Ihr Lieben!
Zuerst die erlösende Antwort auf die Frage, die Euch zwei Nächte nicht hat schlafen lassen. Ja, man fährt hier für 4 Lew den lieben langen Tag Bus und Bahn. Bin total baff. Klar, umsonst ist noch baffiger, aber hier in Sofia ist der Nahverkehr schon schöner organisiert, als in Belgrad. Ich fordere Metro für alle!
Heute plante ich, morgens die Nationalgalerie zu besuchen. Ich übersah dabei leider, dass Montag ist. Welches weltumspannende, geheime Netzwerk hat eigentlich festgelegt, dass montags rund um den Globus die Kultur geschlossen hat? Müssen Bilder und Ausstellungsstücke sich ausruhen? Ich fordere die Einführung der 7-Tage-Woche für Kunst!
So entschied ich mich dafür, erst einmal ziellos durch die Gegend zu laufen. Ich entdeckte dabei die Synagoge Sofias, immerhin die zweitgrößte sephardische in Europa, schaute mir die Thermen hinter der Banja-Baschi-Moschee an und lief weiter zum Präsidentenpalast, wo ich die Wachablösung sehen konnte, die stündlich stattfindet. Zwei bemitleidenswerte Menschen müssen eine Stunde fast reglos vor den Toren stehen, dabei dem Plätschern eines Springbrunnens zuhören (nix für blasenschwache Menschen!), um dann mit ziemlichen Verrenkungen (Bein hochschmeißen bis zum Kinn) in einer ausgebufften Choreografie mit zweien ihrer Kameraden zu tauschen. Ich überlegte, wie denn der Name des Präsidenten sei, er fiel mir nicht ein. Ich googelte es: Rumen Radew heißt der aktuelle. Noch nie gehört, was ja nicht das schlechteste ist, da man ja zumeist mit Nachrichten über die Geisteskranken dieser Welt versorgt wird. Regierungschef ist übrigens Rossen Scheljaskow, wusste ich auch nicht.





Schräg gegenüber dem Palast befindet sich das Archäologische Museum, das sich dem Montags-zu-Diktat nicht unterworfen hat. Na, dachte ich, gibt ja schlimmere Beschäftigungen (Makramee-Museum z.B.), also rein. Das war dann auch ganz interessant, es gibt ein paar sehr hübsche Ausstellungsstücke. Die „Schatzkammer“ sah so aus, als wäre sie durch schmiedeeiserne Tore geschlossen, aber man kann reinspazieren. Nur so als Tipp.







Ein paar Schritte weiter nur stößt man auf den Stadtgarten, wo das hübsche Nationaltheater steht. Auch hier plätschern Fontänen, es gibt viele Skulpturen, eine Kunstgalerie (montags geschlossen) und am Rand, im ehemaligen Königspalast, die Nationalgalerie. Wenn man an der vorbeiläuft, erreicht man die russisch-ortodoxe Kirche St. Nikolai Mirlikiiski. Die hat einen oberen Gebetsraum, aber wenn man links um sie herumgeht, kann man in einen unteren Raum gelangen. Dort standen die Gläubigen ein bisschen Schlange, da sich eine ältere Frau über einen Sarkophag oder etwas ähnlichem geworfen hatte und bewegungslos in dieser Pose verharrte. Ich gehe aber davon aus, dass sie nicht zwangsläufig da sein wird, solltet Ihr da einmal hinkommen. Sah auf jeden Fall sehr dramatisch aus.







Ja, und dann ist mal auch schon wieder an der Newski-Kathedrale, diesmal ohne Konzertplatz davor. Und es waren auch mehr Tinnef-Händler da, als am Samstagabend. Es war Zeit für meine Siesta, und so begab ich mich zur Straßenbahnhaltestelle Opernhaus. Da trällerte man sich bei offenem Fenster die Seele aus dem Leib, sehr nett. Leider findet keine Vorstellung statt, während ich hier bin. Man wirbt für ein unspektakuläres Repertoire: Tosca, Rigoletto, Tannhäuser. Und Verdi heißt hier Bepgu, so merkwürdig 🙂










An der Straßenbahnhaltestelle versuchte ich zu entziffern, wo ich hinmusste. Dabei entzifferte ich „пазар“; ach, da sollte ich auch mal hin. Der Dschenski-Basar, also der Frauenmarkt, war schon halb abgebaut, aber dennoch ganz sehenswert. Er zieht sich bis zur Löwenbrücke und bietet alles, was man so braucht, von landwirtschaftlichen Erzeugnisse über Klamotten bis zu Baumarktartikeln. Nett.
Dann endlich, es war eigentlich schon wieder viel zu spät für ein Mittagsschläfchen, kam ich im Hotel an, wo ich mir dennoch meine Augenlider für eine Stunde von innen betrachtete.
Am Nachmittag tauschte ich in einer Wechselstube noch einmal etwas Geld, kaufte in einem DM ein paar Kleinigkeiten ein und gönnte mir einen Granatapfelsaft. Ganz lecker, das Zeuchs. Ich entdeckte eine weitere Fußgängerzone, die ich entlanglief. Brautmodengeschäfte, Cafés, Händler, die ihre gebrauchten Bücher auf Bänken auslegten. Ich kehrte zur Marie Luise zurück, besuchte die Moschee von innen (wie viele sehr schlicht, aber schön bemalt) und kaufte mir Sish-Kebab mit Salat zum Abendessen. Mit hausgemachtem Ayvar und Brot.








Gestern Abend hatte ich noch einen Ausflug zum Kloster Rila und zum Dorf Melnik gebucht, allerdings mit einer Rücktrittsversicherung in Höhe von 20% des Ausflugspreises, denn für 11 Stunden Rumgurkerei in den Gebirgen Bulgariens wollte ich mich doch ausreichend fit fühlen. Den werde ich womöglich wieder absagen (bis eine Stunde vorher kann ich das), denn ich bin immer noch schlapp. Ich habe sogar nachmittags kalt geduscht, um dieses dumpfe Körpergefühl loszuwerden. Und wenn ich so etwas beklopptes mache, dann ist es nicht unernst. Außerdem hieße die Teilnahme am Ausflug, um 6:30 Uhr aufzustehen und am Mittwoch muss ich sogar schon um 5 Uhr raus. Puh!
Na, mal sehen, was der Rest des Abends bringt. Entweder sitze ich in in Bälde im Bus oder wir laufen zusammen doch durch die Nationalgalerie. Bis morgen, Euer


