Kuba: Der Epilog

Ihr Lieben,

wie soll ich diese merkwürdige Erfahrung zusammenfassen? Man schrieb mir, das sei ja eine grauenvolle Reise, die ich da mache. Man schrieb mir, das sei ja traumhaft, was ich alles erlebe. Nun, es liegt irgendwo dazwischen. Gottseidank bin ich weit vor Abreise einigen Kuba-Foren beigetreten. Wäre ich unbedarft in das Land gereist, ich hätte wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch erlitten und wäre dort zudem verarmt. Ich erwähnte es (und ich werde einige Sachen wiederholen, die ich bereits in meinem Reisetagebuch schrieb), wer auf offiziellem Wechselkurs nach Kuba reist, bezahlt einfach auch mal 10 Euro für einen Kaffee. Heute beträgt der offizielle Wechselkurs Dollar/Peso 1:120. Auf der Straße sind es (man nähert sich beim Umtausch der sogenannten „Eltoque-Rate“ so gut es geht) 1:360. Der Durchschnittslohn in Kuba liegt bei vielleicht 4.000 Pesos im Monat. Das entspricht einem touristischen Abendessen. Klar, dass Ärzte lieber Classic Cars fahren anstatt im Bereitschaftsdienst dumm rumzusitzen. Das Geschäft mit den Touristen ist das einzig einträgliche! Und dabei wird hoch gepokert, da können Taxifahrten auch einfach mal teurer sein, als bei uns. Da ist die Versuchung groß, auch mal zu bescheißen. Da werden für alles und jeden Phantasiepreise aufgerufen. Das zehrt an den Nerven, man ist 24/7 auf einem Basar.

Kuba ist ein wunderschönes Land! Was könnte man aus diesem Land machen! Doch Verfall, Armut, Unordnung dominieren. Das ist schwer zu ertragen, wenn sich der siegreiche Sozialismus an jeder Häuserwand selbst bejubelt. Hasta la victoria siempre! Jede Ortseinfahrt preist mit einem Schild die Errungenschaften des Systems, jede Stadt ist irgendwie eine Stadt der Helden, in der die besten Menschen leben. Das verstört, wenn man weiß, dass es keine Medikamente gibt, kein Wasser (!!!!!), keine Hygieneprodukte, keine Babynahrung, keine Milch. Das Netz bricht weg, der Strom fällt aus. Was um Himmels Willen gibt es denn da zu feiern? Ich wollte nicht politisch werden in meinem Tagebuch, ich glaube ich schrieb das schon in meinem Prolog. Ich will es immer noch nicht, ich verstehe zu wenig von den Zusammenhängen. Aber es ist offensichtlich, dass das politische System auf Kuba versagt. Eine Mitschuld der Amerikaner an der desolaten Lage des Landes ist – wegen der Embargopolitik – auch nicht von der Hand zu weisen. Ich werde es übrigens nun, als Kuba-Tourist, wesentlich schwerer haben, nach Amerika einzureisen. Mal eine Frage: Ist es überhaupt erstrebenswert in ein Land zu reisen, das mir vorschreibt, wo ich sein darf und wo nicht? Land of the Free, dass ich nicht kichere!

Kuba ist als Reiseland ein vortreffliches Ziel, wenn man genug Geld hat und sich in geschützten Bereichen aufhält. Ich finde keine Zahlen dazu, wo sich die meisten Besucher der Insel aufhalten, aber mein Ausflug an den Strand von Guardalavaca zeigte mir, dass Touristenhochburgen einer abgekapselten Oase gleichkommen. Es gibt ausladende Buffets, Sonne, Palmen, Meer, kaum Kubaner. Es sei denn als Showtruppe oder Servicekräfte. In einer der Facebookgruppen schrieb eine Amerikanerin, sie sei an 7 Stränden gewesen und würde jetzt mal behaupten, sie kenne Kuba, wie ihre Westentasche. Das bezweifele ich stark. I really doubt that, M’lady! Wenn man untouristische Pfade begeht, erlebt man ein anderes Kuba. Klar, die Städte sind in der ersten Reihe in der Regel prächtig! Restaurierte Kolonialzeitbauten, wunderbare Plätze, erstaunliche Innenhöfe, bunte Häuserzeilen. Die Natur ist spektakulär: Bananenplantagen, Zuckerrohrfelder, Wasserfälle, Strände mit Palmen, Berge, Täler, grün, grün, grün. Alles prima, solange man im potemkinschen Dorf bleibt. Denn es gibt dahinter Müllberge, Verzweiflung und Armut. Wut? Nein, das eher nicht, das ist nicht erwünscht. Wenn in Holguín der Strom ausfällt, ist das Zentrum voller Polizei und Militär.

Ist Kuba ein Land für mich? Definitiv nein! Alle rauchen, das ist schon einmal für einen doch eher militanten Nichtraucher eine Pest. Dann ist es der lauteste Platz der Welt. Man unterhält sich nicht, man schreit. Die Motoren lässt man aufheulen, die Radios bzw. Bluetooth-Lautsprecher laufen am Anschlag. Ich schwamm quasi 500 Stunden im kakophonischen Meer. Bereue ich denn die Reise? Definitiv nein! Ich habe einige tolle Menschen kennengelernt, schätze die Kultur, die wechselvolle Geschichte, die Natur. Ich bin froh, dort gewesen zu sein. Man muss halt vorbereitet sein. Die Reise an sich würde ich von heutigem Standpunkt aus auch anders organisieren. Wenn Ihr also einen Individualtrip planen solltet, dann fragt ruhig nach.

Was Kuba für mich wirklich abstoßend macht, ist die geschilderte Selbstbeweihräucherung der Regierung. Und dass einige der Bewohner nicht erkennen, dass Touristen Bewegung in eine positive Entwicklung des Landes bringen könnten. Stattdessen gibt es mehr als nur einige Gestalten, die es darauf anlegen, Touristen zu vergraulen, indem sie sie verarschen. Man möchte diese Personen am Revers packen und kräftig durchschütteln!

Ihr werdet nicht glauben, was ich jetzt von mir gebe. Besucht dieses Land, es ist sehenswert. Aber seid umsichtig. Das Land gibt viel, die Gauner nehmen viel. Ich habe Medikamente, Schulartikel, Hygieneprodukte und dergleichen mitgenommen und verteilt. Und ich wurde verarscht. Diese beiden Dinge gehören nicht auf die beiden Waagschalen einer Waage. Es sind zwei völlig verschiedene Waagen. Ich weiß, dass mein Resümee für manche verbittert klingt, aber wenn man sich vorbereitet und (vielleicht besser als ich) angemessen reagiert, ist Kuba eine Reise wert.

Viva la revolucion? Nö, denn wenn die so weiterlebt, ist Kuba verloren. Aber nicht dorthin zu reisen, hilft auch keinem.

Noch einmal Danke für Eure Begleitung und bis bald! Seht mir nach, dass ich hier ein wenig aufgeregt durcheinandergeschrieben habe.

Liebe Grüße, Euer

Tag 21 – La Habana: Schluss, Aus, Ende.

Ihr Lieben,

was für eine wunderbare Nacht. Was für wunderbare Ohrstöpsel! Hatte ich schon einmal erzählt, dass ich mal fast alle auf dem Markt erhältlichen Ohrstöpsel getestet hatte…? Dazu kommt, dass das Schlafzimmer im Appartement zusätzlich noch einmal quasi eingekapselt ist. Draußen tobte die Party, ich schnarchte im Takt dazu.

Die Cafetera in der Wohnung gehört eigentlich der Seuchenschutzbehörde überstellt, die Töpfe hatten auch Ablagerungen, die bis ins Pleistozän zurückdatieren. Ich beschloss, auf der Plaza Vieja zu frühstücken. Teuer, aber angenehm. Der Platz war fast leer, ich der einzige Frühstücksgast auf der riesigen Terrasse des Café Bohemia. Daher auch sehr beliebt. Karikaturmaler, Zigarrenverkäufer, Geldwechsler…

Ich schaute mich dann mal nach Rum um, mein Vermieter hatte mir einen Laden empfohlen, die Facebook-Gruppe einen anderen. Leider wurde ich in keinem von beiden fündig, da ich mich auf eine bestimmte Sorte eingeschossen hatte. Aber Havanna Club bekommt man ja auch in Deutschland (zu nur geringfügig höheren Preisen) und wegen des Santiago-Rums (der „Nachfolger“ des Bacardí-Rums) schaue ich noch einmal am Flughafen.

Rum-Tasting im Museo del Ron

Ich streunte über die Plaza San Francisco, entdeckte eine orthodoxe Kirche, schöne Gräber von prominenten Menschen, eine Statue von Mama Teresa, eine lebende Statue eines Piraten, machte einen Schwenk zum Kathedral-Platz und wollte dann daheim eine Siesta machen.

