Tag 8 – Trinidad: das geniale Tal

Ihr Lieben,

heute früh dachte ich, man demonstriert vor meinem Haus. Trillerpfeifen, Trommeln, Gejohle. Das musste ich mir ansehen. Es waren dann hauptsächlich Kinder, die in einer Art Tambour-Kostüm tanzten und herumtrommelten, begleitet von einer Schar Schaulustiger. Yaniris klärte mich später auf: heute sei Día del estudiantes, Tag der Schüler. Am 4. April wurde auch die kommunistische Jugend Kubas gegründet, die zur Zeit einen großen Kongress hier ausrichtet. Das ist ja ausreichend Grund zum Trommeln.

In der Nähe von Trinidad gibt es ein weiteres Erbe der Weltkultur zu bestaunen, das Valle de los Ingenios. Ingenio heißt erfindungsreich, Genie. Hier sind aber die Zuckermühlen gemeint. Kuba wurde reich durch Tabak, Kaffee, Südfrüchte und Zuckerrohrprodukte, Rum ist immer noch ein lukratives Exportgut. Ich mag den ja auch sehr… insbesondere in Cocktails.

Yaniris hatte mir einen Fahrer organisiert, Rafael, der mich für 30US$ zu den interessantesten Punkten des Tales fuhr. In Trinidad selbst fuhren wir durch das Zentrum, wo wieder viele Schulkinder aufmarschierten, an der Plaza Santa Ana mit seiner finsteren Kirchenruine vorbei, gegenüber das alte Gefängnis, das jetzt eine Brauerei beherbergt. Schwerter zu Pflugscharen neu interpretiert!

Vor den Toren der Stadt hielten wir am Mirador de la Loma del Puerto. Früher ein Aussichtspunkt, um herannahende Piraten zu orten. Man blickt kilometerweit bis auf das Meer auf der einen und weit in die Berge auf der andern Seite. Die Palmeras meerseits sind leider durch Brände schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.

Unser nächster Halt war die Hazienda Iznaga, eine ehemalige Zuckerrohrplantage, deren Wahrzeichen ein 50 Meter hoher Turm ist. Dieser diente der Überwachung der vielen Sklaven. Zum Turm hin läuft man scheinbar durch eine Wäscherei. Ein Meer weißer Tischdecken, Anziehsachen und sonstiger Stoffartikel erwecken diesen Eindruck. Man versucht, diese sowie Früchte, Säfte, Holzspielzeug und Puppen an die Frau bzw. den Mann zu bringen. Ich frage mich, wer so etwas kauft… äh… ja.

Der Turm selbst ist wieder eine Herausforderung. Die Treppen machen einen morschen Eindruck und ich bin ja bekanntlich keine Elfe. Dazu meine Höhenangst. Musste durch, stell Dich nich so an! Oben dann spektakuläre Ausblicke! Und ich war trotz hohen Touristenaufkommens vor Ort alleine oben. Lag es an der Struktur des Turmes oder an den 70 Pesos Eintritt? Runterzukommen war dann nochmal herausfordernder als umgekehrt, da man ja diesmal deutlicher sehen konnte, wohin man stürzt.

Ich besuchte dann noch kurz das Herrenhaus, jetzt ein Restaurant und lief ein bisschen herum. In den Tälern Kubas ist Reiten eine beliebte Touristenattraktion. Hier nicht anders, am Eingang zur Hazienda wurden zwei Busladungen Touristen auf Pferde verfrachtet. Ich stehe so etwas ja eher skeptisch gegenüber, aber immerhin sahen die Pferde nicht völlig kachektisch oder sonstwie krank aus. Wobei Menschen meiner Statur sich das ja wirklich verkneifen könnten. Manche Reiterinnen und Reiter schienen das gleiche Gewicht auf die Waage zu bringen, wie der Gaul. In Havanna hatte ich mal einem Touristenkutscher gesagt, sein Pferd tue mir leid. Er fragte, was denn mit ihm sei. Hm. Was soll man da antworten?

Unser letzter Halt war dann die ehemalige Hacienda, jetzt Hotel und Restaurant Buena Vista. Fast fühlte ich mich an die Weingüter Südafrikas erinnert. So ein schönes Haus in so schöner Landschaft. Ich wollte Rafael zu einem Kaffee einladen, doch die Maschine war kaputt. Die Dame hinter dem Tresen ächzte noch, dass ausgerechnet heute zwei Busse voller Niederländer zum Essen erwartet würden. Wir bekamen dann Mangosaft, war auch okay. Und die Touristen ein ganzes Spanferkel, das schon vor sich hin brutzelte.

Das war ein schöner Vormittagsausflug. Rafael hat auch langsam und mit einfachen Vokabeln gesprochen, so dass ich alles verstand. Er hat 45 Jahre lang für eine Behörde gearbeitet und erhält nun etwa 1.500 Pesos Rente pro Monat dafür. Der monatliche Mindestlohn liegt bei 2.100 CUP. Ohne sein Ladataxi, sagt er, müsse er verhungern. Ein Huhn koste ja schon 500 Pesos. In dem Zusammenhang auch unglaublich: kubanische Ärzte gelten als gut ausgebildet. Sie bleiben aber nicht auf Kuba, sondern praktizieren mit ausdrücklichem Einverständnis (bzw. auf Druck?) der Regierung im Ausland. Diese erhält dafür Milliarden (!!!) Dollar Entsendegelder. Die verschickten Ärzte haben da nicht rasend viel von.

Es folgte die obligatorische Siesta. Danach machte ich mich auf ins Zentrum und landete dann doch in einem Museum. In einem riesigen Haus an der Plaza Mayor befindet sich das Museo Romántico. Ich dachte zuerst an Pyramos und Thisbe, Romeo und Julia, Ernie und Bert, Gerald und Cora. Aber es geht gar nicht um eine Romanze, sondern um die Epoche. Es ist das älteste Museum in Trinidad und das Haus gehörte einstmals dem Conde de Brunet und seiner Gattin Angela Josefa Borrell y Lemus mit ihren 12 Kindern. PUH! Es ist besonders wegen der originalen Möbel und Einrichtungsgegenstände aus aller Welt so sehenswert. Porzellan, Silber, Intarsienmobiliar, Muranoglas und und und. Die Familie muss vor Geld gestunken haben! Der Verkauf der Sachen aus allein einem der Dutzend Zimmer würde mir wahrscheinlich ein Auskommen für den Rest meines Lebens sichern. Und zwar kein schlechtes…

Ich entdeckte einen schönen Innenhof und ließ mich dort für einen Cóctel nieder. Nachdem ich ohne auf die Karte zu schauen einen bestellte, brachte der Kellner dann noch einen Aufsteller für den Tisch, der mich tief Luft holen ließ. Tequila und Rum ab mindestens zweistelligem €-Bereich. Aber es war gottseidank nur eine Spezialitätenkarte, der Cocktail war normalpreisig. War wahrscheinlich Rum, den der Conde de Brunet noch selbst handgezapft hat.

Um die Ecke spielten meine alten Bekannten von vorgestern, verstärkt durch einen weiteren talentierten Sänger. Aber ich war jetzt hungrig. Ich suchte mir die schöne Terrasse im Restaurant Las Conspiradores aus. Am Ende das bisher teuerste, was ich auf Kuba je hatte, aber definitiv auch das beste! Ceviche a la casa, arroz pesquero und Flan cubano de la nonna. Und die Hausband war auch nicht schlecht.

Eigentlich wollte ich dann noch das Tanzbein schwingen, aber ich war dann trotz der Siesta ziemlich erschöpft von meinen Urlaubsaktivitäten. Stattdessen lief ich noch ein paar Schritte durch die Gasse und probierte den Nachtaufnahmemodus meiner Handykamera aus.

Morgen ist mein letzter Tag in Trinidad, ich glaube, ich verlasse wieder kurz die Stadt. Darauf verlassen könnt Ihr Euch aber nicht. Liebe Grüße, Euer Gerry

P.S.: Ach so…

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