Ihr Lieben!
Gott, was war ich morgens bematscht. Man ist halt keine… ja eben. Das Frühstück gab es in einem Restaurant vier Häuser weiter, für das hatte ich auch einen Rabattgutschein für ein Abendessen bekommen. Mal sehen, ist schon nett hier, vielleicht am letzten Abend. Zuerst wurde mir ein Tischchen mit Toast und Marmelade gezeigt, plus ein paar Frühstücksflocken. Na prima. Ich bekam dann aber nach Platznahme noch eine Frühstückskarte. Und so sieht dann das Rührei für 650 RSD (5,55 €, für mich gratis) aus:

Die Fritten ließ ich liegen, das kann selbst ich morgens nicht. Der festere Käse war unglaublich sauer, auch eher was für abends. In den Frischkäse habe ich mich schon gestern verliebt. Kajmak. Soooo cremig und lecker!! Das Ei, das Brötchen und der Kaffee waren ebenfalls klasse.
Mein erster Weg führte mich die Knez Mihaila-Straße entlang zur Festung, die über dem Zusammenfluss von Donau und Save im Kalemegdan-Park thront. Die Straße ist jetzt so im Ganzen kein ausgewiesenes Schmuckstück, irgendwie eine Belgrader Schildergasse, aber zumindest verstecken sich bei genauerem Hinsehen nicht wenige schöne klassizistische und jugendstilistische Häuser in den Zeilen der Fußgängerzone.







Das Festungsgelände ist sehr weitläufig. Der Kalemegdan ist drölftausend Male zerstört und wiederaufgebaut worden. Aber war scheinbar nie richtig kaputt. Es gibt Gebäude aus allen erdenklichen Perioden der Geschichte: ottomanische, römische, serbisch-barocke und wasweißichische Reste sind zu bestaunen. Hier kann man gut etwas Zeit einplanen.






Ich legte eine kleine Pause in einem netten Restaurant ein, deren obere Terrasse von Landgängern eines deutschen Ausflugsdampfers der Reederei Phoenix geflutet war, die beim Anblick der ihnen servierten Fleischberge vor lauter Ahs und Ohs gar nicht zum Essen kamen. Ich bin ja viel mit Phoenix gereist, daher darf ich lästern. Man erkennt die „Albatrosse“ an den Schlüsselbändern und Rucksäcken in dem scheusslichsten Türkis, das die Farbpalette zu bieten hat, und natürlich an ihrem hohen Alter. Ich bestellte eine Limonade, die war so sauer, dass ich dieses Jahr kein Facelifting mehr benötige. Aber lecker.
In den Festungsmauern befindet sich ein mittelalterliches Foltermuseum. Das besuchte ich dann auch. Es ist schon faszinierend, was für grausliche Dinge sich der Mensch ausdenken kann. Das Museum ist da recht übersichtlich. Untermalt wird die Ausstellung mit Stöhn- und Wimmerlauten aus Lautsprechern, das hätte man sich schenken können. Ein „Folterinstrument“ hätte ich gerne entwendet, um es zuhause den Straßenmusikern auf der Breiten Straße anzulegen, die Schandflöte. Aber da reicht eine ja nicht. Nebenbei, es wird oft auf das Foltermuseum in Rothenburg o.d.T. referenziert. Da war mein Professor für Rechtsgeschichte damals iwie dran beteiligt. Der hat zu Folter auch einen mordsmäßigen Schinken geschrieben, den wir alle kaufen mussten. Er war ein kleines bisschen besessen von der Thematik.





