Tag 17 – Santiago de Cuba: Eine Reise durch die Jahrtausende

Ihr Lieben,

es gab ein Frühstücksbüffet! Yeah! Naja, jetzt nicht so üppig, wie man das vom Parkhotel Nieder-Trottenheim kennt, aber für mich völlig ausreichend. Alles, was die letzten Tage mehr oder weniger fehlte, war da: Verschiedene Sorten Brot, Käse und Wurst, eine Eierzubereitungsstation! MILCH! für den Kaffee. Erstaunlicherweise haperte es nur an dem, was bisher immer im Überfluss vorhanden vor, nämlich Obst. Hauchdünne Scheiben Ananas waren als einziges im Angebot.

Ich hatte mir meinen Uralt-Reiseführer mit auf die Dachterrasse genommen und versuchte, herauszufinden, was denn die Must-Dos so sind. Und dermaßen gestärkt, fing ich an diese abzuklappern.

Ich startete im Barcadi-Museum. Jetzt denkt Ihr bestimmt, der olle Gerry, typisch, schon morgens Rum saufen. Nein, die Familie Bacardi hat sich auch kulturell (und politisch) sehr hervorgetan, insbesondere in der Person des Sohnes des Firmengründers, Emilio Bacardí Moreau. Er erwirkte, dass der Prado in Madrid Kunstwerke an Kuba übergab, er reiste in den Orient, um dort Exponate für die Sammlung der Familie zu erwerben. Nach der entschädigungslosen Enteignung 1960 emigrierte die Familie. Ihr politisches Handeln und ihr Einfluss auf die Entwicklung Kubas ist megainteressant, führt hier aber zu weit.

Das Museo Emilio Bacardí Moreau besteht aus drei großen Bereichen: Ausstellungsstücke zur Geschichte Kubas, zu Malerei und Bildhauerei sowie  zur Archäologie. Das  ist alles sehr sehenswert und kostete mich 6 Pesos Eintritt. Das sind weniger als 2 Cent. Es gibt – Achtung, gleich kommen Bilder, nix für schwache Nerven – neben wirklich schöner Kunst mehrere Mumien. Über die Frühzeit Kubas erfährt man hier allerdings fast gar nichts, die Highlights der archäologischen Abteilung kommen aus Kolumbien und Ägypten.

Der erste Bau am Platz der heutigen Kathedrale von Santiago stammte aus dem Jahr 1516. Mehrmals wurde sie zerstört und wiederaufgebaut. So, wie sie sich da heute in all ihrer Pracht zeigt, existiert sie seit 1922. Eigentlich wäre sie heute gar nicht geöffnet gewesen, aber ich hatte Glück, ich trampelte mitten in eine Hochzeit hinein. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen und guckte von der letzten Reihe aus ein bisschen zu. Highlight Nummer 1 war das wirklich sehr schön vorgetragene „Amazing Grace“ einer Sängerin, Nummer 2 der Auszug der Gesellschaft zu Mendelssohns Hochzeitsmarsch. Da ich nicht versehentlich in ein familiäres Geherze und Geküsse geraten wollte, war das das Zeichen für mich, zu gehen.

Diego Velázques und Hernán Cortéz, die Namen haben wir alle irgendwie schon einmal gehört. Der erste Gouverneur Kubas (und nicht identisch mit dem berühmten Maler) und sein Oberbefehlshaber haben hier in Santiago die Eroberung Mexikos geplant. Das Haus des Gouverneurs von Anfang des 16. Jahrhunderts steht noch fast wie original an der Ecke des Céspedes-Parks. Hier nimmt man dann auch 100 Pesos Eintritt und man wird von aufmerksamen Mitarbeiterinnen belagert, die einem Fakten um die Ohren schleudern und dafür einen Obulus erwarten. Hier stehen, wie in dem Herrenhaus in Trinidad, kostbarste Möbel und Dekorationsstücke. Eine Besichtigung des Hauses sowie des angeschlossenen „Neubaus“ aus dem 19. Jhdt. empfehle ich dringend!

Der Céspedes-Park selbst ist der Mittelpunkt Santiagos. Hier tobt das Leben. Man wird ständig angequatscht (Frauen, Zigarrenverkäufer, Geldwechsler, Restaurantempfehler). Es ist ein kleines bisschen wie Spießrutenlaufen. Hier und da versammeln sich Musiker, um sich ein paar Pesos hinzuzuverdienen. Viele Bänke zum Hinsetzen, wobei es passieren kann, dass sich dann eine Dame neben einen fallen lässt, sich anschmiegt und „¡Hola, guapo!“ haucht. Herrjeh.

Ich freute mich auf einen Kaffee auf der unteren Hotelterrasse. Leider ist die Milch alle, Señor. Wir haben Zitronenlimonade, Kaffee ohne alles, Elchschweiß und Daiquiri. Tja, schwer zu erraten, was ich dann tat. Um übrigens dem Problem mit kanadischem Süßbier aus dem Weg zu gehen, kaufte ich auf meiner Kultur-Tour nebenbei noch einige Büchsen kubanischen Bieres.

Inzwischen war ich gut fertig. Die Busfahrt gestern hat natürlich das bewirkt, was ich erahnte, mir hatte erkältungstechnisch einen schweren Rückschlag. Ẹine Siesta wirkt dann aber meist Wunder (ich glaube, ich bin inzwischen ein bisschen besessen davon) und nach zwei Stunden ohne Klimaanlage (es ist das gleiche Spiel wie in Asien, ich stelle sie aus und irgendein Hotelmitarbeiter stellt sie wieder an!) war ich bereit für weitere Schandtaten.

Zwei weitere nahegelegene Sehenswürdigkeiten zum Abhaken waren der Balcón de Velázquez und die Stufen des Padre Pico. Man sollte einen eindrucksvollen Blick über die Stadt haben. Der Balkon war geschlossen und die Altstadttreppen eher unspektakulär. Aber so kam man mal durch weniger touristische, aber sehr belebte Viertel. Bisschen scheel beäugt wurde ich da zwar schon, aber wohl eher aus Neugier.

Ich fand eine ausschließlich mit Einheimischen besetzte, lieblos eingerichtete Art „Trinkhalle“, bekam dort aber einen Ron Collins. Ein sehr lebhafter Ort.

Ich lief die andere Richtung der Enmaradas, der Hauptstraße, entlang. Ebenfalls sehr belebt, mit interessanten Gestalten auf der Straße, einer Art Minivergnügungspark am Ende und einigen Restaurants. Eine Pizzeria war sehr voll, ich beschloss, das als gutes Zeichen zu werten.

War es irgendwie nicht. Ich hatte verdrängt, das die karibische Pizza nichts mit der italienischen gemein hat.

Auf jeden Fall habe ich heute gut was erlebt, gesehen und gelernt. War ein schöner Tag. Morgen werde ich um Taxis wohl nicht herumkommen. Habe etwas außerhalb Ziele entdeckt, die ich gerne besuchen würde.

Bis denne, sachichma. Euer Gerry

Und die Pariser glauben immer noch, sie hätten das Original…

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