Ihr Lieben,
die unbeschwerte Zeit der Single-Reise ist vorbei. Ab heute muss ich mich benehmen, ab heute reisen befreundete Nachbarn mit. Ich glaube, ich deutete es im Prolog zur Reise schon an. Um 10 Uhr verließ ich mein Hotel, ich wollte gegen 11 Uhr in Bad Harzburg Claudia und Uwe treffen, die vor zwei Tagen dort Logis genommen hatten, um dort ein bisschen etwas zu unternehmen, um dann gemeinsam weiter nach Goslar zu fahren, unserer Heimat für die kommenden vier Nächte.
Dort angekommen, waren die Berge nebelverhangen, und da wir mit der Seilbahn hinauf wollten, verschoben wir dies und erkundeten erst einmal Bad Harzburg. Ich würde es als typischen Kurort einordnen. Viele ältere Leute (jaja, wir sind ja noch jung!), einschlägige Kurortbesucherläden und alles ein bisschen buntgemixt. Renovierte Holzhäuser, Siebziger-Jahre-Sünden, Parks, Skulpturen (mehr oder weniger anziehend) und in Form geschnittene Blumenrabatten. Ein Jungbrunnen! Aber nett. Heute war wohl Schülerwandertag, es waren haufenweise Schulklassen unterwegs, das sorgte für ein bisschen Kontrast. In der Trinkhalle schmiss Claudia eine Runde und wir durften das salzhaltige Kurwasser probieren. Es soll gegen allerlei Zipperlein helfen. Das Glas kostete 10 ct. Ehrlich, wo bekommt man für so wenig Geld noch etwas geboten?
Nachdem wir eine Stunde geschlendert waren, klarte es auf den Bergen auf und wir reihten uns in die Schlange zur Kabinenseilbahn, Baujahr 1929 (oder so) ein. Während wir anstanden, strömte eine große Besuchergruppe wichtiger Personen an uns vorbei, angeführt vom Bürgermeister. Daher mussten wir extrem lange auf unsere Fahrt warten. Es fährt nämlich nur eine Kabine mit je nur 18 Fahrgästen. Oben war es dann schon mit der Aussicht viel besser, die Sonne kam durch und wir liefen zum Canossa-Denkmal und anschließend zur BaumSchwebeBahn. Wie soll ich das erklären? Ausgedacht für Menschen, die blöd genug sind, 15 Euro auszugeben, um in einer besseren Babyschaukel einen kilometerlangen, mäandernden Eisentrail ins Tal dem sicherem Tod entgegen hinunterzudüsen. Einfach nur krank! Pervers und krank!
Der Sitz war gar nicht mal so unbequem. Man solle bitte nicht in die Karabinerhalterungen fassen und los geht’s! Das Perfide an der ganzen Sache ist, dass es am Startpunkt total gemütlich aussieht. Nach der ersten Kurve dann aber wird es schneller, man dreht sich um sich selbst, wird hin- und hergeschleudert und dann schaut man auf die angeblich aus der Paragliderforschung entwickelten Gurte, in denen man hängt, um festzustellen, dass sie genau so aussehen, wie der Tragehenkel der Einkaufstasche, die neulich gerissen war, weil ein Toastbrot und eine Flasche Wasser darin transportiert wurden. Meine spitzen Schreie hat man noch im Allgäu wahrgenommen. Claudia und Uwe waren vor mir dran. Unten angekommen, dann: „Wie fandest Du es?“ – „Pffft. So ein Kinderkram!“.
Wir erliefen uns anschließend den pädagogisch wertvollen Baumwipfelpfad, der ganz nett ist, um wieder ins Tal zu gelangen. Am Ausgang musste Claudia eine hysterische Teenagerin aus einer Toilette befreien, weil sie die Klinke nicht richtig bedienen konnte. Das ist schon bedenklich, oder? Wir fuhren dann von Bad Harzburg aus Kolonne nach Goslar, wo wir zwei kleine Umwege nahmen, weil wir in einem besonderen Café außerhalb Bad Harzburgs Einkehr hielten und weil Uwe mir zudem ein Viertel mit spektakulären Villen in Goslar zeigen wollte. Das Café WINUWUK wurde 1922 vom Architekten Prof. Hoetger im „elfenhaften“ Stil errichtet und erinnert an eine Hobbithöhle.Lecker Kuchen gibt es da auch. Und die Villen? Ja, das war dann auch schon ein Prunk sondergleichen. Arme Leute wohnen da mit Sicherheit nicht.
Am Hotel wartete schon Petra, die mit dem Zug angereist war. Wir klärten kurz den Treffpunkt für den späteren Nachmittag und dann checkte ich ein. Das Hotel ist ein Träumchen. Wunderschön eingerichtet, ich habe ein sehr großes Zimmer, wo ich es bestimmt gut vier Tage aushalte. Ich wohne im Zimmer Jilliane und auf dem Nachttisch liegt ein Buch von Jilliane Hoffmann. Die Zutrittskarte hing in einem Samtsäckchen an der Tür. Ich liebe so etwas!
Petra und ich wohnen zusammen mit Ute und Andreas, die morgen anreisen, im Hotel; Claudia und Uwe haben eine Ferienwohnung in der Altstadt. Da Petra sich schon eingerichtet hatte, machte ich nur Minikatzenwäsche, um direkt mit ihr ins Zentrum zu laufen. Der Bierdurst nach aufregenden Ereignissen halt. Wir kamen an wirklich schönen Häusern vorbei, aber Goslar kann definitiv auch Bausünden. Der positive erste Gesamteindruck überwiegt aber. Am Rathausplatz, der leider an einer Seite von einer Baustelle dominiert wurde, nahmen wir dann erst einmal eine Stärkung zu uns. Eis und Kaffee und ein Helles.
Kurze Zeit später waren wir dann zu viert und ließen uns von Uwe, gebürtig aus Goslar, und Claudia, die die Stadt inzwischen auch gut kennt, auf einem ersten Spaziergang Goslar zeigen. Durch untouristische Gassen kamen wir über Umwege zur Reichspfalz, dem wohl größten erhaltenen, mittelalterlichen Profanbau Deutschlands, liefen an aufgelassenen Klösterchen vorbei, schauten hinter der Stadtmauer auf die dortigen Teiche am Zwinger, letzteres heute ein Mittelaltermuseum mit Schwerpunkt Folterinstrumente und Ferienhauskomplex. Wer sich da wohl einmietet?
Die etwa zweineinhalbstündige Stadterkundung machte hungrig, so kehrten wir dann im Goslarer Brauhaus ein, wo es die hiesigen Bierspezialitäten Gose und Rammelsberger gibt. Petra bemerkte treffend, dass man schon wissen müsse, dass das Biere sind, um das zu erkennen. Liebe Goslarer, nicht böse sein, das sind leckere Tröpfchen, aber sehr süß und süffig. Ich schicke aber beschwichtigend hinterher, dass ich auch Kölsch nicht für ein wirkliches Bier halte 🙂 So, nachdem ich mir nun alle zum Feind gemacht habe, sei angemerkt, dass das Essen super war und auch nicht wirklich teuer.
Auf dem Rückweg zum Hotel habe ich kurz die Orientierung verloren, aber es gibt ja Handys. Was haben wir früher… ach so, ja. Wir haben einfach fremde Menschen gefragt. Erster Eindruck Goslar auf den zweiten Blick: Ja, hier kann man prima Zeit verbringen. Morgen früh heißt es übrigens „Wer andern eine Grube gräbt…“. Was ds bedeuten soll? Naja, dafür müsst Ihr morgen wiederkommen. Liebe Grüße, Euer