlosskirchentor ist fraglich) im Jahre 1517 die lutherische Reformation eingeleitet. Unwillentlich eigentlich, er suchte nur die theologische Disputation und konnte nicht ahnen, dass seine lateinischen Thesen übersetzt und gedruckt wurden und sich wie ein Lauffeuer verbreiteten.

Ich war anfangs, bei Ankunft in Wittenberg, etwas skeptisch. Aber die Stadt ist sehr weitläufig und wenn man dann in das historische Zentrum kommt… es ist einfach wunderschön! Der Rathausplatz und die Schlossstraße erstrahlen in renovierter bzw. sanierter Pracht, überall kann man sich draußen hinsetzen, die Kirchen sind mehr als sehenswert, überall schreit es Kultur, Kultur, Kultur! Heute sah ich mir die Marienkirche und die Schlosskirche an – Cranach-Altäre, Thesentür, Luthers und Melanchthons Gräber – und machte einen Rundgang durch die Altstadt. Ich liebe es hier!

Die Thesentür – nicht das Original aus 1517.

Der Schlosskirchenturm ist übrigens monströs. Er könnte gut für den Wohnsitz eines bösen Zauberers für eine Herr-der-Ringe-Fortsetzung herhalten. Es könnte aber auch eine außerirdische Rakete sein. Wie kann das eigentlich sein, dass ich weiß, wie das Tadsch-Mahal aussieht, ich aber zum ersten Mal die berühmte Schlosskirche sah?

Ich nahm übrigens Logis im Hotel Cranach-Herberge. Yep! Da wo der Meister gepinselt hat. Die Cranachs sind eine bemerkenswerte Künstlerfamilie und wenn man dann an deren Wirkstätte sein Haupt bettet, umweht einen ein gänsehauterzeugender Wind der Geschichte. Also wohne ich auch noch in einer Sehenswürdigkeit. Die Suite ist zwar keine richtige Suite, aber geschenkt.

Mein erstes Bierchen (alles nur für die Forschung!) nahm ich dann am Rathausmarkt, um dann noch am Melanchthon-Haus vorbei zur Luthereiche zu laufen. An diesem Ort hat Maddin u.a. die päpstliche Bulle „Exsurge Domine“ verbrannt, in der er unter Androhung der Exkommunikation aufgefordert wurde, seine Thesen zu widerrufen. Das Lutherhaus (und ehemaliges Kloster) hebe ich mir für morgen auf, das will ich ausgiebig besuchen.

Am Abend besuchte ich die laut Eigenwerbung einzig lokale Brauerei, um dort im Innenhof zu essen. Ein halbes Dutzend Menschen saß da ungefüttert und ungetränkt herum. Eine tapfere Dame ging dann rein, kam wieder raus und verkündete, draußen würde nicht bedient. Ich ließ mich also etwas weiter bei einem Italiener nieder, der sich als halber Grieche herausstellte, was für eine schöne Überraschung! So konnte ich einen Grillteller mit Tzatziki und Pommes bestellen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, denn mir blieb ja nichts anderes übrig. Irgendeine höhere Macht musste da ihre Finger im Spiel gehabt haben.

Also, Wittenberg hat den Punktewert der Reise enorm hochgepusht. Hatte ich an irgendeiner Stelle schon erwähnt, wie schön ich es hier finde? Wie denn der Punktewert ist, fragt ihr euch? Das verrate ich euch dann ganz am Schluss der Reise.

Sehen wir uns morgen in Torgau und in Leipzig?
Liebe Grüße, Euer Gerry

Tag 3: Mansfeld und Eisleben

Ihr Lieben!

Bevor wir weiterreisen, muss ich noch etwas über das Hotel erzählen. Mich hat erstens gewundert, dass das Zimmer so groß war. Beim Reinspinxen in andere Zimmer bemerkte ich, das die viel kleiner waren. Die Lösung: ich hatte ein barrierefreies bekommen. Ob es an meinen schönen blauen Augen lag oder ob ich so gebrechlich wirkte… Wir werden es nie erfahren. Zum zweiten gab es beim Frühstück kein Rührei. Eigentlich eine Katastrophe! Aber dafür konnte man seinen Kaffee aus Spezialitätenautomaten ziehen und eine „Pan Cake Machine“ war die Attraktion bei den Kindern. Und alles andere stimmte auch, da sehe ich gnädig über das fehlende Rührei hinweg.

Ich fuhr aus Zeitgründen mit der Straßenbahn noch einmal zum Augustinerkloster und zahlte ein Heidengeld, um die blöde Zelle doch noch sehen zu können. Immerhin reichte es noch für einmal den Kreuzgang entlang flanieren und die Besichtigung des Renaissancehofes des Klosters. Der ist sehr hübsch.

