Tag 8: Viel mit Wasser

Ja see jätkub!

Heute morgen also mal wieder packen und abfahren. Das ist natürlich der Nachteil an einer Autorundreise, man lebt quasi aus dem Koffer. Das habe ich eigentlich nicht so gerne, aber es lässt sich ja nicht vermeiden; es macht mir nämlich auch keinen Spaß, jeden Abend und jeden Morgen den Koffer aus- bzw. wieder einzupacken.

Ich kam sehr gut aus Tallinn weg, habe dabei keine Marathonläufer überfahren müssen, und steuerte mein erstes Ziel an, die Jägala-Wasserfälle. Die sehen auf Fotos in Reiseführern etwas spektakulärer aus, als sie in Wirklichkeit sind. Es mag daran liegen, dass die Fälle zur Zeit nicht über die gesamte Breite der Terrasse fallen, sondern nur über etwa die Hälfte. Trotzdem ganz nett, ich mag Wasserfälle ja. Finde ja schon die Stromschnellen der Erft interessant.

Im Winter frieren die manchmal, das sieht dann wohl krass aus

Auf dem Parkplatz trank ich Wasser, als ich hörte, dass ein Mann sich bei einer Frau (auf deutsch) beschwerte, das Wasser sei ja abgestanden. Sie antwortete, er solle dann doch das von Gerald nehmen. Huch. Ich überlegte kurz, mich vorzustellen, ließ es aber dann doch sein. Ein strammes Programm lässt keinen Smalltalk zu!

Von Jägala aus fuhr ich in den Nationalpark Lahemaa. Dort gibt es sehr viele Gutshöfe, von denen das besterhaltene bzw. -restaurierte das Herrenhaus Palmse sein soll. Dieses besichtigte ich dann auch. Außer dem Herrenhaus gibt es eine Schmiede, ein Badehaus, eine Brauerei und, und, und…

Palmse mois

Alles ist sehr gut instandgesetzt und vermittelt einen Eindruck vom Leben eines Gutsbesitzers vom 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts. Die Besitzer dieses Guts waren deutsche Adlige (von der Pahlen). Deutsche Adlige haben Russland ja immer in diversen militärischen Angelegenheiten unterstützt, diese Familie gehörte definitiv auch dazu. Mitglieder der Familie hatten Kontakt zum Zarenhof und zu Gelehrten, Dichtern und Denkern; so ist z.b. Isabell befreundet gewesen mit dem Philosophen Nietzsche. All das ist sehr sehenswert und ich hätte auch eine Weinprobe machen können. Obstweine, die dort produziert werden, aber das ging wegen des Autos ja nun nicht. Außerdem wurden sie alle als „schön süß“ angekündigt. Nun, ich war froh, dass ich eine Ausrede hatte.

Ich wanderte noch ein wenig durch den Nationalpark, insbesondere über das Gutsanwesen, wo es schöne Pavillons, Seen, Brücken et cetera zu bestaunen gibt. Ein Besuch lohnt sich wirklich!

Mein nächstes Ziel war das Fischerdorf Altja an der Ostsee. Es ist ganz pittoresk, es gibt dort sogenannte Netzhäuser (nein, nicht von Vodafone und Telekom!), Holzhäuser, in den Fischernetze aufbewahrt wurden und die ein immer wiederkehrendes Postkartenmotiv dieser Region sind. Ansonsten sehr viel Natur. Nadelwald und Meer = tolle Kombi! Auf dem Weg in dieses Dorf wurde ich von einer Motorradgang überholt, die meinen Wagen beim Überholen sowohl hinten als auch vorne immer um Haaresbreite schnitten, die traf ich dann in Altja wieder. Sie sind aber nicht zu den pittoresken Fischerhäuschen gegangen, sondern sofort in die nächste Bar eingekehrt. Und dreimal dürft Ihr raten… sie haben keinen Kaffee getrunken! Ich weiß, man tut das nicht, aber ich wünsche allen einen schönen Unfalltod. Hoffentlich ohne jemand anderen mitzureißen.

Der Himmel zog sich gegen 15 Uhr zu, bis dahin hatte ich Glück, und als ich in Rakvere an der Ordensburg ankam, war es grau und dunkel. Dazu passte dann auch, dass die Burg schon geschlossen hatte und ich sie so nicht besichtigen konnte. Wir reden über 15 Uhr 30. Ich verließ Rakvere dann bald wieder. Wahrzeichen ist übrigens nicht die mächtige Burg, sondern seit 2002 ein riesiger Auerochse.

Angepriesen wurden als nächster Punkt der Reise die sogenannten Altgläubigendörfer am Peipussee, z.B. Mustvee und Kallaste. Aber diesen Schlenker hätte ich mir sparen können. Nicht wirklich interessant genug, um einen Umweg von fast 100 km zu fahren. Ein paar kleine Kirchlein, ein paar bunte Häuser, aber wenigstens war ich am Peipussee, an der Grenze zu Russland gelegen, das ist immerhin ein geschichtsträchtiger Ort. Man lese dazu über Alexander Newski, der ist uns schon als Kathedralennamensgeber begegnet.

Um 18 Uhr 30 kam ich dann in Tartu an, fand sofort mein Hotel, dieses hat auch einen Parkplatz, was ich sehr begrüße, der Empfang war sehr nett, aber das Zimmer ist nur Durchschnitt. In einem Vier-Sterne-Hotel. Es ist bisher die teuerste Unterkunft der Reise. Aber ich will nicht zu sehr mosern, Parkplatz (Ludwig Zisch findet ihn allerdings ein wenig eng) und Frühstück und Klimaanlage und total zentral.

Dem Herrn Autor sein Hotel, ich wohne ganz oben rechts über der Regenrinne.

Nach dem Einchecken erkundete ich den Rathausplatz. Der ist schon einmal ganz hübsch, mit – klar – dem schönen Rathaus, den küssenden Studenten und dem schiefen Haus. Die küssenden Studenten sind übrigens aus Bronze, nicht, dass mich nachher noch jemand für einen Spanner hält.

2024 wird Tartu Kulturhauptstadt Europas

Ich glaube die anderen Attraktionen von Tartu lassen sich sehr gut morgen früh erkunden, so dass ich am frühen Nachmittag aufbrechen werde Richtung Vilnius; da aber diese Strecke sehr lang ist, werde ich mir überlegen müssen, wo ich einen Zwischenstopp zu Übernachtung einlege.

Also ist noch nicht klar, ob wir uns morgen wieder in Lettland sehen, oder aber dann in Litauen. Ich hoffe ihr seid morgen abend wieder bei mir. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit!

Euer Gerald

Estland war die erste der ehemaligen Sowjetrepubliken, die 2014 die gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingeführt hat. Ob diese Bronze daran erinnert, weiß ich allerdings nicht.
Warum Ihr keine Souvenirs erwarten dürft… Ich hoffe, Ihr seid froh deswegen!

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