Es gibt ja Dinge, von denen ich denke, dass sie völlig überbewertet sind. Strickhäkelklöppelgedöns (insbesondere Makramee!), Keramiken und Kupferstiche. Es gibt Ausnahmen, so habe ich in Südafrika einmal einen Keramikteller erworben, um den mich einige beneiden. Kann ich halt jetzt nicht zeigen. Im Torbogen, der als Eingang zur Festung dient, gibt es einen Laden für Reproduktionen antiker Karten und Kupferstiche. Da lachte mich die aus dem 16. Jahrhundert stammende Grafik „Die Welt unter der Narrenkappe“ an. Die MUSSTE ich kaufen! Die ist sowas von aktuell. Der Ladenbesitzer war begeistert von meiner Wahl, es sei eines seiner Lieblingsstücke. Wir plauderten noch über die ein oder andere Narretei in der Welt, vermieden aber, zu politisch zu werden. Wichtig in dem Zusammenhang: Kühlschrankmagnete sind keinesfalls, nie nie nimmernicht überbewertet! Und die niedlichen Häschenfiguren, die ich an einem Stand in der Uliza Knez Mihaila kaufte, auch nicht! Dä!
Hey, erwähnte ich, dass ÖPNV in Belgrad gratis ist? Das habe ich dann auch ein bisschen ausgenutzt. Vor allem, weil auch ältere Busse klimatisiert sind. Nur schade, dass Google Maps die Haltestellen nicht so richtig kennt. „Hier jetzt einsteigen.“ – „Aber hier ist keine Haltestelle…“ – „HIER JETZT EINSTEIGEN!“. Auch beherrscht Maps zwar vielleicht die Zahlen, aber die Grundrechenarten nicht. „Fahren Sie jetzt 11 Minuten und gehen dann 37 Minuten zu Fuß.“ Hey Google. Schon Mal was von umsteigen gehört? So geriet ich auf abenteuerlichen Wegen – aber immerhin dennoch – zum Dom des Heiligen Sava. An diesem Tempel wurde lange gebaut. Es kamen ideologische, künstlerische, kriegerische und sonstige Probleme dazwischen. Eigentlich sieht er selbst heute noch nicht komplett fertig aus. Aber nur an kleinen Stellen. Das Gotteshaus ist ansonsten schon gigantomanisch. Auch in positivem Sinne.






Wenn wir uns die Fotos genauer ansehen, dann fällt auf, dass nur ein Nackter in die Kirche darf. Es gibt ansonsten strenge Vorschriften, wer so alles mit was reindarf. Bloß kontrolliert dies keiner (das war in der Kirche in Bender ja anders, da mussten sich die Polinnen in Laken hüllen) und so rauchte auch ein junger Mann ungeniert im Eingangsbereich. In Köln wäre ich ausgerastet, aber hier bin ich kein Missionar. Ich bin selbst nicht gläubig, aber diese Respektlosigkeit ist unfassbar. Apropos Respektlosigkeit: Die vielen kleinen Heiligenpulte werden in regelmäßigen Abständen von Gläubigen abgeknutscht. Und ja, es ist nicht nur à la Wienerischer Handkuss, der so in der Luft verharrt. Was mich interessiert: Gibt es Statistiken zu Lippenherpes unter den Gläubigen? Lesetipp zu der Thematik: Gerald Durell „Meine Familie und anderes Getier“.
Inzwischen war es [durstig]°C heiß und ich erinnerte mich an das Shopping-Center mit Dachterrasse am Ende der Knez Mihaila, zu der ich dann mit fast 40 Jahre alten Straßenbahnen fuhr. Unklimatisiert. Klar, auch ein Erlebnis, aber Straßenbahnen haben es in dieser Stadt nicht leicht, in der jeder fährt, wie ihm beliebt. Busse können ausweichen, Bahnen nur in Zeichentrickfilmen.
Ich orderte ein großes Bier. Das gäbe es nicht. Ich nahm daher zwei, was die Bedienung auflachen ließ. Der Blick ist soo dolle nicht gewesen, aber zumindest wehte eine kleine Brise. Und es gab Musik aus den 80ern und 90ern. Neneh Cherry, Salt ’n Pepa. Lovely. Ich fühlte mich jung.

