Kuba: Der Epilog

Ihr Lieben,

wie soll ich diese merkwürdige Erfahrung zusammenfassen? Man schrieb mir, das sei ja eine grauenvolle Reise, die ich da mache. Man schrieb mir, das sei ja traumhaft, was ich alles erlebe. Nun, es liegt irgendwo dazwischen. Gottseidank bin ich weit vor Abreise einigen Kuba-Foren beigetreten. Wäre ich unbedarft in das Land gereist, ich hätte wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch erlitten und wäre dort zudem verarmt. Ich erwähnte es (und ich werde einige Sachen wiederholen, die ich bereits in meinem Reisetagebuch schrieb), wer auf offiziellem Wechselkurs nach Kuba reist, bezahlt einfach auch mal 10 Euro für einen Kaffee. Heute beträgt der offizielle Wechselkurs Dollar/Peso 1:120. Auf der Straße sind es (man nähert sich beim Umtausch der sogenannten „Eltoque-Rate“ so gut es geht) 1:360. Der Durchschnittslohn in Kuba liegt bei vielleicht 4.000 Pesos im Monat. Das entspricht einem touristischen Abendessen. Klar, dass Ärzte lieber Classic Cars fahren anstatt im Bereitschaftsdienst dumm rumzusitzen. Das Geschäft mit den Touristen ist das einzig einträgliche! Und dabei wird hoch gepokert, da können Taxifahrten auch einfach mal teurer sein, als bei uns. Da ist die Versuchung groß, auch mal zu bescheißen. Da werden für alles und jeden Phantasiepreise aufgerufen. Das zehrt an den Nerven, man ist 24/7 auf einem Basar.

Kuba ist ein wunderschönes Land! Was könnte man aus diesem Land machen! Doch Verfall, Armut, Unordnung dominieren. Das ist schwer zu ertragen, wenn sich der siegreiche Sozialismus an jeder Häuserwand selbst bejubelt. Hasta la victoria siempre! Jede Ortseinfahrt preist mit einem Schild die Errungenschaften des Systems, jede Stadt ist irgendwie eine Stadt der Helden, in der die besten Menschen leben. Das verstört, wenn man weiß, dass es keine Medikamente gibt, kein Wasser (!!!!!), keine Hygieneprodukte, keine Babynahrung, keine Milch. Das Netz bricht weg, der Strom fällt aus. Was um Himmels Willen gibt es denn da zu feiern? Ich wollte nicht politisch werden in meinem Tagebuch, ich glaube ich schrieb das schon in meinem Prolog. Ich will es immer noch nicht, ich verstehe zu wenig von den Zusammenhängen. Aber es ist offensichtlich, dass das politische System auf Kuba versagt. Eine Mitschuld der Amerikaner an der desolaten Lage des Landes ist – wegen der Embargopolitik – auch nicht von der Hand zu weisen. Ich werde es übrigens nun, als Kuba-Tourist, wesentlich schwerer haben, nach Amerika einzureisen. Mal eine Frage: Ist es überhaupt erstrebenswert in ein Land zu reisen, das mir vorschreibt, wo ich sein darf und wo nicht? Land of the Free, dass ich nicht kichere!

