Balkan 2025 (Tag 17): …und Abflug

Ihr Lieben!

Das war schon irgendwie eine ganze Menge Eindrücke. Aber interessant bis schön war es!

Zum Flughafen kam ich mittels vorbestelltem Taxi, für die Fahrt muss man schon mindestens 45 Minuten einplanen, es ist viel Verkehr in Pristina. Der Taxifahrer wollte ein bisschen politisieren, ich war da nicht konzentriert genug für und schweifte immer auf Smalltalk ab. Wann ich denn wiederkäme? Dann aber für mindestens 10 Tage! Puh. 15 Euro Festpreis übrigens.

Resümee. Ich würde nur wenig anders machen. Z.B. vielleicht Ohrid und Prisren mit Übernachtung(en) einplanen.

Hier einmal eine Übersicht über meine Reise und die Kosten:

Vor Ort habe ich für alles (Essen, Einkäufe, Eintritte, Steuern, Fahrten, Souvenirs) noch einmal ca. 800 Euro ausgegeben. Klingt teuer, aber inzwischen zahlt man das ja auch fast für zwei Wochen Kanaren.

Die Hotels waren alle in Ordnung bis sehr gut. Datenvolumina habe ich mir über die Airalo-App gekauft. In der Regel 5 bis 8 Euro für eine Woche mit je 1 GB.

Geld, ich erwähnte es, lieber in kleinen Beträgen und nicht am Flughafen wechseln. Vielfach werden Karten akzeptiert. Blöd, wenn man sofort Bus- oder Taxigeld braucht. Man kann aber vorher schon Nahverkehrs- und Taxi-Apps installieren. Uber ist auf dem Balkan kaum vertreten.

Sehr hilfreich ist bei solchen Reisen eine Währungsumrechnungs-App. Auch sollte man sich Offline-Karten aller besuchten Gebiete herunterladen. Die Netzabdeckung ist zwar i.d.R. gut, aber es gibt Lücken und dann steht man da.

Aber wem erzähle ich das alles? Ich weiß von vielen, dass sie selbst ganz ausgebuffte Reisende sind.

So, ich bin zuhause, müde und daher auch ein bisschen schreibfaul. Daher sage ich mal Danke! fürs Mitreisen! Ich hoffe, Ihr hattet etwas Spaß am Miterleben. Wir sehen uns dann Anfang Oktober für ein langes Wochenende in Brügge wieder, wenn Ihr mögt.

Ganz viele liebe Grüße, Euer

Ja, ichhabsenichmehralle

Balkan 2025 (Tag 16): Trödeltag oder wie Gerry einfach mal rumtrö… äh…

Ihr Lieben!

Die klösterliche Pflaume konnte ich gestern Abend nicht auftrinken, die hat mir fast die Speiseröhre verätzt. Fühlte sich nach 98 Umdrehungen an, fand aber keinen Hinweis auf dem Fläschchen. Die Nacht war anfangs sehr laut. Man fährt hier als junger Spund bevorzugt hochmotorisiert und liefert sich ganz offensichtlich gerne Rennen. Da wollte wohl jemand, dass ich mich wie zuhause fühle.

Die kulturelle Hauptstadt (was auch immer das bedeuten mag) des Kosovo ist lt. Lonely-Planet-Reiseführer Prizren. Ich überlegte ja schon gestern, dann mal dort hinzufahren. Aber meine Recherchen beim Frühstück ergaben, dass ich dort eine Festung, eine serbisch-orthodoxe Kirche und eine Moschee vorfinden würde. Und dafür sechs Stunden im Bus sitzen bzw. darauf warten? Och nö… Dann doch nicht.

Ich beschloss, heute einfach mal einen auf ganz gemütlich zu machen. Ich hatte hier noch keinen Markt besucht, das machte ich dann als erstes heute. Hier ein paar Impressionen (man achte auf die Trauben aus meiner Geburtsstadt!):

Die Gegend war dann auch ganz interessant. Viele Cafés, in denen nur Männer abhingen (ohne Gay Pride Flagge), Barbershops (ich war fast versucht), eine Brautmodenstraße, unglaublich viele Juweliere. Kitsch wird hier hoch angesehen. Man kann preiswert Klamotten kaufen, aber über die Qualität kann ich natürlich nichts sagen. Apropos: Mein weißes Original-Armani-Shirt habe ich schon mit einer Tomatenscheibe veredelt. Mist. Ich weiß schon, warum ich grundsätzlich keine weißen Oberteile mag.

Es sollte einen archäologischen Park geben. Naja, da war irgendwas, aber das war geschlossen. Ich schlenderte stattdessen zum Stadtpark, in dem ich zu meiner großen Freude ein entzückendes Gartencafé vorfand. Ich bestellte einen Macchiato und plauderte mit dem Inhaber des kleinen Verkaufshäuschens. Auf deutsch natürlich. Es ist wirklich erstaunlich, wie verbreitet das hier ist. Vielleicht sollte ich hier als Lehrer arbeiten, wenn ich in Rente bin.

Auch an Schlendrian-Tagen vergeht die Zeit, Nickerchen im Hotel war angesagt. Danach zur Soma Book Station. Laut Reiseführer der angesagteste Ausgehspot Pristinas. Schon etwas besonderes, aber nicht besonders voll. Touristen sind halt noch sehr rar. Der Aperol-Spritz ist dafür aber hochpreisig und mit ca. 20 Eiswürfeln gestreckt.

Ich wanderte noch einmal den Mutter-Theresa-Boulevard rauf und runter, ließ mir Parfüm in einem Laden mischen, Note „Orientalische Nächte“ mit etwas Himbeere im Abgang, und begab mich frisch eingedieselt zu meiner Bierterrasse des ersten Tages. Ich war diesmal der einzige Gast. Während ich da so saß, kamen ein paar seltsam gewandete Männer an mir vorbei. Was das wohl wieder zu bedeuten hatte!? Überhaupt ist es die perfekte Glotz-Location.

Bevor ich essen gehe, noch etwas Plauderei. In den 70er Jahren war ein Rotwein namens Amselfelder sehr beliebt. War jetzt nicht der Brüller, sehr „lieblich“. Aber ging weg wie warme Semmeln. Ja, und dieses Amselfeld liegt bei Pristina. Der Wein kam allerdings von etwas weiter weg. Der Name Kosovo leitet sich möglicherweise von der Amsel ab, da gibt es einen populären Mythos zur Schlacht auf dem Amselfeld, Ende des 14. Jahrhunderts. Getötete Kämpfer der serbischen Streitmacht hätten sich in Amseln verwandelt. Ob’s stimmt? Naja, ich war nicht dabei. So, Bildungsauftrag für heute beendet.

Um die Ecke gibt es ein albanisches Restaurant, Albanezi, im Netz höchstgelobt. Da ließ ich mir Rippchen empfehlen und Wein aus der Gegend. Nein, war keine rote Plörre vom Schlachtfeld… Sehr leckerer Weißer. Der Kellner, Ihr ahnt es schon… Familie in Dortmund, Magdeburg und Stuttgart. Aber wir sprachen dann doch englisch, weil sein Deutsch noch in Kinderschuhen steckte. War sehr lecker, das Essen.

Es ging ans Packen. Ich lebte nun schon 16 Tage aus dem Koffer. Entsprechend musste ich mal aufräumen. Wo wohnen eigentlich die Hempels jetzt? Danach noch ein paar Bilder hier hochladen und dann zum Abschied leise Servus schluchzen. Naja, war schon bisserl anstrengend, daher ist jetzt auch gut. Freue mich auf meine vier Wände.

Morgen gibt es noch ein Resümee mit ein paar Tipps, falls Ihr auch mal über den Balkan lustwandeln wollt.

Gute Nacht, wir sehen uns in Deutschland! Euer

P.S.: Der Klosterwein ist grauenvoller Essig! Ich musste gerade noch mal in den Supermarkt!

Balkan 2025 (Tag 15): Klosterleben oder wie Gerry quasi wieder in Serbien war

Ihr Lieben!

Mein Hotel hat eine Frühstückskarte, so wie das in Belgrad. Tja. Wie J.W.G. schon klagte: „Zwei Frühstückseier köcheln, ach!, in meiner Brust!“. Einerseits wird einem alles gebracht, aber man hat dann eben nicht von allem etwas. Aber es war ein sehr liebevoll geschlagenes Omelette/Rührei. Das Ayvar war superscharf und superklasse! Da der Kaffee auch einzeln für jeden Frühstücksgast gebrüht wurde, schaute der Kellner etwas gequält bei meinem dritten.

Ich versuchte, mich mit dem Nahverkehr in Pristina auseinanderzusetzen, darüber vergingen drei Jahre. Aber immerhin bin ich jetzt schlauer als Google Maps. Pristina hat jetzt nicht so viel für Touristen an Programm zu bieten, da beschloss ich, nach Graçanicë zu fahren. Dort gibt es ein Kloster aus dem 14. Jahrhundert. Ich fuhr mit der Linie 7 (Jaha, Maps, so geht das! Dä!) wieder nah an den Busbahnhof, lief noch den einen Kilometer und erkundigte mich nach einer passenden Abfahrt. Ich musste zwar 30 Minuten warten, aber kam dann bequem für einen (!) Euro in das 10 Kilometer entfernte Örtchen. Am Busbahnhof sprach mich ein junger Mann auf albanisch an. Ich erwiderte auf englisch, ich könne ihn leider nicht verstehen. Ob ich Amerikaner sei? No, I am German. Da plapperte der in sehr gutem Deutsch los, wie es mir gehe, ob es mir im Kosovo gefalle, was ich denn hier mache? Und schüttelte mir vehement die Hand und wünschte mir einen schönen Urlaub. Toll!

In Graçanicë fühlte ich mich nach Serbien zurückversetzt. Als erstes stolperte ich über eine Gruppe serbischer Soldaten. Häh? Oder waren die nur verkleidet? Überall war serbisch geflaggt, was insbesondere merkwürdig anmutet, weil nur eine einzige einsame kosovarische Flagge, die am Polizeigebäude, zu sehen war. Auf einem Schulgelände (siehe auch weiter unten) gibt es eine Gedenktafel zweier getöteter Geschwister, „Opfer der NATO-Agressoren“. Man kann in Denar zahlen und man spricht und schreibt serbisch. Ihr könnt ja sagen, was Ihr wollt, aber hier brodelt es immer noch mehr als gewaltig. Die Bevölkerungsstruktur lt. Wikipedia ist quasi ein Patt zwischen Albanern und Serben. Die Roma und Ashkali haben zahlenmäßig nix zu melden. Die Stadtverwaltung will aber scheinbar heim ins Reich. Der Bürgermeister gehört zur serbischen Volksgruppe.