In der Wohnung gab es dann kein Wasser mehr. Eine kurze WhatsApp an Mitchel und er stand vor der Tür. Der Tank auf dem Dach war leer (da war doch gestern was im Treppenhaus?) und es musste Wasser hochgepumpt werden. Nach einer halben Stunde ging wieder alles. Also, es gibt bei AirBnB ja die Auszeichnung „Superhost“ für Vermieter, die sich einen gewissen Ruf im Kümmern erarbeitet haben. In Mitchell habe ich einen Megahost.

Nach der Siesta lief ich den Paseo del Prado hoch, schaute in Galerien vorbei, knipste 2.791 Classic Cars um das Capitolio herum und erwanderte mir den Malecón bis zum Hotel Nacional, heute ohne tosende Wogen an der Wasserlinie und ohne Hochzeit im Hotelgarten, und dann durch das Gassengewirr zurück. An einer Stelle dachte ich kurz, ich sei in Rom gelandet, da starrte mich doch glatt der Mund der Wahrheit an. Naja, um ehrlich zu sein, beschränkte sich die Ähnlichkeit auf zwei Merkmale: Fratze und Loch anstelle eines Mundes. Einer deutschen Reisegruppe lief ich auch noch in die Arme. Ich fragte ein Pärchen, das die Ausführungen des Tour-Guides zu einem Loch im Boden nicht rasend zu interessieren schien, wie es sich denn so in einer Gruppe reise? Jo mei, basst scho. Is hoid wie oiwei mit oan Gruppn (oder so ähnlich).

Es war Zeit, sich um das leibliche Wohlbefinden zu kümmern. Ich war heute wieder viel auf den Beinen und suchte mir die Plaza Vieja aus, das sind nur 50 Schritte. Die Wahl fiel auf das Vitrola. Gestern übrigens war es das Don Julio. Grillteller und Salat. Es gab Bier aus Dortmund. Naja. Ich hatte DAB als Tap (vom Fass) missverstanden.

Morgen dann Rückreise. Es wird einen Epilog geben, für den lasse ich mir aber etwas Zeit, ich muss so vieles sacken lassen.

Es freut mich sehr, dass wieder so viele mitgereist sind und auch hier, bei Facebook, über E-Mail und per WhatsApp kommentiert haben. Besonders habe ich mich über unsere gemeinsame Strandparty in Guardalavaca gefreut. War ja preiswert. Am 11. April 2026 erwarte ich Euch dann aber vor Ort. Vielleicht Grönland oder Perú. Kann aber auch absurd exotisch werden, wie Köln Poll z.B. Ist aber ja noch hin.

Also, danke, danke, danke, schaut die Tage doch noch das Resümee an, wenn Ihr Lust habt. With ❤️ from 🇨🇺,

Euer Gerry

Mein Name soll kommende Woche dazugraviert werden.
Schatte *hicks* tier Vequila…

Tag 20: La Habana al final

Ihr Lieben,

Rückkehr zum Tatort. Alles auf Anfang. Hier hat alles begonnen… Nein, ich habe keine Drogen genommen, aber ich bin auch ohne ziemlich matschig in der Birne. Die Fahrt war natürlich ein Albtraum! Wir fuhren pünktlich und halbvoll los. Dennoch wurden uns feste Plätze zugewiesen, immerhin gab es noch drei oder vier Zustiegsbahnhöfe bis Havanna. Ich saß – natürlich – schräg hinter dem kleinen Mädchen, das beschlossen hatte, die ganze Fahrt wach zu bleiben, und deren gestresster Mutter, deren Rückenlehne so ausgeleiert war, dass sie praktisch auf mir lag. Ich tauschte natürlich sofort meinen Platz. Das ging aber nur bis Bayamo gut, als der nächste Schwung zustieg und ich wieder auf meinen Platz musste. In Las Tunas, ein Stopp, der gar nicht vorgesehen war, stiegen dann mehr Menschen zu, als es Plätze hatte. Ein, sorry, bin ja selbst keine Elfe, seeehr umfangreicher Mann stieg ein und rannte auf den Platz neben mir zu. Mich traf fast der Schlag! Der Chefkontroletti bugsierte ihn dann aber auf den Mittelsitz nach hinten und eine schmale, junge Chica zu mir. Dennoch war ich eingepfercht. Wer mich kennt, weiß, dass ich kleine klaustrophobische Aussetzer habe. Ich steigerte mich in dem Moment in genau so etwas rein. Wir hatten erst drei Stunden Fahrt hinter uns.

Ich om-te 🕉️ mich so gut wie möglich in einen panikarmen, aber fragilen Daseinszustand und hoffte auf Schlaf. Ich resümiere: Eingequetscht. Nachtbus mit ausgeleierten Sitzen. Hyperaktive Kinder. Hyperaktive Kubaner. Es war die Hölle! Ständig klingelte ein Handy und dann wurde nicht hineingeflüstert, sondern -getrötet! Die Kinder spielten Ballerspiele mit eingeschaltetem Ton. Man unterhielt sich lautstark. Jemand pfiff die ganze Zeit Melodien. Ständig wurde irgendwo angehalten, um irgendwas zu erledigen. Ich war ein Wrack schon nach der Hälfte der Zeit. Und wir fuhren nicht 15, sondern fast 17 Stunden. Ich werde im Epilog noch einiges dazu schreiben, was ich falsch gemacht habe, aber schreibt es Euch schon jetzt einmal hinter die Ohren: Kein Bus von Santiago nach La Habana!

Wobei man doch einiges erleben kann: bei einem Stopp erklomm die Polizei den Bus. Ich habe kaum etwas verstanden, aber ein Gepäckstück musste gesucht werden, das zu keinem Passagier gehörte. Oder der Tankstopp: einige Passagiere stiegen am Bahnhof Camagüey aus und der Bus bretterte  ohne sie davon. Wurden wir entführt? Ich wollte rufen, dass da doch wer fehlt, aber alle anderen waren so tiefenentspannt. Ich alter Pointenvermassler nahm es ja schon vorweg. Es wurde getankt. Der Bus fuhr zurück, alle hatten die WCs aufgesucht, Limo gekauft, Empanadas gefuttert. Und ich war bei der „Entführung“ im Bus und konnte nichts dergleichen tun. Super.

Irgendwann kamen wir in Havanna an. Alle prügelten sich um die Koffer. Meiner lag ganz vorne und im Weg. Aber erklär das mal einem Kubaner. Vor dem Busbahnhof die Taximafia. 25 Euro. Hahaha, ich bot 10. Ich mach’s für 10, schrie einer von hinten. Große Rangelei unter ca. 5 erwachsenen Männern. Echt, es ist furchtbar anstrengend. Ich bekam einen Fahrer vom furchteinflößenden Kundenverteiler zugewiesen, der mein Navi brauchte, um die Wohnung zu finden. Einige Straßen in Kuba führen ein Doppelleben. Es gibt den offiziellen Namen und den, den die Bevölkerung benutzt. Das sorgt stets für Verwirrung. Der Fahrer war zuverlässig und nett, und jetzt habe ich wieder eine Taxinummer mehr im Telefon.

Die Wohnung von Carlos Mitchel ist beliebt, sie war bis heute vermietet und noch nicht gereinigt. Er erklärte mir alles, wir richteten das W-LAN ein und ich ließ die Aufräumer allein. Die Wohnung ist direkt an der Plaza Vieja. Schöne Gegend in der ersten Reihe, heruntergekommen in der zweiten. Ich suchte nach einem Laden mit Milch (vergeblich) und ließ mich in der Obispo erst einmal auf zwei Bier nieder.

Dann erlief ich mir „meine“ Plätze noch einmal, fand tatsächlich einen Laden mit Kondensmilch und Bier und nebenher noch einen schönen Markt (einmal Schweinekopf bitte) und stieß auf einen Berliner Buddy-Bären. Ich brachte meine Einkäufe nach Hause und legte mich mal kurz hin. Ja, wirklich, für nur eine Minute. Stunden später wurde ich rechtzeitig für das Abendessen wach.

Ich ließ mich in einem Eckrestaurant mit einer Buena-Vista-Social-Club-Gedächtnis-Band nieder und bestellte etwas teures. Ich habe nämlich zu viel Peso übrig. Apropos, dafür sind die Dollar alle. Man serviert hier wohl nicht oft brutzelnde Schweinelende. Sofort hatte ich einen selbstbewussten Straßentiger als Fan. Der war sehr wählerisch. Karotte? Es guckte indigniert, als hätte ich einen unanständigen Handel vorgeschlagen. Fleisch? Naja, wenn’s denn sein muss.