Und dann musste ich zur Stadtführung eilen. Und Google Maps hat mich wieder so in die Irre geführt, dass ich völlig aufgelöst auf die letzte Sekunde den Treffpunkt am Till-Eulenspiegel-Denkmal erreichte. Die Stadtführerin war super, aber leider zog sich alles wegen der recht großen Gruppe wie Haferschleim und 90 % der Dinge hatte ich gestern schon gesehen. So verabschiedete ich mich vor der Zeit und holte Cora vom Hotelparkplatz ab.

Wir brachen nach Mansfeld auf, wo Luther seine Kindheit verbrachte. Damals war die Stadt wesentlich bedeutender als z.B. Eisleben, war es doch der Sitz der Grafen von Mansfeld, die durch Bergbau und Handel unverschämt reich wurden. Luther kam schon ein Jahr nach seiner Geburt hierher, besuchte die Schule, war Ministrant in der St. Georg-Kirche. Auch später kam er immer wieder, um z.B. die Grafen bei juristischen Problemen zu beraten. Wenn ich mich recht erinnere, waren die Besitzungen von Luthers Eltern irgendwann veräußert oder verloren, aber Luthers Ehefrau Katharina von Bora kaufte sie später zurück und andere Güter auch noch dazu.

Unser erster Stopp war das Schloss der Grafen. Es wirkt ein bisschen baufällig, gefällt mir aber sehr gut. Es ist eine Jakobspilgerwegherberge und eine evangelische Tagungsstätte. Der Ausblick ist schön und die leicht verfallenen Gebäude versprühen einen morbiden Charme. Mansfeld selbst hat vom Soli vielleicht nicht so viel abbekommen. Es wirkt leider nicht so erblüht, wie andere Städte, die ich sah. Ein eher trister Ort. Direkt neben dem einigermaßen aufgehübschten Rathaus verfallen die Häuser. Unter anderem – wie sinnträchtig – der ehemalige Sitz der „Futura Finanz“ mit dem Slogan „Lebens. Werte. Zukunft“. Ich umrundete den Lutherbrunnen und versuchte dann, die Georgskirche zu entern. Ohne Erfolg. In Luthers Schulgebäude haust die Tourist-Info des Ortes. Als ich sie betrat, fielen die beiden dort verweilenden Damen vor Schreck fast in Ohnmacht. Wahrscheinlich war ich schon der zweite Besucher dieses Jahr. Wie ich denn in die Kirche käme, wollte ich wissen. Montags und Donnerstags gar nicht, wurde mir beschieden. Ich guckte mir noch das Elternhaus an (gegenüber ein Luthermuseum in einem Betonalptraum, das den Bachhausannex wie das Sydney Opera House wirken lässt) und verließ Mansfeld ein wenig deprimiert.

Ich musste dringend tanken. „Google, tanken!“. „Okay – folge meinen Anweisungen!“. Angekommen stellte sich heraus, dass es eine betriebseigene Zapfsäule war, für die man eine Tankkarte brauchte. „Google, ich muss wirklich dringend tanken!“ – „Okay, hier lang!…. Shell liegt direkt vor Ihnen!“. Nein, tat es nicht. „Google, ich werde langsam sauer. Und ich lösche Dich!“. – „Da gibt es irgendwo eine Star-Tankstelle….“. Ich hatte noch eine Reserve für 10 Kilometer. Gottseidank gab es dann diese Tanke. Tipp des Tages: Immer mal wieder zwischentanken. Notiz des Tages an mich: Unbedingt eine vernünftige Navi-App kaufen! Hat jemand einen Tipp?

Weiter ging es nach Eisleben. Geburts- und Sterbestadt Luthers. Am 10.11.1483 geboren, wurde Martin am 11.11. desselben Jahres nicht etwa auf den Namen Prinz Karneval, sondern auf den Namensheiligen des Tages, Martin von Tours, getauft. Kölner verwechseln da zuweilen mal was. Sein Todestag war der 28.02.1546 und er starb nur zufällig in seinem Geburtsort, weil er (mal wieder) bei Streitigkeiten im Hause Mansfeld schlichten sollte. Ich wohnte ja auch mal mit einer Familie gleichen Namens in einem Haus, aber ich musste keinen Streit schlichten, sondern nur ab und zu dem Sohn etwas Nachhilfe geben, ich erhielt dafür 1 Taler und 2 Groschen pro Jahr.

Wo Luther – übrigens als Martinus Luder, er änderte seinen Namen später, möglicherweise um an das griechische Wort eleutheria (Freiheit) zu erinnern und weil „Luder“ zudem damals eine noch schlimmere Bedeutung als heute hatte – geboren wurde, scheint unstrittig. Aber starb er wirklich im sogenannten Sterbehaus? Ich wohne im Hotel Graf Mansfeld und Quellen nennen diesen Ort (nicht das Haus, lange Geschichte) als Ort des Todes Luthers. Es gibt da vom MDR einen Artikel zu, der das nett erklärt. Irrtum schildbürgerhafter Qualität.

