Ihr Lieben,
zuallererst einmal „Awh! You’re sooo cuuuuute! Awh! Aaaahw! Soooo cuteeeee!“ und das mit hoher Piepsstimme. Bin ja schließlich den Gepflogenheiten der Bloggeretikette verpflichtet. Aber im Ernst, bin ja keine Influenza: Ganz vielen lieben Dank für Eure vielen Glückwünsche, ich bin ganz hin und weggerührt! Awh!
Gestern, das war ja noch ein Krimi mit der Reiseplanung. Kein Strom, kaum Internet und da soll man gescheit etwas organisieren. Ich deutete ja schon an, dass ich wenig Vertrauen in den Besitzer des Hostals bezüglich der Planung meines Geburtstagstrips hatte. Daher schrieb ich in die Facebook-Gruppe Cuba Travel Tips, ob mir jemand bei meinem Strandtransport behilflich sein könne. Es meldete sich George, ein Reiseführer aus Holguín. Er brauche aber Zeit, um etwas zu arrangieren. Inzwischen hatte sich aber auch Mario wieder gemeldet, der vom Hostal. Ob es mir etwas ausmachen würde, ein Taxi mit einem Pärchen zu teilen. 100 € würde es insgesamt kosten, daher für jeden nur 50. Jetzt war ich kein besonders großartiger Mathematik-Schüler, aber 100 durch 3 sind für mich bis heute nicht 50. Na gut, dann eben familienweise. Ich schrieb zurück, ich würde gerne noch auf das Angebot des anderen warten. Billiger als 50 € käme ich im Leben nie weg. Haha! Übrigens würden auch noch Tante und Onkel des Pärchens mitfahren, aber ich solle mir keine Sorgen machen, der Wagen sei groß genug. Wie denn dann die Preisverteilung sei, wollte ich wissen. Na ja, immer noch 50 € für mich! Da bekam ich schon leicht Krawatte. Inzwischen hatte der Stromausfall den Generator auch leer gefressen, und ich hatte kein WLAN mehr, die Verbindung zum Netz war ab diesem Zeitpunkt absolut instabil. Ich bekam in regelmäßigen Abständen Nachrichten von George, er sei dran, er sei dran, er sei dran. Ich schrieb, ich wolle ihn nicht zur Eile drängen aber jemand anderes warte noch auf Antwort von mir. Was denn dessen Preis wäre, dann könnte er möglicherweise besser planen. Er solle da einfach so gut planen wie irgendwie möglich. Auf meiner Stirn bildeten sich leichte Krisenpickel. Inzwischen hatte ich gar kein Internet mehr und ich musste wieder ins Zentrum laufen, um in der Nähe des Sendeturms Empfang zu haben. Dann die Erlösung, 100 € hin und zurück in einem 1953er Chevrolet. Das war jetzt natürlich teurer als mein 50€-Ticket von Mario, aber weil ich schon die Katze der Familie bei mir auf dem Schoß sitzen sah, während ich das Enkelkind stillte, entschied ich mich für die Oldtimer-Tour und sagte die Familienkutsche ab. Später kam Mario noch vorbei, um irgendwelche Hebel umzulegen, damit wir wieder Strom hatten. Er wirkte irgendwie griesgrämig. Weiß gar nicht, warum.
Es war auf jeden Fall die perfekte Wahl, denn Michel, der Fahrer, der mich morgens abholte, war total nett, das Auto war super, die Fahrt war toll, und ich hatte einen ganz wunderbaren Tag am Strand. Den lief ich einmal hoch und einmal wieder runter, machte ein paar Abstecher die Hügel rauf… Hier ist für alle Urlaub pur. Keine Armut, keine Warteschlangen, kein Dreck. Ich denke, das ist eben das, was die meisten Touristen in Kuba sehen. Und auch nur sehen wollen. Aber das ist ja vollkommen okay. Mir selbst hat es ebenfalls gut gefallen. Aber ein Tag Strand und heile Welt reicht dann auch.
Nach meinem zweistündigen Strandspaziergang (mit den Füßen im Wasser! Ich war quasi in der Karibik schwimmen!) hockte ich mich in eine Strandbar, wo das Fotografenteam des Bundes schon für das offizielle Geburtstagsfoto Aufstellung genommen hatte.