Kuba ist als Reiseland ein vortreffliches Ziel, wenn man genug Geld hat und sich in geschützten Bereichen aufhält. Ich finde keine Zahlen dazu, wo sich die meisten Besucher der Insel aufhalten, aber mein Ausflug an den Strand von Guardalavaca zeigte mir, dass Touristenhochburgen einer abgekapselten Oase gleichkommen. Es gibt ausladende Buffets, Sonne, Palmen, Meer, kaum Kubaner. Es sei denn als Showtruppe oder Servicekräfte. In einer der Facebookgruppen schrieb eine Amerikanerin, sie sei an 7 Stränden gewesen und würde jetzt mal behaupten, sie kenne Kuba, wie ihre Westentasche. Das bezweifele ich stark. I really doubt that, M’lady! Wenn man untouristische Pfade begeht, erlebt man ein anderes Kuba. Klar, die Städte sind in der ersten Reihe in der Regel prächtig! Restaurierte Kolonialzeitbauten, wunderbare Plätze, erstaunliche Innenhöfe, bunte Häuserzeilen. Die Natur ist spektakulär: Bananenplantagen, Zuckerrohrfelder, Wasserfälle, Strände mit Palmen, Berge, Täler, grün, grün, grün. Alles prima, solange man im potemkinschen Dorf bleibt. Denn es gibt dahinter Müllberge, Verzweiflung und Armut. Wut? Nein, das eher nicht, das ist nicht erwünscht. Wenn in Holguín der Strom ausfällt, ist das Zentrum voller Polizei und Militär.

Ist Kuba ein Land für mich? Definitiv nein! Alle rauchen, das ist schon einmal für einen doch eher militanten Nichtraucher eine Pest. Dann ist es der lauteste Platz der Welt. Man unterhält sich nicht, man schreit. Die Motoren lässt man aufheulen, die Radios bzw. Bluetooth-Lautsprecher laufen am Anschlag. Ich schwamm quasi 500 Stunden im kakophonischen Meer. Bereue ich denn die Reise? Definitiv nein! Ich habe einige tolle Menschen kennengelernt, schätze die Kultur, die wechselvolle Geschichte, die Natur. Ich bin froh, dort gewesen zu sein. Man muss halt vorbereitet sein. Die Reise an sich würde ich von heutigem Standpunkt aus auch anders organisieren. Wenn Ihr also einen Individualtrip planen solltet, dann fragt ruhig nach.

Was Kuba für mich wirklich abstoßend macht, ist die geschilderte Selbstbeweihräucherung der Regierung. Und dass einige der Bewohner nicht erkennen, dass Touristen Bewegung in eine positive Entwicklung des Landes bringen könnten. Stattdessen gibt es mehr als nur einige Gestalten, die es darauf anlegen, Touristen zu vergraulen, indem sie sie verarschen. Man möchte diese Personen am Revers packen und kräftig durchschütteln!

Ihr werdet nicht glauben, was ich jetzt von mir gebe. Besucht dieses Land, es ist sehenswert. Aber seid umsichtig. Das Land gibt viel, die Gauner nehmen viel. Ich habe Medikamente, Schulartikel, Hygieneprodukte und dergleichen mitgenommen und verteilt. Und ich wurde verarscht. Diese beiden Dinge gehören nicht auf die beiden Waagschalen einer Waage. Es sind zwei völlig verschiedene Waagen. Ich weiß, dass mein Resümee für manche verbittert klingt, aber wenn man sich vorbereitet und (vielleicht besser als ich) angemessen reagiert, ist Kuba eine Reise wert.

Viva la revolucion? Nö, denn wenn die so weiterlebt, ist Kuba verloren. Aber nicht dorthin zu reisen, hilft auch keinem.

Noch einmal Danke für Eure Begleitung und bis bald! Seht mir nach, dass ich hier ein wenig aufgeregt durcheinandergeschrieben habe.

Liebe Grüße, Euer

2 Gedanken zu „Kuba: Der Epilog“

  1. Hallo Gerry,

    sehr nachdenkliches Resümee. Da ich ja grundsätzlich aufdringliche Geschäftspraktiken nervig finde wäre es schon kein Reiseziel für mich. Schon „Restauranteinwinker“ treiben mich zu Weißglut. Ich weiß schon warum ich eher einsame Reiseziele ansteuere. Auch das tägliche Wechseln würde mich total überfordern. Schön daher, dass man dir über die Schulter schauen konnte. Die Reiseberichte haben mich schwer beeindruckt. Hat Spaß gemacht mitzureisen!

    LG

    Kay

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