Als ich fertig war und abgeräumt wurde, war der Fanblock zum nächsten Tisch weitergezogen. Diese Fans sind so wankelmütig! Dafür glotzte mich dann der Kollege Straßenwolf an. Dabei hatte ich ja gar nichts mehr…

Ich gönnte mir noch eine Super-Piña-Colada und wankte dann erschöpft nach Hause. Auf dem Heimweg lief ich noch in meinen Vermieter, kurze Plauderei, und im überfluteten Treppenhaus (wieso, weiß ich jetzt auch nicht) in die Nachbarstochter, die mich gerne massieren wollte. Sehr kurze Plauderei.

Was ich am letzten Tag mache? „Weiß nicht, schlag Du was vor“, heißt es bei den Geiern in Disneys Dschungelbuch. Ich lasse mich von mir selbst überraschen.

Liebe Grüße, Euer Gerry

Tag 19: Von Santiago de Cuba nach Havanna

Ihr Lieben,

wenn man bis spätestens 12 Uhr sein Zimmer geräumt haben muss, der Bus aber erst gegen 20 Uhr fährt, das ist schon blöd. Klar, das Gepäck kann man an der Rezeption lassen, aber irgendwie sitzt man gedanklich ja doch auf seinen gepackten Koffern. Dazu kommt, dass es heute besonders schwül ist, was das Herumlaufen zu einer Strapaze macht. Plus, dass Montags die meisten Museen geschlossen haben. Gut, nicht so viele, die ich jetzt noch hätte sehen wollen… Vielleicht das Karnevalsmuseum.

Das Frühstück habe ich in die Länge gezogen. Die Steckdose ist ersetzt, die Toasterei läuft wieder. Der Brandfleck bleibt als Mahnmal. Dann habe ich versucht, mein Gepäck clever umzupacken. Ich werde noch so einiges hier auf Kuba lassen, aber erst wieder in Havanna bei meinem letzten Gastgeber. Was soll ich einem Hotel Hygieneartikel, Medikamente und dergleichen geben? Das ist bei der Familie bestimmt besser aufgehoben. Kontakt hatten wir dann auch schon heute früh, damit Carlos Mitchel, mein Host, ungefähr weiß, wann ich aufschlage.

Um 10 Uhr besuchte ich das Büro von Cubana Airlines. 20 Leute vor mir. Ich hoffte ja, doch noch einen Flug zu ergattern. Fehlanzeige. Alle Plätze verkauft. „Ich schaue mal am Freitag…“ – „Neinneinnein, ich muss ja Mittwoch spätestens da sein!“ – „Dauert nur ein Sekündchen.“ – Das bringt mir doch aber… “ – „Nee, auch voll. Wollen wir mal kommende Woche aufrufen?“. Der gute Mann war so bemüht, bei ihm hätte ich bestimmt den Passierschein A38 bekommen. Wie? Ach, Leute, A38 gehört zur Allgemeinbildung!

Ich streunte also einfach erst einmal ein bisschen rum. Der Velázquez-Balkon hatte auf, war aber nicht wirklich spannend. Netter Ausblick. Ich guckte bei einem Domino-Spiel zu, das wird mit sehr viel Ernst und Energie betrieben. Die Steine werden nicht gelegt, sondern auf die Platte geknallt. Ich entdeckte noch eine kleine Touristen-Markthalle mit müder Auswahl, der Obst- und Gemüsemarkt daneben war mangels Ware geschlossen. Eine Seitenstraße parallel zur Enramadas war dann auch noch eine nette Entdeckung.

Ich schaute in das ein oder andere Café rein. Gibt es Milch oder Sahne für den Kaffee? Nö. Flasche Wasser? Nö. Ich blieb dann dort, wo man wenigstens kalten Fantaersatz hatte. So langsam begann ich, mir selbst auf den Nerv zu gehen. Ich muss aber auch zugeben, dass ich an einem toten Punkt angekommen bin. Ich merke, dass es eben doch eine Reise ist, und kein Urlaub. Bin etwas erschöpft. Naja, die Busfahrt dauert ewige 15 Stunden, vielleicht kann ich dabei etwas schlafen. Ich nahm noch einen Cubata auf der Hotelterrasse (der Kellner hat sich so sehr über das Trinkgeld gefreut, dass ich mit dem Trinkspruch „arriba/abajo/al centro/pa dentro“) einen 11jährigen Rum aufs Haus bekam – sehr lecker) und schrieb dieses kleine Traktat, das jetzt ausnahmsweise sehr früh erscheint…

Wir sehen uns morgen dann wieder in Havanna, mal sehen, wie zerrupft ich dann aussehe. Wie eines der Vogelpräparate im Naturkundemuseum?

Liebe Grüße, Euer Gerry

P.S.: Und weil es so schön ist, noch ein Auto…

Vom Balkon des Gebäudes dahinter hat Castro den Sieg der Revolution verkündet.

Tag 18 – Santiago de Cuba: Geschichts- und Geschichtenstunde

Ihr Lieben,

die Nacht über war Karneval auf dem Céspedes-Platz. Klar, Wochenende und dann zentraler Platz, was kann man da erwarten? Aber mein Oropax reicht völlig. Leider fing der Abfluss im Hotelzimmer an, streng zu riechen, das störte mehr als ein wenig. Ike, weißt Du noch, Türkei 1996? Zweimal bin ich aufgestanden, um da Seifenwasser einlaufen zu lassen. Danach war es erträglich.

Das Frühstück war dann eigentlich schon Aufregung genug für einen Tag. Ein paar verlorene Gäste saßen da nichtsahnend versprenkelt auf der Dachterrasse, als es plötzlich verbrannt roch, ein Frühstücksgast unter dem entsetzten Gekreische seiner Begleitung plötzlich wie von der Tarantel gestochen zum Büfett rannte, um dort die Zuleitung des Toastgerätes aus der brennenden Steckdose zu ziehen, die aber munter weiterbrannte. Mit dem Eierkoch zusammen konnte er den Brand löschen. Der Held des Tages, nur nicht in Augen seiner Frau, die noch eine Weile schwer rumkrakeelte. Man muss es einfach mal sagen: Auch halbwegs hochglänzendes, wie das Hotel, ist auf Kuba marode. Und ich wohne in der vierten Etage; ich muss dringend später noch einmal die Fluchtpläne studieren.

Etwas außerhalb von Santiago gibt es eine geschichtsträchtige Befestigungsanlage, das Castillo de San Pedro de la Roca del Morro. 1638 war Baubeginn, es wurde über die Jahre laufend erweitert. Die Festung diente als Schutz vor Angriffen, als Gefängnis, Folter- und Hinrichtungsstätte. Mit wechselnden Akteuren. Wie hinkommen? Vor dem Hotel lungerten die üblichen Verdächtigen herum, die einen belatschern, sobald man die letzte Treppenstufe hinter sich gelassen hat. Man (das war aber nicht der Fahrer) bot mir Hin- und Rückfahrt für 25 Euro an. Das schien mir okay und ich pflanzte mich in einen maroden 53 Chevy (zwischen Bodenblech und Popo gerade mal 2 Zentimeter), als sich der Vermittler hinten reinsetzte, was dem Fahrer nicht passte. Die beiden fingen lauthals an, zu diskutieren. Ein dritter Mann stürmte von vorne dazu und schrie, man habe mich ihm geklaut. Das allgemeine Durcheinander nutzte eine alte Frau, die sich in das Beifahrerfenster hängte und Geld verlangte. Mit ihr im Fenster konnte ich die Tür nicht öffnen. Ihr glaubt, ich spinne? Ja, das dachte ich dann auch.

Die Frau wurde ich los, indem ich ihr einen Dollar in die Hand drückte, dann stieg ich aus und ging. Alle hinter mir her. Ich wurde laut und sagte, ich würde doch nicht mit einem Haufen Irrer meine Zeit verplempern. Der Fahrer sagte, nur wir beide, der Vermittler wollte noch Geld. Zwei Dollar. Die Fahrt zum Kastell war dann auch prima, der Besuch ist absolut lohnenswert. Die üblichen Erklärhasen vor Ort erklären, ob Du willst oder nicht, aber was machen jetzt zwei Dollar mehr aus? Die Fotografiererlaubnis ist fast teurer!

Wenn Ihr Gelegenheit habt, schaut es Euch an, es liegt wunderschön und ist super erhalten. Von dort aus bot mir der Fahrer an, einen Stopp am Zentralfriedhof Santa Ifigenia zu machen. Ja, klar, liegt ja quasi auf dem Weg. Wir kamen an, ich stieg aus und er meinte, das wird jetzt aber deutlich teurer. Ich so: Es liegt auf dem Weg, aber die Wartezeit bezahle ich und wenn Sie mich auch noch zur Kaserne des 26. Juli fahren bekommen sie insgesamt 40 Euro. Er machte die totale Szene, das sei viel zu wenig (um zu begreifen, dass er völlig absurde Forderungen stellte, müsstet Ihr Euch jetzt den Stadtplan ansehen). Ich wurde auch laut und bezahlte die vereinbarten 25 Euro. Wir standen in einem Kreis anderer Taxistas und er forderte mehr und die anderen rückten näher. Ich warf noch 5 Euro hin und stand dann irgendwo im Nirgendwo. So ein Arschloch.

