Tag 14 – Holguin: Auf Wallfahrt

Ihr Lieben,

heute endlich wieder mal organisiertes Frühstück. Das war ein bisschen speziell, so mit Thunfischsalat, Babybel und Crackern, dazu eine Scheibe Speck, Milchpulver, naja, aber wenigstens herrscht auf der Insel absolut kein Mangel an dem wirklich wunderbaren Obst!

Ich nahm mir vor, den Kreuzhügel zu ersteigen. Auf dem Weg dahin lenkte mich das Museum für Naturkunde ab. Was denn der Eintritt koste? Was ich denn bezahlen wolle? Kuba. Also, irgendwie nett, obwohl die meisten Exponate einem gestandenen Taxidermisten die Tränen in die Augen treiben würden, so zerrupft waren einige von ihnen. Mit mir war eine Gruppe Schülerinnen und Schüler in der Ausstellung, von denen mich einer ansprach, woher ich denn käme. Ob ich wohl ein paar seiner Freundinnen und Freunde kennenlernen möchte? Es wurden dann erstmal Dutzende kleine Hände geschüttelt. Ich bat dann aber darum, dass auch jemand die Begleitperson hole, das war dann eine zierliche Profesora. Ich hielt einen kleinen, erbaulichen Vortrag über die Wichtigkeit des Lernens (ich alter Heuchler), wobei ich mich für mein schlechtes Spanisch entschuldigte. Wie denn Deutsch klänge? Ich sagte etwas auf Deutsch. Ungläubiges Staunen, Gelächter und Gekreische. Bitte mehr. Mehr Deutsch, mehr Freude, mehr Gelächter. Ein Mädchen stemmte ihre kleinen Fäuste in die Seiten und erklärte mit ernstem Blick: „Creo que prefiero aprender inglés.“. Ja, so nützlich kann ich als Botschafter deutscher Kultur in Kuba sein! Was mir gefiel, waren das Interesse, die Höflichkeit und die Freude. Ich würde mal behaupten, in Deutschland wäre einem ‚exotischen‘ Besucher möglicherweise gesagt worden, er solle sich verpieseln.

Es half nix, ich hatte mir ja etwas vorgenommen. Nach einem ohnehin schon langen Spaziergang stand ich vor dem Berg von Stufen. Und nicht etwa deutsches Standardmaß gemäß DIN 18065, sondern irgendwie halbmeterhohe Blöcke, so fühlte es sich jedenfalls schon nach 10 Stufen an. Hatte aber auch meinen Zollstock in der Unterkunft vergessen.

Auf jedem Absatz, d.h. nach etwa jeweils 25 Stufen der Treppe, befanden sich Bänke. Habe ich diverse Male gerne in Anspruch genommen. Über mir kreisten Greifvögel. Waren die extra wegen mir gekommen? Irgendwann kam dann oben etwas an, das gewisse Ähnlichkeit mit mir hatte. Und dafür, dass mit mir zusammen nur zwei weitere Personen sich da hochgequält hatten (beide haben mich ohne Luftnot überholt, mögen sie den Rest des Tages nur schales Bier aus Plastikflaschen bekommen!), war es dann erstaunlich voll. Souvenirstände und Getränkebuden waren von Menschen belagert, die sich mit einem Reisebus hatten hochkutschieren lassen. Faule, unaufrichtige Bande! Man hat von oben einen sagenhaften Fernblick. Es gibt ein paar Bettler hier und leider viel Müll.

Wenn man sich so einen Kreuzberg hochschleppt, hat(te) man ja, zumindest früher, Anliegen. Fruchtbar zu sein, von Krankheiten geheilt oder reich zu werden, dass das Kind keine Segelohren bekommt. Ja, lacht nicht, da gibt es einen Jesus in Köln, zu dem man aus eben diesem Grund gepilgert ist. Mir reichte schon ein Bier.

Ich nahm ein kleines Video für meinen Vater auf, der heute 87 Jahre alt geworden ist. Noch einmal herzlichen Glückwunsch und alles Liebe und Gute, Papi! Das wollte ich dann verschicken, wenn mal wieder Internet vorhanden war. Das ist heute nämlich äußerst mau. Ja, und dann ging’s den ganzen Weg wieder abwärts. Unten waren meine Beine dann quasi Pudding.

