Bukarest 2025: der Epilog (mit Tipps)

Ihr Lieben,

ich muss ein Geständnis machen. Kurz vor Abreise schrieb ich Erika, ich sei ein wenig unmotiviert, die Reise anzutreten. Ich hatte mich nur grob mit Bukarest beschäftigt und hatte den Eindruck, dass ich mich nicht besonders für diese Stadt begeistern werden würde. „Werch ein Illtum!“, um mal Ernst Jandl (einen meiner Lieblingsdichter) zu zitieren. Ich bin mehr als angetan von den Menschen, von dem pulsierenden Leben (auch wenn es bei bestimmten Gelegenheiten auch etwas weniger pulsierend für mich sein dürfte!), von den vielen Sehenswürdigkeiten, den Parks, von der Grundstimmung insgesamt. Bukarest ist definitiv eine Reise wert! Eigentlich hatte ich ja nur zwei volle Tage. Aber ich habe versucht, so viel wie möglich mitzunehmen. Natürlich hätte ich auch noch den Palast des Volkes besuchen können. Natürlich hätte ich Schloss Peles besuchen können. Natürlich hätte ich einmal in einen Nachtclub… ooops. Im Leben nicht!

Ich rate euch, nehmt euch mindestens zwei Tage mehr Zeit, rudert einmal auf einem See in einem der Parks herum, sitzt einfach mal dumm rum und glotzt! Das habe ich gestern, als ich das Nachmittagsessen einnahm, sehr genossen. Extrem-Glotzing. Man kann sich dann z.B. über Menschen amüsieren, die über Blumenrabatte in das Restaurant einfallen und lautstark ein Heineken fordern, um dann höflich wieder vor die Tür gesetzt zu werden.

Man kommt mit Englisch ganz gut rum, erstaunlicherweise kommt man mit Französisch noch etwas weiter. Die Rumänen und die Franzosen verbindet offensichtlich eine historisch begründete, tiefe Freundschaft. Da wären wir wieder beim „Paris des Ostens“.

Bei meiner Ankunft hob ich rumänische Lei im Wert von 100 € ab. Für eine ziemlich saftige Gebühr. Wenn ich nicht noch am Flughafen wie wild Kühlschrankmagnete (einer hässlicher als der andere) gekauft, einen Kaffee getrunken und 250 Lei wieder zurückgetauscht hätte, wäre ich mit rumänischen Lei im Wert von 95 € wieder abgereist. Man kann, ich habe sogar den Eindruck, man soll, überall mit Karte zahlen, inklusive der Trinkgelder.

Budarest… äh… Bukapest… äh… Michael-Jackson-City hat einen hervorragenden ÖPNV. Google Maps kennt den leider nicht so richtig, ich schrieb es bereits. Das Metro-Ticket, das ich mir zu Beginn gekauft habe, hat gute Dienste geleistet. Man muss sich halt ein wenig die Strecken angucken. Bukarest investiert übrigens ein Heidengeld in den Ausbau des U-Bahn-Systems. Es wird in naher Zukunft weitere Streckenverbindungen geben. Apropos über Blumenrabatten ins Restaurant einfallen… an der Haltestelle Piața Unirii versagten Mitarbeiter des Transportunternehmens einer besoffenen und randalierenden Touristengruppe den Zutritt zur Metro. 😳 What? Yeah!

Mein Hotel war zwar wirklich zufriedenstellend und verkehrstechnisch gut angebunden, aber im Falle einer Rückkehr nach Bukarest würde ich ein Hotel in der Nähe der Piața Unirii suchen, denn da begann und endete in der Umgebung fast jeder meiner Ausflüge. Allerdings ruinierten die 20 Minuten Fahrt dorthin mein Leben jetzt auch nicht wirklich. Immerhin zahlte ich für das Komfortzimmer hier nur knapp 70 € die Nacht, inklusive Frühstück. Und über das habe ich zwar gelästert, aber es war eigentlich vollkommen ausreichend.

Ich bin ja als alter Köln-Lästerer bekannt. Daher jetzt noch ein bisschen Köln-Bashing: Warum schafft Bukarest es, die Stadt so sauber zu halten? Warum sprudeln die Brunnen in Bukarest? Warum ist der öffentliche Personennahverkehr einfach nur ein Traum? Klar, es gibt Dinge, die in meiner Wohnstadt besser geregelt sind, Stichwort Stolperfallen, aber hier läuft doch einiges viel großstädtischer, als in dem Provinzdorf, in dem ich wohne, in der die Dorfälteste mit ihrem senilen Stammesrat, aka Dezernate und Verwaltung, einfach nur die Fortentwicklung der Stadt behindert und dabei großzügig Geld verschwendet. Und das ist ja nicht erst mein Eindruck seit dieser Reise.