Der Friedhof aber ist der Hammer. Alle 30 Minuten gibt es den beeindruckenden Wachwechsel vor dem ebenfalls beeindruckenden Mausoleum von José Martí, den konnte ich zweimal verfolgen. Dann darf man da auch nicht einfach so rumlaufen, es ist eine fast heilige Zeremonie. Martí ist DER Nationalheld Kubas. Fast schlicht ist der Grabstein von Fidel Castro, der sich vor den Grabstätten anderer Nationalhelden in bescheidene Szene setzt. Nur ein Wort ziert ihn: Fidel. Compay Segundo und Emilio Bacardí haben auch ihre letzte Ruhestätte dort. Sehr, sehr sehenswert, insbesondere halt auch die Zeremonie!

Jetzt stand ich da in der Pampa. Aber ich habe ja, wie eine Mitwanderin auf Madeira einst bemerkte, erstaunlich stramme Waden (gut, ist auch schon wieder eine Weile her). Ich lief in der Mittagshitze einfach zum Platz der Revolution, jo, abgehakt, und von dort aus zur Moncada-Kaserne, die am 26. Juli von Fidel und seinen Mitstreitern eingenommen werden wollte. Das lief alles kolossal schief, wie man nachlesen kann. Viele Aufständische starben, Fidel konnte fliehen, wurde aber kurze Zeit später verhaftet. Um dann geraume Zeit später im Rahmen einer Generalamnestie wieder entlassen zu werden. Ein Historiker bemerkte dazu einmal: „Eine der fatalsten Fehlentscheidungen des Diktators Batista!“. Leider war ich zu spät für das Museum, es soll sehr eindrucksvoll sein.

Zwischen Revolutionsplatz und Kaserne kreisten wieder Greifvögel über mir und ich begann, zu debirieren. Gottseidank gab es auf dem Weg eine Bar mit schattiger Terrasse, wo ich für 120 Pesos einen Krug Gerstensaft bekam. Die Vororte haben was. Nach weiteren 2 Kilometern war ich dann wieder im Zentrum. Als ich mich die Hoteltreppe hochschleppte, rief von hinten der „Vermittler“, wie es mir, Amigo, denn ginge, hach, einfach toll, diese Deutschen. Da bin ich mal leider laut geworden. Wo er sich seinen Amigo hinstecken könne, er und seine Bande seien Gauner und Betrüger. Die ganze Gruppe war mega aufgeregt. Das könne nicht sein, man kläre das sofort, ich solle mal mitkommen. Was ich natürlich nicht tat. Ich nahm aber einen Cocktail (den einzigen, den es gab) auf der unteren Terrasse des Hotels ein und jedesmal, wenn die Bande Leute ansprach, rief ich runter, lasst es, die betrügen. Das hat mir ein bisschen Genugtuung bereitet.

Ich hatte ausreichend Kilometer gesammelt, wie ich fand, beschloss, es mit weiteren Besichtigungen gut sein zu lassen, und besuchte meine merkwürdige Barterrasse von gestern wieder. Zu meinem Erstaunen gab es Piña Colada. Ein Wunder, bemerkte ich und die Thekenmannschaft lachte sich schlapp und wiederholte „Un milagro, un milagro!“. Schmeckte zwar mehr wie verdünnter Eierlikör, aber ich will mal nicht so pedantisch sein (warste aber grad!).

Ich lief die Enramadas hoch, auf der Suche nach einem Restaurant, das mir in einer Facebook-Gruppe empfohlen wurde. St. Pauli heißt es. Auf dem Weg dahin sprach mich jemand an. Er habe von meinem Problem mit dem Fahrer heute gehört. WHAT? Bin ich jetzt Legende, oder was? Das sei natürlich Mist gewesen, für morgen würde er mir einen tollen Ausflug… Leider hatte ich mich überhaupt nicht im Griff und rastete total aus. Tut mir im Nachhinein fast leid. Ich schrie zwar, aber immerhin mit bitte: „Dejame en paz, por favor! No los necesito, ladrones.“

St. Pauli? Jetzt mal im Ernst, das klingt doch mehr nach Bierkönig, als nach allem anderen… Aber als alter Hamburger konnte ich es ja nun auch nicht links liegen lassen. Fast erwartete ich, Astra zu bekommen. Aber es war dann doch Cristal. Es ist wohl tatsächlich eher ein Nachtclub, dann aber andere Etage, das werde ich leider (oooohhh) verpassen. Aber es gibt hier alles, was auf der Karte steht! Alles etwas teurer, aber eben alles! Ich bestellte Langusten und Salat. Das war soooo lecker!

Also, bis auf das Ärgernis mit diesem Betrüger war das ein lehrreicher und schöner Tag.

Morgen wird ne Katastrophe. Ich muss um 12 Uhr aus dem Hotel raus, mein Bus fährt aber erst um 19 Uhr irgendwas. Und dann 15 bis 16 Stunden (geplant). Ich habe die letzten Tage versucht, doch noch einen Flug zu buchen. Vergeblich, ich soll/muss, so der Cuba Travel-Mitarbeiter, morgen früh noch einmal im Air Cubana-Büro vorstellig werden. Ich habe wenig Hoffnung.

Drückt mal die Daumen, Ihr Lieben. Wir lesen uns möglicherweise erst in Havanna wieder.

Liebe Grüße, Euer Gerry

Santiago wird auch „Stadt der Helden“ genannt.

Tag 17 – Santiago de Cuba: Eine Reise durch die Jahrtausende

Ihr Lieben,

es gab ein Frühstücksbüffet! Yeah! Naja, jetzt nicht so üppig, wie man das vom Parkhotel Nieder-Trottenheim kennt, aber für mich völlig ausreichend. Alles, was die letzten Tage mehr oder weniger fehlte, war da: Verschiedene Sorten Brot, Käse und Wurst, eine Eierzubereitungsstation! MILCH! für den Kaffee. Erstaunlicherweise haperte es nur an dem, was bisher immer im Überfluss vorhanden vor, nämlich Obst. Hauchdünne Scheiben Ananas waren als einziges im Angebot.

Ich hatte mir meinen Uralt-Reiseführer mit auf die Dachterrasse genommen und versuchte, herauszufinden, was denn die Must-Dos so sind. Und dermaßen gestärkt, fing ich an diese abzuklappern.

Ich startete im Barcadi-Museum. Jetzt denkt Ihr bestimmt, der olle Gerry, typisch, schon morgens Rum saufen. Nein, die Familie Bacardi hat sich auch kulturell (und politisch) sehr hervorgetan, insbesondere in der Person des Sohnes des Firmengründers, Emilio Bacardí Moreau. Er erwirkte, dass der Prado in Madrid Kunstwerke an Kuba übergab, er reiste in den Orient, um dort Exponate für die Sammlung der Familie zu erwerben. Nach der entschädigungslosen Enteignung 1960 emigrierte die Familie. Ihr politisches Handeln und ihr Einfluss auf die Entwicklung Kubas ist megainteressant, führt hier aber zu weit.

Das Museo Emilio Bacardí Moreau besteht aus drei großen Bereichen: Ausstellungsstücke zur Geschichte Kubas, zu Malerei und Bildhauerei sowie  zur Archäologie. Das  ist alles sehr sehenswert und kostete mich 6 Pesos Eintritt. Das sind weniger als 2 Cent. Es gibt – Achtung, gleich kommen Bilder, nix für schwache Nerven – neben wirklich schöner Kunst mehrere Mumien. Über die Frühzeit Kubas erfährt man hier allerdings fast gar nichts, die Highlights der archäologischen Abteilung kommen aus Kolumbien und Ägypten.

Der erste Bau am Platz der heutigen Kathedrale von Santiago stammte aus dem Jahr 1516. Mehrmals wurde sie zerstört und wiederaufgebaut. So, wie sie sich da heute in all ihrer Pracht zeigt, existiert sie seit 1922. Eigentlich wäre sie heute gar nicht geöffnet gewesen, aber ich hatte Glück, ich trampelte mitten in eine Hochzeit hinein. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen und guckte von der letzten Reihe aus ein bisschen zu. Highlight Nummer 1 war das wirklich sehr schön vorgetragene „Amazing Grace“ einer Sängerin, Nummer 2 der Auszug der Gesellschaft zu Mendelssohns Hochzeitsmarsch. Da ich nicht versehentlich in ein familiäres Geherze und Geküsse geraten wollte, war das das Zeichen für mich, zu gehen.

