Spanien 13: ¡Próspero año nuevo!

Ihr Lieben,

also, wie gestern schon geschrieben, dinierte ich ja abends in meinen Gemächern. Aber so ganz ohne Besonderheit wollte ich dann doch nicht ins neue Jahr. Gegen halb elf riefen meine Brüder an, das war schonmal schön. Dann, eine halbe Stunde vor Mitternacht, packte ich mir Weintrauben in einen Beutel, steckte ein Piccolöchen Cordonìu-Sekt ein und begab mich zur San Telmo-Brücke, wo sich auch schon einige Menschen versammelt hatten. Die meisten auf meinem Weg bogen allerdings zur Kathedrale ab. Man kann es kurz zusammenfassen: Es war viel los, es wurde sehr viel geböllert, aber Feuerwerk gab es wenig; obwohl ein Grundkrachen über der Stadt lag. Möglicherweise gibt es hier ein Feuerwerksverbot in der Innenstadt. Der meiste Lärm kam von meinem Handy, da das Feuerwerk daheim durch das Fenster als Bewegung identifiziert wurde und deswegen meine Kamera dauernd Alarm schlug. Pfffft. Es war übrigens recht kalt, so 4°C vielleicht. Es wurde übrigens sehr viel deutsch in der Stadt gesprochen. Das ganze hat mir eine Stunde Spaziergang eingebracht, ist ja auch was. Und der nächtliche Blick von der Brücke auf den goldenen Turm war wunderschön.

Warum 12 Weinbeeren? Es ist in Spanien eine Tradition, zu jedem der Glockenschläge, die den Übergang vom alten in das neue Jahr markieren, eine davon zu essen; das bringt angeblich Glück. Meine waren sehr sauer. Hm. Naja, macht ja bekanntlich lustig, deuten wir das mal positiv. Und sie waren knackig, ich erwarte also dieses Jahr die große Liebe. Es wurde, nebenbei erwähnt, schon Stunden vor Mitternacht geballert, geböllert und geknallt. Das fand ich schon ein wenig nervig und meine gerade erworbene spanische Gelassenheit bekam feine Risse. Die Knallerei dauerte dann auch weit nach 0 Uhr an, daher prokelte ich mir Stöpsel in die Lauscher und schlief selig ein.

Beim Frühstück merkte man dann deutlich, dass einige Gäste es wohl nicht gewohnt waren, über Mitternacht hinaus wach zu sein und dabei möglicherweise ein Glas Sekt zuviel zu trinken. Einige sahen sehr angeschlagen aus. Wobei gegen 22 Uhr in einem der Nachbarzimmer auch eine wilde Party stattgefunden hatte. Es klang fast nach professionellen Abendbegleiter:innen. Oder Vati und Mutti waren mal so richtig gut gelaunt. Ach ne, die wohnen ja in Viahundatfuffzn. Das Frühstück übrigens wieder super.

Sevilla ist ja jetzt nicht so riesig wie Madrid, dennoch gibt es einiges zu entdecken, darunter auch Weltrekorde. Die Kathedrale ist ja schon einmal die größte gotischer Bauart weltweit. Und Las Setas de Sevilla aka Metropol Parasol ist die größte Holzkonstruktion der Welt. Na, dann mal nix wie hin. Auf dem Weg nutze ich die Navigation des Handys zur Ortung von Sehenswürdigkeiten. Die meisten waren dann Kirchen. Paläste, Türme, Museen, das hatte alles geschlossen, ebenso wie die meisten Geschäfte. Lediglich kleine Souvenirläden buhlten um Kunden. Die Conventes, bei denen man Süßigkeiten an der Pforte kaufen kann, was ich gerne getan hätte, hatten sich heute auch frei genommen. Der Spaziergang war – ich überstrapaziere das Wort vielleicht ein wenig – wunderschön. Die ganze Stadt ist ja… äh… ja…

Der Zugang zu Las Setas („die Pilze“), inzwischen auch ein Wahrzeichen Sevillas, war ebenfalls gesperrt. Aber man konnte natürlich drumherumlaufen. Ich weiß nur leider nicht, was ich davon halten soll. Es ist beeindruckend gebaut, mir will das aber nicht so richtig in die Stadt passen. Die geschwungenen Formen sollen an die Bögen der Kathedrale und an Ficusbäume erinnern. Naja. Ich kaufte wieder eine Handvoll Kühlschrankmagnete (ist das eigentlich behandelbar?) und genehmigte mir ein Käffchen. Dann hangelte ich mich von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit weiter Richtung Triana, auf der anderen Seite des Guadalquivir.