Das Kloster ist ummauert, man tritt durch eine kleine Pforte, wo -sorry – aggressive Bettlerinnen Spalier stehen. Dahinter eine wirklich schöne Anlage, in deren Zentrum eine prächtige Kirche steht. Ein kleiner Brunnen, ein kleiner Friedhof, Nebengebäude. Man darf nicht alles ansehen und vor allem darf man in der Kirche, die wegen ihrer einzigartigen Fresken berühmt ist, nicht fotografieren. Ihr werdet mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich platzte in eine Taufe (Ich kann doch auch nichts dafür!). Aber immerhin gibt es noch etwas anderes zwischen Heirat und Begräbnis. Und da die ganze Festgemeinschaft drauflosknipste, fiel ich nicht weiter auf, als ich auch fröhlich Mazeltov rufend Bilder machte. Nein, habe ich natürlich nicht gerufen. Leute!

Es gibt, wie Ihr seht, ein paar sehr… äh… interessante Fresken zu entdecken. In einem kleinen Spezialitätenshop erwarb ich eine Flasche Kloster-Rosé sowie ein Minifläschchen Kloster-Pflaumenbrand. Einen heiligen Geist sozusagen. Das Kloster ist übrigens im palaiologischen Renaissance-Stil errichtet. Falls Ihr das mal bei Günter Jauch benötigt. Aber sicher wusstet Ihr das schon.

Die Bushaltestelle für die Rückfahrt ist an der kleinen Touristeninformation, die aber geschlossen hatte. Die Internetseite Gjirafa informiert zuverlässig über Überlandfahrten und teilte mir mit, ich müsse hier noch 40 Minuten warten. Die Zeit nutzte ich, um das „Mosaik der Königin“ und das „Irgendwas des Königs“ zu suchen. Schilder wiesen darauf hin, dass diese Attraktionen quasi um die Ecke seien. Ich fand kein Mosaik, dafür aber auf dem Gelände der örtlichen Schule die Statue von Stefan Milutin, dem Stifter des Klosters und ein bedeutender Fürst seiner Zeit. Ach, unseren alten Freund Tesla habe ich auch wiedergesehen. Der steht in einem Mini-Park mit Minikapelle und Gedenkstein an den ersten Weltkrieg.

Obwohl der Bus aus Gjilan kam, war er auf die Minute pünktlich. Ich lief vom Busbahnhof in Pristina zu meiner vertrauten Haltestelle und setzte mich. Und wartete. Es kam die Linie 3a. Es kam die Linie 6. Es kam die Linie 1. Es kam die olympische Staffellaufmannschaft des Kosovo. Es kam das Fliwatüt. Nur die Linien 7 oder 7a, die ich gebraucht hätte kamen nicht. Und ich musste immer dringender. Ich mache es kurz, nach etwa 50 Minuten war ich im Hotel, unglücksfrei. Puh! Das war alles etwas stressig und so musste ich erst einmal ein Stündchen Siesta machen.

Pristina war gefühlt ja irgendwie fast abgegrast. Ich lief zum Madeleine-Albright-Denkmal am gleichnamigen Platz. Sie war unglaublich engagiert im Balkankonflikt, sie war gebürtige Tschechin. Nebenbei, auch Clinton hat eine Statue und einen Boulevard hier. „Newborn“ ist ein großer Schriftzug, der an ein Zitat von Albright erinnert, „Let us pledge that in Kosovo there will be a new birth of freedom, based on tolerance, law and respect for every human life.“, er steht vor dem Jugendsportzentrum. Gegenüber eine Installation aus mehr als 20.000 Medaillen, die an das Leid geschändeter, getöteter Frauen im Kosovo-Konflikt erinnert. Ein trauriges und wütend machendes Denkmal.

Natürlich gibt es auch hier eine Nationalgalerie, da bin ich anschließend hin. Sie ist leider wegen Bauarbeiten auf dem Gelände bis auf Weiteres geschlossen. In dem Bezirk buhlen aber auch auf kleinem Raum drei Moscheen um die Gläubigen. Die größte davon ist die Sultan-Mehmed-al-Fatih-Moschee, die besuchte ich dann auch von innen. Wieder sehr schlicht. Aber sehr nett angelegt, mit Brunnen und Teestube draußen.

Es war nun tatsächlich schon sehr spät und ich musste mal an Abendessen denken. Vorher nahm ich einen Aperitif auf der Dachterrasse des Sirius-Hotels. Den Signature-Cocktail. War lecker. Wäre ja auch doof, wenn ausgerechnet der Haus-Cocktail nicht schmeckt. Sonnenuntergang inklusive. Ich lief in die kleine Fressgasse, sucht mir ein Wine&Dine aus. Ich bestellte Weißwein. Haben wir nicht. Darf es ein roter sein? Hallo? Wine&Dine? Ich ging drei Häuser zurück, ich hatte im Hinterkopf, dass das Pishat ganz gute Bewertungen hatte. Man sitzt sehr nett dort. Ich bekam Weißwein, Salat, Brot und ein albanisches Gericht namens Tavë Elbasani, Fleisch und Pilze in einer gestockten Eier-Joghurt-Masse. Fand ich gut, hätte schärfer und mit mehr Knoblauch sein können. Der Kellner wollte wissen, woher ich komme und listete nach Preisgabe ein Dutzend norddeutsche Städte auf. Kiel gut! war sein Fazit. Jo, da kann man ja unterschiedlicher Auffassung sein. Der Cognac aufs Haus war samt und seidig. Mit 21 Euro war ich dabei.

Nun ist wieder Hotelzeit. Das Schöne in meinem Alter ist ja, dass der Arzt mir Tanzen verboten hat und ich daher nach 21 Uhr nicht mehr ausgehen darf. Der liest übrigens wahrscheinlich nicht mit.

Heute Abend hat es sich ganz schön zugezogen. Morgen ist mein letzter Tag, denn am Dienstag werde ich nur noch mit der Heimreise beschäftigt sein. Hm, was tun? Die kulturelle Hauptstadt des Kosovo soll ja Prizren sein. Leider nicht um die Ecke. Soll ich?

Habt einen schönen Restsonntag! Euer

Balkan 2025 (Tag 14): Pristina oder wie Gerry fast in einer Busschleife gefangen gewesen wäre

Ihr Lieben!

Heute ging es mal mit dem Bus weiter, vom zentralen Busbahnhof aus. Man schickte mich nach Zahlung einer Busbahnhofssteuer (?) zur Haltestelle 3. Als ich dort ankam, warteten schon Dutzende Menschen, die scheinbar ihren ganzen Hausrat dabei hatten. Und wirklich ausnahmslos jede/r (na gut, genau 2 Personen außer mir nicht und das waren Touristen) hat ununterbrochen geraucht. Schwangere, Greise, Kinder. Schwangere Greisinnen mit Kindern. Alle. Entsprechend stank es wie hulle. Ein winziger Minibus erschien, alles balgte sich um die Plätze. Als der Bus schon aus allen Nähten platzte, teilte mir der Fahrer mit, er könne mein Ticket nicht akzeptieren. Mit mir betraf das 6 weitere Personen. Drei wollten „nur“ einen Tagesausflug nach Pristina machen und blieben entspannt, wir vier anderen mussten ja irgendwie dahin und waren entsprechend schwer angepieselt. Ich schrieb der Travel-Agentur Gjirafa eine Mail, die immerhin sofort antwortete. Man versuche, das Problem mit dem Anbieter Amalfi-Tour zu lösen.

Der Fahrer des rollenden Aschenbechers telefonierte derweil auch mit irgendwem und schrieb mir dann 12.30 Uhr auf mein Ticket. Ein Mann aus der Gruppe meinte sarkastisch, der kommt wahrscheinlich auch nicht oder ist dann voll. Ich ging erst einmal einen Kaffee trinken. Um 11.30 Uhr lief ich aber wieder nervös zum Bussteig. Was ein Glücksfall war, denn da stand ein großer, nur zu einem Viertel besetzter Reisebus nach Pristina. Die „Amalfitour“isten durften sich beim Fahrer direkt ein Ticket für 8 Euro kaufen und um 11.45 Uhr ging es los.

Eine richtige Grenzkontrolle. An einer richtigen Grenze, nicht an irgendeinem Flughafen. Hatte ich lang nicht mehr. Das hielt uns ein bißchen auf, zumal auch noch eine Frau aussteigen musste, aber die Fahrt durch mazedonische und kosovarische Landschaften war ansonsten sehr nett. Die extra kontrollierte Passagierin war auch wieder an Bord. Wir kamen in Pristinas Zentralbusbahnhof an, von dem aus ich keinen Bus in die Stadt fand. Google riet mir, einen Kilometer zu laufen, da könne ich in die Linie 1. Hah! Die gab es zwar, aber die fuhr ganz woanders hin. Oh, flötete Google, dann steig doch da aus und nimm diese Linie. Fast war ich deswegen wieder am Busbahnhof. Also, wieder eine andere Linie. Und als die falsch abbog, sprang ich bei nächster Gelegenheit raus und ging die restlichen 1500 Meter zu Fuß. Immerhin kostet eine Fahrt nur 50 Cent. Es gibt Ticketverkäufer im Bus, die rumlaufen.

Das Hotel ist klein, das Zimmer ganz okay. Nur der versprochene Kühlschrank fehlte. Ob ich umziehen wolle, das Zimmer mit Kühlschrank sei aber recht klein. Wir einigten uns dann darauf, dass ich den Frühstücksraum-Kühlschrank mitbenutze, der 10 Meter entfernt steht.

Ich war zwar ein bisschen hinüber, aber es galt ja, die Stadt zu erkunden. Der zentrale Mutter-Theresa-Boulevard ist eine Parallelstraße weiter, es ist die Einkaufs- und Ausgehstraße Pristinas. Ich lief zuerst nach Süden, zur Mutter-Theresa-Kathedrale. Ja, man hat definitiv einen Kult um sie in Albanien, Mazedonien und im Kosovo aufgebaut. Die Kathedrale befindet sich zur Zeit inmitten einer riesigen Baustelle, kann aber besucht werden. Recht schmucklos ist sie, was ein wenig verwundert. Und sie sieht auf den ersten Blick recht neu aus, Baubeginn war 2007, aber sie bröckelt hier und da schon. Ups. Ob ich den Turm hinauf möge?, fragte mich ein Wärter. Och nee, ich bin ein bisschen schlapp. Es gäbe einen Aufzug. Nein! Doch! Ooh! Zwei Euro später hatte ich einen famosen Ausblick auf die Stadt.

Ich lief den Boulevard nach Norden, bis zum Denkmal von Skanderbeg bzw. Skënderbeu, wie er auf albanisch heißt. Kommt wem der Name bekannt vor? Na, kein Wunder, gab es den doch auch in Tirana. Auf dem Weg dorthin kam ich am staatlichen Rundfunk vorbei, dem RTK-Gebäude im post-, ach was, im mittendrinsozialistischen Stil. Grauslich! Kurz davor befindet sich die Bibliothek des Kosovo, benannt nach dem Autor Pjetër Bogdan. Das Gebäude als speziell zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Es ist ein metallverkleidetes Konstrukt mit 99 Kuppeln. Auf jeden Fall ein Hingucker.