Diego Velázques und Hernán Cortéz, die Namen haben wir alle irgendwie schon einmal gehört. Der erste Gouverneur Kubas (und nicht identisch mit dem berühmten Maler) und sein Oberbefehlshaber haben hier in Santiago die Eroberung Mexikos geplant. Das Haus des Gouverneurs von Anfang des 16. Jahrhunderts steht noch fast wie original an der Ecke des Céspedes-Parks. Hier nimmt man dann auch 100 Pesos Eintritt und man wird von aufmerksamen Mitarbeiterinnen belagert, die einem Fakten um die Ohren schleudern und dafür einen Obulus erwarten. Hier stehen, wie in dem Herrenhaus in Trinidad, kostbarste Möbel und Dekorationsstücke. Eine Besichtigung des Hauses sowie des angeschlossenen „Neubaus“ aus dem 19. Jhdt. empfehle ich dringend!

Der Céspedes-Park selbst ist der Mittelpunkt Santiagos. Hier tobt das Leben. Man wird ständig angequatscht (Frauen, Zigarrenverkäufer, Geldwechsler, Restaurantempfehler). Es ist ein kleines bisschen wie Spießrutenlaufen. Hier und da versammeln sich Musiker, um sich ein paar Pesos hinzuzuverdienen. Viele Bänke zum Hinsetzen, wobei es passieren kann, dass sich dann eine Dame neben einen fallen lässt, sich anschmiegt und „¡Hola, guapo!“ haucht. Herrjeh.

Ich freute mich auf einen Kaffee auf der unteren Hotelterrasse. Leider ist die Milch alle, Señor. Wir haben Zitronenlimonade, Kaffee ohne alles, Elchschweiß und Daiquiri. Tja, schwer zu erraten, was ich dann tat. Um übrigens dem Problem mit kanadischem Süßbier aus dem Weg zu gehen, kaufte ich auf meiner Kultur-Tour nebenbei noch einige Büchsen kubanischen Bieres.

Inzwischen war ich gut fertig. Die Busfahrt gestern hat natürlich das bewirkt, was ich erahnte, mir hatte erkältungstechnisch einen schweren Rückschlag. Ẹine Siesta wirkt dann aber meist Wunder (ich glaube, ich bin inzwischen ein bisschen besessen davon) und nach zwei Stunden ohne Klimaanlage (es ist das gleiche Spiel wie in Asien, ich stelle sie aus und irgendein Hotelmitarbeiter stellt sie wieder an!) war ich bereit für weitere Schandtaten.

Zwei weitere nahegelegene Sehenswürdigkeiten zum Abhaken waren der Balcón de Velázquez und die Stufen des Padre Pico. Man sollte einen eindrucksvollen Blick über die Stadt haben. Der Balkon war geschlossen und die Altstadttreppen eher unspektakulär. Aber so kam man mal durch weniger touristische, aber sehr belebte Viertel. Bisschen scheel beäugt wurde ich da zwar schon, aber wohl eher aus Neugier.

Ich fand eine ausschließlich mit Einheimischen besetzte, lieblos eingerichtete Art „Trinkhalle“, bekam dort aber einen Ron Collins. Ein sehr lebhafter Ort.

Ich lief die andere Richtung der Enmaradas, der Hauptstraße, entlang. Ebenfalls sehr belebt, mit interessanten Gestalten auf der Straße, einer Art Minivergnügungspark am Ende und einigen Restaurants. Eine Pizzeria war sehr voll, ich beschloss, das als gutes Zeichen zu werten.

War es irgendwie nicht. Ich hatte verdrängt, das die karibische Pizza nichts mit der italienischen gemein hat.

Auf jeden Fall habe ich heute gut was erlebt, gesehen und gelernt. War ein schöner Tag. Morgen werde ich um Taxis wohl nicht herumkommen. Habe etwas außerhalb Ziele entdeckt, die ich gerne besuchen würde.

Bis denne, sachichma. Euer Gerry

Und die Pariser glauben immer noch, sie hätten das Original…

Tag 16: Von Holguín nach Santiago de Cuba

Ihr Lieben,

all das Positive, was ich über die Viazules bisher gesagt habe, nehme ich zurück. Bei 36°C ohne Strom und ohne Internetverbindung wartete ich in einer stickigen Wartehalle ewig auf den Bus. Weiß Gott, von woher der kam. Bahamas? Doch von vorne: Am Morgen packte ich mal wieder meine Siebensachen, frühstückte in der Casona, bezahlte meine Schulden und machte einen letzten Spaziergang durch die Innenstadt von Holguín. Ich kaufte Trockenkekse und Dosensäfte für die Busfahrt und besorgte mir noch ein paar Stunden Etecsa-WiFi-Guthaben. Zum Busbahnhof kam ich wieder mit einem Bicitaxi, das ich von meinem Spaziergang direkt „mitnahm“ zur Casona.

Als ich mal schrieb, dass man mit den Stromausfällen durchaus leben könne… Naja, in Holguín wird das blöderweise massiv übertrieben. Mal zwei Stunden nachmittags oder nachts, wie in Trinidad, das übersteht man ja auch. Aber die letzten beiden Tage in Holguín war es definitiv too much! Die Bleibe heizt sich dermaßen auf, dass man versucht ist, vor dem Haus zu schlafen. Da kommt alle halbe Stunde wenigstens mal ein Windstößchen. Die Getränke in den Bars und im Kühlschrank meines Zimmer sind dann auch alle nur lauwarm. Gerade bei Fantaersatzprodukten mega. Dazu kommt, dass viele Häuser als einzigen natürlichen Lichteinfall die Vordertüre haben. Zähneputzen im Finstern ist das kleinste Problem. Internet ging teilweise gar nicht mehr, selbst beim Sendeturm nicht. Das ist doch sehr nervstrapazierend. Mich erstaunt die Gelassenheit der Bevölkerung. Liebe Regierung, das ist auch sehr begrüßenswert, diese Ruhe und Gelassenheit, ich wollte da keinen falschen Eindruck erwecken! Darf ich bitte komplikationslos ausreisen? Herrjeh, jetzt werde ich hier auch noch zum Verschwörungstheoretiker!

Zurück zum stromlosen Busbahnhof. Ich schien auch lange Zeit der Einzige zu sein, der den Bus nach Santiago nehmen wollte. Das stresst, wie schon beschrieben, zusätzlich, da man alle naslang rausrennt, um zu gucken, was denn da für ein Bus jetzt gerade wieder angedockt hatte. Das Viazul-Personal verschwand dann auch gerne mal für eine halbe Stunde und ich war alleine mit der Señora, die schon seit Ewigkeiten den Boden wischte. Anzeigetafeln oder Durchsagen hier natürlich auch Fehlanzeige. Irgendwann kam, eigentlich viel zu spät, völlig aufgelöst ein anderer Fahrgast. Mit dem wartete ich dann den Rest der Zeit zusammen. Leider ohne Unterhaltung, denn sein Spanisch verstand ich überhaupt nicht, hätte auch balinesisch sein können.

Nach zwei Stunden tat sich etwas. Ja, da am Horizont… Ist das etwa…? Ja, er ist’s, der Zoch kütt! Äh, der Bus. Irgendeine Familie hatte aber beschlossen, dass der Umzug des Haushalts mit einem Viazul wohl preiswerter wäre, als mit einem Transportunternehmen. Das Ausladen der an die 50 Gepäckstücke dauerte daher mindestens eine halbe Stunde. Meine Laune sank weiter. Dann die Busfahrt. Man fühlte sich bei Minus 3°C offensichtlich pudelwohl. Meiner Bitte, aus der Tiefkühltruhe wieder einen Bus zu machen, wurde nicht entsprochen. So kleidete ich mich in mein Indira-Ghandi-Gedächtnis-Kostüm, d.h. mit vielen Schals und Decken und versuchte, nicht zu erfrieren.

Die weitere Reise verschlechterte meine Laune zusehends, hielt doch der Bus an jeder Ecke, damit Fahrer und Kontrolleur Umschläge gegen Waren tauschen, Kisten abgeben oder Personen zusätzlich aufnehmen, um sie irgendwo wieder rauslassen zu können. Das kam mehr als zwanzigmal vor. Unsere Verspätung wurde dadurch erstaunlicherweise nicht geringer. Naja, kubanische Nebenverdienste halt. Hoffentlich nichts illegales.

Am späten Abend kamen wir dann in Santiago de Kuba an. Ich stieg völlig verfroren aus dem Bus, um in eine aufgeheizt Waschküche zu treten. Herrjeh. Ich werde morgen ins Leichenschauhaus gebracht werden. Todesursache: Temperaturschocks unmenschlichen Ausmaßes.

