Ihr Lieben,
so sieht das aus, wenn ich früh aufstehen muss. Ungefrühstückt ging es heute zum Höhepunkt einer jeden Ägyptenreise, den Pyramiden von Gizeh. Zwar war ich vor einigen Jahren schon einmal dort, war aber erneut schwerst beeindruckt. Damals besuchte ich allerdings nicht die Grabkammer des Cheops, das wollte ich dann heute nach. Ich nehme vorweg, ich werde es bei einem möglicherweise dritten Besuch nicht noch einmal machen, der Zugang ist eng, teilweise musste ich wieder kriechen und am Ende steht man in einem rechteckigen, schmucklosen Raum mit einer Steinkiste. Auf dem engen Zuweg kam es teilweise zu unschönen Szenen, da manche Menschen nicht begriffen haben, dass es von Vorteil ist, wenn auch ab und zu mal Leute wieder rausgehen. Dazu junge Influencer-Damen, die minutenlang auf der Rampe posierten. Nun ja, jetzt haben sie auf ihren Fotos einen hässlichen dicken Deutschen im Hintergrund. Der Spaß kostet übrigens umgerechnet ca. 20 €. Aber man kann behaupten dass man in einer Pyramide gewesen ist ja auch schon was.
Wir fuhren mit dem Bus noch zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man die drei größten Pyramiden als Ensemble sehen konnte, dann ging es weiter zum leider nicht mehr besonders erhaltenen Totentempel des Chefren. Ein historischer, früher überdachter Weg führt dann zur Sphinx. Das alles ist einfach nur gigantisch! Und man muss fairerweise zugeben, dass das frühe Aufstehen ermöglicht, noch Aufnahmen ohne Menschenmassen zu machen, denn die standen bei unserer Abfahrt vor den Toren. Und wenn ich Menschenmassen schreibe, dann meine ich nicht Menschenmassen, wie wir sie kennen, sondern jenseits jeder Vorstellung!
Wir fuhren zum ägyptischen Museum. Leider nicht, wie ich gehofft hatte, zum neuen, sondern zu dem alten. Wie soll man das beschreiben? Seit das neue Museum im Bau ist, hat man schon einige Prunkstücke dorthin verlagert und kümmert sich – wie Achmed I, mit dem ich heute ausnahmsweise mal wieder unterwegs war, erzählte – auch herzlich wenig um einen ordentlichen Weiterbetrieb des alten. Es war brechend voll! Ein Stimmgewirr sondergleichen. Dazu an einigen Stellen ein Gedränge wie anno dunnemal zum Sommerschlussverkauf am Sockenstand. Die Tutanchamun-Ausstellung besteht zu größten Teilen aus Stücken des Pharao Psusennes I. Fotografieren war in diesem einen Saal verboten, daher kann ich mir gar nicht erklären, wie seine Totenmaske auf meinem Handy gelandet ist.
Die Ausstellung ist ein bisschen verranzt, irgendwie stehen die Schaukästen seit 1900 unverändert herum und wurden augenscheinlich seitdem auch nicht geputzt. Das ist sowohl ein bisschen ärgerlich, macht aber auf der anderen Seite ein bisschen den Charme des Museums aus. In der Gruppe zu laufen, war mir zu anstrengend, daher löste ich mich von ihr und lief auf eigene Faust los, Gefahr laufend, wichtige Exponate schlichtweg zu verpassen. Aber einige wirklich schöne Stücke habe ich auch so entdeckt. Insbesondere über ein Doppelbildnis zweier Krieger-Brüder, welches ich durch Zufall fand, habe ich mich gefreut, da ich es aus einem Buch über antike Kunst schon kannte. Dass es hier in einer schmuddeligen Ecke hinter ungeputztem Glas sein Dasein fristet, wusste ich nicht.
Irgendwann hatte ich „Pufferüberlauf“, dazu trugen auch die visuellen, olfaktorischen und auditiven Störungen wegen der massiven Touristenmengen bei. Ich verließ das Gebäude durch den fast verstopften Souvenirverkauf und genehmigte mir einen Kaffee, der ziemlich teuer, dafür aber wenigstens lecker war. Irgendwann stießen die auch etwas angenervten Ruth und Markus dazu. Ich erstand übrigens eine Chnum-Statue im Verkauf. Wer sich an unseren Besuch in Esna erinnert, weiß, warum ich das tat 🙂
Eigentlich hatten wir ja inzwischen ausreichend viel für einen Tag besichtigt, aber Rolf, Otto und ich liefen dann nach dem Mittagessen an Bord noch zur hängenden Kirche im Koptenviertel. Die ist Teil eines Ausflugsprogramms morgen, aber wir haben einen anderen Ausflug gebucht. Praktischerweise liegt dieses Viertel auch nur ein paar Gehminuten vom Schiff entfernt. Wir ließen uns von Google leiten und landeten in einem ärmlichen Wohngebiet, wo wir ziemlich auffielen; der Zirkus ist in der Stadt! Die Kinder begrüßten uns freundlich, winkten und riefen, die älteren Bewohner beäugten uns interessiert, tauten nach einem Salam Aleikum aber auch deutlich auf. „Welcome to Egypt“ hörten wir oft. Mal ein Erlebnis der anderen Art.
Die Gegend um die hängende Kirche ist von Myriaden anderer Kirchen umgeben. St. Georg, St. Barbara, St. Maria, St. Dies und St. Das. Über- und unterirdisch, groß und klein, mal mehr, mal weniger versteckt. Hochinteressant. Die „heilige Familie“ soll auf ihrer Flucht durch Ägypten in einer der tieferen Kapellen hier für drei Monate gelebt haben. Es ist ein Riesenkomplex! Eine Synagoge gibt es auch, da wurden wir aber quasi durchgehetzt wie bei einer spanischen Corrida. Nach drei Sekunden im Gebetshaus hieß es „Yalla, yalla, quickly, Donation!“. Zurück liefen wir einen anderen Weg, aber es war ein ähnliches Bild. Wir kamen an einem Friseur vorbei, ich glaube, die wären uns sehr gerne an die Haare gegangen. Ich fühlte mich leider zu verschwitzt.
Am Abend war Fischabend und unsere Kellner haben sich als Fischer verkleidet und ich bekam von Mohamed die Mütze aufgesetzt. Nach dem Essen kam ich aufs Zimmer, als das Housekeeping gerade alles für den Abend zurecht machte. Ob man ein Selfie mit mir machen dürfe. Man durfte.
Mit diesen entzückenden Bildern verabschiede ich mich für heute, morgen geht es schon wieder früh raus. Den verpassten Schlaf werde ich nächste Woche im Büro nachholen müssen. Sehen wir uns? Also, morgen in Sakkara, nicht im Büro. Liebe Grüße, Euer Gerry
Ein ruhiger Zeitgenosse!