Das Hotel ist sehr schön, ich habe eine antik angehauchte Suite, es liegt super zentral (ich gucke auf das Lutherdenkmal), im Innenhof kann man prima draußen ein Lutherbier süppeln und gutbürgerliche Küche genießen. Nur zum hoteleigenen Parkplatz zu kommen, war eine Herausforderung, denn es gibt ohnehin schon viele Einbahnstraßen und davon sind etliche wegen der Vorbereitung des „größten Festes Mitteldeutschlands“, des Eisleber Wiesenmarkts, gesperrt. Zudem jährt sich dieses Event heuer zum 500sten Mal und wird entsprechend ausufernd geplant.

Eisleben an sich ist um diesen Luthergedenkplatz herum sehr nett, aber dahinter sieht es eher mau aus. Mal eben draußen sitzen, ein Bier süppeln? Fehlanzeige. In Fußweite nur in einem Eiscafé möglich. Eine schöne Altstadt zum Bestaunen? Fehlanzeige. Leider ist es hier wieder ein wenig zu leblos.Naja, das wird sich ja vielleicht am kommenden Wochenende ändern. Eine Herausforderung war es, die Lutherhäuser zu finden. Die Beschilderung ist verwirrend. Eine Handvoll Touristen irrte umher, alle mit dickem Fragezeichen im Gesicht. Mit zweien tat ich mich zusammen, um mit geballter Schwärmchenintelligenz die entsprechenden Stätten zu finden.

Ich ließ mich im Innenhof zu Lutherbier, auch Reformationsbier genannt – und das stimmt, es reformiert einen schon nach dem dritten Glas – und Würzfleisch mit Sauerkrautpuffern nieder und ließ so den Tag ausklingen. Während der Zeit kamen sehr viele Biker an, u.a. aus Dänemark und den Niederlanden. Es wird entweder fleißig geluthert oder die Landschaft hier ist für Biker sehr anziehend.

Am Abend defilierte an meinem Hotelfenster noch eine Gruppe Montagsdemonstranten vorbei, die „Wir sind das Volk“ krähte. Dazu wurde martialisch getrommelt und Russlandfahnen wurden geschwenkt. Wünscht man sich den Ostblock zurück oder was passiert hier? Eine weitere Fahne konnte ich nicht zuordnen, es würde mich aber nicht wundern, wenn es eine des Königreichs Deutschland gewesen wäre. Es wird ein heißer Herbst mit gut organisierten Schwurblern. Leider leiden Kritiker, die zurecht und in vernünftigem Ton Missstände anprangern, sehr unter solchen Schreihälsen!

Morgen geht es über Halle an der Saale weiter nach Wittenberg, wo ich plane, meinen Reisebericht an die Türen der Schlosskirche anzuschlagen. Seid Ihr wieder dabei?

Viele Grüße, Euer Gerry.

Tag 2: Gotha und Erfurt

Ihr Lieben!

Was bringt Menschen dazu, auf dem Hotelflur vor andrer Leuts Zimmern zu jauchzen, zu frohlocken und die Tage zu preisen, um mal mit Johann Sebastian Bach zu sprechen? Und das auch noch vor 8 Uhr früh, eine Viertelstunde lang, voller Inbrunst! Als ich merkte, dass die Damen sich von ihrem Platz vor meiner Tür nicht trennen konnten, beschloss ich, aufzustehen. Immerhin hatte ich ja wieder einiges vor. Bin ja froh, dass die Damen keine Kesselpauken dabei hatten.

Nach dem Frühstück checkte ich aus und brach erneut auf zum Bachhaus. Das hatte ich gestern nur von außen besichtigt, heute wollte ich das Museum entern. Leider war ich zu früh da, ich hatte nicht auf die Öffnungszeiten geachtet. Immerhin gab mir das Gelegenheit, eine vor der Bach-Statue verweilende Reisegruppe zu beobachten, deren Leiterin einen sogenannten“Ich weiß auch was und zwar besser!“-Mitreisenden nicht in den Griff zu kriegen schien. Das ist die Sorte Reisegruppenmitglied, die absurde Fragen stellt, sie dann selbst beantwortet, um zu zeigen, wie wahnsinnig belesen sie ist. Die bekloppteste Frage von ihm war „Hat Bach seinen Geburtstag nach gregorianischem oder julianischem Kalender gefeiert?“. Die Reiseführern scherzte dazu, aber mit sich steigendem aggressiven Unterton und die ganze Gruppe schien außerordentlich genervt. Verständlich.

