Ihr Lieben,
Cora und ich haben uns getrennt. Nachdem Sie in einem Jahr von einem Schlüsselkratzer verletzt, von einem LKW angebumst, von dessen Besitzer nicht wirklich fachgerecht repariert („Bitte, bitte ohne Versicherung!“), wieder angebumst und schließlich wegen eines Tornados unter Dachpfannen und anderen Gebäudeteilen begraben wurde, ging es ihr schon nicht mehr allzu gut. Die Wunden rosteten schnell, durch das durch die geborstene Windschutzscheibe eingetretene Wasser bildeten sich Stockflecken im Innenraum. Auf einer unserer letzten Fahrten dann löste sich ein Teil der Bodenverkleidung und auf dem Rückweg meldete sich die Motorkontrollleuchte und das linke Vorderlicht fiel aus. Letzteres Phänomen trat vor zwei Jahren schon häufiger auf und konnte (bis dahin hatte ich gefühlt ein Dutzend Leuchtmittel verbraucht) erst durch Austausch der Lichtmaschine gelöst werden.
Die letzte TÜV-Abnahme erforderte schon einen tiefen Griff ins Portemonnaie, das stand uns diesen Monat in wahrscheinlich noch größerem Ausmaß wieder bevor. Denn man konnte immer deutlicher hören, dass die Motorkontrollleuchte nicht aus Spaß vor sich hin glühte. Wir diskutierten ein bisschen und Cora entschied, sich nicht mehr vom TÜV demütigen lassen zu wollen.
Ich inserierte Cora für 1.000 € auf einer auf Autoan- und -verkauf spezialisierten Webseite und hatte innerhalb von wenigen Minuten schon über 50 Rückmeldungen. „Kein Scherz! Ich zahle 3.000 €. Wann kann ich kommen?“ war die interessanteste. Ich schrieb zurück, dass ich für das Zustandekommen eines verpflichtenden Kaufvertrages danke und hörte nichts mehr. Andere schrieben, 300 € würden ja reichen, sie holten den Wagen ja schließlich ab. Ich kontaktierte schlussendlich einen Klaus, der schrieb, dass er eine Werkstatt leite und für seine Auszubildenden defekte Autos benötige, je schlimmer der Zustand, desto besser fürs Lernen. Wir kamen ins Geschäft und machten einen Übergabetermin aus. Cora war übrigens damit einverstanden, als Unterrichtsmaterial zu dienen, das sei ja ein sinnvoller Abgang.
Zwar hätte ich Cora auch online abmelden können, für eine taggenaue Bestätigung hätte ich allerdings eine DE-Mail-Adresse benötigt. Wie wir alle wissen, erwies sich das Konstrukt DE-Mail als Flop und neue DE-Mail-Konten werden gar nicht mehr angelegt. Gottseidank braucht man in Köln für eine reine Abmeldung vor Ort keinen Termin. Am Abholtag dann nahm ich daher Urlaub und stand um 6 Uhr auf (absolut!!! meine Zeit), um der Erste bei der Zulassungsstelle zu sein. HAHA! Werch ein Illtum, wie Ernst Jandl einmal formulierte. Ich war 15 Minuten vor Schalteröffnung vor Ort und stand hinter Tausenden anderen Personen in der Warteschlange. Ich nehme an, dass einige dort übernachtet hatten.
Ich war schon im Resignationsmodus, als sich Punkt 7 Uhr die Türen öffneten. Ein Mann trat vor und skandierte „Erst einmal nur die reinen Abmeldungen!“. Das waren dann ein Mann vor mir und ich. Huch! Kurz an der Anmeldung (im Sinne von Rezeption) vorstellig werden für eine Wartenummer. Das war dann aus unerfindlichem Grund die 0003. Vielleicht fällt die Nummer 0001 dem Probedruck zum Opfer, wer weiß. Langer Rede kurzer Sinn: Ich war um 7 Uhr 15 nach Zahlung einer Gebühr in Höhe von 16,50 € schon fertig. Beim Verlassen überlegte ich kurz, der inzwischen auf eine Million Personen angewachsenen Menschenmasse im Wartebereich zuzuwinken und einen schönen Tag entgegenzutröten, fand die Idee dann aber doch schäbig.
Daheim legte ich erst einmal die entstempelten Nummernschilder hinter Front- und Heckscheibe (damit kein übereifriger Nachbar einen Schrottfund an die Stadt meldete) und räumte den Wagen aus. Ich fand sechs Regenschirme über das Auto verteilt. Zuhause wundere ich mich immer, warum ich so wenig Schirme habe, obwohl ich ständig welche kaufe. Natürlich wurden auch „Kevin Klorolle“ (den die liebe Petra mir geschenkt hatte) und mein Wackeldackel Conrad gerettet. Dann hieß es warten auf den Käufer. Alle, denen ich erzählt hatte, dass Cora gegen Barzahlung den Besitzer wechselt, hatten sofort eine Räuberpistole parat; ich sah mich schon mit Kopfschuss im Graben neben der Poller Hauptstraße liegen oder wegen des Inumlaufbringens von Falschgeld auf der Anklagebank sitzen.
Jetzt hieß es Warten auf das Christkind. Mit einiger Verspätung kam dann ein der deutschen Sprache nicht wirklich mächtiger, sehr junger Mann mit einem Abschleppwagen vorbei, auf dem ein Hänger stand. Er wollte gar nichts über das Auto wissen, wir füllten hektisch den Dreizeilen-Kaufvertrag aus, den ich heute früh aufgesetzt hatte, er drückte mir fünf 200-Euro-Scheine in die Hand und das war’s dann.
Tja, ich würde es nicht direkt Objektophilie nennen, aber ich bin schon ziemlich traurig. Cora und ich haben echt einiges erlebt. Die Lutherreise, Fahrten nach Holland (u.a. mit den riesigen Bildern von Theo Broeren im Kofferraum), Reisen an die Küste, nach Dresden und natürlich zu Großeinkäufen und zur Arbeit. Ich hoffe, die Azubis malträtieren sie nicht zu sehr (wenn die Geschichte überhaupt wahr sein sollte). Ob es eine/n Nachfolger/in geben wird? Ich weiß es noch nicht, könnte schon morgen soweit sein. Und mit diesem Cliffhanger verabschiede ich mich für heute und sende liebe Grüße an Euch und ein Toitoitoi an die deutsche Fußballnationalmannschaft.
Euer