Tag 20: La Habana al final

Ihr Lieben,

Rückkehr zum Tatort. Alles auf Anfang. Hier hat alles begonnen… Nein, ich habe keine Drogen genommen, aber ich bin auch ohne ziemlich matschig in der Birne. Die Fahrt war natürlich ein Albtraum! Wir fuhren pünktlich und halbvoll los. Dennoch wurden uns feste Plätze zugewiesen, immerhin gab es noch drei oder vier Zustiegsbahnhöfe bis Havanna. Ich saß – natürlich – schräg hinter dem kleinen Mädchen, das beschlossen hatte, die ganze Fahrt wach zu bleiben, und deren gestresster Mutter, deren Rückenlehne so ausgeleiert war, dass sie praktisch auf mir lag. Ich tauschte natürlich sofort meinen Platz. Das ging aber nur bis Bayamo gut, als der nächste Schwung zustieg und ich wieder auf meinen Platz musste. In Las Tunas, ein Stopp, der gar nicht vorgesehen war, stiegen dann mehr Menschen zu, als es Plätze hatte. Ein, sorry, bin ja selbst keine Elfe, seeehr umfangreicher Mann stieg ein und rannte auf den Platz neben mir zu. Mich traf fast der Schlag! Der Chefkontroletti bugsierte ihn dann aber auf den Mittelsitz nach hinten und eine schmale, junge Chica zu mir. Dennoch war ich eingepfercht. Wer mich kennt, weiß, dass ich kleine klaustrophobische Aussetzer habe. Ich steigerte mich in dem Moment in genau so etwas rein. Wir hatten erst drei Stunden Fahrt hinter uns.

Ich om-te 🕉️ mich so gut wie möglich in einen panikarmen, aber fragilen Daseinszustand und hoffte auf Schlaf. Ich resümiere: Eingequetscht. Nachtbus mit ausgeleierten Sitzen. Hyperaktive Kinder. Hyperaktive Kubaner. Es war die Hölle! Ständig klingelte ein Handy und dann wurde nicht hineingeflüstert, sondern -getrötet! Die Kinder spielten Ballerspiele mit eingeschaltetem Ton. Man unterhielt sich lautstark. Jemand pfiff die ganze Zeit Melodien. Ständig wurde irgendwo angehalten, um irgendwas zu erledigen. Ich war ein Wrack schon nach der Hälfte der Zeit. Und wir fuhren nicht 15, sondern fast 17 Stunden. Ich werde im Epilog noch einiges dazu schreiben, was ich falsch gemacht habe, aber schreibt es Euch schon jetzt einmal hinter die Ohren: Kein Bus von Santiago nach La Habana!

Wobei man doch einiges erleben kann: bei einem Stopp erklomm die Polizei den Bus. Ich habe kaum etwas verstanden, aber ein Gepäckstück musste gesucht werden, das zu keinem Passagier gehörte. Oder der Tankstopp: einige Passagiere stiegen am Bahnhof Camagüey aus und der Bus bretterte  ohne sie davon. Wurden wir entführt? Ich wollte rufen, dass da doch wer fehlt, aber alle anderen waren so tiefenentspannt. Ich alter Pointenvermassler nahm es ja schon vorweg. Es wurde getankt. Der Bus fuhr zurück, alle hatten die WCs aufgesucht, Limo gekauft, Empanadas gefuttert. Und ich war bei der „Entführung“ im Bus und konnte nichts dergleichen tun. Super.

Irgendwann kamen wir in Havanna an. Alle prügelten sich um die Koffer. Meiner lag ganz vorne und im Weg. Aber erklär das mal einem Kubaner. Vor dem Busbahnhof die Taximafia. 25 Euro. Hahaha, ich bot 10. Ich mach’s für 10, schrie einer von hinten. Große Rangelei unter ca. 5 erwachsenen Männern. Echt, es ist furchtbar anstrengend. Ich bekam einen Fahrer vom furchteinflößenden Kundenverteiler zugewiesen, der mein Navi brauchte, um die Wohnung zu finden. Einige Straßen in Kuba führen ein Doppelleben. Es gibt den offiziellen Namen und den, den die Bevölkerung benutzt. Das sorgt stets für Verwirrung. Der Fahrer war zuverlässig und nett, und jetzt habe ich wieder eine Taxinummer mehr im Telefon.

Die Wohnung von Carlos Mitchel ist beliebt, sie war bis heute vermietet und noch nicht gereinigt. Er erklärte mir alles, wir richteten das W-LAN ein und ich ließ die Aufräumer allein. Die Wohnung ist direkt an der Plaza Vieja. Schöne Gegend in der ersten Reihe, heruntergekommen in der zweiten. Ich suchte nach einem Laden mit Milch (vergeblich) und ließ mich in der Obispo erst einmal auf zwei Bier nieder.

Dann erlief ich mir „meine“ Plätze noch einmal, fand tatsächlich einen Laden mit Kondensmilch und Bier und nebenher noch einen schönen Markt (einmal Schweinekopf bitte) und stieß auf einen Berliner Buddy-Bären. Ich brachte meine Einkäufe nach Hause und legte mich mal kurz hin. Ja, wirklich, für nur eine Minute. Stunden später wurde ich rechtzeitig für das Abendessen wach.

Ich ließ mich in einem Eckrestaurant mit einer Buena-Vista-Social-Club-Gedächtnis-Band nieder und bestellte etwas teures. Ich habe nämlich zu viel Peso übrig. Apropos, dafür sind die Dollar alle. Man serviert hier wohl nicht oft brutzelnde Schweinelende. Sofort hatte ich einen selbstbewussten Straßentiger als Fan. Der war sehr wählerisch. Karotte? Es guckte indigniert, als hätte ich einen unanständigen Handel vorgeschlagen. Fleisch? Naja, wenn’s denn sein muss.

Als ich fertig war und abgeräumt wurde, war der Fanblock zum nächsten Tisch weitergezogen. Diese Fans sind so wankelmütig! Dafür glotzte mich dann der Kollege Straßenwolf an. Dabei hatte ich ja gar nichts mehr…

Ich gönnte mir noch eine Super-Piña-Colada und wankte dann erschöpft nach Hause. Auf dem Heimweg lief ich noch in meinen Vermieter, kurze Plauderei, und im überfluteten Treppenhaus (wieso, weiß ich jetzt auch nicht) in die Nachbarstochter, die mich gerne massieren wollte. Sehr kurze Plauderei.

Was ich am letzten Tag mache? „Weiß nicht, schlag Du was vor“, heißt es bei den Geiern in Disneys Dschungelbuch. Ich lasse mich von mir selbst überraschen.

Liebe Grüße, Euer Gerry

2 Gedanken zu „Tag 20: La Habana al final“

  1. Gerne bin ich eine stille Begleiterin deiner spannenden Kuba-Reise gewesen. Aufgeregt, freudig, enttäuscht, frierend, ausgelaugt, interessiert, überrascht und euphorisch war ich mit dir unterwegs! Jetzt wünsche ich dir eine gute Rückreise. Freue mich auf ein Wiedersehen in Kölle! 😀🎉🍀

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