Das Bachhaus selbst ist ganz interessant, verwinkelter Fachwerkbau mit einem monströsen modernen Betonannex, der wahrscheinlich auch noch einen Architekturpreis gewonnen hat. Bild müsst Ihr Euch selbst ergoogeln, ich wollte diesen… äh… Stilbruch nicht zeigen. Viele Instrumente sind ausgestellt, viele Bilder, viele Handschriften und Bücher, und aus allen Ecken und Winkeln tönen Bachs Kompositionen. Es gibt auch Live-Vorführungen in einem kleinen Konzertzimmer, aber dafür hätte ich noch zwei Stunden warten müssen. Diese Zeit hatte ich nicht. Alles sehr schön ausgedacht, aber: Zu wandeln, wo der Meister gewandelt ist, ist natürlich das Beeindruckendste an diesem Haus.

Kurz hatte ich überlegt, bei Bad Liebenstein den Glasbachgrund zu besuchen. Dort hatte unser weiser Fürst Friedrich unseren Reformator ja schein-entführen lassen. Aber für eine Gedenkstele einen Umweg von fast 40 Minuten zu fahren, erschien mir dann doch zu überkandidelt. Die ersparte Zeit hob ich mir dann für den Ort auf, wo Martin nach eigenem Bekunden fast vom Blitz getroffen wurde. Das scheint mir mystischer als die Stätte einer eine Fake-Entführung. Daher war mein nächster Halt erst einmal Gotha.

Martin Luther wollte ja schriftlichen Äußerungen zufolge in Gotha begraben sein. Dass das nicht geklappt hat, erfahren wir später auf der Reise noch, in Wittenberg. Aber was haben er und ich hier getrieben? Nun, als Karrierist in seinem Augustiner-Orden unterstanden Martin auch die entsprechenden Klöster der Umgebung. Daher visitierte er auch jenes in Gotha. Zudem hatte er Freunde dort und predigte das ein oder andere Mal in der Augustinerkirche.

Ja, und ich war angetan von einem Internetfoto der Stadtansicht und wusste, ich MUSS das auf Tintenfassteufelkommraus in die Lutherreise packen! Man kann ja alles in eine Lutherstadt verwandeln, wenn man will. „Der Bürgermeister hat seinen Zwergpudel ‚Martin‘ genannt.“

Mein erster Halt war Schloss Friedenstein, ein riesiger Komplex, der aber auch schon bessere Tage gesehen haben muss. Immerhin hängen schon Schilder, dass das Schloss saniert wird, nur wirkliche Arbeiten sieht man im Moment noch nicht. Heute ist eigentlich Tag des offenen Denkmals! Ich als kleiner Dummerle bin daher davon ausgegangen, dass der Eintritt zum Schloss und zum herzoglichen Museum frei sei. Hustepiepen. Ich verzichtete auf eine Besichtigung, da ich mir für mich persönlich nichts interessantes im Wert von 10 Euro davon versprach.

Anschließend lief ich in Gotha kreuz und quer herum und fand auch ohne Plan alle Sehenswürdigkeiten. Das ist nicht besonders schwer, sie hängen alle ziemlich dicht auf einem Haufen. Das Augustinerkloster, das Cranach-Haus, das Rathaus im wirklich wunderschönen Altstadtzentrum, die beeindruckende Brunnenanlage. Durch Zufall stieß ich auch auf ein Mohrenhaus, ich bin gespannt wie lange das noch so heißen darf. Alles in allem eine unglaublich sehenswerte und schmucke historische Innenstadt.

Ja, und dann ging es mit der ganzen ersparten Zeit zum Ort des Blitzeinschlags, wo, wie wir alle wissen, Luther gelobte, Mönch zu werden. Erstaunlich an der ganzen Geschichte ist, dass man wusste, wo man den Gedenkstein aufstellen sollte. Heute, klar, würde man sagen 200 m hinter dem Tierfriedhof, der sich 300 m hinter der Deponie befindet. Zu Luthers Zeiten war da aber vermutlich nichts. Überhaupt nichts! Absolut nichts! Verfügte Luther womöglich über Technologien, von denen wir nichts ahnen? Eine Art Vorgänger des GPS? Heute befinden sich an diesem sehr wichtigen Ort der Geschichte nahe Stotternheim der sogenannte Lutherstein sowie ein Picknickplatz. Letzteres hätte Luther – glaube ich – sehr gefallen.

In Erfurt suchte ich zuerst das Hotel auf. Ein sogenanntes Designhotel. Ich war eine Stunde zu früh, man schenkte mir aber eine eigentlich fällig gewordene Gebühr. Nett. Das Innere ist sehr modern und sehr, sehr bunt! Aber es gefällt mir gut. Diesmal wurde ich nicht von einer Horde amerikanischer Touristen begrüßt, sondern von einer Horde wild wütender Demonstranten vor dem nahegelegenen Bahnhof, die in ihren Wellensteyn-Jacken und Levis-Jeans gegen den Kaufkraftverlust anstänkerten.

