Ihr Lieben!
Heute ging es mal mit dem Bus weiter, vom zentralen Busbahnhof aus. Man schickte mich nach Zahlung einer Busbahnhofssteuer (?) zur Haltestelle 3. Als ich dort ankam, warteten schon Dutzende Menschen, die scheinbar ihren ganzen Hausrat dabei hatten. Und wirklich ausnahmslos jede/r (na gut, genau 2 Personen außer mir nicht und das waren Touristen) hat ununterbrochen geraucht. Schwangere, Greise, Kinder. Schwangere Greisinnen mit Kindern. Alle. Entsprechend stank es wie hulle. Ein winziger Minibus erschien, alles balgte sich um die Plätze. Als der Bus schon aus allen Nähten platzte, teilte mir der Fahrer mit, er könne mein Ticket nicht akzeptieren. Mit mir betraf das 6 weitere Personen. Drei wollten „nur“ einen Tagesausflug nach Pristina machen und blieben entspannt, wir vier anderen mussten ja irgendwie dahin und waren entsprechend schwer angepieselt. Ich schrieb der Travel-Agentur Gjirafa eine Mail, die immerhin sofort antwortete. Man versuche, das Problem mit dem Anbieter Amalfi-Tour zu lösen.
Der Fahrer des rollenden Aschenbechers telefonierte derweil auch mit irgendwem und schrieb mir dann 12.30 Uhr auf mein Ticket. Ein Mann aus der Gruppe meinte sarkastisch, der kommt wahrscheinlich auch nicht oder ist dann voll. Ich ging erst einmal einen Kaffee trinken. Um 11.30 Uhr lief ich aber wieder nervös zum Bussteig. Was ein Glücksfall war, denn da stand ein großer, nur zu einem Viertel besetzter Reisebus nach Pristina. Die „Amalfitour“isten durften sich beim Fahrer direkt ein Ticket für 8 Euro kaufen und um 11.45 Uhr ging es los.






Eine richtige Grenzkontrolle. An einer richtigen Grenze, nicht an irgendeinem Flughafen. Hatte ich lang nicht mehr. Das hielt uns ein bißchen auf, zumal auch noch eine Frau aussteigen musste, aber die Fahrt durch mazedonische und kosovarische Landschaften war ansonsten sehr nett. Die extra kontrollierte Passagierin war auch wieder an Bord. Wir kamen in Pristinas Zentralbusbahnhof an, von dem aus ich keinen Bus in die Stadt fand. Google riet mir, einen Kilometer zu laufen, da könne ich in die Linie 1. Hah! Die gab es zwar, aber die fuhr ganz woanders hin. Oh, flötete Google, dann steig doch da aus und nimm diese Linie. Fast war ich deswegen wieder am Busbahnhof. Also, wieder eine andere Linie. Und als die falsch abbog, sprang ich bei nächster Gelegenheit raus und ging die restlichen 1500 Meter zu Fuß. Immerhin kostet eine Fahrt nur 50 Cent. Es gibt Ticketverkäufer im Bus, die rumlaufen.
Das Hotel ist klein, das Zimmer ganz okay. Nur der versprochene Kühlschrank fehlte. Ob ich umziehen wolle, das Zimmer mit Kühlschrank sei aber recht klein. Wir einigten uns dann darauf, dass ich den Frühstücksraum-Kühlschrank mitbenutze, der 10 Meter entfernt steht.
Ich war zwar ein bisschen hinüber, aber es galt ja, die Stadt zu erkunden. Der zentrale Mutter-Theresa-Boulevard ist eine Parallelstraße weiter, es ist die Einkaufs- und Ausgehstraße Pristinas. Ich lief zuerst nach Süden, zur Mutter-Theresa-Kathedrale. Ja, man hat definitiv einen Kult um sie in Albanien, Mazedonien und im Kosovo aufgebaut. Die Kathedrale befindet sich zur Zeit inmitten einer riesigen Baustelle, kann aber besucht werden. Recht schmucklos ist sie, was ein wenig verwundert. Und sie sieht auf den ersten Blick recht neu aus, Baubeginn war 2007, aber sie bröckelt hier und da schon. Ups. Ob ich den Turm hinauf möge?, fragte mich ein Wärter. Och nee, ich bin ein bisschen schlapp. Es gäbe einen Aufzug. Nein! Doch! Ooh! Zwei Euro später hatte ich einen famosen Ausblick auf die Stadt.