Am Skanderbeg-Platz war alles für eine Großveranstaltung vorbereitet: Bühne, Stuhlreihen, Beschallung. „Zeit für Pristina“ stand auf Fahnen (also auf albanisch). Rechterhand das Nationaltheater, das eingerüstet war, die Statue des Ibrahim Rugova, erstem Präsidenten des Kosovo, links der Nationalheld aus dem 15. Jahrhundert. Dazu noch Nena Tereze (die Nonne), Zahir Pajaziti (Freiheitskämpfer) und zahlreiche andere Statuen. Das Parlamentsgebäude habe ich auch gesehen, das sieht fast erfrischenderweise wie ein deutsches Provinz-Rathaus aus den 70ern aus.

Es war Zeit für Einkäufe und Bier. Zuerst suchte ich einen Supermarkt auf, das war nicht so schwierig. Dann suchte ich eine Terrasse, die nicht zugequalmt war (na, was ist des Kosovaren liebstes Hobby???) und auf der es zusätzlich auch noch Alkohol gibt. Das war schon komplizierter. Die Republik Kosovo ist zwar säkulär, aber die führende Religion ist der Islam (93 %). Ich persönlich hätte mir vom Propheten ja gewünscht, dass er beim Alkohol nicht so streng, dafür beim Rauchen aber unerbittlich gewesen wäre. Aber ich fand eine fast leere Bar-Terrasse, während alle Cafés um uns herum überquollen. Für mich perfekt. Auf dem Boulevard begann die erste abendliche Passeggiata. Man spazierte herum und zeigte sich.

Es wurde Zeit, mir ein nettes Plätzchen zum Abendessen zu suchen. Das Shpija e Vjetër machte von Außen einen total gemütlichen Eindruck, also rein. Sollte mich hinsetzen, wo ich wollte. Okay. Hierhin. Sofort von Rauchern umzingelt, die vorher nicht da waren (ungelogen!). Aber man hatte einen NR-Bereich. Ich zog um und saß sogar noch schöner. Man brachte mir die Speisekarte. Oh, Burger und Salat, prima. Der Kellner kam. Ob ich denn auch die Getränkekarte sehen dürfe. Gebe es nicht. Nur Cocktails und Weine. Äh ja, dann einen Rosé. Gebe es nicht. Weiß oder rot. Aha. Dann weiß bitte. Und den Burger mit Salat. Gebe es nur bis 17 Uhr. Puh! Dann die Pizza Meeresfrüchte. Und die und der Wein waren dann gut. Beschallt wurde ich mit Ergüssen des Buena Vista Social Club, also auch am Musikgeschmack gab es nichts auszusetzen.

Ich hatte keinen Reinigungsservice seit Belgrad gefunden und wollte jetzt nicht am Dienstag einen Flugzeugabsturz riskieren, weil Pilot und erster Offizier ohnmächtig wurden. Ich glaube, eine balkanweite Waschsalon-Kette könnte Erfolg haben. Gibt’s hier irgendwie nicht. Daher kaufte ich in einem Laden noch original Boss- und Armani-Shirts für je 15 Euro. Sie da, Sie haben eine Anmerkung? Wie bitte? Jahaaaa! ORIGINAL!!! Ja, und dann Tagebuch und Schluss für heute. Schlaft gut! Ich hoffe, wir sehen uns morgen wieder, Euer

P.S.: Gjirafa-Travel erstattet mir immerhin den zuhause bezahlten Ticketpreis.

P.P.S.: Die Preise sind hier gefühlt bisher am niedrigsten. Das Hotel kostet mich 50 Euro die Nacht mit Frühstück, das Abendessen schlug mit 13 Euro zu Buche. Zwei sehr gut gefüllte Gläser Wein, eine kleine Flasche Wasser und die Frutti-Pizza. Bier auf dem Boulevard 3 Euro, war aber auch ein „gehobenes“ Etablissement. Zigaretten gibt es hier ab 1 Euro die Packung. Marlboro dann 1,75 oder so.

P.P.P.S.: Der erste Eindruck? Ja, ich werde es hier aushalten. Hier sind die Menschen sehr nett, das Wetter ist gut, alles ist bezahlbar. Aber blitzverliebt bin ich nicht. Bisher konnte ich auch nichts Charmantes entdecken.

„Kikiriki“ kann man in Skopje überall kaufen, aber selbst am letzten Tag habe ich mich nicht getraut.

P.P.P.P.S.: Der Vorteil des Restaurant-Kühlschranks ist, dass der Wein wirklich kalt ist! Yeah!

Balkan 2025 (Tag 13): Ein Tagesausflug oder Gerry in der Batcave

Ihr Lieben!

Heute ließ ich mal wieder jemand anderen meine ToDos organisieren. Gestern Abend buchte ich den letzten Platz in einem Ausflugsbus zum Milleniumkreuz, mit Seilbahn, juchhee!, zur Matka-Schlucht und in ein Ethnodorf. Ja, habe ich mich auch gefragt, was das wieder sein soll. Zudem sollte ein Stopp bei der Panteleimon-Kirche in den Bergen eingelegt werden, die überregionale Bekanntheit genießt.

So hieß es wieder früh aufstehen, naja, halt so, wie wenn ich ins Büro… igitt, böses Wort…, schnell frühstücken und ab dafür an den Treffpunkt, der am Eingang zur Festung war. Schon um 8:30 Uhr war es ziemlich heiß, so als wäre gestern nix gewesen. Die Sonne strahlte mit sich selbst um die Wette. Es gab einen kleinen Minibus (Führung auf mazedonisch?) und einen großen Minibus für die englischsprachige Truppe. Die war wirklich kunterbunt. Franzosen, Japaner, Türken, Brasilianer, Australier, Deutsche, Spanier, USAmerikaner. Als Einzelreisender hatte ich das Glück, den Klappsitz am Einstieg zu bekommen. Das hieß, immer als erster raus und im Falle eines Fotomotivs freie Sicht auf das Objekt. Das ist bei einer Gruppe von 24 Menschen schon ein Vorteil. Hihi.

Unser erstes Ziel war der Stausee im Matka-Canyon. Die Fahrt dauerte etwa eine halbe Stunde, es kam mir aber wie drei vor, denn unsere Reiseführerin Olivia feuerte uns in einer nicht enden wollenden Salve mit Informationen zu. Sie sprach ohne Punkt und Komma, und je nachdem, was es zu sehen gab, wechselte sie mitten im Satz das Sujet. Alexanderwurdeumdreihundertsiesehenhintenübrigensdiebrückedeszweitenaugustwoderpartisanborislinksdanndieältestekieferskopjesaberzurückzualexander. PUH! Das forderte einiges an Konzentration, das so schnell zu sortieren, wie es aus Olivia herausperlte. Wir machten wohl auch einen kleinen Schlenker, damit wir ein paar interessante Orte zu sehen bekamen, wie die Orhid-Kirche oder das im allerfeinsten brutalistischen Stil gehaltene zentrale Postamt oder das Weiße Haus.

Die Matka-Schlucht. Hier wurde angeblich, ich bin zu faul für einen Faktencheck, das erste Wasserkraftwerk Europas installiert. Man hält ein wenig außerhalb, es wird später eng und voll, und läuft etwa 10 Minuten bergauf bis zu einem Bootsanleger. Hier standen zwei Luxusboote mit weichen Polstern und ich dachte schon, wow, das wird nett. Man hieß uns warten und kam mit einer Holzbarke an, die noch nicht einmal Sitzkissen hatte. Ich fühlte mich diskriminiert. Hatte Olivia zu wenig Bakschisch bezahlt? Und dann gibt es ja immer den einen Touristen, der dann doch noch schnell aufs Klo… der war bei uns natürlich auch dabei und verärgerte den Schiffsführer ein wenig, weil er auch noch ewig brauchte. Der Bootstrip war übrigens nicht inkludiert, ich blechte 500 Denar.

Tja, war dann ganz nett. Man schippert ein bisschen den Stausee entlang, eingerahmt von hohen Bergen und viel Grün. Ab und zu begegnete man einem anderen Boot oder überholte tapfere Kayakfahrer. Irgendwann kommt man an einer Höhle an, zu der man hinaufklettern muss, um dann wieder in sie hineinzuklettern. Es schimmert ein bisschen geheimnisvoll, es gibt so etwas wie Stalaktiten, eher eine Ahnung davon und am Ende der Stufen hinab faulenzt ein See. Auch hier keine Prüfung, aber: Es soll der tiefste Höhlensee der Welt sein, man kam bis auf 400 Meter hinunter und konnte noch keinen Grund feststellen. Wir sahen hingegen nur einen Teich von der Größe meines Hotelzimmers. Hier noch ein Tipp für Bootsfahrten: Wir hatten gut Fahrtwind, und wenn die Frau mit dem Chanel No. 5 vorne sitzt, musst Du noch weiter vorne sitzen.

Es ist ja ohnehin so, dass Orte mit Superlativen werben. Altius, citius, fortius gilt nicht nur bei Olympia. Weiß Gott, wie viele erste Metrostationen, wie viele höchste Sakralbauten, wie viele sauberste Strände ich schon gesehen habe. The most west-southern point in the north-east halt.

Aber zurück zum See, immerhin sah ich eine Fledermaus in der Höhle. Die größte Fledermaus der Region. Oder die älteste. Weiß nicht genau. Wir tuckerten den Weg wieder zurück und hatten ein wenig Freizeit. Das kleine Kirchlein vor Ort war geschlossen, irgendwo hinsetzen sollten wir uns aus Zeitgründen nicht, daher bedeutete Freizeit in diesem Fall herumlungern. Coffee to go war noch drin oder ein Eis. Wir liefen zum Bus und es war schon deutlich voller, uns kamen regelrechte Völkerwanderungen entgegen. Olivia merkte an, dass am Wochenende hier die Hölle los sei. Glaube ich!

Wir fuhren, diesmal ohne große Erläuterungen, zur Kirche St. Panteleimon. Wunderhübsches, kleines Ding. Man musste auch hier noch einmal in die Tasche greifen, wenn man reinwollte. 2 Euro. Dafür erläuterte dann Herr Goran, was es mit was auf sich hatte. Ich fürchte, der Arme macht das zehn- oder zwanzigmal am Tag, irgendwann war die Begeisterung auf der Strecke geblieben. Es war schwer, seiner heruntergeleierten Vorlesung zu folgen. Die Kirche hat mich ein wenig an die in Bojana erinnert, die ich noch einen Tacken spannender fand, aber immerhin durften wir hier Fotos der Wandmalereien machen.

Das ethnografische Dorf befand sich dann direkt gegenüber der Kirche. Es stellte sich heraus, dass es Teil des „Projektes Skopje 2014“ war. Und wie alle Prestigeprojekte war auch dieses ein wenig peinlich. Man hat ein paar hübsche Häuser um ein Folkloremuseum gruppiert, ein Restaurant mit massenweisen Sitzplätzen drangeklatscht und drei oder vier Kunstwerk-Läden lizensiert. Ein langweiliges Pseudo-Gebirgsdorf entstand. Immerhin durften wir in der Silberschmiede einen Brocken aus mazedonischem Marmor bestaunen, sowie die berühmten mazedonischen Rubine, die, ich muss es zugeben, schon etwas besonderes sind. Im Folkloremuseum erstand ich eine Replik eines Ochsen aus dem 2. Jahrhundert, ein weiteres Stehrümchen, das beim Putzen im Weg ist. Aber ich mag es. Wir hatten keine Zeit, aber zumindest sah es so aus, als wäre das Restaurant nicht das schlechteste. Die Auslagen in der offenen Küche sahen verlockend aus.