Was die Abreise angeht: Hotel-Check-out, Bahnfahrt, Security Control, Flug… alles easy peasy. Am Gate stand der Junggesellenabschiedskreis vom Hinflug, die haben sich aber während des Fluges unglaublich ruhig verhalten, sie sahen aber auch übelst verkatert aus. In Düsseldorf wollte ich dann die Regionalbahn 1 nehmen, die hatte dann mal wieder 30 Minuten Verspätung. Willkommen in der Heimat!

Ja, wie hulle!

Ihr Lieben, ich habe mich sehr gefreut, dass ihr mitgereist seid, vielen Dank für die vielen Kommentare, auch via Signal und per E-Mail (allein ein halbes Dutzend wegen des Vatertags-Irrtums *schäm*) und ich freue mich auf die nächste Reise, die nach Berlin geht.

Alles Liebe, Euer

Für die virtuell Mitreisenden… 😁

Bukarest 2025: Paläste, Prunkbauten, Popen

Ihr Lieben,

was ich gestern noch vergaß zu erwähnen: Man muss immer auch ein halbes Auge auf den Boden richten. Stellenweise sind die Gehwege und Fußgängerzonen unglaublich marode. Löcher, fehlende Platten… dazu die Unart, auch an Fußgängerüberwegen mal kleine Poller in den Weg zu stellen.

Ich nahm mir ja vor, auszuschlafen, das ist mir auch gelungen. Durch nunmehr lauwarmen Kaffee und aromatische Tomaten gestärkt machte ich mich auf zu unerforschten Welten, allerdings per pedes und Metro, nicht mit einer Enterprise. Wie komme ich zur Nationalkathedrale? Wo ist denn der Triumphbogen? Apropos. Bukarests Architekten haben gerne Bauten aus anderen Metropolen kopiert, man wollte dazugehören. Passagen aus Mailand, Palazzi aus Rom, der Petit Palais aus Paris findet sich eins zu eins im Gebäude der CEC-Bank wieder. Der Prachtboulevard Ceaușescus sollte sich mit den Champs-Elysées messen. Die Nationalbank (glaube ich) wurde nach Genfer Vorbild hochgezogen. Und ja, man hat daher auch einen Arcul de Triumf. Den kann man raufkraxeln. Und wo man raufkraxeln kann, ist der Gerry nicht sehr weit.

Erst einmal aber ging es in den „Frühlingspalast“ der Familie Ceaușescu, die Eintrittskarte buchte ich beim Frühstück online, wobei die englischsprachigen Führungen leider ausverkauft waren und ich daher eine rumänische Führung buchen musste; man konnte aber einen deutschen Audioguide für 4 € dazumieten.

Eigentlich war das Haus ursprünglich für protokollarische Anlässe gedacht, aber nach dem Tod von Gheorghe Gheorghiu-Dej, dem Vorgänger von Nikolae Ceaușescu, nahm dessen Familie das Haus für sich in Beschlag. Einzig Nixon durfte da mal auf Staatsbesuch hin. Natürlich steht die Villa in einem Viertel, in dem auch heute keine armen Menschen leben; in der Nähe gibt es schöne Parks und Seen. Die Führung durch das Haus selbst war nur mäßig interessant, der Schwerpunkt lag auf Erläuterungen, welche Vase zu welcher Angelegenheit Ceaușescu von wem geschenkt bekam. Teller von Königin Elisabeth, Vasen von Königin Wilhelmina, der Teppich von Shah Reza Pahlevi. Hier wohnte Ehefrau Elena, da wohnte Sohn Valentin, dort Tochter Zoia usw. usf. Nicolae aß gern saure Suppen, hatte einen Herrenfriseur im Haus, die Mosaiken im Schwimmbad wurden von berühmten Künstlern entworfen. Die Führerin versprühte die Vitalität eines altbackenen Brötchens, sie war sichtlich gelangweilt von ihrem immer wiederkehrenden Monolog, den sie völlig monoton herunterleierte. Kritische Anmerkungen zur Geschichte der Familie gab es nur in fast stummen Untertönen. Zudem war die Besuchergruppe riesig und trampelte sich gegenseitig auf den Füßen herum. Fotografieren im Haus war verboten, vielleicht findet Ihr Fotos von den Innereien im Internet, es ist alles sehr pseudoversaillistisch. Die Mosaiken im Schwimmbad sind nur aus Versehen auf mein Handy gelangt. Draußen kreischten übrigens Pfaue um die Wette. Die haben ja ein druchdringendes Organ, meine Güte!

