Ihr Lieben,
heute also Norwegens Hauptstadt. 700.000 Einwohner nur, aber in der Metropolregion leben ca. 1/3 der 5,4 Mio. Bewohner des Landes. Ich hatte wieder einen Stadtrundgang gebucht. Die Ausschiffung – wir lagen quasi fast an der Oper am Pier – dauerte etwas, da diesmal die Behörden tatsächlich die Ausweis- und Impfdokumente überprüften. Das zog sich etwas. Aber dann liefen wir drei Stunden durch die Stadt. Sandra war unsere Fremdenführerin.
Wir erklommen zuerst die Festung Akershus, ein riesiges Gelände, das immer noch militärisch genutzt wird. Heute fand dort eine Hochzeit statt, ein hochrangiger Militär heiratete dort seine Solveig. Viele der Gäste daher in ihren Galauniformen und viele Frauen in norwegischer Tracht, die laut Sandra in einfachster Ausführung so ab 6.000 Euro zu haben ist. Neben der Hochzeit gab es auch noch ein Wikingerbiwak und dazwischen trabten einige Polizistinnen zu Pferde über die Festungswiesen. Ganz schön viel Betrieb also.
Von der Festung aus ging es Richtung Hafen, wo wir auf Rathaus, Nobelmuseum, Nationalmuseum und diverse Statuen aufmerksam gemacht wurden. Sandras Vortragsstil war dabei sehr angenehm. Wir gingen weiter zu Harald und Sonjas Wohnstatt. Das sind die Königs. Hübsches Stadthaus haben die. Wir liefen die Karl-Johan-Gate herunter und passierten die juristische Fakultät der Universität, das Grand-Hotel (wo die Friedensnobelpreisträger ihre Balkonreden schwingen), die Domkirche, gingen durch den Ostbahnhof zu Oper und zurück zum Schiff.
Die Oper ist eine architektonische Perle. Ein Traum aus Carrara-Marmor und deutscher Eiche. Das Dach ist begehbar und wirkt wie ein Skigebiet. Von oben hat man einen schönen Blick über Oslo und den Hafen, wo die Amera lag.
Nach einer kurzen Stärkung an Bord lief ich zurück zum Schloss, denn Rolf hatte mir die Wachablösung empfohlen. Das war dann auch ganz nett, nicht so überlaufen und einige Wachen ließen sich auf Plaudereien ein. Irgendwie anders als bei den steifen Fellmützen in London. Wobei natürlich die Stechschrittparade zum Wechsel militärisch streng in einem abgesicherten Bereich ablief. Die Familie König ist übrigens sehr volksnah, wie man uns berichtete. Interessant auch in diesem Zusammenhang ist, dass Norwegen sich nach der Loslösung von Schweden in einer Volksabstimmung für eine Monarchie entschied. Und zwar mit sehr großer Mehrheit. Man bot den unbesetzten Thron einem dänischen Prinzen an (obwohl die Dänen ja auch mal wenig geliebt waren). Irgendwie finde ich das witzig. Ich stelle mir vor, ich sitze zuhause und irgendein Land ruft an und fragt, ob ich König werden möchte. Man hätte einen Thron frei.
Auf dem Weg zurück zum Hafen besuchte ich dann noch die Aula der Universität, da es dort einige Gemälde Edvard Munchs zu bestaunen gibt. Die Aula war angeblich lange nicht zu besichtigen. Munch ist Norwegens berühmtester Maler. Unter anderem trug seine erste Ausstellung in Deutschland zu seinem Ruhm bei, denn sie wurde als skandalös angesehen, vorzeitig beendet und Munch war als künstlerischer Anarchist verschrieen.
Ich besuchte dann noch die Oper von innen, bevor ich zum Schiff zurückkehrte. Insgesamt sind 5 Stunden Herumlauferei dann ja auch genug. Und ich habe viel in Oslo gesehen und erlebt. Das Rathaus-Glockenspiel ertönte, ein Erweckungsreligöser grölte mir ins Ohr, wagemutige Norweger badeten im Hafenbecken (da gibt es Schwimmanstalten), vor dem Parlament, dem Storting, fand eine Demonstration gegen Windkraft statt, es gab neben der Hochzeit in der Festung auch noch zwei vorm Rathaus, und in der Karl-Johan-Straße steppte der Bär. Nicht schlecht für einen Tag.
Ach ja, nicht zu vergessen die Erlebnisse mit den Mitreisenden. „Dieser Ausflug ist für Mitreisende mit eingeschränkter Beweglichkeit nicht geeignet“. Tja, diesen Hinweis verstehen einige nicht richtig. Bergauf? Treppen? Kopfsteinpflaster? Eine Zumutung!!! Drei Stunden laufen? Eine Unverschämtheit! Und alle fünf Minuten: „Gibt es hier irgendwo eine Toilette? Und kostet die was?“ Hoffentlich gebärde ich mich im Alter nicht auch so.
Nachmittags auf dem Lidodeck traf ich wieder M. und G. Letzterer malt als Hobby und hat mir ein paar seiner Bilder auf dem Handy gezeigt. Ich war ziemlich beeindruckt. Der Mann hat Talent. Und seine Frau war sichtlich stolz auf ihn. Nach 61 Jahren Ehe. Ich finde auch das wirklich beeindruckend. Während wir da saßen, fing die Show-Band an für die heutige Après-Fjord-Party zu proben. Soundcheck. Wir wurden fast von unseren Stühlen geblasen. Ich gehe davon aus, dass sogar Sonja und Harald etwas davon hatten.
Der Abend war entspannt, da ich die Wikingerparty ausließ. Wir fuhren in der Dämmerung aus Oslo ab und legen morgen in Lysekil in Schweden 🇸🇪 an.
Bis morgen, hoffe ich, Euer Gerald