Ich lief relativ ziellos durch Erfurt, fand aber auch hier viele bekannte Sehenswürdigkeiten durch Zufall. Morgen habe ich eine professionelle Stadtführung, daher habe ich mich nicht im Einzelnen mit den ganzen Bauten beschäftigt. Aber mir gefällt alles außerordentlich gut. Eine so hübsche Stadt und an jeder Ecke etwas zu entdecken. Zudem sprüht Erfurt nach den eher beschaulichen Orten Gotha und Eisenach vor Energie, die Menschen sind auf den Straßen, die Außengastronomie ist vielfältig und voll. Hier könnte man es gut ein paar Tage am Stück aushalten.

Auf dem Domplatz findet zur Zeit ein riesiges Weinfest statt. Mir war aber eher nach Bier, deswegen gönnte ich mir eines in der pittoresken Häuserzeile gegenüber dem berühmten Kirchenensemble. Derart gestärkt erklomm ich die Zitadelle, von der aus man einen fantastischen Blick über Erfurt hat. Da ich dadurch aber wieder geschwächt war, gab es da auch erstmal ein Bier.

Weiter ging es zum Augustinerkloster, um Luthers Zelle zu sehen. Ich war aber wohl zwei Biere zu spät, man hatte gerade abgeschlossen. Also mogelte ich mich zur Krämerbrücke durch. Nicht nur Florenz und Venedig haben bebaute Brücken, nee. Und die in Erfurt ist wohl auch die längste Europas.

Das Wetter hat sich übrigens im Laufe des Tages rapide gebessert, so dass ich alles in freundlichem Licht sehe. Aber auch bei schlechterem Wetter wäre ich von dieser Stadt mehr als beeindruckt. Wenn ich jetzt fies wäre, würde ich sagen, mein Soli ist gut angelegt worden. Wie ja viele ostdeutsche Innenstädte mit Wiederherstellung und Verschönerung glänzen dürfen. Aber auch das muss man ja erst einmal hinbekommen können. Jetzt bin ich fies und behaupte mal, dass Köln das nicht kann.

Aber was hat unser Martin hier in Erfurt eigentlich gemacht? Nun, er ging hier zu Universität. Ab 1501 nahm er hier das Vorbereitungsstudium für die Aufnahme in die Juristische Fakultät auf. Dass es nun doch eine andere Studienrichtung nehmen sollte, wissen wir ja inzwischen. Es gibt Biographen, die meinen, dass Luther den Blitzschlagsschwur nur getätigt haben soll, weil er keine Lust auf Juristerei hatte oder einer möglicherweise arrangierten Geldheirat durch seine Eltern entgehen wollte. Was ich als abgebrochener Jurist und als glücklicher Single durchaus nachvollziehen kann. Und Martin trat hier ins Kloster ein, wurde im Erfurter Dom zum Priester geweiht und stieg erstaunlich schnell in der Klosterhierarchie auf. Zeit seines Lebens kehrte Luther immer wieder hierher zurück.

Leute, warum habe ich mir eigentlich nicht meinen inzwischen wahrscheinlich verschimmelten Schrittzähler mitgenommen. Wo habe ich den überhaupt hinverräumt? Ich würde ja jeden Abend vor Stolz fast platzen! Was ich mir hier zusammenmarschiere. Zugegebenermaßen strengt mich das inzwischen zuweilen etwas an. Besonders bei bergauf. Aber ich merke auch, wie gut mir diese Bewegung tut. Ich beantrage ein Attest für Dauerreiserei mit Erlaufung der besuchten Stätten. Ich bräuchte 200 Euro pro Tag von der Kasse für Spesen (unquittiert) und gegen Nachweis dann sonstige Reisekostenerstattung.


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Am Abend hatte ich eigentlich vor, doch einmal auf das Weinfest zu gehen, aber ich war erst gegen 18 Uhr im Hotel, um mein Tagebuch zu schreiben und um 20 Uhr sollte am Domplatz Schicht im Schacht sein. Thüringen hat offensichtlich ein merkwürdiges Verhältnis zu Öffnungszeiten. Spät aufmachen, früh schließen. Hier möchte ich arbei…. Ach nee, ich will ja ein Reiserezept.

Kurzerhand beschloss ich, mir eine Thüringer Rostbratwurst auf die Hand zu holen und noch eine fürs Zimmer einpacken zu lassen. Fehlanzeige, kein entsprechender Imbissstand war geöffnet. So holte ich mir ein paar Kekse aus dem Auto. Jetzt klebt die Tastatur zwar nicht, aber hey, die Thüringer Wurst ist Weltkulturerbe oder so was. Die muss man doch auch nach 20 Uhr überall bekommen können!

Jetzt baldowere ich noch aus, wie es die nächsten Tage weitergehen soll und hoffe, Ihr seid wieder dabei.

Liebe Grüße, Euer Gerry

Der Bach, die olle Schnapsnase!

