Ihr Lieben!
Am Morgen gab es eine unschöne Überraschung, es regnete. Also erst noch einmal umdrehen, darin habe ich ja mehrere Weltmeistertitel, dann lange frühstücken und dabei Plan B ausarbeiten. Dabei gab es noch nicht einmal einen Plan A.
Plan C war dann, ziellos umherzulaufen. Als ich das Hotel verließ, nieselte es ein bisschen, das gab sich später. Vielleicht, so dachte ich mir, wäre es nicht verkehrt, bei so einem Wetter die Festung hinaufzuklettern. Man hat dann zwar nicht so den superblauen Fotohimmel, aber es besteht dann eben auch keine Hitzschlaggefahr. Gesagt, getan. Zuerst ging es aber in die andere Richtung, ein Plan des Touristenverschreckungsvereins Skopje erklärte die Häuser der Finanzverwaltung (glaube ich) und der Elektrizitäswerke zu Sehenswürdigkeiten, diese bilden mit dem Stadtmuseum Skopje ein Dreieck. Ich war zwar nicht im Museum drin, kann aber über die Würdigkeit der Gebäude bzgl. Sehens festhalten: Nö. Zurück mit einem Schlenker über den Feudalturm aus osmanischer Zeit, neben dem ein interessantes Gebäude im sozialistischen Stil stand. Als ich das Handy zückte, kamen sofort Männer angerannt, Fotos verboten, war irgendwas militärisches. Ich lief über die Steinbrücke und stattete der Dimitria-Kirche einen Besuch ab. Sie besticht durch Malereien, auf denen die sehr dunkel gehaltenen Heiligen mit intensiv-goldenen Heiligenscheinen versehen sind, was einen beeindruckenden Kontrast ergibt.








Die Kale, das ist das Wort für Festung, ist sehr weitläufig, aber bei weitem nicht so gut erhalten, wie die in Belgrad. Aber es gibt eine lange Wehrmauer, die entlanggelaufen werden kann. Von der aus hat man ziemlich gute Aussichten auf Skopje. Es sind zwei größere Wehrtürme erhalten und ein paar kleinere, nur letztere kann man erklimmen. Auf zweien befindet sich ein ehemals begehbares Holzpodest, aber da würde ich von abraten, die sind so morsch, die brechen jederzeit zusammen. Am südlichen Ende der Festung wurde mit der Konstruktion eines Gebäudes – wofür auch immer – begonnen, dieses steht da jetzt als halbfertige Bauruine und Schandfleck herum, und das auch noch gut sichtbar von der Stadt aus. Ehrlich, Ihr hohen Räte von Skopje oder wie auch immer Ihr heißt: reißt das Ding ein! Auf dem Festungsberg tummeln sich übrigens Myriaden von Schnecken. Faszinierende Biester. Leider habe ich dies erst festgestellt, als es unter meinem Schuh knackte. Sorry, kleine Schnecke.







Ich schaute auf der Karte nach Sehenswürdigkeiten. Die jetzt alle einzeln zu beleuchten, wäre ein bisschen zu viel des Guten, aber ich erwanderte mir die Mustafa-Pascha-Moschee, eine Karawanserei, die nicht besucht werden konnte, das scheussliche Museum der Republik (nicht reingegangen), die Sultan-Murad-Moschee mit Uhrturm und Türbe des Ishak Bey, sowie die Ishak-Bey-Moschee (die, warum auch immer, Bunte Moschee genannt wird). In der Sultan-Murad-Moschee unterbrach der Imam, Dima aus Albanien, seinen Unterricht und zeigte und erläuterte alles. Sein Englisch war so gut wie mein Albanisch, aber wir hatten trotzdem viel Spaß miteinander. Das, was ich verstehen konnte, habe ich leider nicht behalten. Aber ein sehr netter Mann, der auch nur 3 Euro für die Gemeindekasse haben wollte. Ich habe dann sehr gerne etwas aufgerundet.








Es ging zurück in das Basar-Viertel, wo ich in die Fakultät für Kunst geriet, wo aber absolut nichts los war und alles stark verfallen wirkte. Seltsam. Um die Ecke dann ein alter Hammam. Nationalmuseum stand dran. Häh? Das ist doch am Eingang des Basars. Stellt sich heraus, das Museum ist mehrteilig. Hatte schon an meinem Verstand… bitte keine Zwischenrufe da hinten! In diesem Hammam wurde die mazedonische Foto- und Videokünstlerin Žaneta Vangeli mit einer Werkschau geehrt. Ich kannte sie nicht, aber ich war seeehr angetan. Was einerseits natürlich an den ansprechenden Werken der Künstlerin lag, aber auf der anderen Seite auch dem Umstand geschuldet ist, dass so ein Hammam der perfekte Ausstellungsort ist. Das künstliche Licht wird durch die Dachöffnungen verstärkt, die unterschiedlich großen Räume, deren Mauerwerk teils verputzt, teils freigelegt ist, bieten viel Spielraum für fantasievolle Präsentation. Kurzum: Super!