Dort graste ich dann nach Überquerung der Triana-Brücke die Orte auf der Karte der Touristinfo ab, platzte in einen Gottesdienst in der entzückenden Capilla de los Marineros, wurde als Alleinreisender in den Restaurants am Ufer nicht auf die Terrassen gelassen (ging aber auch anderen Singles so, also kann es nicht nur an meiner Hackfresse gelegen haben), überquerte wieder die San Telmo-Brücke und wurde dann an der Puerta Jerez auf einer Restaurant-Terrasse mit der wahrscheinlich schlechtesten Google-Bewertung ever (1,3) fündig. Also, das mit der Warterei stimmt in etwa. Aber der Service war freundlich, der Kaffee heiß und gut, der Wein lecker. Man musste ja froh sein, sitzen zu können, denn an Tagen, wo alles geschlossen ist, kämpfen logischerweise umso mehr Touristen um einen der begehrten Außenplätze. Dabei kann es durchaus zu tumultartigen Szenen kommen. Wie zum Beispiel mit der etwa zwölfköpfigen italienischen Gruppe, die sich einen Vierertisch schnappte, dann von überall Stühle einsammelte, was zu einem Handgemenge mit anderen Gästen und Kellnern führte. Merke: Man wartet hier, bis einem ein Tisch zugewiesen wird. Wobei Alleinreisende und Riesengruppen eben Pech haben.

Es galt zu überlegen, wie ich den Nachmittag verbringen wollte. Es ist wie verhext, alles ist ausgebucht oder lange Schlangen hielten mich vom Anstehen ab. So erwarb ich in einer der vielen Pastelerías (eine Augenweide, ich sachet euch!) ein Törtchen, setzte mich auf eine Mauer am Fluss und guckte mir vorbeifahrende Boote an. Das war sehr entspannend. Also, während ich da so saß, habe ich mir kleine Notizen gemacht, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Zuerst einmal fragte ich mich, wie viele Menschen eigentlich durch herabfallende Orangen im Jahr verletzt werden? Die Bäume hängen hier ja voll davon. Essen kann man die übrigens zwar auch, aber es sind extrem saure Früchte. Man hat die Bäume nach Pflegeleichtigkeit ausgesucht, nicht nach Geschmack der Sorte. Dennoch werden sie verwertet. Viele gehen nach England in die Marmeladenproduktion, einige werden hier zu Schnäpsen und Wein verarbeitet. Dann fragte ich mich, warum so viele Sevillan@s SUVs fahren. Denn die Stadt ist für die der Endgegner. Es gibt so schmale Gassen, da müssen die Fahrer (persönlich gesehen!) die Rückspiegel einklappen oder mit drei bis vier Anläufen Vor- und Rücksetzerei um die Ecke biegen. Ich würde hier ja eher Dreirad fahren.

Gegen 17 Uhr landete ich wieder im Hotel. Booking hatte geschrieben, was ich alles falsch mache und sie mir daher nicht das erstatten könnten, was ich wollte. Die Rechnung stimme nicht, sie bräuchten einen Kontoauszug, blablabla. Ich bin etwas anuriniert. Jahrelang haben sie gerne mein Geld genommen, bei Problemen gibt’s dann nur Probleme. Genius-Level-Status 3. Da defäkiere ich gerade drauf! Die Rezeption hat zwar Gottseidank verstanden, was eine „factura saldo cero“ ist, konnte sie aber nicht elektronisch ausstellen. Man hat dann entsprechend darauf herumgemalt und -gestempelt. Wird wohl wieder nicht ausreichen. Dann fing ich das heutige Tagebuch an. Dä, und da sind wir jetzt zwei Stunden später. Jetzt gehe ich gleich wieder was essen. Wie gut, dass ich so viel rumlaufe, man könnte mich sonst mit Jabba, dem Hutten aus Star Wars, verwechseln. Dann wieder ab ins Hotelzimmer, wo ich nachher noch Weihnachtsfilme gucken werde (ich Rebell, ich!).

Morgen ist leider der letzte Tag hier, das ist wirklich schade, denn Sevilla, ich weiß nicht, ob ich es bereits erwähnte, ist wunder-, wunder-, wunderschön! Nos vemos mañana, si quiereis! Euer

P.S.: Ich möchte Euch übrigens nicht vorenthalten, dass überbackene Toasts hier Bikini heißen und Busfahrerinnen und Busfahrer wie die gesengten Säue fahren. Bittesehr.

Ich, wenn ich an das bevorstehende Ende meiner Reise denke…

P.P.S.: Übrigens viel „übrigens“! Ich hatte mir übrigens einen Thesaurus zu Weihnachten gewünscht!!!

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