Ich wechselte in der Casa mal mein Kreuzfahrershirt und erkundete dann zuerst die kleine, unspektakuläre Markthalle und dann das Haus der Künste. Da gab es eine kleine Dauerausstellung, die war ganz okay, und eine Ausstellung eines heimischen Künstlers, die extra für mich illuminiert wurde. Ich hoffe, der Künstler liest das jetzt nicht, aber ich finde es durchaus legitim, dass da Strom gespart wird. Der Dame, die mir auf Schritt und Tritt durch diese Ausstellung folgte, erklärte ich, die Bilder sprächen zu mir, aber ich würde sie vielleicht noch nicht in ihrer vollen Bedeutung begreifen. Dennoch wäre mein Herz mit Freude erfüllt.

Es war wieder Zeit für einen Cuba Libre. Den nahm ich am St.-Ballermann-Platz ein, wo es schon wieder gut rundging. Holguín geriert sich an vielen Ecken wirklich wie ein Touri-Ort. Man bietet Tai Chi auf dem Marktplatz an! Hömma! Fehlt eigentlich nur das Meer. Ich habe die Badeorte in meiner Reiseplanung ausgelassen, ich hatte ja in Havanna Meer und verspreche mir auch ein bisschen Wasser in Santiago. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es in Varadero, Cayo Largo oder Baracoa so zugeht.

Was ist denn so im Süden der Maceo so los? Ich lief mal die andere Richtung entlang. Am Platz José Martí vorbei, wo gerade eine Reihe Bronzeköpfe der Revolution einen neuen Anstrich erhielten, was stank, wie sonst nichts. Die armen Arbeiter. Die Maceo endet dann am Hauptbahnhof von Holguín. Ich hatte daheim auch die Bahn als Fortbewegungsmittel auf Kuba in Betracht gezogen, man riet aber in Facebook-Gruppen davon ab. Die neuen chinesischen Züge seien sicher und bequem, aber die Abwicklung sei furchtbar. Ja, und heute kam quasi der Beweis. Der Zug stand im Gleis, die Menschenmassen drängelten sich vor den Toren. Das sah in echt schlimmer aus, als auf dem Foto, denn da sieht man die menschlichen Fleischberge vor dem Zaun nicht. Ich glaube, das hätte mich tatsächlich ziemlich gestresst.

Auf der Terrasse meiner Casa mixte ich mir einen Tinto de Verrano, als mein Vermieter auftauchte. Der war mir noch die Organisation eines Ausflugs für morgen schuldig, die ich schon mehrmals, selbst schon von zuhause!, angefragt hatte. Er scheint eher so der Typ „null problemo“, aber mit einem fatalen Hang zur Vergesslichkeit. Null problemo, er meldet sich auf jeden Fall später noch. Zumindest konnte er meine Unterkunft ins W-LAN-Netz einklinken. Mit Etecsa-Karten kann ich dort jetzt Guthaben abnetzifizieren.

Es wurde Zeit für ein Abendbrot. Ich hatte schon gestern ein Restaurant entdeckt, das ich nett fand. Das 1545. Obwohl mal wieder Stromausfall war und die Hälfte der Restaurants im Dunkeln lagen, war ich alleine. Zusammen mit ca. 25 Beschäftigten. Aus der Anlage schollen spanisch übersetzte Rockklassiker wie z.B. Bed of Roses. Die Karte war eher schlicht. Schade für einen so schönen Schuppen. Aber man muss ja kochen mit dem, was man hat.

Am Abend hatte ich an der Hauptkirche eine Probe zu einem offensichtlich nicht kleinen Konzert gesehen, da ging ich dann abends hin. Da war aber dann nichts. Schon vorbei oder kein Strom? Schade.

So, bin gespannt, wie mein Geburtstag morgen verläuft. So, wie es aussieht, nicht am Strand. Aber dann mache ich halt das Beste draus, stürme in das nächstgelegene Parteibüro und verlange als Freund der Revolution eine Tour zum Geburtshaus der Familie Castro. Ob das klappt?

Liebe Grüße, Euer Gerry

P.S.: Autos, die nach den Prinzipien des Fengchi gebaut wurden, verbrauchen wesentlich weniger Benzin als z.B. SUVs.

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