Tag 6: Südafrikanische Geschichte

Goeie Aand!

Heute war In-den-Tag-schleichen angesagt. Erst um 11 Uhr habe ich es aus dem Haus geschafft (wobei ich vorher schon kurz bei Woolworth weinkaufen war), wollte Richtung Waterfront und dort ins Museum für moderne Kunst – auch MOCAA oder Zeitz genannt. Stephan nahm sich vor, stattdessen im Zentrum rumzulaufen. Beim Frühstück habe ich noch geguckt, wann Touren nach Robben Island gehen, wo Nelson Mandela 18 seiner insgesamt 27 Jahre Haft verbrachte. Laut Internet waren viele Touren schon ausgebucht. Daher nahm ich mir vor, im „Mandela Gateway“ Tickets für morgen oder Freitag zu erstehen. Aber zuerst ging ich zum African Trading Port, einem Verkäufer für Tinnef, aber auch für afrikanisch-folkloristische Kunst kontinentweit. Das ist fast wie ein Museum. Masken, Waffen, Kultgegenstände, Skulpturen. Wahnsinn! Da ich ethnologisch ja ein bisschen interessiert bin, war das ein Fest für die Sinne.

An der Schwenkbrücke musste ich warten und schaute zufällig auf den Signal Hill, als genau um 12 Uhr die tägliche Kanone abgefeuert wurde und ich den Rauch sehen konnte. Auch schön.

Auf dem Weg ins MOCAA hüpfte ich dann kurz in das Ticket-Centre für Robben Island rein. Warum ich denn nicht sofort fahren wolle, wurde ich gefragt. Nur die Onlinetickets seien ausverkauft. Da bis zur Abfahrt des nächsten Bootes nur 15 Minuten Wartezeit waren, habe ich ein Ticket gekauft. Mit der Madiba 1 (das ist der Clanname Mandelas) fuhren wir bei ruppiger See ca. 25 Minuten, Innenraum, bleiche Gesichter und Würgegeräusche inklusive. Selbst mir wurde etwas blümerant. Bei der Einweisung über Sicherheitsmaßnahmen berichtete der Offizier, dass es an Bord keinen Alkohol gäbe, nur Kaffee und Softdrinks. Was das für einen Grund hätte? Er wisse es nicht. Er hatte ein paar Lacher.

Dann auf der Insel erst einmal Massenabfertigung. Im Bus angekommen hatten wir einen Guide, der von der Geschichte der Insel und derjenigen einzelner Insassen berichtete. Das war stellenweise erschreckend, aber auch bewegend. Er hat das aber gut und sogar mit Humor vorgetragen.

Wir fuhren mit dem Bus mehrere Stationen ab. Man darf aber seit einiger Zeit nicht mehr aussteigen, um Fotos zu machen, weil einige Touristen ihren Namen überall einritzten oder Dinge mitgenommen haben. Ehrlich, das finde ich zum Kotzen. Auch im Kölner Dom sind ja auf dem Weg zu den Türmen hoch massenweise Spackos verewigt.  Aber wir haben viel über die Geschichte der Insel erfahren. Leprakolonie, Militärstützpunkt, Psychiatrie, Gefängnis. Heute ist die Insel Weltkulturerbe.

Am Hochsicherheitstrakt angekommen, empfing uns ein ehemaliger politischer Gefangener, der von 1983 bis 1991 auf Robben Island einsaß. Er hatte Mitglieder für den bewaffneten Arm der ANC geworben und sollte 20 Jahre bleiben. Er hat kurz und prägnant über den Gefängnisalltag berichtet. Das war stellenweise erschütternd. Er habe seinen Frieden mit dieser Zeit und den Wärtern gemacht. Er sei mit einigen Wärtern sogar befreundet. Fast nicht zu glauben.

Wir hörten seinen Ausführungen in der Zelle zu, in der er selber einsaß. Bis zu 60 Menschen mussten sich eine solche Zelle teilen. Auch Mandelas Zelle sahen wir.

Eine bewegende Erfahrung, auch wenn die Art und Weise der Abfertigung so gar nicht zur Atmosphäre des Ortes passt. Man kann gar nicht alles berichten über diesen Ort, es waren zu viele Informationen. Aber ich lege jedem ans Herz, sich mal mit dieser Epoche und Namen wie Kathrada, Sisulu oder Sobukwe zu beschäftigen.

Übrigens gibt es auf der Insel massenweise Ibisse, die diesen Winter das erste Mal nicht weggezogen sind, wie uns der Guide berichtete. Daher konnten wir wahrscheinlich den einen Vogel am Hafen vor ein paar Tagen sehen.

Die Fahrt zurück habe ich auf dem Oberdeck verbracht. Zum Glück, denn die Fahrt war noch ruppiger und unten hätte ich möglicherweise eine Tüte gebraucht. Am Pier standen nachher einige grüngesichtige Menschen. Ein Mitglied der Crew berichtete dann auch, dass für morgen alle Touren zur Insel wegen der unruhigen See ausgesetzt wurden.

Stephan traf ich dann vor dem Seitz. Wir wollten dort nämlich im Silo-Hotel in der 6. Etage einen Aperitif zu uns nehmen, da Lance den Ausblick dort so gelobt hat. Die Silos waren 2013 noch eine Attraktion auf der Busrundfahrt, weil sie mal das zweithöchste Gebäude auf dem Kontinent waren. Jetzt ist nach einem rigorosen Umbau dieses architektonische Prachtstück 2017 als Museum und Hotel eröffnet worden (und ich bin normalerweise ungnädig, wenn es um moderne Architektur geht).

Übrigens war der Aperitif ein schlichtes Windhoek Lager für mich und ein Castle Lager für Stephan.

Da wir schon an der Waterfront an einem Ort mit mehreren dutzend hochgelobter Restaurants waren, entschieden wir uns, ins Karibu zu gehen, obwohl es noch früh war. Eine gute Wahl. Biltong-Salat und Bobootie für Stephan und Butternut-Suppe und Steaks von Springbok, Kudu und Impala mit Chakalaka für mich. Dazu Amarulasoße.

Jetzt sitzen wir im Haus und es regnet draußen.

Zu wissen, dass die Woche bald rum ist… Es gibt kein anderes Wort dafür als „Scheiße“! Verzeihung. Kapstadt nimmt einen gefangen. Wir könnten noch viel länger hier bleiben.

Gerade habe ich Stephan aufgefordert, einen Gastbeitrag über seinen Tag zu verfassen, aber er bevorzugt die Gesellschaft der Couch.

Sien jou gou.

Gerald

P.S.: Gestern bei der Autofahrt war ich glücklich, endlich Blinker und Scheibenwischer unterscheiden zu können. Also verkündete ich stolz „Klappt doch mit dem Blinker!“ um an der nächsten Kreuzung wieder den Wischer zu betätigen.

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