Letzter Programmpunkt war dann die Seilbahnfahrt zum Millenium-Kreuz auf dem Vodno-Berg. Immerhin knapp über 1000 Meter hoch. Die Seilbahnfahrt beginnt aber erst in den Bergen und dauert keine 10 Minuten. Natürlich wurden wir als 6er-Gruppen vorsortiert, eine Einzelfahrt mit meinem üblichen theatralischen Selfie-Video-Gejammer, dass wir alle sterben werden, kam also nicht in Frage. Ein anderer Alleinreisender ging mir dabei schwer auf die Hibiskusblüten. Er stand auf, lief hektisch hin und her, hielt seine GoPro-Kamera aus allen Fenstern und scherte sich keinen Deut darum, dass wir anderen weder seine Wampe noch sein Gesäß gerne in der Sicht hätten.

Oben ist es schön. Die Aussicht ist ein Träumchen! Ich fotografierte Südmazedonien, ich fotografierte Ostmazedonien. Und ich fotografierte Westmazedonien. Das Kreuz selbst wurde zum Gedenken an 2000 Jahre Christentum 2002 errichtet und besteht aus einer symbolträchtigen Architektur. Soundsoviele Säulen für die Apostel, soundundsoviele Streben für die Evangelisten, soundsoviele Stockwerke für die Lebensjahre Christi. Wahnsinn. Und dennoch strahlt es den Charme eines in die Jahre gekommenen Strommastes aus. Das Kreuz hat auch Gesellschaft bekommen: Den AEC Telecommunication Tower, der eine interessante Architektur aufweist. Die beiden Zwillinge (zweieiig) sieht man auch von der Altstadt aus. In der muslimischen Gemeinschaft Skopjes empfindet man das Kreuz als Provokation. Ich sachma so: Die ganze Stadt besteht aus Kirchen und Moscheen, und es bimmelt und muezzint hier dauernd um die Wette. Was sollen die Juden, Atheisten und Buddhisten sagen?

Ich tat, was Gerry an mehr oder weniger anstrengenden Tagen gerne tut: Ich trank ein Bier und genoss die Aussicht. Pünktlich um 5 Minuten vor 15 Uhr mussten wir uns wieder an der Seilbahn einfinden, denn, und jetzt kommts: die machen dauernd Pause! Dann geht einfach mal eine halbe Stunde nichts mehr. Also, ich gehe davon aus, dass die schon noch alle Leute aus den Fahrzeugen holen. Hoffentlich. Und wir sollten den Reigen hinunter starten. Olivia bat mich dann, die erste Kabine als sechste Person vollzählig zu machen. Und da stand wieder diese geistige Totgeburt von der Auffahrt. Ich sagte für alle laut und vernehmlich, dass ich nicht plane, ein weiteres Mal mit dieser Arschkrampe eine Kabine zu teilen. Da ich die Übersetzung für Arschkrampe nicht kenne, benutzte ich allerdings den Ausdruck bloody twat, in etwa verdammter Idiot. Ich fuhr dann mit zwei mazedonischstämmigen Australiern samt Tochter und zwei weiteren Deutschen hinunter und alle meinten, der sei wirklich eine unangenehm-auffällige Figur. Die Tochter hatte Höhenangst und krampfte ihre Hand um alle Haltestangen, ich fühlte sehr mit ihr. Ich erzählte ihr, dass ich meine Höhenangst durch ständige Herausforderung sehr gut im Griff habe. Die Fahrt in die Stadt dauerte dann nur mehr 15 Minuten. Das war insgesamt sehr nett. Der Höhepunkt war der Höhenpunkt, wegen der schönen Ausblicke. Aber die Kirche war auch Klasse!

Unten in der Stadt musste ich erst einmal in den Supermarkt, da ich beschloss, schon Einkäufe für Pristina zu tätigen. Diesmal muss ich ja durch keine Sicherheitskontrolle. An der Kasse war nicht klar, wo man sich anstellen sollte, was etwas Hektik verbreitete. An der einen funktionierte die Bon-Maschine nicht, an der mittleren diskutierte ein Mann mit der Kassiererin seine 500 Sachen umfassende Besorgung. Wir wurden zu Kasse 3 gewunken, die aber nach 30 Sekunden von der Einkaufskontrolle wieder verlassen wurde. Ich seufzte auf deutsch, wo ist sie denn nun hin?, da stellte sich heraus, dass die Dame vor mir auch aus Deutschland kam, Flugbegleiterin und noch nie in Skopje gewesen. Sie fand, dass es sehr mutig für einen alten Mann sei, alleine über den Balkan zu reisen. Ich erwiderte, es sei sehr mutig, das so zu formulieren. Sie lachte, und wir haben noch kurz nett geplaudert.

Ich eierte ins Hotel, machte mir einen Nescafé und begann mein Tagebuch. Eigentlich ist das ja ein furchtbares Zeug (der lösliche Kaffee, nicht mein Tagebuch), aber ich hatte so eine Cappuccino-Variante „3in1“, da könnte man sich glatt dran gewöhnen. Ist eben kein Kaffee. Um 19 Uhr machte ich mich dann stadtfein und versuchte es im 7Skara, wo ich gestern wegen Überfüllung (des Restaurants, nicht meinereiner) abgewiesen wurde. Was ja zu einem anderen schönen Erlebnis, dem Weintasting, führte. Diesmal hatte ich Glück, zwar war die Terrasse bis zum St. Nimmerleinstag ausgebucht, aber man hatte einen Platz im offenen Eingangsbereich für mich. Ich hatte Gehacktes und Salat, Pommes und Pepperoni. Wie scharf das denn sein dürfe? Joa. Mit viel Knofel? Gerne. Als das Essen kam, war halb Skopje benachrichtigt. Man versammelte sich um meinen Tisch und wartete auf den ersten Bissen. Und man applaudierte, als ich nicht in Schweiß ausbrach.

Ihr haltet mich wahrscheinlich für bekloppt, aber das Gemüse hier macht mich wuschig! Ich schrieb ja schon in Moldawien, wie sehr die Märkte riechen! Stellt Euch mal vor, Ihr ginget in den REWE oder Edeka und es würde duften. Nach Tomate, Pfirsichen, Trauben. Wieso ist das nicht so?

So, Quatsch beiseite. War die Hölle, aber niemand hat es gesehen. Und ich habe mich im Laufe des Abends daran gewöhnt. Es war wieder von allem viel zu viel. Und dennoch habe ich nur knapp über 1.000 Denar bezahlt. Köfte, Pommes, Salat, Pepperoni, Wein, Wasser. Und einen Rakija. Was es denn da gebe? Man habe nur einen. Und den brachte man in einem Kölschglas. Naja, einem sehr kleinen Kölschglas. Heute Nacht ist Randale vorprogrammiert! Hoi!

Da ich erst um 10 Uhr und Zerquetschte am zentralen Busbahnhof sein muss, werde ich einen entspannten Morgen haben. Heute schaue ich noch nach der eSIM für den Kosovo, lade mir eine Taxi-App für Pristina aufs Handy, das Übliche halt, was man am Vorabend der Abreise in ein neues Land so treibt. Und schaue mal, was es für Ausflüge gibt. Seid Ihr dabei oder schon leicht erschöpft? Liebe Grüße, Euer

Meine Güte, so gucken Sie doch nur einmal intelligent, Herrschaftszeiten!

Ich hatte mal einen Kollegen, der mit mir in GUS-Projekten unterwegs war. Ich lernte kyrillisch und ein bisschen russisch. Er meinte, er müsse das nicht, denn er wisse, wenn er Pectopah lese, bekäme er da was zu essen. Er ruhe in Frieden.

Balkan 2025 (Tag 12): Regentag in Skopje oder wie Gerry am Ende fröhlich weinte

Ihr Lieben!

Am Morgen gab es eine unschöne Überraschung, es regnete. Also erst noch einmal umdrehen, darin habe ich ja mehrere Weltmeistertitel, dann lange frühstücken und dabei Plan B ausarbeiten. Dabei gab es noch nicht einmal einen Plan A.

Plan C war dann, ziellos umherzulaufen. Als ich das Hotel verließ, nieselte es ein bisschen, das gab sich später. Vielleicht, so dachte ich mir, wäre es nicht verkehrt, bei so einem Wetter die Festung hinaufzuklettern. Man hat dann zwar nicht so den superblauen Fotohimmel, aber es besteht dann eben auch keine Hitzschlaggefahr. Gesagt, getan. Zuerst ging es aber in die andere Richtung, ein Plan des Touristenverschreckungsvereins Skopje erklärte die Häuser der Finanzverwaltung (glaube ich) und der Elektrizitäswerke zu Sehenswürdigkeiten, diese bilden mit dem Stadtmuseum Skopje ein Dreieck. Ich war zwar nicht im Museum drin, kann aber über die Würdigkeit der Gebäude bzgl. Sehens festhalten: Nö. Zurück mit einem Schlenker über den Feudalturm aus osmanischer Zeit, neben dem ein interessantes Gebäude im sozialistischen Stil stand. Als ich das Handy zückte, kamen sofort Männer angerannt, Fotos verboten, war irgendwas militärisches. Ich lief über die Steinbrücke und stattete der Dimitria-Kirche einen Besuch ab. Sie besticht durch Malereien, auf denen die sehr dunkel gehaltenen Heiligen mit intensiv-goldenen Heiligenscheinen versehen sind, was einen beeindruckenden Kontrast ergibt.

Die Kale, das ist das Wort für Festung, ist sehr weitläufig, aber bei weitem nicht so gut erhalten, wie die in Belgrad. Aber es gibt eine lange Wehrmauer, die entlanggelaufen werden kann. Von der aus hat man ziemlich gute Aussichten auf Skopje. Es sind zwei größere Wehrtürme erhalten und ein paar kleinere, nur letztere kann man erklimmen. Auf zweien befindet sich ein ehemals begehbares Holzpodest, aber da würde ich von abraten, die sind so morsch, die brechen jederzeit zusammen. Am südlichen Ende der Festung wurde mit der Konstruktion eines Gebäudes – wofür auch immer – begonnen, dieses steht da jetzt als halbfertige Bauruine und Schandfleck herum, und das auch noch gut sichtbar von der Stadt aus. Ehrlich, Ihr hohen Räte von Skopje oder wie auch immer Ihr heißt: reißt das Ding ein! Auf dem Festungsberg tummeln sich übrigens Myriaden von Schnecken. Faszinierende Biester. Leider habe ich dies erst festgestellt, als es unter meinem Schuh knackte. Sorry, kleine Schnecke.

