Ihr Lieben,
schon wieder war halligalli in der Nacht. Als wir vom Absacker zum Hotel zurückkehrten, lief in der Kneipe um die Ecke so dermaßen laut Musik, dass der Belfried wackelte. Brügge ist an sich eine sehr laute Stadt. Naja, viele Studierende und viele Touristen, die gerne alle Biere durchprobieren. So müssen sich Anwohner am Brüsseler Platz fühlen. Für Nichtkölner sei erläutert, dass es sich hier um eine typisch rheinische Posse handelt, kann ergoogelt werden.
Otto und Rolf konnten gegen einen kleinen Obolus zu uns zum Frühstück kommen und so ließen wir alles langsam angehen. Zumal es auch noch trübe und nieselig und stürmisch war. Aber als wir beschlossen, zum Wochenmarkt zu gehen, brach der Himmel auf und die Sonne kam durch. Das fanden wir natürlich wunderbar. Aber der Wind bließ mit Sturmstärke trotzdem eisig um unsere Gesichtszinken.

Die beiden Junx trennten sich kurz von uns, um ihr Hotelzimmer zu räumen, und wir vier strollten über den – naja, jetzt nicht sehr spannenden – Markt. Klamotten, Wurst, Käse, Hähnchengrillereien. Ich nehme aber an, dass wegen des starken Windes nicht alle Markttreibenden vor Ort waren, es gab doch deutliche Lücken am t’Zand-Platz. Ich erstand wenigstens eine Tüte frisch gebackene Miniwaffeln. Fanden wir alle ganz lecker. Wir liefen wieder Richtung Belfried, als die Damen ein interessantes Modegeschäft fanden. Tja, es gab für meinen Geschmack ohnehin schon zu viele Schaufenster für einen Kurzurlaub mit ihnen, aber dort bissen sie sich fest. Ich konnte immerhin in der Zwischenzeit Pralinen kaufen. Meine Schachteln wurden in einer Tasche versenkt, die selbst wohlwollende Menschen als absolute Geschmacksverirrung bezeichnen würden. Ein gruselig mit Schokolade verschmiertes Kindergesicht. Echt, wer denkt sich sowas aus??? Wir bekamen eine Nachricht, dass Otto und Rolf jetzt zu uns stoßen würden, aber eine Viertelstunde Zeit bräuchten. Wir nutzten das für einen Kaffee bzw. eine heiße Schokolade, die wir in der Eiseskälte auf dem Simon-Stevin-Platz tranken. Der dazugehörige Laden war nebenbei sehr nett. Otto und Rolf wollten übrigens eigentlich auf den Belfried hoch, aber wegen Sturm war der Zugang geschlossen.







Was ich gerade vergaß, war der kurze Besuch in der Sint-Salvator-Kirche. Da wollten wir in die Schatzkammer, aber wir platzten in einen philipinischen Gottesdienst. Der war schon sehr pompös. Wir zündeten nur je eine Kerze an und verließen die Kirche wieder. Meine Kerze wie üblich allen Reisenden zugedacht.

Wir mussten uns nun etwas verfrüht einen Ort zum Mittagessen suchen, da Rolf verständlicherweise stressfrei zum Flughafen kommen wollte; unsere Wahl fiel auf eine kleine Trattoria, wo es Nudeln und Pizza gab. Ich aß nicht alles von meinen leckeren Tagliatelle „Frutti di Mare“ auf, da bemühte sich der Koch persönlich zum Tisch. Er schien dann erleichtert, dass es mir geschmeckt hatte. Die Beschreibung der äußerst tränenreichen, herzzerreissenden Abschiedsszenen vor dem Restaurant erspare ich Euch.
Vom Rest der Truppe war Shopping gewünscht, aber das ist ja im Rudel so gar nicht meins. Eigentlich ist Shopping an sich gar nicht meins, es sei denn, es geht um Kunst oder Essbares. Daher besuchte ich das Groeninge-Museum, kam auf dem Weg dorthin erneut an den vier apoplektischen… äh… anorektischen… MOMENT! apostolischen… hab’s gleich… na, an den Reitern halt vorbei!




Im Museum dann flämische Kunst von – ich glaube – 1400 bis heute. Üppiger Eintrittspreis. Das Museum ist ganz schön, es gibt einige wirkliche Meisterwerke, u.a. von Jan van Eyck und Hieronimus Bosch. Es waren sehr viele Besucher da, für Boschs Gemälde „Das jüngste Gericht“ musste ich mich in eine Schlange einreihen und wurde von den Nachfolgenden nach einer Minute Betrachtung schon tadelnd angehüstelt. Ja, Kunst kann Spaß machen, denn ich ignorierte es und das Hüsteln verstärkte sich. Ich ignorierte weiter. Hihi. Es sei noch angemerkt, ich bin ein großer Bosch-Fan, aber ehrlich, der hatte doch auch einen an der Klatsche, oder?