Durch die Seitenstraßen der Fußgängerzone mäanderte ich mich Richtung Hotel. Es gibt so einiges zu sehen, man verkauft Obst, selbstgeschnitzte Flöten, Bilder, seine Bücher auf den Straßen. Apropos Bücher: Die Uliza Knez Mihaila hat mehr Buchläden als Phone-Shops, insofern ist sie der Schildergasse doch deutlich überlegen. Und wenn wir schon dabei sind, ich finde ja, dass hier eine Städtepartnerschaft drin sein sollte. Es gibt so einiges, was man teilt (Bauzeiten Kirchen z.B.) und einiges, wo man voneinander lernen könnte. Bei letzterem vor allem in Ost-West-Achse gedacht. Z.B. dass man nicht alle drei Jahre alle Straßenbahnen neu kaufen muss, die dann auch noch andere Bahnsteige brauchen und für die es keine Ersatzteile gibt und so die Verkehrsbetriebe trotz horrender Fahrtkosten in den Ruin zu treiben. Sorry, Köln-Bashing beendet 🙂
Ich kaufte Wasser, Kekse und doch noch einen Wein (denn womöglich stellte sich der moldawische Sekt nachher als völlig untrinkbar heraus) und machte ein kleines Nickerchen im Hotel. Hier ist übrigens alles deutlich teurer als in Chișinău. Deutlich! Manchmal ist das Preisniveau selbst über dem deutschen. Beim Essen geht es noch, Bier kein Unterschied, Weine im Supermarkt nicht unter 10 Euro die Flasche.
Diesmal schaffte ich es, mich nach 30 Minuten wieder aufzuraffen. Ich wollte unbedingt ins Tesla-Museum. Das Bus-und Bahnfahren hatte ich auch langsam raus und so war ich schnell vor Ort, um erschreckt festzustellen, dass eine ellenlange Schlange davor stand. Ich wollte schon resignieren, da setzte sich der Lindwurm in Bewegung. Es erwies sich, dass es stündlich Führungen gab, und ich war zufällig pünktlich. 800 Dinar Eintritt wurden mir abgeknöpft. Das Museum befindet sich in einer Privatvilla. Es gibt eine Handvoll winziger Räume mit ein paar technischen Geräten und Vitrinen mit persönlichen Gegenständen. Die Maschinen durften nicht angerührt werden, taten aber von sich aus auch nichts. Kaum bzw. wenige Erläuterungen. Ich fragte an der Kasse, ob es noch eine Etage gäbe. Nein, aber ein Tour. Ich solle mich zu den anderen setzen, einen Film gucken und dann würde ein Mitarbeiter ausgesuchte Geräte vorführen. Ok. Der Film begann zu spät, man wartete auf eine Gruppe, für die die erste Reihe einer völlig überfüllten Stuhlinstallation vor einer Projektionsfläche reserviert war. Die hastete 10 Minuten später herein und brachte eine Dame mit, die die ganze Zeit die Midinette aus „La Bohème“ gab, nur nicht so dezent. Wie? Was das bedeutet? Ach Leutz, ich kann doch nicht alles für Euch googeln. Ihr Rumgerotze übertönte auf jeden Fall den Film, bis sie sich entschloss, nach draußen zu gehen. Fünf Minuten später hustete mir jemand in den Nacken (ich saß in der letzten Reihe des völlig überfüllten Vorführraums), Mimi war zurück. Ich stand auf und stellte mich ans Ende des Raums. Mimi hatte eine Attacke und folgte mir. Ich fragte sie dann, ob sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Natürlich verstand sie mich nicht. Die Vorstellung, jetzt inmitten von 60 Menschen plus Mimi bei der Vorführung der miniaturgleichen Aufbauten zuzusehen, gab mir den Rest. Ich ging. Mal ganz abgesehen von der bekloppten Puccini-Dame, alles war eine einzige große Verarsche. In der Urne in der ersten Nische befanden sich wahrscheinlich auch nicht die sterblichen Überreste von Tesla, sondern die Asche von Großmutter Swetlana. Ich rate dringend von einem Besuch ab!