Als die fort waren, betrat Frank Ludovigo (Name von der Redaktion bis zur Unkenntlichkeit verfremdet) die Bühne. Ich sei doch Deutscher, das sähe er sofort. Ob er sich dazu setzen dürfe, er müsse mal wieder Deutsch sprechen und es wären ja kaum Deutsche hier. Also, was für eine krude Geschichte sich da auftat. Als Taxifahrer mit 50 aufgehört (aber immer gespart), lebt jetzt hier, macht Geschäfte in Panama und Nicaragua und organisiert alles. Geldgeschäfte, Verkupplung, Vermietung, alles! Was ich den für die Casas bezahlt hätte? Sooo viel! Das hätte er billiger bekommen. Taxifahrt? Viel billiger! Wechselkurs? Ach, hätte ich doch bloß ihn gefragt. Ob seine Freundin eine Freundin für mich organisieren solle? Ich wäre sehr glücklich mit meinem Freund, mit dem ich seit 30 Jahren zusammen wäre. Kein Problem, der Ricardo aus Villanueva, das wäre genau mein Typ. Er rufe ihn gerne an. Es war gleichzeitig amüsant und anstrengend. Und alles untermalt von Räuberpistolen sondergleichen. Der Millionär, der ihm noch Geld schuldet. Ein Promi, der sich hier immer aufführt wie König („kann keine Namen nennen“). Und seine vielen Freundinnen. Und was er alles organisieren kann. Also, Ihr Lieben, wenn ihr mal Rat braucht oder Hilfe auf Kuba… Ich kenne da jetzt jemanden. Im Moment sucht er dringend Reisende, die ihm Bargeld nach Kuba mitbringen können, er überweist das dann später zurück.
Ich floh dann trotz des Unterhaltungsfaktors unter einem Vorwand und bekam auch langsam Hunger. In einem nett anmutenden Restaurant fragte ich nach der Speisekarte. Brauche ich nicht, es gäbe nur Fischfilet. Ohjeh.
Ich lief ein wenig herum und landete irgendwie auf dem Gelände des 5-Sterne-Hotels Gran Muthu Almirante. Riesig. Bilderbuchatmosphäre. Ich fand bloß nicht mehr hinaus. Irgendwann stand ich in einem All-inclusive-Restaurant. Ich hatte zwar kein Bändchen, aber ich glaube, niemandem wäre es aufgefallen, wenn ich… Aber ich entschloss mich dagegen. Nur mithilfe des Personals fand ich den Ausgang.
Ich ließ mich in einer Hamburguesería nieder und aß den wohl traurigsten Burger meines Lebens.
Ich suchte noch eine Bar auf, wo ungelogen drei Minderjährige Cocktails mixten und Alkohol ausschenkten. Der Padrón war als Cowboy verkleidet. Skurril.
Und dann war mein Strandtag auch schon rum. Michel holte mich pünktlich ab, wir hatten eine sehr nette Unterhaltung über sein Leben mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern und wie schwierig sich das gestalte. Er war früher LKW-Fahrer und erhielt im Monat dafür 2500 Pesos, das sind, Wechselkurse hin oder her, 10 Euro im Monat. Der Wagen gehört seinem Cousin, der in den Staaten lebt. Ob der Geld abhaben will vom Verdienst? Und was muss er an die Vermittler zahlen? Strandparadiesurlaub können sich wohl nur Exilkubaner leisten.
Es tut mit ein bisschen Leid, dass ich so auf den Themen Armut und Ungerechtigkeit herumreite. Ich würde lieber auch nur lustige Geschichten, wie über unseren deutschen Halbitaliener, schreiben. Und, ich meine, machen wir uns nichts vor. Auch auf der kommenden Reise in Ägypten werden meine Freunde und ich absolut priveligiert sein.
Holguín hat seit meiner Rückkehr wieder keinen Strom. Kein Restaurant kann etwas vernünftiges zubereiten. Alle sitzen im Dunklen, können ihren Geschäften nicht nachgehen. Ich fand ein Eckrestaurant, das mir Croquetas servieren konnte.
Also, Ihr seht, ein sehr durchmischter Geburtstag. Ich wollte Hummer und bekam ein trauriges Brötchen und lauwarme Croquetas. Die Fischsuppe, die man noch auftischen konnte, war lecker. Was alles mehr war, als sich andere Menschen hier leisten können.
Morgen geht es in die nach Havanna zweitgrößte Stadt Kubas, Santiago de Cuba. Michel erzählte, es sei eine schöne Stadt, leide aber besonders unter Kriminalität. Ich versprach ihm, auf mich aufzupassen.
Fahrt ihr wieder mit?
Liebe Grüße, Euer Gerry
P.S.: Zum Welttag der Kakophonie (wann auch immer der ist…)
So sieht ein Geburtstagskind aus.
Liebe Grüße 😘
🥰