Harz, 2. Tag: Von tanzenden Hexen, ungestümen Gäulern und der schönen Aurora

Ihr Lieben,

das Hotel ist gut gebucht, der Frühstückssaal war entsprechend voll. Ich hatte meine Brille auf dem Zimmer vergessen und konnte so meinen Reiseführer nicht lesen, so schaute ich mich ein bisschen um. Was man ja morgens bei Rührei und Kaffee keineswegs sehen möchte, sind barfuß laufende Männer, Männer der Konfektionsgröße XXL in Leggings der Größe S und Damen die mit einem angebissenen Brötchen in der Hand zum Buffet eilen, um sich mit der anderen Hand ein weiteres Brötchen zu sichern, und derweil munter schmatzend Krümel zu versprühen.

Es war leider etwas bewölkt, auch die Temperaturen waren der Kategorien „frisch“ zuzuordnen, so beschloss ich, nach Thale zu fahren, um dort mit dem Sessellift auf die Roßtrappe und anschließend mit der Kabinenseilbahn zum Hexentanzplatz hochzufahren. Ich kaufte ein Kombiticket, das auch eine Fahrt mit der Sommerrodelbahn beinhaltete und trat meine erste Fahrt mit dem offenen Sessellift an. Wer mag, ich kann ein kleines Video zur Verfügung stellen, das ich während meiner Nahtoderfahrungen gedreht habe. Oben ist es sehr schön, man sieht quasi auf den Grand Canyon des Harzes über den weiland Königin Brunhilde auf der Flucht vor Ritter Bodo mit ihrem Pferd übersetzte, das beim Aufsetzen auf der anderen Seite einen tiefen Hufabdruck hinterließ, die sogenannte Roßtrappe. Bodo stürzte in die Schlucht und hinterließ einen Fluss, die Bode. Man muss ein bisschen laufen, um zu diesem Naturdenkmal zu kommen, angegeben sind von der Seilbahn aus ein paar hundert Meter, aber das stimmt im Leben nicht (man lügt uns doch die Hucke voll!!!). Mir entgegenkommenden Wanderern musste ich auch mehrmals versichern, dass es die Rosstrappe wirklich gibt und dass sie nicht mehr weit sei. Es ist übrigens eine kleine, unspektakuläre Vertiefung, in die man, so man möchte, Münzen werfen kann, die dann in der Brackwasserpfütze vor sich hingammeln.

Mit dem Sessellift ging es wieder hinunter ins Tal, dort wurden die Stationen gewechselt, um mit der Kabinenseilbahn wieder nach oben zu fahren, diesmal zum Hexentanzplatz. Mit mir in der Kabine ein Paar mit Hund, die etwas überrascht, aber belustigt waren, als ich (nach Vorwarnung und Erlaubnis) mein übliches „Absturz-mit-der-Seilbahn-Selfie-Video“ drehte. Ich habe es aus Rücksicht sehr kurz und undramatisch gehalten. Ich weiß nicht genau, was das Areal früher einmal gewesen sein mochte, aber jetzt ist es ein Disneyland für Arme. Lieblose Bretterbuden, alles noch im Bau irgendwie. Nein, ich muss mich korrigieren, es ist für Reiche. Für Familien ist es eigentlich sehr nett, es gibt viele Spielplätze und interessante Attraktionen für Kinder, es ist auch bumsvoll, aber die Preise für Kleinigkeiten aus den vielen Lebensmittelbuden oder den wirklich schauerlichen Souvenirs zahlreicher Lädchen sprengen jede Vorstellungskraft! Aber ich sage ja immer, solange es Menschen gibt die das Bezahlen… ein Highlight ist tatsächlich die Sommerrodelbahn, mit der ich eine Runde drehte, leider kann ich euch nicht sagen, ob es mir gefallen hat, ich musste mich zu sehr darum kümmern, nicht in Ohnmacht zu fallen. Das Maskottchen des Bodetalspaßimperiums heißt übrigens Gondolina und ist – wer errät es? – eine Hexe.

Nach der anschließenden Talfahrt lief ich noch ein bisschen durch Thale. Auch da ist es ganz nett, es gibt eine interessante Kirche (St. Petri), eine Menge holzgeschnitzter Fabelwesen (nicht wirklich meine präferierte Art der Bildhauerei) und Skulpturen, noch ’ne Kirche und hier und da einen Batzen Grün. Das Denkmal gegen den Faschismus möchte ich auch – gerade in der heutigen Zeit – besonders hervorheben.

