Tag 20: Wie Gerry den Bogen dann doch noch raushatte

Ihr Lieben,

zuerst einmal eine Frage an die Redaktion der Sendung mit der Maus. Wieso ist es eigentlich anstrengender, einen Berg hinaufzuklettern, als eine ebene Strecke zu gehen? Die Schwerkraft ist doch überall gleich, oder? Frage für ein befreundetes Kind.

Gestern Abend sah ich mir mal topografische Karten von der Gegend um den Arco del Coronadero an. Es müsste doch zu schaffen sein, dorthin zu gelangen. Ich fand einen vielversprechenden Ausgangspunkt bei einer Art Steinbruch mit angeschlossener Zementfabrik. Dort fuhr ich gegen Mittag hin, um festzustellen, dass ich mit Manuel nicht zum Startpunkt weiterfahren durfte. Ihn stehenlassen und von dort aus zu Fuß beginnen würde meine Wanderung mal eben um knapp anderthalb Kilometer pro Wegstrecke verlängern. Ich biss in den sauren Apfel, ließ Manuel in der prallen Sonne stehen und lief los.

Das erste große Teilstück der Wanderung war – gelinde gesagt – scheiße. Bis zur Steinwasauchimmerfabrik fuhren im Minutentakt Schlepper mit Trümmern oder Steinen an mir vorbei und ließen mich durch eine Dauerstaubwolke laufen. Der Weg war zudem dermaßen vermüllt! Wie die Poller Wiesen nach einem Rasertreffen. Ich bekam Zweifel. Die ich überwand.

Nach etwa 3 Kilometern wurde es dann besser. Die Fabrik lag rechterhand im Tal, der Müll ließ nach und die Landschaft wurde schöner. Wanderwege gab es im herkömmlichen Sinne nicht, es waren eher Geröllhaufen, über die man steigen musste. Plötzlich Alarmsirenen. Ach herrjeh, wassn nu los? Dann eine Sprengung. Um die Ecke gab es noch einen Steinbruch. Aha. Nach einer Wegkehre sah ich von oben dann linkerhand ganz weit unten einen alten Bekannten: Den Stausee von meinem ersten Versuch am letzten Donnerstag. Ab da wurde es richtig schön. Zwar ohne plätschernde Begleitung, aber mit atemberaubenden Aussichten. Die Schluchten des Hondo und des Berriel, riesige Höhlen, trockengelaufene Levadas (oder wie die in Spanien auch immer heißen mögen), wunderbare Kakteen. Aber eben alles mit kaum begehbaren Wegen (mit Ausnahme eines Hochplateaus, wo man anderthalb Kilometer gehen konnte, ohne sich wegen Unachtsamkeit die Haxen zu brechen). Die Sonne brannte ganz schön (ja, wenn der edle Herr immer so lange pennen muss!) und ich kam zu einem Anstieg, der mich an meine Grenzen brachte. In der App stand 22%. Mir kam es eher wie 45° vor.

Irgendwann tönte meine App „Hier scharf nach rechts!“. Dort befand sich leider ein Abgrund. Sie bestand darauf, dass ich nur nach rechts müsse und ich sei am Ziel. „Ihr könnt mich alle mal am Arco….“ wollte ich gerade kreischen, da erblickte ich 200 Meter links unter mir einen anderen Wanderer. Ob er wisse, wo der Arco sei, brüllte ich ihn an. He shouted back that he knew (er war Engländer). Ich solle zu ihm runterkommen, er zeige es mir auf seiner App. Und tatsächlich war ich nur noch 300 Meter entfernt. Wir plauderten noch kurz darüber, wie toll man auf den Kanaren wandern kann und über die Tücken von Wander-Apps (seine hatte ihn immerhin zum Ziel gebracht). Ja, und dann war ich endlich da. Ganz alleine. Vor wildromantischer Kulisse. Und die Arcos, es sind nämlich derer zwei, sind spektakulär. Leider konnte ich keine besseren Fotos machen, mir waren da viel zu viele Abgründe, das passte nicht zu meiner Höhenangst. Zudem lagen überall Ziegenköttel rum, und wenn dann mal so ein Widder auf Dich zurennt: Schwupps, lernste fliegen. Kenn‘ mich aus, bin selbst Widder.

Auf dem Rückweg wollte ich mir noch den Túnel de Agua entre los Barrancos ansehen, aber da hatte der „sogenannte Wanderweg“ mir nach einem halben Kilometer zu viele Felsabbrüche. Und überall standen Kakteen herum. Ich hatte sofort Bilder im Kopf, wie ich in der Notaufnahme sitze und man mir Stacheln entfernt. Also lief ich zurück. Leute, ich habe nach der Hälfte des Rückwegs gedacht, ich kann nicht mehr. Es war eine Qual. Als ich beim Wagen war, schrie ich „Manueeeeeel!“ und er schrie „Huup-hup“ zurück. Wir umarmreiften uns unter wildem Geschluchze („Nie wieder lasse ich Dich so lang in der prallen Sohohohohonne stehen….“ und „Keinen Meter mehr hätte ich geschahahahahafft…..“) und fuhren nach Arinaga zurück.

Zuhause schaffte ich es nur mit Ach und Krach die Treppen hoch. Ich trank gefühlte 2 Liter Wasser ohne abzusetzen und ließ mich auf das Sofa fallen. Trotz Baulärm pennte ich sofort für eine Stunde ein. Abends wollte ich noch Kleinigkeiten einkaufen gehen. Milch, Brot und Bier. Die erste Etage schleppte ich mich runter, auf die zweite hatte ich keine Lust mehr und beschloss, aufs Einkaufen zu verzichten. Ich spüre irgendwie jeden Knochen im Leib. Ich weiß, richtige Wanderer würden über die Strecke nur kichern. Dennoch: Ich bin zwar derangiert, aber gerade rasend stolz auf mich. 🙂

Liebe Grüße
Euer Gerry

P.S.: Warum ich ganz alleine bei den Arcos war? Naja, die Instagram-Ladies schaffen das mit High Heels nicht bis da oben 🙂

P.P.S.: Ein schon auf halber Strecke fixundfertiger Hobby-Autor (hinter ihm der Wander-„Weg“)

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