Tag 1: Marburg und Eisenach

Ihr Lieben!

Nachdem sich heute wieder der Dachdeckermeister angekündigt hatte – und zwar für 8 Uhr früh !!!!! – konnte ich meinen generalstabsmäßig geplanten Tagesbeginn nicht wie gewünscht durchführen. Der hätte zehnmal umdrehen beinhaltet. Aber die Balkonsanierung geht vor, daran wird auch während meiner Abwesenheit weiter gearbeitet. Aber das ermöglichte mir einen frühen Aufbruch Richtung Marburg, der ersten Station meiner Reise.

„Cora-Schatz, wir haben eine Woche Urlub!“ flötete ich meiner Weggefährtin beim Beladen zu. „Ja, Du vielleicht!“ schnippte sie zurück, „Ich muss ja fahren!“. Auf meine Anmerkung, dass ich ja auch irgendwie in den Fahrprozess eingebunden sei, und wir ja nun eine gaaaanz tolle Zeit vor uns hätten, seufzte sie nur.

Was hat denn Luther so in Marburg getrieben, fragt sich der neugierige Leser, gelle? Da fand das sogenannte Marburger Religionsgespräch statt, 1529 war das; zwischen den Lutheranern und progressiveren Reformationsgruppen herrschte Unklarheit über die Abendmahlsfrage. Außerdem hat unser Maddin hier mehrmals gepredigt, wenn er auf seinen vielen innerdeutschen Reisen hier mal einen Stopp eingelegt hatte.

Und der Gerry, was hat der so in Marburg gemacht? Ja nun, der ist erstmal zur Elisabethkirche gelaufen, dem ältesten rein gotischen Kirchenbau Deutschlands. Die Elsi war eine Heilige, die uns auf der Wartburg noch einmal begegnen wird. Sie wurde im Alter von 4 Jahren mit dem 11jährigen Ludwig von Thüringen verlobt und starb, verhärmt von einem entbehrungsreichen Leben, das sie Armen und Kranken widmete, bereits mit 24 Jahren.

Dann lief der Gerry zum Landgrafenschloss den Berg hoch. Gefühlte 1000 Höhenmeter auf 1 Km Strecke. Nach erfolgreicher Reanimation konnte er sich dann da umschauen. Schöne Ausblicke bieten sich da oben. Es hat zwar ein bisschen genieselt, aber bei Sonne hätte mich der Weg nach oben … Für runter dachte ich an einen Bus. Aber der Busfahrer erklärte mir, dass er nicht an der Altstadt vorbeikäme. Und obwohl er eigentlich hätte abfahren müssen, schleppte er mich noch zur Burgbrüstung und gestikulierte mir den Weg nach unten in die Altstadt. Ein netter Mensch!

Die Altstadt ist entzückend. Klar, viel Fachwerk, alles ein bisschen verwinkelt und einen schiefen Turm gibt es auch noch. Nämlich den der Lutherkirche. Die Läden in den Straßen sind noch besonders, nicht der übliche Einheitsbrei aus Handy- und Ein-Euro-Läden. Und an allen Ecken und Enden findet man interessante Fotomotive. Ich mag Marburg. Auch wenn es hie und da ein wenig sehr burschenschaftelt.

In strömendem Regen ging es dann gen Eisenach. Gottseidank klarte es vorher ein bisschen auf. Ich fuhr etwas länger als geplant, weil Google Maps anfing, zu spinnen, alle 30 Sekunden die Route neu berechnete und mich im Kreis fahren ließ. Ich nutzte meine andere Navi-App, die mich dann aus Marburg herauslotste. Leider sind – auch schon auf der Strecke nach Marburg – überall Baustellen und die Navi-App führte mich auch kilometerlang über Bundesstraßen, wo ich über einen Abschnitt von fast 20 Kilometern einem geriatrischen LKW (Durchschnittsgeschwindigkeit 15 km/h) hinterherdackeln musste, ohne die Chance, überholen zu können.

In Eisenach angekommen beschloss ich, direkt auf die Burg hochzufahren, da das Museum dort um 17 Uhr schließt. Und anders ist eine Besichtigung der Studierstube Luthers dort nicht möglich. Achja, der Maddin. Was hat der denn mit Eisenach zu tun? Nun, er ist dort ab 1498 zur Schule gegangen und wurde von Friedrich dem Weisen nach einer fingierten Entführung 1521/22 auf der Wartburg schutzinhaftiert. Der Papst hatte den Bann, der Kaiser die Reichsacht gegen den Ketzer Luther ausgesprochen. Quasi ein Todesurteil damals. Die Zeit der „Gefangenschaft“ nutzte Luther, damals aka Junker Jörg, zur Übersetzung des Neuen Testamentes ins Deutsche und gebrauchte dabei die Sprache des Volkes und nicht die der Gelehrten.