Am Ausgang dann die Zunft der mehr oder weniger akkreditierten Taxistas. Immerhin gab es welche. Wieviel zur Casa Granda (sic!)? 20 Dollar. Hihihi. 15? Lachschlapp! 10? Komm mach hinne. Und dann das:

Die wohl größte Rostlaube auf Gottes weitem Autofriedhof. Vorne auf dem Beifahrersitz ein halbnackter Greis, der vertrieben wurde, hinten räkelte sich eine aufgedonnerte Chica. Die durfte bleiben. Hm. Sollte die Todesursache dann doch anders lauten? Naja, wir unterhielten uns nett (Thema: Was er alles organisieren könne, wenn ich wolle) und kamen auch bald am Hotel an.

Würde es noch schlimmer kommen? Würde das Hotel keine Reservierung vorliegen haben? Ich sach nur Albanien! Ich war völlig genervt und fertig, schleppte mich die erste Stufe hoch… Portier: Moment, ich nehme Ihren Koffer. Hier entlang. Rezeption: Hallo, Sie müssen Gerald sein, wir haben Sie erwartet, ich mache mal alles fertig. Stimme von hinten: Willkommen, bitte nehmen Sie einen Drink.

Ich habe ein supertolles Zimmer (der Safe funktionierte zuerst nicht, das wurde umgehend behoben!) mit sagenhaftem Blick auf die Kathedrale und über den Platz bis zum Hafen. Das Bad totalsaniert, die Betten ein Traum. Ich hatte fast Pipi in den Augen.

Es war schon sehr spät, aber ich wollte zumindest einen ersten Eindruck erhaschen, daher lief ich derangiert durch die Nachbarschaft. Leute, ich kenne ja jetzt nur den Kathedralplatz und die nähere Umgebung, aber Santiago de Cuba setzt noch einmal einen drauf! So schöne Häuser! Eine bemerkenswerte Kathedrale! Viele Restaurants.

Auch viele Mücken, viele leichte Mädchen und viele Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Inzwischen bin ich aber geübt darin, zwei Drittel davon loszuwerden. Nur die Mücken lassen sich nicht durch meine sarkastischen Bemerkungen beeindrucken. Da muss dann wieder mein Tropenspray ran!

Einige virtuell Mitreisende kennen mich ja persönlich und wissen, dass ich keineswegs ein toller Zeitgenosse bin, wenn ich niggelig werde. Aber erstaunlicherweise lasse ich mich auch gerne superschnell wieder hochziehen. Seit meiner Begrüßung im Hotel laufe ich mit breitem Grinsen durch die Gegend und freue mich total, dass ich in Santiago bin. Nach meinem Spaziergang machte ich mich tischfein und speiste auf der Dachterrasse des Hotels. Kann ich bitte die Speisekarte sehen? Nö, es gäbe nur Fisch oder Huhn. Aber vom Grill. Und man könne einen Salat hinbekommen. Das Bier sei aus Kanada, Cocktails gäbe es zur Zeit mangels Barkeeper nicht. Und das am besten Platz der Stadt, wie der „Taxifahrer“ sagte. Aber das hätte er bestimmt auch gesagt, wenn er mich ins Hafenbecken gefahren hätte. Es tat meiner Freude keinen Abbruch, der Fisch war super, der Salat megasuper! Das Bier, Moosehead, war merkwürdig. Ob so Elchschweiß schmeckt?

Jetzt bin ich auf meinem Zimmer, mit Strom, mit Internet, mit kanadischem Brauereierzeugnis, und frage mich, wie sehr ich mich mit einem solchen Hotel von meinem Ziel entferne, das richtige Kuba kennenzulernen. Ihr Lieben, ich bin da ehrlich. Das richtige Kuba ist anstrengend und ich nehme jetzt dankbar mal diese andere Erfahrung mit. Letztendlich bin ich doch ein verwöhnter, alter Knacker.

Morgen erkunde ich dann mal die zweitgrößte Stadt Kubas, die auch Stadt der Musik genannt wird. Ich freute mich, wenn Ihr mitlauftet.

Liebe Grüße, Euer wankelmütiger Gerry

Wieso Sex? Und warum zu einer so merkwürdigen Uhrzeit?

Tag 15: Vamos a la playa

Ihr Lieben,

zuallererst einmal „Awh! You’re sooo cuuuuute! Awh! Aaaahw! Soooo cuteeeee!“ und das mit hoher Piepsstimme. Bin ja schließlich den Gepflogenheiten der Bloggeretikette verpflichtet. Aber im Ernst, bin ja keine Influenza: Ganz vielen lieben Dank für Eure vielen Glückwünsche, ich bin ganz hin und weggerührt! Awh!

Gestern, das war ja noch ein Krimi mit der Reiseplanung. Kein Strom, kaum Internet und da soll man gescheit etwas organisieren. Ich deutete ja schon an, dass ich wenig Vertrauen in den Besitzer des Hostals bezüglich der Planung meines Geburtstagstrips hatte. Daher schrieb ich in die Facebook-Gruppe Cuba Travel Tips, ob mir jemand bei meinem Strandtransport behilflich sein könne. Es meldete sich George, ein Reiseführer aus Holguín. Er brauche aber Zeit, um etwas zu arrangieren. Inzwischen hatte sich aber auch Mario wieder gemeldet, der vom Hostal. Ob es mir etwas ausmachen würde, ein Taxi mit einem Pärchen zu teilen. 100 € würde es insgesamt kosten, daher für jeden nur 50. Jetzt war ich kein besonders großartiger Mathematik-Schüler, aber 100 durch 3 sind für mich bis heute nicht 50. Na gut, dann eben familienweise. Ich schrieb zurück, ich würde gerne noch auf das Angebot des anderen warten. Billiger als 50 € käme ich im Leben nie weg. Haha! Übrigens würden auch noch Tante und Onkel des Pärchens mitfahren, aber ich solle mir keine Sorgen machen, der Wagen sei groß genug. Wie denn dann die Preisverteilung sei, wollte ich wissen. Na ja, immer noch 50 € für mich! Da bekam ich schon leicht Krawatte. Inzwischen hatte der Stromausfall den Generator auch leer gefressen, und ich hatte kein WLAN mehr, die Verbindung zum Netz war ab diesem Zeitpunkt absolut instabil. Ich bekam in regelmäßigen Abständen Nachrichten von George, er sei dran, er sei dran, er sei dran. Ich schrieb, ich wolle ihn nicht zur Eile drängen aber jemand anderes warte noch auf Antwort von mir. Was denn dessen Preis wäre, dann könnte er möglicherweise besser planen. Er solle da einfach so gut planen wie irgendwie möglich. Auf meiner Stirn bildeten sich leichte Krisenpickel. Inzwischen hatte ich gar kein Internet mehr und ich musste wieder ins Zentrum laufen, um in der Nähe des Sendeturms Empfang zu haben. Dann die Erlösung, 100 € hin und zurück in einem 1953er Chevrolet. Das war jetzt natürlich teurer als mein 50€-Ticket von Mario, aber weil ich schon die Katze der Familie bei mir auf dem Schoß sitzen sah, während ich das Enkelkind stillte, entschied ich mich für die Oldtimer-Tour und sagte die Familienkutsche ab. Später kam Mario noch vorbei, um irgendwelche Hebel umzulegen, damit wir wieder Strom hatten. Er wirkte irgendwie griesgrämig. Weiß gar nicht, warum.

Es war auf jeden Fall die perfekte Wahl, denn Michel, der Fahrer, der mich morgens abholte, war total nett, das Auto war super, die Fahrt war toll, und ich hatte einen ganz wunderbaren Tag am Strand. Den lief ich einmal hoch und einmal wieder runter, machte ein paar Abstecher die Hügel rauf… Hier ist für alle Urlaub pur. Keine Armut, keine Warteschlangen, kein Dreck. Ich denke, das ist eben das, was die meisten Touristen in Kuba sehen. Und auch nur sehen wollen. Aber das ist ja vollkommen okay. Mir selbst hat es ebenfalls gut gefallen. Aber ein Tag Strand und heile Welt reicht dann auch.

Nach meinem zweistündigen Strandspaziergang (mit den Füßen im Wasser! Ich war quasi in der Karibik schwimmen!) hockte ich mich in eine Strandbar, wo das Fotografenteam des Bundes schon für das offizielle Geburtstagsfoto Aufstellung genommen hatte.