Durch den König-Michael-Park (benannt nach dem König des Landes, nicht dem König des Pop, obwohl der eine Gedenktafel an der nach ihm benannten Allee hier hat; den Humor dahinter finde ich spitze) spazierte ich zum Triumphbogen. Der erste stand dort Ende des 19. Jahrhunderts, war aus Holz gefertigt und war der Unabhängigkeit gewidmet. Dann gab es einen weiteren hölzernen, um den „Ruhm“ des ersten Weltkriegs zu feiern (man beschäftige sich gerne mal mit der Wankelmütigkeit in Bezug auf Verbündete in den Kriegen). In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts dann gab es einen aus Stein, dem Pariser Vorbild nachempfunden. Eintritt 3 Euro. Man hat von oben einen schönen Blick. Auf den Zwischenetagen wird ein wenig zur Geschichte des Bogens erläutert.

Mein nächstes Ziel war die Baustelle der Nationalkathedrale. Mir war bewusst, dass man da nicht einfach so reinspazieren durfte, aber ich wollte das schon mal aus der Nähe sehen. Ein gigantischer Bau, er wird nach Fertigstellung wohl die größte orthodoxe Kirche Europas darstellen. Mich würde mal interessieren, wie viel Prozent Bauzeit und Kosten dieses Projekt in Relation zur Kölner Opernsanierung hat.

In direkter Nachbarschaft liegt die kleine Kirche St. Johannes Chrysostomus. Da geht es sehr wuselig zu. Der Priester sitzt draußen, die Beine hochgelegt und die Gemeinde steht Schlange, um bei ihm Gehör zu finden. Derweil putzen Gemeindemitglieder die Kirche, fegen den Hof, arrangieren Blumen. Nicht der schlechteste Job, oder? Nur das ständige Handabschlecken der Bittsteller würde mich stören. Ein entzückender Ort.

Jetzt war ich gerade schon auf Religion gepolt, da guckte ich mir direkt noch den Patriarchatshügel und die Domnița Bălașa-Kirche an. Ersterer ist ein sehr ruhiger und entspannender Ort. Wenige Besucher verirren sich auf den Hügel mit dem wirklich schönen Gebäudekomplex. Die Kirche selbst beherbergt eine äußerst sehenswerte Ikonostase.

In der zweiten Kirche, die durch hohe Gebäude versteckt ist und die man fast schon suchen muss, platzte ich in eine Taufe. Ich duckte mich und guckte ein kleines bisschen zu. Jeder Pfarrer hätte Tränen des Glücks (und der Verzweiflung) in den Augen gehabt: Der Priester litanisierte etwas und dann setzte der wohl begabteste Kirchenchor unserer Zeit ein. Konzertreif. So einen engelsgleichen Gesang bekommen die inbrünstig krakeelenden Inges und Wilfrieds in unseren Kirchen nicht hin. Erst recht nicht, wenn die Gemeinde mitgrölt. Ach, ich bin ungerecht. Ich weiß.

Es war inzwischen schon 16 Uhr und ich hatte ein Hüngerchen. Ich lief wieder durch das Lipscani-Viertel und war allerorten abgeschreckt von der lauten Beschallung. Endlich traf ich auf ein Restaurant, das authentische Küche versprach und nur dezente Musik laufen ließ. Kaum hatte ich bestellt, war die Freude darüber offenbar so groß, dass man aufdrehte. Michael Jackson. Vorhin war ich ja noch durch die Michael-Jackson-Allee gelaufen. Man liebt ihn und man kann hier wohl nicht gut ohne Lärm sein. Das traditionelle rumänische Essen, das ich bestellte, waren dann Lammspieße und Pommes. Immerhin hatte ich zum Kaffee typische Papanaşi mit Schmand und Blaubeeren. Eine Riesenportion, die ich nicht schaffte.

Es wurde Zeit für ein kleines Mittags… äh… Vorabendschläfchen und so kehrte ich für zwei Stunden ins Hotel zurück. Ich wette, ich kann nachher nicht einschlafen. Egal. Abends hatte ich kaum Hunger und so gönnte ich mir nur ein Stück Pizza auf die Hand. Heute Nachmittag hatte ich übrigens ein Salatblatt dabei, nicht, dass es heißt, ich ernährte mich hier nicht wirklich ausgewogen. Ach ja, und die Frühstückstomate nicht zu vergessen!!

Es ging zum heute letzten Programmpunkt in Bukarest: Auf der Piața Unirii, die am Ende der Champs-Nicolae liegt, gibt es einen Haufen Springbrunnen, die werden wochenends zur Freude der Touristen illuminiert und choreographiert. Ich war bereits um 21 Uhr vor Ort, da sprudelten sie schon schön bunt. Eine Menge Leute waren ebenfalls vor Ort. Um 21 Uhr 20 wurden die Wasserspiele abgestellt. Geraune. Man muss sich übrigens die Masse an Springbrunnen vorstellen, die sich auf diesem Platz verteilt, es sind Dutzende! Um 21:30 Uhr dann die Ansage, es ginge los. Und es ging los! Mit, wer konnte es ahnen, Michael Jackson. Heal the world. Danach folgte ein Oldie, but Goldie nach dem anderen. Und es war spektakulär und wunderschön. Fast schöner als die Wasserspiele in Dubai und Singapur. Einfach, weil es so viele Brunnen waren, weil es so ungezwungen und leicht war und weil Volksfeststimmung herrschte. Kleinkinder tanzten zu Pink Floyds Wall. Man wird übrigens nass, wenn man zu nah an die Brunnenränder geht. Das war ein supertoller Abschluss für den Tag. Solltet Ihr Euch mal hierher verirren, dürft Ihr das keinesfalls verpassen!

Morgen geht es schon wieder zurück in die Heimat. Und ich habe noch keine Kühlschrankmagnete. Herrjeh! Bin gespannt, ob ich das noch auf die Reihe bekomme.

Liebe Grüße aus Bukarest, Euer

Diesen Begriff nehme ich übrigens zu aller Leidwesen in meinen Wortschatz auf. Wie geht es Dir, Gerry? Wow, echt total fruttifresh, danke!

Bukarest 2025: Stadterkundung mit Musik

Ihr Lieben,

zu Beginn eine Korrektur. Viele (danke dafür) wiesen mich darauf hin, dass das mit dem Bollerwagen und den Vätern ja schon vor ein paar Wochen war. Sie haben natürlich recht, ich blicke bei den vielen Feiertagen nicht mehr durch… 🤣

Und es geht vorerst mit gestern weiter: Die Metro fährt leider nachts nicht so lange, daher musste ich spätabends noch ein wenig durch die Stadt irren, um den Nachtbus zu finden. Dabei lief ich an der Universität vorbei (sehr schön beleuchtet) und hatte ein bisschen Bukarest-bei-Nacht-Feeling. Leider stieg ich dann zu früh aus und musste noch einen dreiviertel Kilometer durch dunkle Gassen irren. Aber die Anzeige im Bus war ausgefallen und ich hatte mich wohl mit den Haltestellen verzählt.

Gestern Abend traf ich übrigens noch zwei Bamberger, die saßen, während ich am Nachbartisch das Tagebuch schrieb, auch im Grill. Als ich ging, konnte ich es mir nicht verkneifen, sie anzusprechen. „Immer diese Deutschen, man kann ihnen nicht entkommen!“. Wir haben dann noch kurz geplaudert, einer von beiden hat sogar in Köln studiert. Die Welt ist klein.

Nun aber das fast wichtigste an jedem Urlaub: Wie war das Frühstück? Ich sachma so… äh… nun ja. Nehmt die rechte der beiden Kaffeemaschinen, der Kaffee ist deutlich wärmer. Und die Tomaten waren gar nicht schlecht.