Ich schaute auf der Karte nach Sehenswürdigkeiten. Die jetzt alle einzeln zu beleuchten, wäre ein bisschen zu viel des Guten, aber ich erwanderte mir die Mustafa-Pascha-Moschee, eine Karawanserei, die nicht besucht werden konnte, das scheussliche Museum der Republik (nicht reingegangen), die Sultan-Murad-Moschee mit Uhrturm und Türbe des Ishak Bey, sowie die Ishak-Bey-Moschee (die, warum auch immer, Bunte Moschee genannt wird). In der Sultan-Murad-Moschee unterbrach der Imam, Dima aus Albanien, seinen Unterricht und zeigte und erläuterte alles. Sein Englisch war so gut wie mein Albanisch, aber wir hatten trotzdem viel Spaß miteinander. Das, was ich verstehen konnte, habe ich leider nicht behalten. Aber ein sehr netter Mann, der auch nur 3 Euro für die Gemeindekasse haben wollte. Ich habe dann sehr gerne etwas aufgerundet.

Es ging zurück in das Basar-Viertel, wo ich in die Fakultät für Kunst geriet, wo aber absolut nichts los war und alles stark verfallen wirkte. Seltsam. Um die Ecke dann ein alter Hammam. Nationalmuseum stand dran. Häh? Das ist doch am Eingang des Basars. Stellt sich heraus, das Museum ist mehrteilig. Hatte schon an meinem Verstand… bitte keine Zwischenrufe da hinten! In diesem Hammam wurde die mazedonische Foto- und Videokünstlerin Žaneta Vangeli mit einer Werkschau geehrt. Ich kannte sie nicht, aber ich war seeehr angetan. Was einerseits natürlich an den ansprechenden Werken der Künstlerin lag, aber auf der anderen Seite auch dem Umstand geschuldet ist, dass so ein Hammam der perfekte Ausstellungsort ist. Das künstliche Licht wird durch die Dachöffnungen verstärkt, die unterschiedlich großen Räume, deren Mauerwerk teils verputzt, teils freigelegt ist, bieten viel Spielraum für fantasievolle Präsentation. Kurzum: Super!

Ich war mehr als megadurstig („Gerry, nimm was zu trinken mit!!!“, sage ich immer) und entdeckte eine Mikrobrauerei. Ich bestellte ein selbstgebrautes Pilsner und las ein paar Dinge nach, unter anderem auch die Bewertung über die Brauerei. Hach. Also, manchen Menschen sollte die Erlaubnis, das Haus zu verlassen, entzogen werden. Egal. War jetzt nicht mein Bier, zu süß und irgendwie kräutrig, aber netter Laden und netter Besitzer bzw. Kellner. Und wer zu doof ist, nach Preisen zu fragen, hat halt Pech.

Gegenüber der Brauerei liegt die Kirche Himmelfahrt, auf deren Gelände der Nationalheld Goce Delchev seine letzte Ruhestätte hat, es gibt dort auch ein Museum über ihn, aber ich war irgendwie durch und wollte jetzt keine Heldenskizze. Der Hof ist aber sehr schön, ein riesiger Grantapfelbaum beherrscht die Szenerie und überragt wird alles von einem schon besonderen Glockenturm aus Holz.

Ich wollte Richtung Hotel, da laufe ich doch Nationalgalerie, zweiter Teil, über den Weg. Also, wenn schon, denn schon. Und wieder war ich begeistert. Ich kannte zwar keinen der Künstler, aber alles war außerordentlich! Nikola Martinoski z.B. hat noch nicht einmal einen deutschen Wikipediaeintrag. Konnte ich nicht begreifen, dass den bei uns so keiner kennt. Wenn ich nicht so foxi gewesen wäre, wäre ich jetzt auch noch ins Museum für zeitgenössische Kunst gerannt, das gibt es nämlich auch noch. Überhaupt, es gibt gefühlte 2000 Museen in Skopje, da schafft man eine ganze Regenwoche mit. Auf dem Rückweg kaufte ich noch einem Künstler ein Bild… wie? Neinneinnein, das ist doch gar nicht für mich… Wie albern Ihr seid! Wie, für wen denn dann? Sachma, das geht Euch ja jetzt wohl garnix an!

Am Mazedonienplatz gibt es ein Einkaufszentrum. Da spinxte ich mal rein, ich brauchte einen Supermarkt. Ich hatte trotz so exponierter Lage jetzt kein Kaufhaus GUM erwartet, aber postapokalyptische Totenstadt jetzt auch nicht. Herruntergekommen, kaputte Rolltreppen und Aufzüge, bröckelnder Beton. Aber ich fand einen recht guten Supermarkt im Keller und konnte mich mit allem notwendigen eindecken. Ich verließ das Center über einen anderen Ausgang und stand auf dem Heldenplatz. Ich sag’s Euch, man darf in Skopje nicht erschöpft sein, da nimmt die Stadt keine Rücksicht drauf. Also, auch hier noch einmal alle Prunk- und Protz-Statuen und Helden-Ensembles gescannt und dann nix wie ins Hotel. Es war nun definitiv zu spät für ein Nickerchen, also nur kurz frischgemacht und dann ab in ein nahegelegenes Restaurant.

Ich entschied mich für das 50 Meter entfernte „Drop Stop“, das Weinproben mit passenden Gerichten anbot. Gerne hätte ich das große Tasting (5 Weine, 5 Speisen) genommen, aber das hätte ich wahrscheinlich nicht geschafft. So nahm ich 4 Weine mit 2 Vorspeisen. Schafskäse mit Olivenöl-Kräuter-Infusion in gedünsteten Zucchini-Scheiben eingerollt und Hühnerpastete mit Erdbeerkompott. Drei Weine aus Trauben, die es nur hier gibt. Das war alles sehr lecker und war ein schöner Ausklang des Tages. Zwei Tische weiter trug eine exaltierte Amerikanerin zur allgemeinen Erheiterung bei, weil sie mit einer Videobekanntschaft mittels Notebook zusammen speiste. Fast verschluckt hätte ich mich, als sie deklamierte, sie käme besser mit Toten zurecht, die Lebenden seien ihr zu anstrengend. Äh. Ja. Ich hätte sie gerne fotografiert, denn sie sah genau so aus, wie sie Ihr Euch jetzt vorstellt. Aber das geht ja nicht.

Zweiter Tag also. Skopje hat, ich lobte es gestern ja doch sehr, auch so seine Schattenseiten. Die Luftqualität ist schlecht, viele Gebäude verfallen, wenn man mal die Basarhauptmeile verlässt, steht man knietief im Müll. Das Bild dazu halte ich mal zurück. Dennoch, ich fühle mich wohl hier, was unter anderem auch ein bisschen an der Freundlichkeit der Menschen hier liegt. Der Museumswärter kramt sein bisschen Deutsch raus, der Kassierer fragt, wie es einem hier gefällt, der Souvenirverkäufer bedankt sich dafür, dass man sein Land besucht, im Restaurant und Hotel alle so herzlich. Von Dima ganz zu schweigen. Aber auch die Gegensätzlichkeit zieht an, das pulsierende Leben in volkswirtschaftlich grausligen Zeiten. Ich spare Euch Zahlen hierzu, nur kurz: Moldawien ist offiziell das Armenhaus Europas. Aber Mazedonien steht dem nichts nach. Die FR hat einen lesenswerten Artikel über das Projekt 2014 und die Zusammenhänge und Folgen verfasst. Hm, wo war ich? Achja, ich mag es hier.

Wie so oft in den letzten Tagen bin ich unschlüssig, was ich morgen tun werde. Würdet Ihr Euch wieder mit mir zusammen überraschen lassen? Das würde mich sehr freuen. Bis dann, Euer

Dieses obsessive Rausholen von Linealen, immer wenn es um Bananen geht…
Einfach nur für mehr Clicks. Poste Katzen, haste Clicks.

Balkan 2025 (Tag 11): Auf nach Skopje oder wie Gerry fast zum Vegetarier wurde

Ihr Lieben!

Das war wieder eine kurze Nacht, ich kann ja nicht auf Befehl um 21 Uhr die Augen zuknipsen und losschlafen. Als die Wecker klingelten, war es mir, als hätte ich mich gerade erst hingelegt. Ich checkte frühstückslos aus (der Mann an der Rezeption bot mir aber an, mir ein Brot und einen Kaffee zu machen, total nett), nahm ein Taxi, das ich mit meinen letzten Lew bezahlte und war auf dem Weg in Land Nr. 4 unserer gemeinsamen Reise.

Diesmal war der Umstieg in Wien. Alles klappte problemlos, auf dem Flug nach Skopje hatte ich sogar den Mittelsitz frei. Dafür saß am Fenster ein sehr gesprächiger (aber sehr sympathischer) 20-jähriger Pole, der seine mazedonische Freundin besuchen wollte. Wir quasselten viel und die Zeit verging wie im Fluge (haha!). Er will am liebsten Pilot werden, denn er reist auch für sein Leben gern. Für einen Zwanzigjährigen ist er auch schon gut rumgekommen. Er erzählte auch ein bisschen über die Balkanpolitik aus seiner Sicht, was dann dazu führte, dass sich immer mehr Menschen um uns rum in das Gespräch mischten. Hui, die Volksseelen waren wachgerüttelt. Insbesondere ein albanischstämmiger Mazedone, der aber jetzt in Deutschland lebt, wusch unserem Polen den Kopf. Beteiligt waren Kosovaren, Bulgaren, Albaner, Mazedonier, der Pole und mittendrin ich. Aber es kam zu keinen Handgreiflichkeiten, alle hatten sich am Ende wieder lieb und alle waren sich einig, dass die Griechen doof sind. Ich bekam ein paar Tipps, was ich mir angucken solle, aber ich bin ja nur drei Tage hier, da muss ich selektieren.

Am Flughafen Skopje ging mal wieder die e-SIM nicht, also funktionierte auch die Taxi-App nicht. Und der Bus in die Stadt war mir vor der Nase weggefahren, der nächste wäre in knapp 2 Stunden gefahren. Forderte ich eigentlich schon Metro für alle? Ich setzte mich draußen auf eine Bank und brauchte 20 Minuten, um mein Handy ans Laufen zu bekommen (ich hatte schon in Moldawien versehentlich den APN geändert, da muss man erst mal drauf kommen!). Danach beschloss ich einfach, eins der Taxis am Flughafen zu nehmen; auf Schildern wurde ein Festpreis von 25,- Euro ausgewiesen, egal, wohin man in die City wollte. Ich verließ mich darauf und konnte mich letztendlich darauf verlassen. Ich bin ja aus Erfahrung unentspannt mit ausgehandelten Taxipreisen. Fragt mich mal nach Mosambik oder Kuba. „Euro?“, fragt Ihr Euch jetzt, „Meines Wissens zahlt man in Denar.“. Ja, und damit habt Ihr auch völlig recht! Aber der Euro führt hier ein Schattenregime, auch an jedem Souvenirstand. Wechselkurs 1:60.