Ich lief den Boulevard nach Norden, bis zum Denkmal von Skanderbeg bzw. Skënderbeu, wie er auf albanisch heißt. Kommt wem der Name bekannt vor? Na, kein Wunder, gab es den doch auch in Tirana. Auf dem Weg dorthin kam ich am staatlichen Rundfunk vorbei, dem RTK-Gebäude im post-, ach was, im mittendrinsozialistischen Stil. Grauslich! Kurz davor befindet sich die Bibliothek des Kosovo, benannt nach dem Autor Pjetër Bogdan. Das Gebäude als speziell zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Es ist ein metallverkleidetes Konstrukt mit 99 Kuppeln. Auf jeden Fall ein Hingucker.
Am Skanderbeg-Platz war alles für eine Großveranstaltung vorbereitet: Bühne, Stuhlreihen, Beschallung. „Zeit für Pristina“ stand auf Fahnen (also auf albanisch). Rechterhand das Nationaltheater, das eingerüstet war, die Statue des Ibrahim Rugova, erstem Präsidenten des Kosovo, links der Nationalheld aus dem 15. Jahrhundert. Dazu noch Nena Tereze (die Nonne), Zahir Pajaziti (Freiheitskämpfer) und zahlreiche andere Statuen. Das Parlamentsgebäude habe ich auch gesehen, das sieht fast erfrischenderweise wie ein deutsches Provinz-Rathaus aus den 70ern aus.








Es war Zeit für Einkäufe und Bier. Zuerst suchte ich einen Supermarkt auf, das war nicht so schwierig. Dann suchte ich eine Terrasse, die nicht zugequalmt war (na, was ist des Kosovaren liebstes Hobby???) und auf der es zusätzlich auch noch Alkohol gibt. Das war schon komplizierter. Die Republik Kosovo ist zwar säkulär, aber die führende Religion ist der Islam (93 %). Ich persönlich hätte mir vom Propheten ja gewünscht, dass er beim Alkohol nicht so streng, dafür beim Rauchen aber unerbittlich gewesen wäre. Aber ich fand eine fast leere Bar-Terrasse, während alle Cafés um uns herum überquollen. Für mich perfekt. Auf dem Boulevard begann die erste abendliche Passeggiata. Man spazierte herum und zeigte sich.
Es wurde Zeit, mir ein nettes Plätzchen zum Abendessen zu suchen. Das Shpija e Vjetër machte von Außen einen total gemütlichen Eindruck, also rein. Sollte mich hinsetzen, wo ich wollte. Okay. Hierhin. Sofort von Rauchern umzingelt, die vorher nicht da waren (ungelogen!). Aber man hatte einen NR-Bereich. Ich zog um und saß sogar noch schöner. Man brachte mir die Speisekarte. Oh, Burger und Salat, prima. Der Kellner kam. Ob ich denn auch die Getränkekarte sehen dürfe. Gebe es nicht. Nur Cocktails und Weine. Äh ja, dann einen Rosé. Gebe es nicht. Weiß oder rot. Aha. Dann weiß bitte. Und den Burger mit Salat. Gebe es nur bis 17 Uhr. Puh! Dann die Pizza Meeresfrüchte. Und die und der Wein waren dann gut. Beschallt wurde ich mit Ergüssen des Buena Vista Social Club, also auch am Musikgeschmack gab es nichts auszusetzen.





Ich hatte keinen Reinigungsservice seit Belgrad gefunden und wollte jetzt nicht am Dienstag einen Flugzeugabsturz riskieren, weil Pilot und erster Offizier ohnmächtig wurden. Ich glaube, eine balkanweite Waschsalon-Kette könnte Erfolg haben. Gibt’s hier irgendwie nicht. Daher kaufte ich in einem Laden noch original Boss- und Armani-Shirts für je 15 Euro. Sie da, Sie haben eine Anmerkung? Wie bitte? Jahaaaa! ORIGINAL!!! Ja, und dann Tagebuch und Schluss für heute. Schlaft gut! Ich hoffe, wir sehen uns morgen wieder, Euer

P.S.: Gjirafa-Travel erstattet mir immerhin den zuhause bezahlten Ticketpreis.
P.P.S.: Die Preise sind hier gefühlt bisher am niedrigsten. Das Hotel kostet mich 50 Euro die Nacht mit Frühstück, das Abendessen schlug mit 13 Euro zu Buche. Zwei sehr gut gefüllte Gläser Wein, eine kleine Flasche Wasser und die Frutti-Pizza. Bier auf dem Boulevard 3 Euro, war aber auch ein „gehobenes“ Etablissement. Zigaretten gibt es hier ab 1 Euro die Packung. Marlboro dann 1,75 oder so.
P.P.P.S.: Der erste Eindruck? Ja, ich werde es hier aushalten. Hier sind die Menschen sehr nett, das Wetter ist gut, alles ist bezahlbar. Aber blitzverliebt bin ich nicht. Bisher konnte ich auch nichts Charmantes entdecken.

P.P.P.P.S.: Der Vorteil des Restaurant-Kühlschranks ist, dass der Wein wirklich kalt ist! Yeah!