Und der Gerry? Ich habe die bestinvestiertesten 2 Euro Fuffzig meines Lebens ausgegeben, um mit dem Shuttle-Taxi vom Parkplatz auf die Burg hochzufahren. Der Fußweg ist zum Fürchten steil! Für eine Führung war ich zu spät und so erlief ich mir die Burg mittels einer Erklärbär-App. Die Burg ist natürlich quasi grundsaniert worden, aber Teile der alten Anlage sind immer noch sichtbar. Sie ist wirklich sehenswert und interessant. Highlights natürlich das reich verzierte Elisabeth-Zimmer (da isse wieder), der Sängersaal (mein Lieblingswort aus dem Wikipedia-Artikel dazu ist „Sangspruchgedichte“), der große Festsaal und – natürlich – die Lutherstube.

Es gibt ja Zweifel, ob Luther, warum auch immer – sei es, um den Teufel zu vertreiben, oder aus Verzweiflung über eine unübersetzbare griechische Stelle der Bibel – ein Tintenfass warf, aber der Fleck an der Wand wurde öfter erneuert. Auch soll sein Schreibtisch nachgebaut worden sein, weil Touristen Splitter davon mitnahmen, bis quasi das Möbel als solches nicht mehr zu erkennen war. Lutherreisende gab es nämlich schon im 16. Jahrhundert. Er wurde ja, was ihm einerseits gefallen, aber auch gleichzeitig angewidert hätte, wie ein Heiliger verehrt.

Auch der Blick von der Burg ist wundervoll. Ein Besuch lohnt sich wirklich. Auch wenn Parken, Eintritt, Fotografiererlaubnis, Shuttletaxigebühr etc. sich auf einen stattlichen, disneylandvergleichbaren Betrag summieren. Nun gut, das Schloss jeden Tag putzen zu müssen, ist ja auch nicht billig. Das Gerücht, dass in den Verliesen der Burg die Wartburg-KFZs gebaut wurden, erweist sich übrigens als unwahr, wenn man weiß, dass es keine Verliese gibt.

Weiter ging es zum Hotel, das zwar über einen eigenen Parkplatz verfügt, der aber beschrankt war. Ich kurvte ein bisschen rum und fand einen akzeptabel nahen Parkplatz, wo ich kostenfrei stehenbleiben kann. Dann der Schrecken. Kurz vor meinem Erreichen des Hotels spuckte ein Reisebus Tausende von amerikanischen Touristen aus, die dann alle vor mir an der Rezeption standen. PUH! Liebe Hoteliers: Reisegruppen bitte in der Hotelwäscherei abwickeln!

Das Zimmer ist ein Einzelzimmer, ich hatte zentrumsnah kein vernünftiges mehr bekommen, der Deutsche ist ja gerade reiseverrückt, und das besonders in nationaler Hinsicht. Dafür, dass es ein Deluxe-Zimmer sein soll ist es etwas „billig“, aber das Hotel ist ganz nett. Für 4 Sterne hätte ich mir aber einen Mini-Kühlschrank geünscht.

Ich machte mich kurz frisch und dann ging die Tour de force in Eisenach los: Lutherhaus, Bachhaus, Rathaus, schmales Haus, Nikolaikirche, Predigerkirche, Georgskirche. Das Lutherhaus ist eigentlich das „Cotta-Haus“, uns Maddin hat da als Schüler Obdach bei Ursula Cotta, der Frau des damaligen Bürgermeisters gefunden. In der Georgskirche hat Luther gepredigt und J.S.Bach wurde dort getauft. Die Familie Bach stellte über weit mehr als ein Jahrhundert die Organisten dort. In Köln würde man das Klüngel nennen.

Martin Luther und Johann Sebastian Bach sind sich übrigens Zeit ihres Lebens nie begegnet, obwohl beide so lange in dieser schönen Stadt lebten. Komisch, was? *zwinkersmiley*

Zurück im Hotel bestellte ich mir erst einmal ein lokales Pils. Man nimmt das so ernst hier mit der 7-Minuten-Regel, dass man die Zeit verdoppelt. Lecker. Halb abgestandenes Eisenacher Wartburg-Bier. Da ich der einzige Gast war, fragte ich nach 10 Minuten, was das Bier getan habe, um unter dem Zapfhahn verdorren zu müssen. Mir wurde beschieden, dass ein gutes Pils immer erst allen Schaum verloren haben müsse, um nachgezapft werden zu können. Nun ja. Bei Gelegenheit erzähle ich Euch mal von der lustigen Fasswein-Kellnerin (Tita, weißt Du noch?) oder der antialkoholischen Bedienung (Elke, weißt Du noch?). Fragt einfach nach.