Als die fort waren, betrat Frank Ludovigo (Name von der Redaktion bis zur Unkenntlichkeit verfremdet) die Bühne. Ich sei doch Deutscher, das sähe er sofort. Ob er sich dazu setzen dürfe, er müsse mal wieder Deutsch sprechen und es wären ja kaum Deutsche hier. Also, was für eine krude Geschichte sich da auftat. Als Taxifahrer mit 50 aufgehört (aber immer gespart), lebt jetzt hier, macht Geschäfte in Panama und Nicaragua und organisiert alles. Geldgeschäfte, Verkupplung, Vermietung, alles! Was ich den für die Casas bezahlt hätte? Sooo viel! Das hätte er billiger bekommen. Taxifahrt? Viel billiger! Wechselkurs? Ach, hätte ich doch bloß ihn gefragt. Ob seine Freundin eine Freundin für mich organisieren solle? Ich wäre sehr glücklich mit meinem Freund, mit dem ich seit 30 Jahren zusammen wäre. Kein Problem, der Ricardo aus Villanueva, das wäre genau mein Typ. Er rufe ihn gerne an. Es war gleichzeitig amüsant und anstrengend. Und alles untermalt von Räuberpistolen sondergleichen. Der Millionär, der ihm noch Geld schuldet. Ein Promi, der sich hier immer aufführt wie König („kann keine Namen nennen“). Und seine vielen Freundinnen. Und was er alles organisieren kann. Also, Ihr Lieben, wenn ihr mal Rat braucht oder Hilfe auf Kuba… Ich kenne da jetzt jemanden. Im Moment sucht er dringend Reisende, die ihm Bargeld nach Kuba mitbringen können, er überweist das dann später zurück.

Ich floh dann trotz des Unterhaltungsfaktors unter einem Vorwand und bekam auch langsam Hunger. In einem nett anmutenden Restaurant fragte ich nach der Speisekarte. Brauche ich nicht, es gäbe nur Fischfilet. Ohjeh.
Ich lief ein wenig herum und landete irgendwie auf dem Gelände des 5-Sterne-Hotels Gran Muthu Almirante. Riesig. Bilderbuchatmosphäre. Ich fand bloß nicht mehr hinaus. Irgendwann stand ich in einem All-inclusive-Restaurant. Ich hatte zwar kein Bändchen, aber ich glaube, niemandem wäre es aufgefallen, wenn ich… Aber ich entschloss mich dagegen. Nur mithilfe des Personals fand ich den Ausgang.

Ich ließ mich in einer Hamburguesería nieder und aß den wohl traurigsten Burger meines Lebens.
Ich suchte noch eine Bar auf, wo ungelogen drei Minderjährige Cocktails mixten und Alkohol ausschenkten. Der Padrón war als Cowboy verkleidet. Skurril.

Und dann war mein Strandtag auch schon rum. Michel holte mich pünktlich ab, wir hatten eine sehr nette Unterhaltung über sein Leben mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern und wie schwierig sich das gestalte. Er war früher LKW-Fahrer und erhielt im Monat dafür 2500 Pesos, das sind, Wechselkurse hin oder her, 10 Euro im Monat. Der Wagen gehört seinem Cousin, der in den Staaten lebt. Ob der Geld abhaben will vom Verdienst? Und was muss er an die Vermittler zahlen? Strandparadiesurlaub können sich wohl nur Exilkubaner leisten.

Es tut mit ein bisschen Leid, dass ich so auf den Themen Armut und Ungerechtigkeit herumreite. Ich würde lieber auch nur lustige Geschichten, wie über unseren deutschen Halbitaliener, schreiben. Und, ich meine, machen wir uns nichts vor. Auch auf der kommenden Reise in Ägypten werden meine Freunde und ich absolut priveligiert sein.

Holguín hat seit meiner Rückkehr wieder keinen Strom. Kein Restaurant kann etwas vernünftiges zubereiten. Alle sitzen im Dunklen, können ihren Geschäften nicht nachgehen. Ich fand ein Eckrestaurant, das mir Croquetas servieren konnte.

Also, Ihr seht, ein sehr durchmischter Geburtstag. Ich wollte Hummer und bekam ein trauriges Brötchen und lauwarme Croquetas. Die Fischsuppe, die man noch auftischen konnte, war lecker. Was alles mehr war, als sich andere Menschen hier leisten können.

Morgen geht es in die nach Havanna zweitgrößte Stadt Kubas, Santiago de Cuba. Michel erzählte, es sei eine schöne Stadt, leide aber besonders unter Kriminalität. Ich versprach ihm, auf mich aufzupassen.

Fahrt ihr wieder mit?

Liebe Grüße, Euer Gerry

P.S.: Zum Welttag der Kakophonie (wann auch immer der ist…)

Tag 14 – Holguin: Auf Wallfahrt

Ihr Lieben,

heute endlich wieder mal organisiertes Frühstück. Das war ein bisschen speziell, so mit Thunfischsalat, Babybel und Crackern, dazu eine Scheibe Speck, Milchpulver, naja, aber wenigstens herrscht auf der Insel absolut kein Mangel an dem wirklich wunderbaren Obst!

Ich nahm mir vor, den Kreuzhügel zu ersteigen. Auf dem Weg dahin lenkte mich das Museum für Naturkunde ab. Was denn der Eintritt koste? Was ich denn bezahlen wolle? Kuba. Also, irgendwie nett, obwohl die meisten Exponate einem gestandenen Taxidermisten die Tränen in die Augen treiben würden, so zerrupft waren einige von ihnen. Mit mir war eine Gruppe Schülerinnen und Schüler in der Ausstellung, von denen mich einer ansprach, woher ich denn käme. Ob ich wohl ein paar seiner Freundinnen und Freunde kennenlernen möchte? Es wurden dann erstmal Dutzende kleine Hände geschüttelt. Ich bat dann aber darum, dass auch jemand die Begleitperson hole, das war dann eine zierliche Profesora. Ich hielt einen kleinen, erbaulichen Vortrag über die Wichtigkeit des Lernens (ich alter Heuchler), wobei ich mich für mein schlechtes Spanisch entschuldigte. Wie denn Deutsch klänge? Ich sagte etwas auf Deutsch. Ungläubiges Staunen, Gelächter und Gekreische. Bitte mehr. Mehr Deutsch, mehr Freude, mehr Gelächter. Ein Mädchen stemmte ihre kleinen Fäuste in die Seiten und erklärte mit ernstem Blick: „Creo que prefiero aprender inglés.“. Ja, so nützlich kann ich als Botschafter deutscher Kultur in Kuba sein! Was mir gefiel, waren das Interesse, die Höflichkeit und die Freude. Ich würde mal behaupten, in Deutschland wäre einem ‚exotischen‘ Besucher möglicherweise gesagt worden, er solle sich verpieseln.

Es half nix, ich hatte mir ja etwas vorgenommen. Nach einem ohnehin schon langen Spaziergang stand ich vor dem Berg von Stufen. Und nicht etwa deutsches Standardmaß gemäß DIN 18065, sondern irgendwie halbmeterhohe Blöcke, so fühlte es sich jedenfalls schon nach 10 Stufen an. Hatte aber auch meinen Zollstock in der Unterkunft vergessen.

Auf jedem Absatz, d.h. nach etwa jeweils 25 Stufen der Treppe, befanden sich Bänke. Habe ich diverse Male gerne in Anspruch genommen. Über mir kreisten Greifvögel. Waren die extra wegen mir gekommen? Irgendwann kam dann oben etwas an, das gewisse Ähnlichkeit mit mir hatte. Und dafür, dass mit mir zusammen nur zwei weitere Personen sich da hochgequält hatten (beide haben mich ohne Luftnot überholt, mögen sie den Rest des Tages nur schales Bier aus Plastikflaschen bekommen!), war es dann erstaunlich voll. Souvenirstände und Getränkebuden waren von Menschen belagert, die sich mit einem Reisebus hatten hochkutschieren lassen. Faule, unaufrichtige Bande! Man hat von oben einen sagenhaften Fernblick. Es gibt ein paar Bettler hier und leider viel Müll.

Wenn man sich so einen Kreuzberg hochschleppt, hat(te) man ja, zumindest früher, Anliegen. Fruchtbar zu sein, von Krankheiten geheilt oder reich zu werden, dass das Kind keine Segelohren bekommt. Ja, lacht nicht, da gibt es einen Jesus in Köln, zu dem man aus eben diesem Grund gepilgert ist. Mir reichte schon ein Bier.

Ich nahm ein kleines Video für meinen Vater auf, der heute 87 Jahre alt geworden ist. Noch einmal herzlichen Glückwunsch und alles Liebe und Gute, Papi! Das wollte ich dann verschicken, wenn mal wieder Internet vorhanden war. Das ist heute nämlich äußerst mau. Ja, und dann ging’s den ganzen Weg wieder abwärts. Unten waren meine Beine dann quasi Pudding.

Ich wechselte in der Casa mal mein Kreuzfahrershirt und erkundete dann zuerst die kleine, unspektakuläre Markthalle und dann das Haus der Künste. Da gab es eine kleine Dauerausstellung, die war ganz okay, und eine Ausstellung eines heimischen Künstlers, die extra für mich illuminiert wurde. Ich hoffe, der Künstler liest das jetzt nicht, aber ich finde es durchaus legitim, dass da Strom gespart wird. Der Dame, die mir auf Schritt und Tritt durch diese Ausstellung folgte, erklärte ich, die Bilder sprächen zu mir, aber ich würde sie vielleicht noch nicht in ihrer vollen Bedeutung begreifen. Dennoch wäre mein Herz mit Freude erfüllt.