Das Hotel ist eine Bar mit einer ersten Etage, auf der die Zimmer verteilt sind. Ich bin sehr zufrieden, das Zimmer ist groß, sauber, hat Schreibtisch und Kühlschrank und ein sehr schickes Bad. Es gibt sogar einen Balkon, aber den werde ich wohl nicht nutzen. Und ich war zwei Stunden zu früh, konnte aber schon aufs Zimmer! Yeah!

Ich verstreute dort wahllos ein paar Gegenstände, um mein Revier zu markieren und machte mich auf, einen ersten Eindruck von der Hauptstadt zu gewinnen. Eines der Wahrzeichen ist die steinerne Brücke, die liegt 5 Minuten Fußweg entfernt. Die Brücke über den Vardar wurde schon im römischen Reich angelegt, ihr heutiges Bild stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Um zu ihr zu gelangen, muss man über den Makedonien-Platz, der von einer gigantomanischen Statue Alexander des Großen dominiert wird. Überhaupt Statuen: Es wimmelt von Standbildern, Statuen, Büsten. In kleinen Grünanlagen, an Brunnen, an Fassaden. Ein Wahnsinn. Rechts von der Steinbrücke führt die Brücke der Mazedonischen Zivilisation über den Fluß, direkt auf das pompöse, archäologische Museum zu. Laternen und Skulpturen wechseln sich ab. Es gibt einen Triumphbogen!

Ich war irritiert, setzte mich auf eine Bank und las mich ein. Wieso war das hier so wenig Yugo und so viel strahlender Pseudobarock? Die Antwort: „Projekt Skopje 2014“, ein Prestigeunterfangen des von 2006 bis 2016 als Ministerpräsident waltenden Nikola Gruevski. Das ein bisschen schief und aus dem Ruder lief. Fast alle Artikel hierüber konstatieren, dass es in dem traurigen Resultat des Titels „Kitschhauptstadt Europas“ endete. Naja. Der MP wurde wegen Korruption verdonnert und floh nach Ungarn. Ich werde jetzt aber nicht bei jedem Bauwerk gucken, was echt und was fake ist.

In Transvardarien (ich kann’s nicht lassen) stößt man zuerst auf einen alten Hammam, der jetzt als – tädää! – Nationalgalerie dient. Linkerhand thront die Skopsko Kale, eine Festung, deren Ursprünge bis in das 6. Jahrhundert zurück reichen. Wenn man seinen Weg fortsetzt, gerät man in die Altstadt mit Cafés, Handwerk, Läden, viele schon auf Touristen umgestellt, einige noch im Urzustand. Das bedeutet, dass man auch noch eine Näherei finden kann oder einen Schlosser. In den Cafés der Seitenstraßen sitzen dann auch manchmal nur einheimische Männer und spielen Tavla oder Domino. Und quarzen dabei wie wild. Wie alle hier. Seufz.

Je tiefer man nach Nordosten durchdringt, desto untouristischer wird es dann. Man entdeckt zufällig eine alte Karawanserei. Auf den überdachten Markt, der vor Betriebsamkeit nur so simmert, verirrt sich dann kaum noch ein Tourist. Und hier gibt es wieder alles, was das Herz begehrt.

Hier ist es wieder deutlich wärmer und schwüler als in Sofia, daher war mir nach einem Bier. Tief im muslimischen geprägten Basar hat man da aber keine Chance, daher lief ich in den touristischen Teil zurück, wo ich in einer schönen Gasse einen Tisch in erster Reihe okkupierte, um dem lebhaften Treiben zuzuschauen. Ich bekam ein einheimisches Bier vom Fass, einen mazedonischen Salat und eine handvoll Köfte mit Zwiebeln und gegrillter Pepperoni. Der Hammer. Ich meine das völlig ernst, wenn ich sage, dass es mehr Vegetarier bei uns gäbe, wenn das Gemüse so knackig und lecker wäre, wie hier. Die Tomaten. DIE TOMATEN!!! Kann man gar nicht beschreiben. Wisst Ihr eigentlich, wie richtige Petersilie schmeckt? Naja, und die Köfte waren auch der Hit, daher beruhige ich mich jetzt mal wieder. 🙂 Und natürlich habt Ihr auch schon einmal gutes Gemüse gegessen.

Ich saß da vielleicht eine Stunde, während der etwa ein halbes Dutzend großer, geführter Reisegruppen vor meinem Tisch Halt machten, die Hälfte davon türkische, zwei asiatische (ich meine japanisch und koreanisch identifiziert zu haben), eine italienische. Während der Leiter irgendetwas erläuterte, klickten dutzende Kameras. Auf vielen Bildern bin ich daher wohl mit Petersilienresten im Mundwinkel und Tomatenkernen am Kinn zu bestaunen. Gerry, der Köftefresser von Skopje. Weltweiter Kultstatus? Na, wer weiß…

Agnes Genxha Bojaxhin wurde in Skopje geboren. Zu deren Gedenkhaus brach ich nach dem späten Mittagessen auf. Berühmt wurde sie als Mutter Theresa von Kalkutta. Berüchtigt wurde sie auch unter diesem Namen. Ihr wisst ja, dass ich auf Reisen immer einigermaßen viel lese über die Geschichte von Orten, über das Handeln von Menschen, über die Bedeutung von Dingen. Manchmal gewinnt man dabei überraschende Erkenntnisse, z.B. dass die Heilige möglicherweise so heilig oft nicht war. Ich empfehle den Wikipedia-Eintrag für Interessierte*. Auf jeden Fall gibt es hier ein kleines, architektonisch sehr gelungenes kleines Haus in der Fußgängerzone, in dem das Leben der Nonne in Dokumenten und Bildern aufbereitet wird. Auch eine Kapelle gibt es vor Ort, wo u.a. Papst Franziskus schon seine Schuhabdrücke hinterlassen hat.

Ich begab mich zurück zum Hotel und die Siesta fiel leider viel zu lang aus, als dass ich danach noch etwas hätte unternehmen wollen. So kaufte ich nur in einem kleinen Supermarkt den üblichen Hotelproviant zusammen und begab mich an meine Hausaufgaben.

Tja, Projekt 2014 hin oder her, mir gefällt es auf den ersten Blick rasend gut! Ich mag insbesondere, dass hier alle so herzlich sind, dass es überall nach Basar riecht, dass es viel zu sehen gibt. Man hat mir ans Herz gelegt, auch mal vor die Tore der Stadt zu gehen, mindestens zu einem Canyon hier in der Nähe, wenn nicht sogar zum Ohrid-See, auf den man hier sehr stolz ist. Da prüfe ich gleich mal die Aufwände. In der Stadt selbst gäbe es nämlich auch noch ausreichend zu erklimmen, zu bestaunen und zu erforschen. Lasst Euch also überraschen, wie es morgen weitergeht. Liebe Grüße aus Mazedonien (alle im Flieger waren sich einig, dass der Name „Nordmazedonien“ eine Beleidigung ist), von Eurem

* ich lerne auf Reisen auch oft, dass in Stein gemeißeltes plötzlich zerkrümelt wie altes Weißbrot und man lang geglaubtes neu überdenken und ggf. bewerten muss.

Der Autor ist ziemlich glücklich mit seinem heutigen Ziel. 🙂

Balkan 2025 (Tag 10): Kunst und Kirchen oder wie Gerry als Tierfutter endete

Ihr Lieben!

Ich mache es kurz: Ich fuhr nicht ins Kloster Rila und demgemäß auch nicht nach Melnik. Das finde ich persönlich schade, aber ich kann ja nicht hier im Blog einerseits eine wildfremde Person beschimpfen, weil sie sich krank in eine Menschenmenge begibt, um andererseits selbst 5 oder 6 Stunden mit Mitreisenden krank in einem Minibus durch die Landschaft zu touren. Ich sagte daher gestern die Fahrt noch ab. In Museen, draußen auf der Straße oder allein an einem Café-Tisch kann ich zumindest auf Abstand achten.

Und ich nehme es vorweg: Es war ein weiterer schöner Tag. Angefangen damit, dass ich bis 9 Uhr geschlafen habe. Yeah! Ich muss auch noch einmal auf das Hotel zu sprechen kommen. Wenn man die schlechten Bewertungen liest, muss man annehmen, dass ich in einer Vorstufe zur Hölle logiere. Das ist nicht der Fall. Das Frühstück ist prima, die Klimaanlage funktioniert, alle sind nett. Nur die Dusche grenzt an eine Zumutung, da bei Nutzung wirklich alles überschwemmt wird.

Nach einem zeitlich ausgedehnten Frühstück machte ich mich zuerst zur Graffiti-Zone auf, von der ich dachte, dass sie mehrere Straßenzüge umfasse. Es ist aber nur ein größerer Parkplatz, bei dem so gut wie alle umgebenden Wände kunstvoll beschmiert waren. Schöne Sachen dabei, mein Favorit ist die Baba Yaga mit der langen Nase. Ist es eine Baba Yaga? Ich glaube schon.

Die Nationalgalerie! Endlich kamen wir zusammen. Wie schon angemerkt, befindet sie sich in den Räumen des ehemaligen königlichen Palastes. Auch das ethnographische Museum hat da seine Ausstellungsräume, aber das hat mich weniger interessiert. Die ständige Sammlung ist überschaubar und naturgemäß kannte ich auch kaum einen der Künstler. Der von mir entdeckte Rembrandt entpuppte sich als Kopie. Viele Portraits adliger Personen. In zwei weiteren Flügeln gab es Auszüge aus der Sammlung Ruf, einem Schweizer Diplomaten, und eine Werkschau von Vladimir Goev zu sehen. Insgesamt war es ein kurzweiliger Besuch.

Ich lief zum Battenberg-Mausoleum, wo Alexander von Battenberg, erster Knjaz Bulgariens nach dem Berliner Kongress, bestattet wurde. Er hatte es nicht einfach als Fürst, er musste gegen bzw. wahlweise mit den Nationalisten, prorussischen Kräften und sonstigen Störenfrieden regieren. Einmal ließ er sogar die Verfassung außer Kraft setzen. Er gab aber irgendwann genervt auf und ließ sich mit seiner Frau, der  Opernsängerin Johanna Loisinger, als Graf und Gräfin Hartenau in Graz nieder. Begraben werden wollte er aber in Sofia, das wurde ihm dann nicht verwehrt.

Das Gegenstück zur Löwenbrücke in der Nähe meines Hotels ist die Adlerbrücke östlich des Prinzenparkes, der an die Grabstätte anschließt. Beide Brücken gelten als Sehenswürdigkeiten, überspannen aber nur klägliche Rinnsale. Der Hauptfluss Sofias, Iskar, liegt weit außerhalb der Stadt. Dennoch ist das Klima hier wirklich prima (zur Zeit jedenfalls), was sich durch die Höhenlage (600 m) und die nahegelegenen Berge erklärt. Sofia ist nach Andorra la Vella und Madrid die dritthöchstgelegene Hauptstadt Europas. Bei strahlend blauem Himmel sind es erträgliche 28°C.