Ich war mehr als megadurstig („Gerry, nimm was zu trinken mit!!!“, sage ich immer) und entdeckte eine Mikrobrauerei. Ich bestellte ein selbstgebrautes Pilsner und las ein paar Dinge nach, unter anderem auch die Bewertung über die Brauerei. Hach. Also, manchen Menschen sollte die Erlaubnis, das Haus zu verlassen, entzogen werden. Egal. War jetzt nicht mein Bier, zu süß und irgendwie kräutrig, aber netter Laden und netter Besitzer bzw. Kellner. Und wer zu doof ist, nach Preisen zu fragen, hat halt Pech.
Gegenüber der Brauerei liegt die Kirche Himmelfahrt, auf deren Gelände der Nationalheld Goce Delchev seine letzte Ruhestätte hat, es gibt dort auch ein Museum über ihn, aber ich war irgendwie durch und wollte jetzt keine Heldenskizze. Der Hof ist aber sehr schön, ein riesiger Grantapfelbaum beherrscht die Szenerie und überragt wird alles von einem schon besonderen Glockenturm aus Holz.







Ich wollte Richtung Hotel, da laufe ich doch Nationalgalerie, zweiter Teil, über den Weg. Also, wenn schon, denn schon. Und wieder war ich begeistert. Ich kannte zwar keinen der Künstler, aber alles war außerordentlich! Nikola Martinoski z.B. hat noch nicht einmal einen deutschen Wikipediaeintrag. Konnte ich nicht begreifen, dass den bei uns so keiner kennt. Wenn ich nicht so foxi gewesen wäre, wäre ich jetzt auch noch ins Museum für zeitgenössische Kunst gerannt, das gibt es nämlich auch noch. Überhaupt, es gibt gefühlte 2000 Museen in Skopje, da schafft man eine ganze Regenwoche mit. Auf dem Rückweg kaufte ich noch einem Künstler ein Bild… wie? Neinneinnein, das ist doch gar nicht für mich… Wie albern Ihr seid! Wie, für wen denn dann? Sachma, das geht Euch ja jetzt wohl garnix an!









Am Mazedonienplatz gibt es ein Einkaufszentrum. Da spinxte ich mal rein, ich brauchte einen Supermarkt. Ich hatte trotz so exponierter Lage jetzt kein Kaufhaus GUM erwartet, aber postapokalyptische Totenstadt jetzt auch nicht. Herruntergekommen, kaputte Rolltreppen und Aufzüge, bröckelnder Beton. Aber ich fand einen recht guten Supermarkt im Keller und konnte mich mit allem notwendigen eindecken. Ich verließ das Center über einen anderen Ausgang und stand auf dem Heldenplatz. Ich sag’s Euch, man darf in Skopje nicht erschöpft sein, da nimmt die Stadt keine Rücksicht drauf. Also, auch hier noch einmal alle Prunk- und Protz-Statuen und Helden-Ensembles gescannt und dann nix wie ins Hotel. Es war nun definitiv zu spät für ein Nickerchen, also nur kurz frischgemacht und dann ab in ein nahegelegenes Restaurant.





Ich entschied mich für das 50 Meter entfernte „Drop Stop“, das Weinproben mit passenden Gerichten anbot. Gerne hätte ich das große Tasting (5 Weine, 5 Speisen) genommen, aber das hätte ich wahrscheinlich nicht geschafft. So nahm ich 4 Weine mit 2 Vorspeisen. Schafskäse mit Olivenöl-Kräuter-Infusion in gedünsteten Zucchini-Scheiben eingerollt und Hühnerpastete mit Erdbeerkompott. Drei Weine aus Trauben, die es nur hier gibt. Das war alles sehr lecker und war ein schöner Ausklang des Tages. Zwei Tische weiter trug eine exaltierte Amerikanerin zur allgemeinen Erheiterung bei, weil sie mit einer Videobekanntschaft mittels Notebook zusammen speiste. Fast verschluckt hätte ich mich, als sie deklamierte, sie käme besser mit Toten zurecht, die Lebenden seien ihr zu anstrengend. Äh. Ja. Ich hätte sie gerne fotografiert, denn sie sah genau so aus, wie sie Ihr Euch jetzt vorstellt. Aber das geht ja nicht.



Zweiter Tag also. Skopje hat, ich lobte es gestern ja doch sehr, auch so seine Schattenseiten. Die Luftqualität ist schlecht, viele Gebäude verfallen, wenn man mal die Basarhauptmeile verlässt, steht man knietief im Müll. Das Bild dazu halte ich mal zurück. Dennoch, ich fühle mich wohl hier, was unter anderem auch ein bisschen an der Freundlichkeit der Menschen hier liegt. Der Museumswärter kramt sein bisschen Deutsch raus, der Kassierer fragt, wie es einem hier gefällt, der Souvenirverkäufer bedankt sich dafür, dass man sein Land besucht, im Restaurant und Hotel alle so herzlich. Von Dima ganz zu schweigen. Aber auch die Gegensätzlichkeit zieht an, das pulsierende Leben in volkswirtschaftlich grausligen Zeiten. Ich spare Euch Zahlen hierzu, nur kurz: Moldawien ist offiziell das Armenhaus Europas. Aber Mazedonien steht dem nichts nach. Die FR hat einen lesenswerten Artikel über das Projekt 2014 und die Zusammenhänge und Folgen verfasst. Hm, wo war ich? Achja, ich mag es hier.
Wie so oft in den letzten Tagen bin ich unschlüssig, was ich morgen tun werde. Würdet Ihr Euch wieder mit mir zusammen überraschen lassen? Das würde mich sehr freuen. Bis dann, Euer