Am Abend – es ist ja auf jeder Reise immer wieder eine Herausforderung – musste ich mir ein schönes Plätzchen zum Essen suchen. Da es nun dauerhaft regnete, bemühte ich ein einschlägiges „Empfehlungsportal“ und entschied mich für das Kartoffelhaus. Ich bekam mit Ach und Krach einen Tisch und hatte einen wunderbaren Abend mit thüringischem Mutzbraten, Seidenklößen, Rotkohl und einem kalten, frischen Bier aus einer Brauerei in Steinbach, ganz in der Nähe. Und ein Kartoffelschnäpsken, dass in der Knolle serviert wurde. Und supersympathischer Bedienung. Und so originell eingerichtet! Leute, das waren glatte 5 von 5 Sternen!

Ich wankte zum Auto, um mir aus meiner Kühlbox (Reiseprofi!) einen Wein zu angeln, begab mich auf mein Zimmer und vollendete diesen Bericht, den ihr jetzt quasi in den Händen haltet. Superschöner, interessanter erster Tag. Rumluthern macht definitiv Spaß und lässt tagsüber Pfunde purzeln, die man sich dann abends wieder anfressen kann.

Morgen geht’s nach Erfurt. Kommt Ihr mit?

Liebe Grüße, Euer

(also known as Juncker Jerald)

P.S.: Ihr wollt das schmale Haus sehen? Also, mit mir wäre das schon voll bewohnt:

P.P.S.: Hier der Autor bei einer seiner schwersten Aufgaben – das Testen der örtlichen Braukunst. Ich mache das alles nur für Euch!

Die Lutherreise: Prolog

Ihr Lieben,

bald geht es los und ich luthere mich durch die Reformationsgeschichte. Nun ja, einen kleinen Teil davon. Klar, die betrifft nicht nur Luther, aber dennoch ist er in diesem Zusammenhang die prominenteste Person dieser Bewegung, ohne die die Kirche, Deutschland, die Christenheit und noch einiges mehr heute ganz anders aussähen.

Warum aber diese Reise? Ich muss zugeben, dass ich den Osten Deutschlands kaum kenne, und Luther bringt mich nun nach Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Zwischen den Wirkstätten Luthers liegen interessante Orte mit berühmten Kindern der jeweiligen Stadt. Es wird also möglicherweise auch eine Händel-, Bach-, Cranach-, Dix-, Melanchthon- und Was-weiß-ich-wer-noch-Reise.

Zur Vorbereitung besorgte ich mir die Luther-/Bora-Biographie von Nürnberger/Gerster (lesenswert!), einen Reiseführer „Auf Luthers Spuren“ von Gretzschel und bemühte verschiedenste Internetseiten, um mich zu orientieren. Aus diesen Informationen erwuchs mein Reiseweg. Der ist in keinster Weise chronologisch, sonst würde ich wie ein Irrer kreuz und quer durch die Republik reisen müssen und das 62 Jahre lang, denn so alt wurde unser Martin. Und ich werde wichtige Orte außen vor lassen müssen. Mal eben so einen Abstecher nach Worms zum Reichstag? Das wäre unrealistisch. Nach Mansfeld, wo die Eltern lebten? Deren Gut „Herr Käthe“ später wieder aufkaufte? Vielleicht.

Herr Käthe? Nanu, was hat denn Rudi Völler mit Luther zu tun? Leute, Leute, der hieß „Tante Käthe“. Herr Käthe war Luthers Frau Katharina von Bora, aka „die entflohene Nonne“. Luther hat sie Herr Käthe genannt, was wohl von seinem Respekt ihr gegenüber zeugte. Luther werden übrigens viele Dinge nachgesagt, die er wahrscheinlich gar nicht oder nicht genau so gemeint, gesagt, getan und gelebt hat. Was Wirklichkeit und was Fiktion ist? Niemand wird das alles je klären können. Der berühmte Wandklecks vom Wurf des Tintenfasses in Richtung Teufel ist auf jeden Fall in späterer Zeit mindestens mehrmals erneuert, wenn nicht sogar erfunden worden.

Ich werde Geburts- und Sterbehäuser sehen. Wirkungsstätten theologischer und aufrührerischer Aktivitäten. Den Blitzeinschlagsort, an dem Luther sein Mönchsversprechen abgab. Aber natürlich werde ich auch Städte kennenlernen, Menschen treffen und wer weiß was noch… Es würde mich freuen, wenn Ihr mich auf dieser kurzen Reise wieder begleitet und Interesse oder Spaß an meinen Schilderungen hättet.

Sollte ich mich mal nicht melden, liegt das eher an technischen Problemen, als daran, dass auch mich in Stotternheim fast der Blitz getroffen hätte und ich wegen der Errettung aus höchster Not durch die heilige Anna in einen Schweigeorden eingetreten bin, wo ich mich fürderhin der Kräutergartenpflege widme.

Also, bis morgen?! Euer

(bearbeitetes Vorschaubild: Bild von Andreas Breitling auf Pixabay)