Wir trafen uns für eine Minipause am Hotel, dann ging es auf zu einer Bootsfahrt. Klar, nicht mit dem aus Mülheim, dass habe ich nur wegen des Stabreims geschrieben! 30 Minuten die Grachten rauf und runter. Das ist schon schön, denn die Flussperspektive bietet viele neue Eindrücke. Hinter uns saß eine größere Gruppe sehr lustiger, älterer Damen aus Costa Rica, mit denen plauderte ich kurz, nachdem ich mit einem halben Dutzend Handys Fotos von ihrer Gruppe machen durfte.
Ruth und ich hatten geplant, noch zum Vismarkt zu gehen, weil dort Künstler ihre Bilder ausstellen, allein, wir waren zu spät. Alle weg. Brügge ist weiterhin ziemlich voll, daher verbrachten wir auch etwas Zeit mit der Suche nach unserer Aperitif-Location. Das war dann eine nette Bar mit einheimischem, etwas gesetzterem Publikum und nicht zu laut. Oh, vergessen, hier noch Bootsbilder:







Rückblende: Während wir vor dem Hotel überlegten, wo der nächstgelegene Bootsanleger sein könnte, bogen wir zur Gracht um die Ecke (ich bin eigentlich gar nicht sicher, ob das in Belgien auch Gracht genannt wird…), und Ruth konstatierte, es sei ja mal nett, in Fußweite zur Unterkunft zu speisen. Brügge ist zwar klein, aber man läuft sich dennoch einen Wolf und sieht trotzdem permanent die gleichen Ecken. Wir schauten auf die Karte des ersten Restaurants, waren uns einig und reservierten. 50 Meter weit vom Hotel.
Und dort, im „De Schilderen“, es hingen van-Eyck-Kopien im Gastraum (Bilder im flämischen = schilderen), speisten wir dann zu Abend. Und es war im schönen Teil des Restaurants auch bumsvoll, daher war das mit der Reservierung eine gute Idee. Spezialität des Hauses war flämisches Kaninchen. Das nahmen Ruth und ich. Leutz, die Soße war ein van-Eyck-Gemälde! Köstlich, mit Backpflaumen und Weintrauben, Estragon und Rotwein spielten auch eine Hauptrolle. Wir waren mehr als angetan. Auch das Essen der anderen war appetitlich. Der gute Eindruck wurde lediglich dadurch getrübt, dass wir nach dem Essen noch gemütlich sitzenbleiben wollten, uns aber durch das Eintreffen der Putzkolonne (um 21 Uhr 15!!!) gestört fühlten. Aber so ist das im Randbezirk. Bürgersteige hochklappen, außer bei der Party vor Gerrys Hotel. 🙂


Ich hoffe, es scheint trotz aller Frotzelei durch, dass ich gerade sehr gerne hier bin. Was für ein schönes Städtchen! Und ich spreche für die anderen mit. Wir mögen die Unterkunft, haben am Essen nichts auszusetzen, haben interessante Orte entdeckt… das Wetter war zwar nicht spitzenklasse, aber immerhin gnädig. Eine tolle Reise.
Die morgigen Pläne machen wir ein bisschen vom Wetter abhängig. Klar ist bisher nur, dass wir am Ende des Tages in Königsdorf, Sürth und Poll sein werden. Die schwarze Kapelle, der Michelangelo, noch mehr Pralinen kauf… eh, Monika, nicht hauen!… alles ist möglich. Schaut einfach morgen nochmal rein. Liebe Grüße, Euer

P.S.: Ich muss es loswerden. Der Reiseführer vom Stadtrundgang fragte die Teilnehmer, wie man „French Fries“ von „Belgium Fries“ unterscheiden könne. „?“. Antwort: Wenn sie schmeckten, kämen sie aus Belgien. Es ist so, dass man zu allem Fritten bekommt. Moules&Frites, Muscheln mit Pommes. Flämisches Stew? Fritten. Königinpastete? Fritten! Steak? Fritten. Eiscreme? Fritten!! Selbst zu Pommes Frites gibt es Fritten! Abends öffnete ich meine Tablettendose, es lagen Fritten drin. Ich kann sie nach drei Tagen jetzt leider nicht mehr sehen. Aber es waren oft sehr gute dabei. Und die Mayo und der Senf oft deutlich schmackhafter als bei uns.

P.P.P.S.: Das auf der Gabel war ein Bitterballen, sehr lecker.
P.P.P.P.S.: Ich kaufte nach der Bootsfahrt noch ein paar Pralinen. Wusste nicht, ob ich schon welche hatte… *fg*