Ich war etwas gefrustet und scannte den Stadtplan nach Attraktionen in der Nähe. Ah, der historische Cvetni Trg, der Blumenplatz. Nix wie hin. Tja, was jetzt an dem Platz auch immer historisch gewesen sein soll… jetzt einfach nur Cafés und hässlicher Beton-Springbrunnen. Naja, eine nachdenkliche Statue von Borislaw Pekić gab es auch noch. Grmpft.
Ich tippte „Roof Top Bar“ in mein Handy. Ich will jetzt schon wieder über Google Maps schimpfen, aber Ihr wollt das nicht hören. Kurz: Nachdem ich mich weigerte zu glauben, dass ein DM-Laden (ja der DM, den gibt es selbst in Sibirien) über eine Dach-Bar verfügt, wurde ich ein Haus weiter fündig. Im Hotel Lumiere im 10. Stock sollte es einen schönen Sonnenuntergang geben. Naja, man hätte mindestens ein Haus abreißen müssen, um das schön zu finden. Aber es gab einen sauleckeren, dafür aber auch sauteuren, winzigen Cocktail, dessen Name ich jetzt vergessen habe. Shanghai irgendwas. Mit Rum, Rum, Rum und Sahne.






Angeheitert lief ich Richtung Skadarska, um zu essen. Das war gar nicht so einfach, da alles ziemlich voll bzw. für mich nicht interessant war. Wer will schon Sushi in Serbien? Oder Pizza? Im völlig überfüllten Dva Jelena bekam ich durch viel Glück ein Plätzchen, das allerdings völlig versaut war; auf dem Boden türmten sich Speisereste. Man war zuerst etwas unwirsch, da aufzuräumen, aber als ich mich überschwänglich auf serbisch bedankte, wurde die Stimmung besser. Merke: immer die wichtigsten 10 Wörter lernen, bevor man verreist. Ich hatte, man muss sich ja auch der lokalen Küche widmen, Urnebes und Knoblauchfladen als Vorspeise. Das Brot triefte vor Knoblauchöl und Paprikapulver (?), herrlich! Dasderdie Urnebes ähnelte einem Obadzda und war ok. Als Hauptgericht geschmorte Ochsenbäckchen in einer fantastischen Sauce auf Püree. Besser habe ich sie bisher nur bei Petra gegessen, die hier übrigens mitliest.
Wenn man in der Touristenstraße Skadarska speist, zahlt man ein bisschen mehr. Dafür hat man dann aber auch gefühlte 100 Drei-Mann-Orchester, die schmerzerfüllte Weisen im Wechsel mit megafröhlichen Kolos aufspielen. Puh, das muss man mögen. Technisch ist bei den Musikanten nichts auszusetzen (die Schandflöte wäre hier ungerechtfertigt), aber Springtänze des Balkans und Klagelieder Serbiens sind für mich ein bisschen wie Makramée. Kratzig. Und da jedes Restaurant eine solche Kombo auffährt, bzw. diese von Etablissement zu Etablissement ziehen, dazu das Geschnatter tausender Touristen in einhundert Zungen… da ergibt Kakophonie auch für Nichtgriechen einen Sinn.



So, zweiter Blick auf Belgrad. Hab ja wieder ganz schön viel geschimpft. Aber ist nicht gerechtfertigt. Über das Teslamuseum breiten wir mal den Mantel des Schweigens. Ansonsten war es ein supertoller Tag mit unglaublich vielen Erlebnissen und es ist eine wunderbare zweite Station der Reise. Die meisten Menschen sind hier sehr freundlich und hilfsbereit. Es ist halt auch ein bisschen touristischer als in Moldau, aber durchaus nicht überlaufen. Wenn man von der Skadarska mal absieht. Mein Zimmer hat ja keine Fenster, sondern nur eine Dachluke nach oben. Dafür bin ich jetzt sehr dankbar.
Ich mache jetzt mal den moldauischen Sekt leer (geht so) und suche mir Divertissementchen für den morgigen Tag raus. Seid Ihr auch so gespannt, was es wird? Ich hoffe, Ihr seid dann wieder dabei. Liebe Grüße, Euer


