Balkan 2025 (Tag 15): Klosterleben oder wie Gerry quasi wieder in Serbien war

Ihr Lieben!

Mein Hotel hat eine Frühstückskarte, so wie das in Belgrad. Tja. Wie J.W.G. schon klagte: „Zwei Frühstückseier köcheln, ach!, in meiner Brust!“. Einerseits wird einem alles gebracht, aber man hat dann eben nicht von allem etwas. Aber es war ein sehr liebevoll geschlagenes Omelette/Rührei. Das Ayvar war superscharf und superklasse! Da der Kaffee auch einzeln für jeden Frühstücksgast gebrüht wurde, schaute der Kellner etwas gequält bei meinem dritten.

Ich versuchte, mich mit dem Nahverkehr in Pristina auseinanderzusetzen, darüber vergingen drei Jahre. Aber immerhin bin ich jetzt schlauer als Google Maps. Pristina hat jetzt nicht so viel für Touristen an Programm zu bieten, da beschloss ich, nach Graçanicë zu fahren. Dort gibt es ein Kloster aus dem 14. Jahrhundert. Ich fuhr mit der Linie 7 (Jaha, Maps, so geht das! Dä!) wieder nah an den Busbahnhof, lief noch den einen Kilometer und erkundigte mich nach einer passenden Abfahrt. Ich musste zwar 30 Minuten warten, aber kam dann bequem für einen (!) Euro in das 10 Kilometer entfernte Örtchen. Am Busbahnhof sprach mich ein junger Mann auf albanisch an. Ich erwiderte auf englisch, ich könne ihn leider nicht verstehen. Ob ich Amerikaner sei? No, I am German. Da plapperte der in sehr gutem Deutsch los, wie es mir gehe, ob es mir im Kosovo gefalle, was ich denn hier mache? Und schüttelte mir vehement die Hand und wünschte mir einen schönen Urlaub. Toll!

In Graçanicë fühlte ich mich nach Serbien zurückversetzt. Als erstes stolperte ich über eine Gruppe serbischer Soldaten. Häh? Oder waren die nur verkleidet? Überall war serbisch geflaggt, was insbesondere merkwürdig anmutet, weil nur eine einzige einsame kosovarische Flagge, die am Polizeigebäude, zu sehen war. Auf einem Schulgelände (siehe auch weiter unten) gibt es eine Gedenktafel zweier getöteter Geschwister, „Opfer der NATO-Agressoren“. Man kann in Denar zahlen und man spricht und schreibt serbisch. Ihr könnt ja sagen, was Ihr wollt, aber hier brodelt es immer noch mehr als gewaltig. Die Bevölkerungsstruktur lt. Wikipedia ist quasi ein Patt zwischen Albanern und Serben. Die Roma und Ashkali haben zahlenmäßig nix zu melden. Die Stadtverwaltung will aber scheinbar heim ins Reich. Der Bürgermeister gehört zur serbischen Volksgruppe.

Das Kloster ist ummauert, man tritt durch eine kleine Pforte, wo -sorry – aggressive Bettlerinnen Spalier stehen. Dahinter eine wirklich schöne Anlage, in deren Zentrum eine prächtige Kirche steht. Ein kleiner Brunnen, ein kleiner Friedhof, Nebengebäude. Man darf nicht alles ansehen und vor allem darf man in der Kirche, die wegen ihrer einzigartigen Fresken berühmt ist, nicht fotografieren. Ihr werdet mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich platzte in eine Taufe (Ich kann doch auch nichts dafür!). Aber immerhin gibt es noch etwas anderes zwischen Heirat und Begräbnis. Und da die ganze Festgemeinschaft drauflosknipste, fiel ich nicht weiter auf, als ich auch fröhlich Mazeltov rufend Bilder machte. Nein, habe ich natürlich nicht gerufen. Leute!

Es gibt, wie Ihr seht, ein paar sehr… äh… interessante Fresken zu entdecken. In einem kleinen Spezialitätenshop erwarb ich eine Flasche Kloster-Rosé sowie ein Minifläschchen Kloster-Pflaumenbrand. Einen heiligen Geist sozusagen. Das Kloster ist übrigens im palaiologischen Renaissance-Stil errichtet. Falls Ihr das mal bei Günter Jauch benötigt. Aber sicher wusstet Ihr das schon.