Es war wieder Zeit für einen Cuba Libre. Den nahm ich am St.-Ballermann-Platz ein, wo es schon wieder gut rundging. Holguín geriert sich an vielen Ecken wirklich wie ein Touri-Ort. Man bietet Tai Chi auf dem Marktplatz an! Hömma! Fehlt eigentlich nur das Meer. Ich habe die Badeorte in meiner Reiseplanung ausgelassen, ich hatte ja in Havanna Meer und verspreche mir auch ein bisschen Wasser in Santiago. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es in Varadero, Cayo Largo oder Baracoa so zugeht.

Was ist denn so im Süden der Maceo so los? Ich lief mal die andere Richtung entlang. Am Platz José Martí vorbei, wo gerade eine Reihe Bronzeköpfe der Revolution einen neuen Anstrich erhielten, was stank, wie sonst nichts. Die armen Arbeiter. Die Maceo endet dann am Hauptbahnhof von Holguín. Ich hatte daheim auch die Bahn als Fortbewegungsmittel auf Kuba in Betracht gezogen, man riet aber in Facebook-Gruppen davon ab. Die neuen chinesischen Züge seien sicher und bequem, aber die Abwicklung sei furchtbar. Ja, und heute kam quasi der Beweis. Der Zug stand im Gleis, die Menschenmassen drängelten sich vor den Toren. Das sah in echt schlimmer aus, als auf dem Foto, denn da sieht man die menschlichen Fleischberge vor dem Zaun nicht. Ich glaube, das hätte mich tatsächlich ziemlich gestresst.

Auf der Terrasse meiner Casa mixte ich mir einen Tinto de Verrano, als mein Vermieter auftauchte. Der war mir noch die Organisation eines Ausflugs für morgen schuldig, die ich schon mehrmals, selbst schon von zuhause!, angefragt hatte. Er scheint eher so der Typ „null problemo“, aber mit einem fatalen Hang zur Vergesslichkeit. Null problemo, er meldet sich auf jeden Fall später noch. Zumindest konnte er meine Unterkunft ins W-LAN-Netz einklinken. Mit Etecsa-Karten kann ich dort jetzt Guthaben abnetzifizieren.

Es wurde Zeit für ein Abendbrot. Ich hatte schon gestern ein Restaurant entdeckt, das ich nett fand. Das 1545. Obwohl mal wieder Stromausfall war und die Hälfte der Restaurants im Dunkeln lagen, war ich alleine. Zusammen mit ca. 25 Beschäftigten. Aus der Anlage schollen spanisch übersetzte Rockklassiker wie z.B. Bed of Roses. Die Karte war eher schlicht. Schade für einen so schönen Schuppen. Aber man muss ja kochen mit dem, was man hat.

Am Abend hatte ich an der Hauptkirche eine Probe zu einem offensichtlich nicht kleinen Konzert gesehen, da ging ich dann abends hin. Da war aber dann nichts. Schon vorbei oder kein Strom? Schade.

So, bin gespannt, wie mein Geburtstag morgen verläuft. So, wie es aussieht, nicht am Strand. Aber dann mache ich halt das Beste draus, stürme in das nächstgelegene Parteibüro und verlange als Freund der Revolution eine Tour zum Geburtshaus der Familie Castro. Ob das klappt?

Liebe Grüße, Euer Gerry

P.S.: Autos, die nach den Prinzipien des Fengchi gebaut wurden, verbrauchen wesentlich weniger Benzin als z.B. SUVs.

Tag 13: Von Camagüey nach Holguín

Ihr Lieben,

man soll ja die Lottozahlen nicht vor der Ziehung loben. Natürlich wachte ich mitten in der Nacht mit vollkommen verstopftem Riechkolben und Schluckbeschwerden auf. Also, wieder fleißig Tabletten gekaut, gelutscht und geschluckt. Den Rest der Nacht konnte ich dann irgendwie knicken. Um 6 Uhr räumte ich auf, machte mich tagfein und wartete auf die Vermieterin und mein Fahrradtaxi. Das klappte prima und ich war mehr als pünktlich am Busbahnhof. Dort wurde ich von einer wogenden Menschenmenge empfangen. Jeder wollte, dass ich sein Taxi nehme. Erst dachte ich, was ein Quatsch, wenn ich zum Bahnhof fahre, habe ich ja im Zweifelsfall ein Ticket für den Bus. Aber man könnte natürlich auch versuchen, mit anderen eine Fahrgemeinschaft zu bilden und so schneller (preiswerter eher nicht) ans Ziel kommen. Und wenn das nicht klappt, eben doch einen Restplatz für den Bus ergattern. Die Fahrt habe ich dann irgendwie verdöspennt.

Anders verhielt es sich dann am Busbahnhof in Holguín. Hier wogte mal so gar nichts und ich wusste, der Fußweg wäre nicht ohne. Resigniert lief ich zur Straße, wo mir ein Mofa mit Beiwagen entgegenkam. Taxi? Heißa. Es dauerte etwas, um mich und meine Plünnen zu verstauen, der Beiwagen war eher für Hamster konzipiert und nicht für gestandene Koffer mit ihren prallen Besitzern. Dann wurde mir ein Helm übergestülpt. Wer den wohl zuletzt aufhatte? Sauber war der keinesfalls. Wenn mir jetzt die Haare ausfallen… Der gute Taxista verfuhr sich ordentlich und wollte am Ende mehr als das vereinbarte Geld, es hätte ja jetzt viel länger gedauert als geplant. Geschenkt, wir redeten über 60 Cent.

Die Begeisterung ist grenzenlos!

Im Hostal war erst einmal niemand. Supi. Ein kleiner Junge ging auf die Suche nach jemandem. Eine Dame kam, öffnete und wusste offensichtlich nichts mit mir anzufangen. Sie musste jemanden suchen, die dann jemanden suchen musste. Diese Person war dann richtig. Ich bekam ein Zimmer in einem Nebengebäude, das ist sauber, ruhig und nett.

Holguín war dann in weniger als 2 Stunden erkundet. Die sehenswerten Plätze liegen alle an der Straße meiner Unterkunft. Hübsche Kolonialhäuser, Kirchen, Monumente. Am Ende der Straße, Maceo genannt, erhebt sich der Kreuzhügel, dessen Ersteigung über 458 Stufen einer kleinen Wallfahrt gleicht. Dreimal dürft ihr raten, wer in Windeseile… Na, ich heute mal nicht. Je weiter ich nach Osten komme, desto heißer wird es. Und dann mit der dicken Rübe. Vielleicht morgen. Ansonsten gibt es auch hier viele Museen. Ich werde den Tag schon herum bekommen.

Das Zentrum von Holguín macht einen erstaunlich wohlhabenden Eindruck. Die Läden sind gefüllt, Bettler gibt es kaum, alles gefegt, hübsche Menschen… Man könnte sich auf den Kanaren wähnen, wenn man nicht genau hinschaute. Ich kaufte mir im Dollar-Markt mal eine Flasche spanischen Wein, damit ich auf meiner kleinen Terrasse auch mal was anderes als Bier trinken kann.

Für Siesta war es jetzt zu spät, ich setzte mich in die Bar des Hotel Esmeralda und machte dort einen auf Hemingway. Trinken und Schreiben halt. Und Glotzen, das mache ich bekanntlicherweise ja gerne. Ob Ernest das auch gerne tat, entzieht sich aber meiner Kenntnis.

Am Abend wollte ich relativ früh essen gehen, ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, aber das macht man hier einfach nicht, früh essen. Ich wäre immer der einzige Gast gewesen. Ich fand dann aber eine große Terrasse, auf der das Leben tobte. Man trinkt hier gerne Bier aus riesigen Plastikzapfanlagen oder stülpt sich Bierflaschen in einen roten Cocktail. Igitt. Ansonsten ist man sehr laut, raucht wie ein Schlot und fuchtelt viel mit den Armen. War ich am Ballermann? Ja, so ein bisschen schon. Aus allen Anlagen ballerte Musik, aus der linken Rap, aus der rechten Pop, in der Mitte lief Salsa. Das hielt eine Gruppe Cowboys mit Gitarren und Akkordeons nicht davon ab, von Tisch zu Tisch zu laufen und die Kakophonie zu komplettieren.

Als es mir zu viel wurde, suchte ich wieder nach einem Platz zum essen. Inzwischen war aber mal wieder Stromausfall, so dass die Auswahl sehr eingeschränkt war. Wer hatte einen Generator? Ich suchte mir das Hotel Saratoga aus. Der Rindereintopf war dann sogar sehr lecker. Und just als ich fertig war, saßen wir auch da im Dunklen. Aber nur etwa 10 Minuten.

So, das war – bis auf meinen wilden Mofaritt – ein eher ruhiger Tag, mal sehen, was morgen so passiert.

Liebe Grüße, Euer Gerry