Um viertel vor 10 musste ich mich am Treffpunkt für den Stadtrundgang einfinden. Den hatte ich schon von zuhause aus gebucht. Aus den vorgesehenen zweieinhalb Stunden wurden mehr als drei, weil wir ein gebrechliches Pärchen dabei hatten, die aber ganz tapfer die ganze Tour bis zum Ende mitliefen. Mir tat nur der Guide leid, der natürlich die Wartepausen irgendwie füllen musste. Aber umso mehr Informationen bekamen wir natürlich; über das Ceaușescu-Regime und die Revolution von 1989, über die Monarchie, überhaupt die Geschichte des Landes. Leider wurde mein ganzes Weltbild über Dracula zunichte gemacht. Vlad, der Pfähler, lebte gar nicht in Transsilvanien, er war aus Süd- Rumänien und an der Stadtgründung von Bukarest nicht ganz unbeteiligt. Insgesamt kann man sagen, dass die Geschichte Rumäniens sehr wechselhaft und interessant ist, es lohnt sich, mehr darüber zu lesen und sich zu informieren.

Der Rundgang selbst startete an der St. Anton-Kirche, der Krönungskirche der Rumänen, obwohl relativ klein, und setzte sich über die Karawanserei Hanul lui Manuc, wo 1812 der Friede von Bukarest geschlossen wurde, fort. Wir sahen Reste der alten Festung, das Kloster Stavropoleos, den architektonischen Stilmix aus Österreich-Ungarn, Paris, sozialistische Brutalismus, postrevolutionärem Wildwuchs in der Altstadt. Es gibt einen Sanierungs- und Renovierungsstau, nicht nur aus Geldmangel heraus, sondern, weil Arbeitskräfte fehlen. Die haben sich quasi alle in den glitzernden Westen verpieselt.

Wir liefen durch schöne Passagen bzw. an solchen vorbei bis zum Platz der Revolution. Hier begann auf dem Balkon der kommunistischen Parteizentrale der Anfang vom Ende von Ceaușescu. Ich war damals 23 Jahre alt und habe die Bilder noch vor Augen. Es wurde ja alles im rumänischen Staatsfernsehen live übertragen, die Ansprache Ceaușescus sollte die Massen eigentlich beruhigen. Wie wir wissen, trat das Gegenteil ein. Das waren wüste Tage! Eine pfeilförmige Stele erinnert an die vielen Opfer der Revolution. Am Platz befinden sich außerdem der ehemalige königliche Palast, der heute diverse Museen beherbergt, das Athenäum, der berühmte Konzertsaal von Bukarest, die Universitätsbibliothek mit der imposanten Reiterstatue von Karol I von Rumänien, sowie diverse andere Statuen und Gebäude von geschichtlicher Bedeutung. Das Revolutionsmonument steht auf einem aus Holzstämmen gebildeten Kreuz und wird von zwei Wänden flankiert, auf denen die Namen der Toten vom Dezember 1989 eingraviert sind.

Wir liefen dann durch zwei schöne Parks, um am Palast des Volkes unsere Tour zu beenden. Hier wurde 1984 in Windeseile ohne Vorankündigung (zur Vermeidung von Protesten) ein gesamtes Stadtviertel platt gemacht, um Ceaușescus Megalomanieträume zu verwirklichen. Außer dem Palast gehörten dazu die umliegenden Gebäude, der Prachtboulevard, die Springbrunnen. Man schätzt, dass 20.000 Menschen von jetzt auf gleich ihr Heim verloren. Der Palast ist nach dem Pentagon das zweitgrößte und es ist zudem auch das schwerste Gebäude der Welt. Donald Trump wollte es nach der Revolution kaufen, Rupert Murdoch war auch interessiert. Michael Jackson wurde auf den Balkon geladen und rief hinaus in die Welt, wie sehr er sich freue in Budapest zu sein. Der Tourguide: „Das war den Menschen egal, sie wollten ihn singen hören und nicht seine Geographiekenntnisse testen.“ Es war wirklich eine sehr informative und sehr kurzweilige Tour. Kann ich jedem nur empfehlen.

Während unseres Spaziergangs empfahl Alex, der Guide, uns ein bestimmtes Restaurant. Es gehört zu den ältesten und angesehensten in Bukarest. Man könne dort sehr preiswert zu Mittag essen. Ich kehrte dort ein, ein preiswertes Mittagsmenü gab es allerdings nicht, dafür habe ich aber ein hervorragendes Steak mit Crevetten auf Spargel mit Kartoffelpüree gegessen. Zu einem alten und angesehenen Preis, wie ich formulieren möchte. Aber für deutsche Verhältnisse fast ein Schnapper!

Ich besorgte noch Knabberkram und Wein fürs Hotelzimmer, das erwies sich als ein wenig aufwändiger als gedacht. In einem Laden wollte man meine Kreditkarte nicht akzeptieren (also das Gerät wollte das nicht), Bargeld hatte ich nicht in ausreichender Menge, in einem zweiten Laden verdoppelte sich auf einmal der Weinpreis, man verstand aber meinen Protest nicht, und erst im dritten Geschäft konnte ich meine Einkäufe erstehen und bezahlen. Ich zog mich für eine einstündige Siesta auf das Zimmer zurück, ich war schon beginnend fußlahm, zudem wollte ich noch duschen, um das Parkett des Athenäums nicht mehr als unbedingt nötig zu odorieren.

Kleines Intermezzo: Ich freue mich ja immer riesig, wenn ich schlauer bin, als Google. Heute morgen wollte mich Maps um 7 Uhr losziehen lassen, damit ich nach 5 Umstiegen gegen 10 Uhr an der Antonskirche ankäme. Ich benötigte durch inzwischen erworbene Ortskenntnisse 35 Minuten ohne Umstieg. Zum Athenäum sollte ich mit drei Buswechseln eine Stunde brauchen. Ich schaffte es mit einem Umstieg in knapp 25 Minuten. Ich hege einen Verdacht: Da sitzt ja niemand in Mountain View und studiert Landkarten und Fahrpläne und überträgt das dann. Ich denke, die Daten werden aus Nutzerverhalten generiert. Sibille und Günther aus Iserlohn möchten in Bukarest von A nach B, sie laufen aber über X, Y und Z. Sie benutzen dabei ihr Google-Handy. Hui, denkt der Algorithmus: Sooo also kommt man dahin. Und ich soll das dann nachmachen. Verschwörungstheoretischer Teil beendet.

Das Ateneul Român, wie das Konzerthaus auf rumänisch heißt, ist 1888 fertiggestellt worden und eine wirkliche Perle, außen wie innen. Heute spielte dort das Philharmonische Orchester George Enescu unter der Leitung von Courtney Lewis Beethovens D-Dur-Konzert für Geige, als Solistin Alena Baeva, und die Enigma-Variationen von Edward Elgar.

Das war seeeehr schön! Das D-Dur ist sowieso mein Lieblingsviolinkonzert von Beethoven (Schenkelklopfer!) und die Enigma-Variationen kannte ich noch nicht, sie gefielen mir aber sehr gut. Das Orchester ist Weltklasse. Mit was für einer krassen Dynamik die da spielten. Die Geigerin muss auch gut gewesen sein, denn das Publikum tobte. Scherz beiseite: Ich konnte mich nicht mit allen Kadenzen anfreunden, aber dass sie arg was drauf hatte, merkte man schon.

Ich steuerte nach dem Konzert „The Vault“ an, eine Bar, die im Luxushotel „Marmorosch“ im Keller zu finden ist. Das Hotel war früher ein Bankhaus und die Bar ist im großen Tresor untergebracht. Die Schließfächer, die riesige Tresortür, alles ist noch da. Es waren allerdings nicht die horrenden Cocktail-Preise, die mich wieder vertrieben, sondern der hämmernde Techno-Sound, der mit 180 Dezibel aus den Lautsprechern knallte. Aber witzig ist das schon.

Ich nahm noch ein Bier im Lipscani-Viertel und machte mich auf den Heimweg. Am Gara de Nord kaufte ich in einer Bäckerei noch Blätterteigteilchen, die aß ich auf dem Zimmer. Sie kamen leider nicht an die von Sarajevo heran, das hätte den Tag perf… ach Quatsch, der Tag war perfekt! Tierisch viel gesehen, gut unterhalten worden, Wein im Hotelkühlschrank. Aber ich bin jetzt auch irgendwie ein kleines bisschen erschöpft. Weiß gar nicht, warum.

Gleich schaue ich noch nach, was ich morgen so treibe (lange schlafen steht schon auf der Tanzkarte!). Treibt Ihr mit?

Liebe Grüße auf Bukarest, Euer

Es gibt wunderbare Cafés und Bars hier!

Bukarest 2025: Anreise und erster Eindruck

Ihr Lieben,

es ist zur Abwechslung auch mal ganz angenehm, NICHT um 4 Uhr früh zum Flieger oder Zug zu müssen, heute ging es erst um 15:30 Uhr in Düsseldorf los. Wenn einem dabei auch eigentlich ein Tag vor Ort flöten geht. Aber so konnte ich gemütlich zuhause noch Pflanzen gießen, Kaffee trinken, in Ruhe packen, um dann doch gegen 11 Uhr 3o panisch zu werden: WAS, WENN DIE DEUTSCHE BAHN MAL WIEDER VERKACKT???

Der Flughafen in Bukarest ist nach dem rumänischen Physiker und Aerodynamiker Henri Coandă benannt. Das finde ich mal ziemlich sinnvoll, hat es doch mit Fliegerei zu tun. Den Namen „Konrad Adenauer“ für Köln-Bonn fand ich auch schon mal schlimmer als jetzt. Düsseldorf hat seinen Flughafen nach dem berühmtesten Kind der Stadt ben….. ähh… also äh… er heißt Düsseldorf. Immerhin wurde er im Jahr 2013 von Düsseldorf International zu Düsseldorf Airport DUS umbenannt. Hey, wenn Euch im Düsseldorfer Rathaus niemand einfällt, was haltet Ihr denn von Gerrys-Welt-Port?

Auf jeden Fall war meine Sorge unbegründet, die Bahn kam heute pünktlich, auch wenn sie sehr voll war (alles Gute zum Vatertag an alle, die es betrifft), die Sicherheitskontrolle war verwaist und ich war viel zu früh am Gate. Den Bollerwagen mit den Bierfässern durfte ich leider nicht mit durch die Sicherheitskontrolle nehmen.

Im Flieger hatte ich wieder den Nachbarsitz frei, das scheint langsam zur Regel zu werden. Aber ich will mich nicht beklagen, denn das ist ja sehr schön! Aber es war alles andere als ein ruhiger Flug. Die beiden Reihen vor mir waren durch eine Horde junger Männer besetzt, die schon angezwitschert an Bord kamen, und sich vorgenommen hatten, die Getränketrolleys komplett leerzusaufen. Achtung, Spoiler: sie schafften es! Daher wurden sie auch immer ausgelassener. Puh! Wahrscheinlich ein Junggesellenabschied! Auch das scheint mich zu verfolgen.

Vom Flughafen aus fährt ein Zug zum Gara de Nord wo sich mein Hotel befindet. Leider hatte ich einen um gerade mal zwei Minuten verpasst, so musste ich 40 Minuten warten. Das war nur mäßig schön, denn die Bahnhofshalle ist ein in praller Sonne stehender, gewächshausartiger Bau. Die Dame am Schalter hatte nicht genug Kleingeld, um mir auf mein normales Ticket herauszugeben, so einigten wir uns darauf, dass ich für vier Lei mehr in der 1. Klasse fahre. Es heißt dann übrigens 1 Leu, mehrere Lei und der Währungscode ist RON. Umrechnen ist simpel, man muss einfach alles durch 5 teilen.

Der Zug zuckelte unglaublich langsam durch die Pampa, stand ewig am Bahnhof Mogoşoaia (hatte der Zugführer hier noch Abendbrot?), wir brauchten deutlich länger als angegeben. Teilweise fährt der Zug aber auch mitten durch Gebüsch. Abenteuerlich.

Das Hotel ist wirklich sehr nah am Bahnhof und einfach zu finden, der Check-in war unkompliziert, das Zimmer ist großzügig bemessen und mehr als okay für seine 2 Sterne. Ich schmiss meine Plünnen in die Ecke und machte mich sofort auf zur Metrostation, wo ich ein Wochenticket erstand, denn das kostete genauso viel wie eine 10er-Karte. Mein erstes Ziel war das Ausgehviertel Lipscani, ich hatte bisserl Bierdurst. Auf dem Weg nahm ich aber noch einen ersten Blick auf den Palast des Volkes, die Nationalkathedrale und das Kloster Stavropoleos mit.

Auch einen ersten Gesamteindruck konnte ich auf diesem Spaziergang gewinnen. Man spricht von Bukarest oft als dem Paris des Ostens. Es ist auf jeden Fall so, wie ich es mir vorstellte, und doch ganz anders. Es gibt, insbesondere um den Nordbahnhof herum, einige verfallene Gebäude, einige Ecken erfüllen vollkommen das Ostblock-Klischee, aber je weiter man in die Innenstadt dringt, desto parisischer wird es, ja, tatsächlich. Breite Boulevards, bekuppelte Palais, neoklassizistische und historistische Prachtbauten. Eine Pseudo-Seine, die Dâmbovița, gibt es ebenso, wie hier und da kleine Parks. Ich muss jetzt natürlich zugeben, dass ein nur zweistündiger Spaziergang keinesfalls ein abschließendes Bild vermitteln kann, da verspreche ich mir viel von dem bereits gebuchten Stadtspaziergang.

Im Lipscani einen ruhigen Platz zu finden, ist sehr schwierig. Die Gastronomen kakophonieren um die Wette. Ich aß dann fast schon am Ausgang des Viertels in einem Grill, es standen rumänische Würste auf der Karte. Ich bekam dann so etwas wie überwürzte Cevapcici und die Fritten trauerten mit mir und ließen sich sehr hängen. Na, was erwarte ich von einem Touri-Viertel? Das Bier war aber lecker.

So, das waren die ersten Momente Bukarest, ich weiß, viel Anfahrt, wenig Bukarest. Morgen gibt es dann mehr von letzterem. Erkundet Ihr die Stadt mit mir zusammen? Ich würde mich sehr freuen!

Liebe Grüße, Euer

P.S.: Der Pariser Eindruck wird durch die Legionen von Akkordeonisten verstärkt, die das Viertel terrorisieren.

Sympathische Menschen, diese Bukarester…

Bukarest 2025: Prolog

Ihr Lieben,

bekanntermaßen habe ich ja seit einiger Zeit Osteuropa für mich entdeckt. Die bisherigen Annäherungsversuche waren in der Regel auch außerordentlich positiv: Albanien, Bosnien, Montenegro (das schon vor 11 Jahren), Ungarn (vor über 40 Jahren), Köln-Dellbrück (vor 30 Jahren eine kurze Amour Fou). Ich beschloss, weitere Orte für mich zu entdecken. So werde ich im September eine größere Balkanrundreise machen. Über Fronleichnam und den Brückentag geht es jetzt aber erst einmal nach Bukarest. Da der Hinflug am frühen Nachmittag und der Rückflug mittags sind, habe ich eigentlich nur effektiv 2 Tage, die ich dort sein werde. Aber ich glaube, für einen mehr als nur oberflächlichen Eindruck könnte das ausreichen. Ihr kennt ja inzwischen mein Reisetempo.

Für den Vormittag des ersten ganzen Tages habe ich schon frühzeitig einen geführten Stadtspaziergang gebucht, am einem Abend bin ich dann in der Konzerthalle Athenäum, wo die Staatsphilharmonie „George Enescu“ ihre Heimstatt hat. Alles andere lasse ich mal auf mich zukommen. Insgesamt war ich überrascht, dass die Sehenswürdigkeiten eher überschaubar zu sein scheinen. Tagesausflug zum Schloss Dracula? Wie das z.B. für Immobilienmakler Jonathan Harker ausging, wissen wir ja aus der Popkultur. Also, eher nö.

Mein Hotel ist in Sektor 1, am Gara de Nord. Ich denke mal, da habe ich gute Anbindungen. Bezahlt wird in Lei, ich meine aber gelesen zu haben, dass der Euro in Rumänien bald eingeführt werden soll. Dennoch: Für mich heißt es wieder umrechnen, kalkulieren, und am Ende doch mit massenweise exotischer Devisen heimzukehren. Ich habe übrigens inzwischen ein Währungs-Sammelalbum angelegt und fühle mich großartig nerdig dabei! Was habe ich früher Briefmarkensammler belächelt.

Ihr Lieben, am Donnerstagabend gibt es die ersten, wahrscheinlich eher kurzen Eindrücke. Wie immer freue ich mich über Eure Begleitung! Wenn ich mal nichts von mir lesen lasse, liegt es wahrscheinlich eher an technischen Problemen, als daran, dass ich mich in Ceaușescus größenwahnsinnigem neoklassizistischem Palast von 1984 verirrte, wo ich fürderhin mit gleichgesinnten Touristen jahrelang den Ausgang suche und wir uns von den Kekskrümeln in unseren Rucksäcken ernähren. Und das ohne W-LAN!!!

Ich freue mich auf unser Wiederlesen am Donnerstagabend! Euer

P.S.: Das Beitragsbild ist erneut KI-generiert und ich habe keinen Dunst, ob das eine einigermaßen realistische Stadtsilhouette darstellt.

P.P.S.: Ach, und Kühlschrankmagneten… So gesehen: Briefmarken können ja ab und zu mal was wert sein.