Ich fuhr eine Station mit der Metro in das Viertel um den Tempel der Sieben Heiligen, eine sehr schöne, belebte, aber keinesfalls hektische Gegend. Die Kirche – ich platzte übrigens mal wieder in eine Beerdigung, ich weiß es ja auch nicht* – besticht durch ihre prachtvolle Innendekoration. Leider konnte ich mich nicht gebührend umsehen, der Trauerzug kam 5 Minuten nach mir an und ich wollte nicht im Wege stehen. Drumherum alles sehr gemächlich und gemütlich, viele kleine Läden, Snackbars, Sitzgelegenheiten. Den Besuch des nahegelegenen Schnapsmuseums schenkte ich mir, das ist mit einer Probe verbunden, das fand ich für frühen Nachmittag dann ein wenig zu übertrieben. Ich schlenderte bis zum Vitosha-Boulevard weiter, wo ich mich für ein Dreiviertelstündchen in ein Café setzte, bevor ich wieder zum Hotel zurückkehrte.

Der o.g. Graffiti-Parkplatz befindet sich direkt neben der Zentral-Halle, in dem auch das Kaufland residiert. Ich brauchte noch Wasser und Wein und so schaute ich mir noch das Untergeschoss an, wo es u.a. Delikatessenläden gibt. Das Spannendste dort aber ist eine Virtual-reality-Station. Für 5 Lew wird man in das antike Serdika zurückkatapultiert und landet am Ende als Gladiator mit wilden Tieren in der Arena. In der Schlussequenz springt einen eine Art Säbelzahntiger an. Happs! Ich hatte noch nie eine VR-Brille auf, ein tolles Erlebnis, auch, wenn ich etwas unsicher auf den Beinen war.

Ich kaufte mir da ein Stück Pizza als sehr frühes Abendessen. Die musste man sich halbwegs selbst zusammenstellen, wie z.B. bei Subway. Das fand ich etwas anstrengend, da mein bulgarisch Verbesserungspotential hat. Deutliches. Und am Ende war das dann auch nix. Dafür aber billig. Apropos: Ich muss das mit dem teuer ein bisschen relativieren: Brot ist hier spottbillig, ein Milchkaffee und ein Schweppes Soda im Straßencafé schlagen mit umgerechnet 3,70 Euro zu Buche. Das ist natürlich preiswerter als bei uns. Spaßeshalber war ich auch mal in einem Lidl. Wurst, Käse, insbesondere Lachs: alles wieder viel (!) teurer als bei uns.

So, und morgen geht es weiter nach Skopje; ich erwähnte es bereits, da muss ich früh raus. Ich habe versucht, mir ein Taxi über eine App vorzureservieren, da sollte ich einen Code eingeben, der mir gesendet wurde. Wurde er nicht. Jetzt organisiert mir morgen früh die Rezeption eins. Oder je nachdem, wie früh ich abreisebereit bin, versuche ich mich wieder mit der Metro, die ist ja zuverlässig.

Das Resümee fehlt noch. Also, mir gefällt Sofia. Eine schöne Stadt mit breiten Straßen, großen Plätzen, schönen Sehenswürdigkeiten. Die Menschen hier sind nicht mehr und nicht weniger schlecht gelaunt als bei uns, mit Englisch kommt man recht gut durch. Vieles ist verfallen, aber dennoch ist die Stadt irgendwie sauberer, als z.B. Köln. Gut, ist jetzt auch nicht sooo schwer. Fahrt mal für ein paar Tage hin, lohnt sich.

Den Rest des Abends werde ich jetzt Filme gucken und mich ein ganz klein wenig in die Geschichte Nordmazedoniens einlesen. Се гледаме утре?

*) Hier wird wahrscheinlich überdurchschnittlich viel geheiratet und gestorben. Einen belegbaren Zusammenhang zwischen beiden Tätigkeiten muss ich schuldig bleiben.

Das sage ich mir in kalten Winternächten auch immer.
Wer KVB fährt, weiß, wie sehr ich diesen eigentlich dämlichen Spruch auf einem Seifenspender im Nationalmuseum feiere!
Wein aus Thrakien. Kann man sehr gut trinken!

Balkan 2025 (Tag 9): Sofia per pedes oder wie Gerry zu einer Portion Wagner kam

Ihr Lieben!

Zuerst die erlösende Antwort auf die Frage, die Euch zwei Nächte nicht hat schlafen lassen. Ja, man fährt hier für 4 Lew den lieben langen Tag Bus und Bahn. Bin total baff. Klar, umsonst ist noch baffiger, aber hier in Sofia ist der Nahverkehr schon schöner organisiert, als in Belgrad. Ich fordere Metro für alle!

Heute plante ich, morgens die Nationalgalerie zu besuchen. Ich übersah dabei leider, dass Montag ist. Welches weltumspannende, geheime Netzwerk hat eigentlich festgelegt, dass montags rund um den Globus die Kultur geschlossen hat? Müssen Bilder und Ausstellungsstücke sich ausruhen? Ich fordere die Einführung der 7-Tage-Woche für Kunst!

So entschied ich mich dafür, erst einmal ziellos durch die Gegend zu laufen. Ich entdeckte dabei die Synagoge Sofias, immerhin die zweitgrößte sephardische in Europa, schaute mir die Thermen hinter der Banja-Baschi-Moschee an und lief weiter zum Präsidentenpalast, wo ich die Wachablösung sehen konnte, die stündlich stattfindet. Zwei bemitleidenswerte Menschen müssen eine Stunde fast reglos vor den Toren stehen, dabei dem Plätschern eines Springbrunnens zuhören (nix für blasenschwache Menschen!), um dann mit ziemlichen Verrenkungen (Bein hochschmeißen bis zum Kinn) in einer ausgebufften Choreografie mit zweien ihrer Kameraden zu tauschen. Ich überlegte, wie denn der Name des Präsidenten sei, er fiel mir nicht ein. Ich googelte es: Rumen Radew heißt der aktuelle. Noch nie gehört, was ja nicht das schlechteste ist, da man ja zumeist mit Nachrichten über die Geisteskranken dieser Welt versorgt wird. Regierungschef ist übrigens Rossen Scheljaskow, wusste ich auch nicht.

Schräg gegenüber dem Palast befindet sich das Archäologische Museum, das sich dem Montags-zu-Diktat nicht unterworfen hat. Na, dachte ich, gibt ja schlimmere Beschäftigungen (Makramee-Museum z.B.), also rein. Das war dann auch ganz interessant, es gibt ein paar sehr hübsche Ausstellungsstücke. Die „Schatzkammer“ sah so aus, als wäre sie durch schmiedeeiserne Tore geschlossen, aber man kann reinspazieren. Nur so als Tipp.

Ein paar Schritte weiter nur stößt man auf den Stadtgarten, wo das hübsche Nationaltheater steht. Auch hier plätschern Fontänen, es gibt viele Skulpturen, eine Kunstgalerie (montags geschlossen) und am Rand, im ehemaligen Königspalast, die Nationalgalerie. Wenn man an der vorbeiläuft, erreicht man die russisch-ortodoxe Kirche St. Nikolai Mirlikiiski. Die hat einen oberen Gebetsraum, aber wenn man links um sie herumgeht, kann man in einen unteren Raum gelangen. Dort standen die Gläubigen ein bisschen Schlange, da sich eine ältere Frau über einen Sarkophag oder etwas ähnlichem geworfen hatte und bewegungslos in dieser Pose verharrte. Ich gehe aber davon aus, dass sie nicht zwangsläufig da sein wird, solltet Ihr da einmal hinkommen. Sah auf jeden Fall sehr dramatisch aus.

Ja, und dann ist mal auch schon wieder an der Newski-Kathedrale, diesmal ohne Konzertplatz davor. Und es waren auch mehr Tinnef-Händler da, als am Samstagabend. Es war Zeit für meine Siesta, und so begab ich mich zur Straßenbahnhaltestelle Opernhaus. Da trällerte man sich bei offenem Fenster die Seele aus dem Leib, sehr nett. Leider findet keine Vorstellung statt, während ich hier bin. Man wirbt für ein unspektakuläres Repertoire: Tosca, Rigoletto, Tannhäuser. Und Verdi heißt hier Bepgu, so merkwürdig 🙂

An der Straßenbahnhaltestelle versuchte ich zu entziffern, wo ich hinmusste. Dabei entzifferte ich „пазар“; ach, da sollte ich auch mal hin. Der Dschenski-Basar, also der Frauenmarkt, war schon halb abgebaut, aber dennoch ganz sehenswert. Er zieht sich bis zur Löwenbrücke und bietet alles, was man so braucht, von landwirtschaftlichen Erzeugnisse über Klamotten bis zu Baumarktartikeln. Nett.

Dann endlich, es war eigentlich schon wieder viel zu spät für ein Mittagsschläfchen, kam ich im Hotel an, wo ich mir dennoch meine Augenlider für eine Stunde von innen betrachtete.

Am Nachmittag tauschte ich in einer Wechselstube noch einmal etwas Geld, kaufte in einem DM ein paar Kleinigkeiten ein und gönnte mir einen Granatapfelsaft. Ganz lecker, das Zeuchs. Ich entdeckte eine weitere Fußgängerzone, die ich entlanglief. Brautmodengeschäfte, Cafés, Händler, die ihre gebrauchten Bücher auf Bänken auslegten. Ich kehrte zur Marie Luise zurück, besuchte die Moschee von innen (wie viele sehr schlicht, aber schön bemalt) und kaufte mir Sish-Kebab mit Salat zum Abendessen. Mit hausgemachtem Ayvar und Brot.

Gestern Abend hatte ich noch einen Ausflug zum Kloster Rila und zum Dorf Melnik gebucht, allerdings mit einer Rücktrittsversicherung in Höhe von 20% des Ausflugspreises, denn für 11 Stunden Rumgurkerei in den Gebirgen Bulgariens wollte ich mich doch ausreichend fit fühlen. Den werde ich womöglich wieder absagen (bis eine Stunde vorher kann ich das), denn ich bin immer noch schlapp. Ich habe sogar nachmittags kalt geduscht, um dieses dumpfe Körpergefühl loszuwerden. Und wenn ich so etwas beklopptes mache, dann ist es nicht unernst. Außerdem hieße die Teilnahme am Ausflug, um 6:30 Uhr aufzustehen und am Mittwoch muss ich sogar schon um 5 Uhr raus. Puh!

Na, mal sehen, was der Rest des Abends bringt. Entweder sitze ich in in Bälde im Bus oder wir laufen zusammen doch durch die Nationalgalerie. Bis morgen, Euer

Cepguka heißt übrigens Serdika.

Balkan 2025 (Tag 8): Die heilige Weisheit oder wie der Gerry zum Gauner wurde

Ihr Lieben!

Den Onkel Gerry hat’s erwischt. Kopf-und Gliederschmerzen. Schnupfen und etwas Temperatur. Juchu! Ich habe den Verdacht, dass die verfi… Schl… aus dem Tesla-Museum daran nicht unbeteiligt ist. Und mir fallen noch ganz andere Wörter für die verfilmte Schlumpfine ein, das könnt ihr mir glauben! Muss ich jetzt aber durch, geht ja nicht anders. Gottseidank habe ich in Sofia vier Nächte, da kann man auch mal einen Gang zurückschalten.

