Ihr Lieben,
… als Milch in Camagüey. Mein Frühstück in der Casa bestand aus Limonade aus der Dose und Keksen. Ich machte mich also zuerst einmal auf, um irgendwo Milch zu erstehen. Mein Travel Tip Nr. 1 für Kuba: Solltet ihr irgendwo welche finden, packt direkt genug für den Rest der Reise in den Koffer. Ich fand nämlich keine. Dafür wieder Schlangen von Menschen vor Banken und Brotläden.
Der erste Eindruck von der Stadt ist ganz gut. Natürlich wesentlich untouristischer als Trinidad. Interessante Kirchen, nette Plätze, schöne Straßen. Aber die Läden leer, der Putz blättert, alles etwas heruntergekommen. Aber relativ sauber. Hier ist die Stadtreinigung aktiv. Insgesamt wirkt es so, als wolle man sich von der besten Seite zeigen, damit die Stadt interessanter für Besucher wird. Ich finde, das ist gelungen. Man sollte, wenn es auf dem Weg liegt, definitiv einen Stopp einplanen.
Als ich an der Kathedrale von Camagüey ankam, fand gerade ein Gottesdienst statt. Gut besucht. Ich erklomm für 1 Dollar den Turm. Das Wetter war dafür wie geschaffen, mit strahlend blauem Himmel hatte man einen schönen Blick über die Stadt. Die Treppe allerdings hatte es mal wieder in sich.
An der Plaza de San Juan de Dios fand ich ein nettes Frühstücksrestaurant, im Hostal San Rafael. Letzteres sieht sehr einladend aus und wäre auf jeden Fall für einen Wiederholungsbesuch eine Option für eine Übernachtung. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit ja eher gering, da es noch so viele andere Ecken zu entdecken gibt. Ich setzte mich zuerst ans Fenster mit Blick auf den Platz. Das war keine gute Idee, denn ein Bettler nach dem anderen wurde vorstellig. Oft Seniorinnen. Und irgendwann waren die kleinen Scheine alle. Ich zog mich weiter ins Ladeninnere zurück, so leid mir das tat.
Gestärkt von Kaffee und Käsetoast erwanderte ich mir eine Sehenswürdigkeit nach der anderen. Kirchen, Plätze, Geburtshäuser von Menschen, von denen ich noch nie gehört hatte und nach denen mich Günther Jauch selbst bei einer Million Euro nie fragen würde. Besonders schön ist die Plaza del Carmen mit vielen Bronzestatuen und einer sehr sehenswerten Galerie (ojeh). Die Kerze auf dem Bild des Liebespaares soll man anfassen, dann bringt sie Licht in Dein Leben. Und um die Ecke herum versteckt sich ein österreichisches Café.
Aber auch San Juan, Plaza Maceo, die Calle Principal usw. sind sehenswert. Ein Flüsschen trennt das Zentrum von der Südstadt. Direkt dahinter befinden sich Parkanlagen, Monumente zur Erinnerung an kubanische Helden sowie ein zoologischer Garten. An einem Sonntag ist da natürlich gut was los. Den Zoobesuch ersparte ich mir.
Ich fand einen Laden, der immerhin Kondensmilch und Milchpulver hatte. Ich fragte direkt auch nach Bier, das kam dann in der anderthalb Liter fassenden Plastikflasche. Naja, bin gespannt. Zuhause machte ich dann statt Siesta mal ein Kaffeekränzchen mit mir selbst. Die Cafetera der Casa hatte mehr Stalagmiten als die Atta-Höhle, daher kochte ich mir Kaffee in einem Topf und trank das mit der stark gezuckerten und zähflüssigen Milch. Hat was. Weiß nur nicht genau, was.
Auf meiner Terrasse steht ein stabiler Schaukelstuhl. Und es gibt einen Karambole-Baum. Die Früchte sind leider noch nicht reif, aber ein bisschen sauer macht ja lustig. Ein Stündchen rumschaukeln und dabei Zeitung lesen entspannte mich ausreichend, um über die República mal in den Norden der Stadt zu laufen.
In meinem völlig nutzlosen Reiseführer wird unter anderem ein Geschäft auf dieser Straße angepriesen, das tolles kubanisches Kunsthandwerk anböte. Hustepiepen, da ist jetzt ein trauriger Gemischtwarenladen drin. Am Ende der República gibt es ein riesiges Eisenbahnmuseum. Ob das noch betrieben wird, erschloss sich mir nicht. Draußen stehen aber ein paar interessante Lokomotiven aus längst vergangenen Zeiten.
Ansonsten ist es, vielleicht auch, da Sonntagsnachmittags alles geschlossen hat, sehr trist auf der Haupteinkaufsstraße. Die Devisenläden voll, die privaten Läden dürftig, die staatlichen Läden fast gar nicht bestückt. Viel Leerstand. Überhaupt fällt auf, wie viele Häuser auch zum Verkauf stehen.
Mir war nach einem Drink. Im Gegensatz zu Havanna und Trinidad gibt es hier eher wenige Bars. Keine davon irgendwie besucht. Heute morgen lief ich einer deutschen Reisegruppe über den Weg. Fast war ich versucht zu fragen, ob es die gewesen wäre, die ich beinahe gebucht hätte. Ich konnte mich aber beherrschen. Jetzt scheine ich der einzige Tourist in der 320. 000-Seelen-Stadt zu sein. Ich ließ mich in der Bar Bodegón nieder und war deren einziger Kunde. Der Kellner erzählte, dass seine Schwester seit vielen Jahren in der Schweiz lebt und er gerne nach Deutschland auswandern würde. Dabei guckte er mich fast flehentlich an. Ob seine Schwester denn zu Besuch käme? Nein, er habe sie ewig nicht gesehen. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, ob sie die Familie in der Heimat unterstützt. Aber ich las, dass Exilkubaner um die 2,2 Milliarden Euro Devisen nach Kuba bringen.
Zum Abendessen lud ich mich ins 1800 an der Plaza San Juan de Dios ein. Auch eine Empfehlung von Irenia. Wunderschön wäre es draußen gewesen, aber es hatte sich bedrohlich zugezogen. Ich hatte die Vorstellung, dass alle von der Terrasse bei Regen nach innen stürmen würden und sicherte mir daher schon von vorneherein einen Platz dort. Natürlich gab es das, was ich mir ausgesucht hatte, nicht. Ich bestellte etwas anderes, würde also nicht verhungern. Dachte ich. Denn es vergingen 20 Minuten. 45 Minuten. Anderthalb Stunden. Und hatte immer noch nichts zu essen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon leicht angetütert. Von chinesischem Bier, kubanisches gab es nicht. Herrjeh.
Bringt also Kekse mit, wenn Ihr das Restaurant besucht.
Ich berichte dann morgen, ob ich verhungert bin. Ach jeh, das ginge dann ja gar nicht. Also, wenn Ihr nichts mehr von mir hören solltet…
Bis morgen oder eben auch nicht, Euer Gerry