Tag 5: Der Höhepunkt der Reise (1.949 N.N.)

Ihr Lieben,

Seeluft macht müde. Ich bin dermaßen früh zu Bett gegangen, ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal um 10 Uhr abends in der Poofe war. Dementsprechend war ich früh wach und konnte zum Sonnenaufgang am Meer entlang schlendern. Ach, das ist so schön! Die Seeluft, eine leichte Brise, diese Farben!

Als ich zurückkam, waren die Bauarbeiten vorm Haus schon voll im Gange, der Kaffee war durchgelaufen und ich konnte mich erst einmal mental auf den Tag vorbereiten. Das heißt auf deutsch dann ein bisschen Rumtrödeln. Meine Ausflugsentscheidung fiel auf die Berge, genauer gesagt, die Gegend um Tejeda. Tejeda gilt als einer der schönsten Orte der Insel. Zu recht, wie ich 2019 feststellen konnte.

Auf dem Weg dorthin, der sich über endlos gewundene Straßen hinzog und MBB so einiges abverlangte, machte ich einen Abstecher zum – naja, fast – höchsten Punkt der Insel, dem Pico de las Nieves. Den Titel hat der Schneegipfel seit einigen Jahren an den Morro de la Agujereada (laut Google „Schnauze des Durchlöcherten“, aber mit Übersetzungsprogrammen bin ich ab jetzt vorsichtig) mit 1. 956 Metern abgeben müssen. Aber den kennt doch keiner. Also Pech gehabt. Ende der Diskussion. Es lag zwar kein Schnee, aber es war eisekalt und es pfiff ein Wind zum Höllegefrieren. Zu sehen gab es… na seht selbst:

Ein paar kurze Worte mit dem Imbisswagenbetreiber (der ein eher nichtssagendes Sortiment hatte) und einem österreichischen Tourist gewechselt, dem es hier ausnehmend gut gefiel („He, bin aus Österreich“), und dann musste ich schnell weiter, ich mit meiner dünnen Strickjacke und dem Eiszapfen an der Nase. Wir fuhren zur nächsten Gipfelberühmtheit, dem Roque Nublo, aka Wolkenfels. Hier wieder eitel Sonnenschein und spektakuläre Ausblicke! Der Roque hat eine unverwechselbare Gestalt und gilt als das Wahrzeichen der Insel. Jaja, es ist nicht etwa das Jumbo-Center, wie viele glauben…

Ab da ist Autoruta assoluta! Wer von diesen Ausblicken unberührt bleibt, kann kein guter Mensch sein. Ein einziger Grand Canyon. Schluchten und karstige Berge, weiße und bunte Dörfer, Calderas und Wiesen und Bäume und Palmen und Sträucher, es ist eine einzigartige Landschaft. Unser Ziel, Tejeda, ausgezeichnet von höchsten spanischen Autoritäten als eines der wenigen Pueblos Más Bonitos de España, liegt wie eine Prinzessin inmitten dieses gebirgigen Weltwunders. MBB war super dankbar, als wir endlich ankamen. Wir haben am Berg so ziemlich dieselbe Kondition, nämlich gar keine. Er bekam erst einmal eine Blutdruckpille von mir in den Tank geworfen.

Ich schlenderte durch Tejeda, warf einen Blick in die Kirche, zündete dort zwei Kerzen an und erstand in einer der zahlreichen Dulcerías Mandelgebäck, für das diese Gegend sehr bekannt ist. Ein sehr süßes, puderzuckriges Gebäck heißt übrigens sinngemäß Himmelsbröckchen, Trocitos de Cielo. Es wird dringend empfohlen, sie nicht zu essen, wenn man farbige Kleidung trägt.

Hin ging unsere Fahrt über Pasadilla und Cazadores, zurück dann über San Mateo, Santa Brigida und Tarifa. So sind wir ein schönes unregelmäßiges Dreieck gefahren. Im Einkaufszentrum Gigantopolis machte ich noch einen Zwischenstopp, ich wollte eine Sonnenbrille erstehen (ich hatte auf der Fahrt doch manchmal Probleme ohne), fand aber keine, die mir gefiel oder die zu bezahlen ich bereit war. Prada steht mir sowieso auch nicht. Eine neue Handyhülle war dann aber drin, die andere hatte einen Riss. Dann deckte ich mich noch mit Wein, Bier und Aufschnitt ein. Ich habe endlich einen Wein gefunden, den ich nicht mit Augenverdreherei trinken muss. Hat 6 verschiedene Flaschen, resp. 4 Abende gedauert. Zwei musste ich nämlich direkt nach dem ersten Schluck entsorgen. Wer möchte schon Wein, der nach ranzigem Met bzw. Pfirsicheistee (!) schmeckt?

Es folgte die kleine, inzwischen unvermeidliche Siesta. Ich werde dieses Konzept wohl mit ins Büro bringen, weiß aber noch nicht, welche Auftragsnummer dafür eingegeben werden muss. Werde mich mit dem Betriebsrat beraten müssen. Siesta ging übrigens nur mit Stöpseln, auf der Baustelle läuft der gemäß Guinness-Buch lauteste Kompressor der Welt. Ist schon etwas lästig.

Am Abend gönnte ich mir im Ort eine Meeresfrüchtesuppe sowie die berühmten „papas arrugadas con rojo mojo“, die Runzelkartoffeln, die ich so sehr liebe. Vielleicht, weil wir einiges gemeinsam haben. Beide runzelig, aber scharf. 🙂

Gleich muss ich mich mal wieder an ein paar Spanischübungen machen, dann lese ich noch ein bisschen. Morgen fahre ich wahrscheinlich mal wieder Bus. Löst Ihr auch ein Ticket?

Liebe Grüße
Euer Gerry

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