Die Bushaltestelle für die Rückfahrt ist an der kleinen Touristeninformation, die aber geschlossen hatte. Die Internetseite Gjirafa informiert zuverlässig über Überlandfahrten und teilte mir mit, ich müsse hier noch 40 Minuten warten. Die Zeit nutzte ich, um das „Mosaik der Königin“ und das „Irgendwas des Königs“ zu suchen. Schilder wiesen darauf hin, dass diese Attraktionen quasi um die Ecke seien. Ich fand kein Mosaik, dafür aber auf dem Gelände der örtlichen Schule die Statue von Stefan Milutin, dem Stifter des Klosters und ein bedeutender Fürst seiner Zeit. Ach, unseren alten Freund Tesla habe ich auch wiedergesehen. Der steht in einem Mini-Park mit Minikapelle und Gedenkstein an den ersten Weltkrieg.

Obwohl der Bus aus Gjilan kam, war er auf die Minute pünktlich. Ich lief vom Busbahnhof in Pristina zu meiner vertrauten Haltestelle und setzte mich. Und wartete. Es kam die Linie 3a. Es kam die Linie 6. Es kam die Linie 1. Es kam die olympische Staffellaufmannschaft des Kosovo. Es kam das Fliwatüt. Nur die Linien 7 oder 7a, die ich gebraucht hätte kamen nicht. Und ich musste immer dringender. Ich mache es kurz, nach etwa 50 Minuten war ich im Hotel, unglücksfrei. Puh! Das war alles etwas stressig und so musste ich erst einmal ein Stündchen Siesta machen.

Pristina war gefühlt ja irgendwie fast abgegrast. Ich lief zum Madeleine-Albright-Denkmal am gleichnamigen Platz. Sie war unglaublich engagiert im Balkankonflikt, sie war gebürtige Tschechin. Nebenbei, auch Clinton hat eine Statue und einen Boulevard hier. „Newborn“ ist ein großer Schriftzug, der an ein Zitat von Albright erinnert, „Let us pledge that in Kosovo there will be a new birth of freedom, based on tolerance, law and respect for every human life.“, er steht vor dem Jugendsportzentrum. Gegenüber eine Installation aus mehr als 20.000 Medaillen, die an das Leid geschändeter, getöteter Frauen im Kosovo-Konflikt erinnert. Ein trauriges und wütend machendes Denkmal.

Natürlich gibt es auch hier eine Nationalgalerie, da bin ich anschließend hin. Sie ist leider wegen Bauarbeiten auf dem Gelände bis auf Weiteres geschlossen. In dem Bezirk buhlen aber auch auf kleinem Raum drei Moscheen um die Gläubigen. Die größte davon ist die Sultan-Mehmed-al-Fatih-Moschee, die besuchte ich dann auch von innen. Wieder sehr schlicht. Aber sehr nett angelegt, mit Brunnen und Teestube draußen.

Es war nun tatsächlich schon sehr spät und ich musste mal an Abendessen denken. Vorher nahm ich einen Aperitif auf der Dachterrasse des Sirius-Hotels. Den Signature-Cocktail. War lecker. Wäre ja auch doof, wenn ausgerechnet der Haus-Cocktail nicht schmeckt. Sonnenuntergang inklusive. Ich lief in die kleine Fressgasse, sucht mir ein Wine&Dine aus. Ich bestellte Weißwein. Haben wir nicht. Darf es ein roter sein? Hallo? Wine&Dine? Ich ging drei Häuser zurück, ich hatte im Hinterkopf, dass das Pishat ganz gute Bewertungen hatte. Man sitzt sehr nett dort. Ich bekam Weißwein, Salat, Brot und ein albanisches Gericht namens Tavë Elbasani, Fleisch und Pilze in einer gestockten Eier-Joghurt-Masse. Fand ich gut, hätte schärfer und mit mehr Knoblauch sein können. Der Kellner wollte wissen, woher ich komme und listete nach Preisgabe ein Dutzend norddeutsche Städte auf. Kiel gut! war sein Fazit. Jo, da kann man ja unterschiedlicher Auffassung sein. Der Cognac aufs Haus war samt und seidig. Mit 21 Euro war ich dabei.

Nun ist wieder Hotelzeit. Das Schöne in meinem Alter ist ja, dass der Arzt mir Tanzen verboten hat und ich daher nach 21 Uhr nicht mehr ausgehen darf. Der liest übrigens wahrscheinlich nicht mit.

Heute Abend hat es sich ganz schön zugezogen. Morgen ist mein letzter Tag, denn am Dienstag werde ich nur noch mit der Heimreise beschäftigt sein. Hm, was tun? Die kulturelle Hauptstadt des Kosovo soll ja Prizren sein. Leider nicht um die Ecke. Soll ich?

Habt einen schönen Restsonntag! Euer

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