Apropos Gang zurückschalten: Begeisterung hat einen Namen. Pavel, der Frühstückskellner. Ich habe wirklich selten einen schlurfenderen Menschen gesehen. Tische abräumen mit Tablett? Muss nicht, man kann ja auch jedes Geschirrteil einzeln zum Küchentresen bringen. Bizarr.

Nach dem Frühstück (hatte nur Kaffee, Saft, ein Ei und Obst) wollte ich mich fast wieder hinlegen. „Reiß Dich zusammen!“ rief da eine Stimme. „Innerer Schweinehund, bist Du’s?“. Er war’s. Ich beschloss, einfach einiges mit ÖPNV zu entdecken, damit ich nicht so viel laufen musste. Eine Handvoll Pillen sollte mich dabei unterstützen. Die 200 Schritte zur Löwenbrücke schaffte ich noch, nahm von da die Metro zum Kulturpalast, einem modernen – naja, von 1980 rum – und großen Multifunktionsgebäude. Davor eine schöne Springbrunnen-Anlage mit Grünstreifen. Es waren ziemlich viele Pavillons in diesem Park aufgebaut. Alle mit Büchern. Diese Pavillonreihe zog sich bis weit in den Vitosha-Boulevard hinein. Das ist die sehr schöne, gepflegte und von dutzenden Cafés und Restaurants gesäumte Haupteinkaufsstraße Sofias. Bücher sind auf dem Balkan im Stadtbild nicht wegzudenken. An jeder Ecke in Belgrad und Sofia werden sie feilgeboten. Die beiden anderen Haupthobbies hier sind übrigens: Fußgänger gefährden (in Belgrad mehr als in Sofia) und ununterbrochen quarzen.

Am Ende der Fußgängerzone stößt man auf die konzentrierten Sehenswürdigkeiten Sofias, wie die Sveta Nedelja-Kathedrale, wo ich übrigens wieder in eine Hochzeit platzte, die Rotunde des heiligen Georg mit Ausgrabungsgelände drumherum, verschiedene protzige Regierungsbauten, die sehr interessante antike Ausgrabung „Serdica“, die bei der Erweiterung der Metro freigelegt und „einfach“ in den Bau integriert wurde. Vielleicht nicht nach allen Regeln der Archäologie, aber – Achtung, Köln-Bashing – man hat das Projekt dann eben nicht 50 Jahre auf Eis gelegt und es schlussendlich trotzdem verbockt.*) An der Kreuzung von allem steht das Wahrzeichen der Stadt: Die Statue der heiligen Sofia, ihrer Namenspatronin.

Ich war nach zweieinhalb Stunden auf Achse schon wieder ziemlich angeschlagen und musste mich erneut hinlegen. Aber nur anderthalb Stündchen. Zwei weitere Ibuprofen waren fällig. Jaja, ich weiß, nicht schimpfen. Waren für heute die letzten.

In der Karte, die ich gestern in der Touri-Info-Bahn erhalten hatte, wurde als absolutes Muss die Kirche von Sts. Nikolaus und Pantaleimon beschrieben, die in einem Vorort von Sofia, Bojana, liegt. Das Kirchlein ist zum einen sehr alt, der Grundbau wurde im 10. Jahrhundert begonnen, zum anderen kann man Fresken aus der Mitte des 13. Jahrhunderts bestaunen.

In Sofia funktioniert Google Maps deutlich besser als in Belgrad, und zusammen mit der Tatsache, dass Busse und Bahnen hier sehr zuverlässig zu sein scheinen (zudem alle klimatisiert und mit Kreditkartenlesern ausgestattet!) kann man die Stadt sowie die Vororte gut mit ÖPNV erkunden. Zur Kirche brauchte es halt ein winziges bisschen. Dort angekommen, muss man noch einen kleinen Hügel hochkraxeln, um dann… vor drei riesigen Reisebussen zu stehen. Das ist ein Problem, denn die Kirche darf immer nur von zehn Personen zeitgleich besucht werden, und jede Gruppe hat ein Zeitfenster von 10 Minuten. Ich sollte laut Kassiererin mehr als eine Stunde warten. Zwar lag ein Café am Fuße des Hügels. Aber, poah, ich wollte nicht in meinem Zustand runterlatschen und dann wieder hoch. So setzte ich mich gottergeben auf eine Bank und begann mein Tagebuch für heute. Es kamen natürlich auch nach mir noch Besucher, auch in kleinen Gruppen. Ein schmieriger Reiseführer der großen Gruppe vor mir schmuggelte girliehafte Nachzüglerinnen mit in seinen Pulk, wenn sie nur ausreichend albern kicherten. Andere Besucher kritzelten geänderte Einlasszeiten auf ihre Zugangskarte. Sachma! Also galt, „When in Rome, do as the Romans… äh… other Tourists do“. Nach 45 Minuten stand ich mit meinem Ticket wedelnd vor der Kirchentür, krähte „I’m next!“ und war drin. Die vergebene Einlasszeit wurde nicht geprüft.

Leute, das Warten hat sich gelohnt! Fotografieren war nicht gestattet, daher gibt’s nur Bilder aus dem Büchlein, dass ich gekauft habe. Aber das kann nicht wiedergeben, wie kunstvoll es drinnen aussieht. Dieses Kleinod steht zurecht auf der UNESCO Kulturerbe-Liste! Natürlich ist nicht alles picobello erhalten, aber das macht es gerade interessant, weil man die verschiedenen Schichten der Bemalung sehen kann. Die Art der Darstellung ist völlig untypisch für die Zeit, die Heiligen sind nahbarer dargestellt. Fantastisch und definitiv einen Besuch wert. Kleiner Tipp: Man kann angeblich auch online ein Zeitfenster buchen. Die Erläuterungen fallen natürlich dürftig aus. Multinationale Gruppen sind da schwer zu bedienen.

Ich lief den Hügel hinunter und fuhr Richtung Zentrum, wobei ich den Faltplan der Touri-Info studierte. Oh, sieh da, eine Skybar, die auf meinem Weg liegt. Im 28. Stock des Grand Hotels Millenium. Da musste ich hin. Hm, das war schon in der Lobby alles sehr edel und schick. Ich musste an mehreren Concierges vorbei, um mir den Weg zu erfragen. Oben angekommen wurde ich schwer gemustert. Man bedenke, ich unrasiert, in einer linnenen Schlabberhose, mit roter Nase und Schweißperlen auf der Stirn. Inmitten der geschniegelten und gebügelten High-Snobiety. Aber man war gnädig, ich durfte hinein, nur der zugewiesene Tisch sei in einer Stunde anders vergeben. Jaja, kein Problem.

Ich bekämpfte meine Bakterien oder Viren oder was auch immer dann mit einem Millenium-Spritz und das bei einer spektakuären Aussicht. Zwar war mein Tisch nach Osten raus, aber der Gerry hüpfte natürlich, nachdem er bezahlt hatte, noch zu allen anderen Himmelsrichtungen, um Fotos zu machen, die Etepeteterie um sich herum ignorierend. Als ich ging, las ich erst das Schild, das „Dresscode“ ab 18 Uhr vorschrieb. Tja, offensichtlich ging mein Schlabberlook als Bohème durch 🙂 Da ich ja immer auch mit Gotteshäusern auf meinen Touren rechnen muss, laufe ich wenig mit kurzer Hose durch Städte. Ich glaube, dann hätte ich den Ansprüchen nicht genügt.

Es war inzwischen 20 Uhr. Noch ausgehen? Mit Triefnase? Ich beschloss, im Hotel etwas aus einem Imbiss zu mir zu nehmen, zu schreiben und dann auch wieder früh zu Bett zu gehen. Auf dem Maria-Louise-Boulevard, in Rufweite meines Hotels, gibt es Döner- und Pizzabuden zu hauf. Der Boulevard ist übrigens nach Marie Louise Pia Teresa Anna Ferdinanda Francesca Antonietta Margharita Giuseppa Carolina Bianca Lucia Apollonia di Bourbon benannt, aber das hätte so ja auf kein Straßenschild gepasst. Sie wurde nur 29 Jahre alt, nachdem sie dem (späteren) bulgarischen Zaren Ferdinand vier Kinder gebar.

Und so sieht dann ein echtes Männeressen auf dem Hotelzimmer aus. Bier aus dem Minimarkt, Döner mit alles und scharf aus der Pommesbude. Döner wird hier ein bisschen anders interpretiert als bei uns. Zum Beispiel werden auch Pommes mit eingerollt und dann wird alles noch einmal gegrillt. Ja, was soll ich sagen, das war teilweise sehr lecker, aber ich musste die total lätschigen Pommes aus dem Döner rauspulen, das ging ja mal nun gar nicht.

So, was halten wir denn von all dem hier? Nun, mir gefällt es hier trotz widriger Umstände. Sofia ist der fleischgewordene Traum eines jeden Stadtplaners! So viel Platz! Breite Boulevards, große Plätze, viel Grün. Viel widersprüchliches hat dieser Flecken Erde, in Reiseführern spricht man dann immer von „vibrierend“! Es ist wieder eine ganz andere Stadt als Bukarest, Sarajewo oder Tirana, hat ein komplett unterschiedliches Flair als Chișinău oder Belgrad. Man spricht immer vom „Balkan“. Aber München und Köln sind ja nun auch zwei gänzlich verschiedene Welten. Dä (ich muss mir mal dieses „Dä!“ wieder abgewöhnen, wo habe ich das nur aufgeschnappt?).

Einen Zahn muss ich noch ziehen. Sofia ist absolut nicht preiswert! Es ist hier teurer als in Belgrad, es ist manchmal sogar teurer als in Köln. Taxifahren und ÖPNV sind billig. Eine Tafel Schokolade der lilanen Sorte aber kostet im Kaufland im Angebot (!) 3 Euro. Trinkbarer Wein ab 8 Euro. Der Cocktail (naja, edle Umgebung) schlug mal eben mit knapp 15 Euro zu Buche. Ein Kioskbier 1,20 Euro. Ich nehme aber an, man kann Sofia nicht mit Bulgarien an sich gleichsetzen. Je nachdem, wie es mir morgen geht, buche ich vielleicht noch eine Landpartie, dann könnte ich da mehr zu sagen.

Ja, Ihr Lieben, ich hoffe Ihr seid nicht zu genervt von meinem Infekt-Gejammer (WARUM ICH???) und habt trotzdem Spaß, mit mir die Stadt zu entdecken. Ich hoffe, wir sehen uns morgen alle topfit hier wieder! Liebe Grüße, Euer

*) ich mag Köln ja, sonst würde ich nicht so oft darüber schimpfen!

P.S.: Hier das Bild eines Spielplatzes in Bojana. Auf diesem werden die unschuldigen Kinder einer Gehirnwäsche unterzogen, später alle schwul, lesbisch oder schlimmeres und als Erwachsene zwingen sie Anderen das Gendern auf!

P.P.S.: Mein Gott, jetzt gehen Sie doch mal wieder zum Friseur!