Vom Bodetal aus fuhr ich nach Quedlinburg. Hier krichste Pippi inne Augen, so schön ist dat hier! Quedlinburg ist ja Weltkulturerbe-Stadt. Unter anderem liegt das daran, dass es hier mehr als 1.300 Fachwerkhäuser gibt. Dazu das sehr imposante Stiftskirchen-/Schlossberg-Ensemble, viele andere sehenswerte Kirchen und Kulturdenkmäler. Inzwischen hatten wir auch strahlend blauen Himmel und es war wärmer geworden, so machte die Stadtbesichtigung natürlich doppelt Spaß.

Ich erlief mir Schlossberg mit seinen Gassen drumherum, enterte die kathedralhafte St.-Servatii-Kirche und kam pünktlich zu einer Führung, der ich mich anschließen konnte. Nach sehr vielen Ausführungen zu den ganzen Heldentaten der Gebeineinhaber unter dem Kirchenboden trennte ich mich aber wieder von der Gruppe: Es war nicht uninteressant, es zeichnete sich aber ab, dass wegen der zahlreichen Erläuterungen zu jeder Grablege der Tag dann um wäre. So erlief ich mir die kleine, übersichtliche Domschatzkammer alleine (das wäre mit der geführten Gruppe auch sehr kuschelig geworden!), guckte hier und da und verließ das Gebäude schon nach 20 Minuten wieder. Zugeben muss ich, dass die Geschichte der wunder-, wunder-, wunderschönen Aurora von Königsmark, die selbst als Mumie noch wunder-, wunder-, wunderschön war, mir völlig neu war. Der restliche Schlossberg steckt gerade in umfangreicherer Sanierung und war leider nicht zugänglich. Von oben aus hat man aber einen tollen Blick über die Stadt.

Durch zauberhafte Sträßchen lief ich über den Markt zum Rathaus, weiter zu St. Benedicti, über die Insel „Zwischen den Städten“ und zu St. Nikolai, eine Kirche die von einem schönen Platz umgeben ist. Mittendrin gönnte ich mir in der „Romantik-Ruine“, einem sehr netten Lokal, ein Forellenpanini. Die Forelle soll aus dem Bodetal kommen und hat daher möglicherweise noch homöopathische Dosen von Ritter Bode in sich.

Das Abendessen im Hotel fiel aus, weil der Nachwuchs der Wirtsleute in das Musical „Tanz der Vampire“ nach Hamburg spediert werden wollte. So suchte ich mir etwas im Ort aus. Hier wird einem leider nicht wirklich viel geboten. Vieles hat geschlossen, alles macht früh dicht. Im Herbst in einem Kurort! In Badenweiler, wo ich früher gerne war, boxt zwar auch nicht der Papst im Kettenhemd, aber man hatte ausreichend Gastronomie. Naja, Bad Suderode sieht auch nicht wirklich nach Kurbetrieb aus, das Kurhaus steht leer da herum, am Calcium-Brunnen gibt es kein Wasser. Einige einstmals seeehr schöne Häuser am Rande des Kurparks verfallen. Ich landete schlussendlich um 19 Uhr 30 in einem Restaurant, das bis 21 Uhr geöffnet sein sollte. Man wusste aber nicht, ob man für mich noch etwas kochen wollte, war ja schon spät… nur wenn es schnell ginge. Ich nahm Würzfleisch und eine Kartoffel mit Salat. Die Mutter des Wirtes löste Kreuzworträtsel, ein Ehepaar am Nachbartisch hatte sich nichts zu erzählen. Fliegen summten zwischen den Tischen herum. So etwas tristes! Aber das Würzfleisch war lecker. Man isst es mit Worcestershiresauce „Dresdner Art“. Was es alles gibt!

Morgen soll es nicht so schön werden, ich muss mir möglicherweise eine Indoor-Aktivität suchen. Genug zu sehen gibt es hier auf jeden Fall.

Habt noch einen schönen Restsonntag, vielleicht bis morgen, Euer

__________

2 Gedanken zu „Harz, 2. Tag: Von tanzenden Hexen, ungestümen Gäulern und der schönen Aurora“

  1. Video an mich bitte😊 als ich das letzte mal im Harz war ( über 20 Jahre her), war noch nix mit nur mit Handy bewaffnet Filmchen machen.
    danke dagmar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert