Ihr Lieben,
heute gab es um 8 Uhr erst einmal einen kubanischen Kaffee; ehrlich, so fängt der Tag doch deutlich besser an. Aus einer cafetera italiana, die es auch in jedem Spanienurlaub in der Küche gibt. Ich freue mich jedesmal wie Bolle, wenn ich eine vorfinde, aber die, die ich zuhause habe, fristet ein Schattendasein. Merkwürdig. Inzwischen schlafe ich auch gut, obwohl die Matratze Härtegrad 9 hat.
Schon zuhause beschloss ich, heute mal meine Gehwerkzeuge zu schonen und habe mir über einen Facebook-Kontakt (es gibt so einige Kuba-Gruppen dort) eine Fahrt mit einem Classic Car durch Havanna organisiert. Drei Stunden mit einem Chevrolet Impala 1958 Convertible in knallrot. Mein Fahrer heißt Aduan, er holte mich um Viertel vor 10 Uhr vor der Haustür ab. Erwartungen hatte ich kaum, nur dass ich hoffentlich eine Menge Spaß haben würde. Ich nehme es vorweg: Die Tour war super.
Aduan hatte die Ziele ausgesucht, ich saß nur hinten drin und ließ mich kutschieren. Wir fuhren den Malecón bis zu unserem ersten Stopp, einem Handwerkskunst- und Künstlermarkt, dem Mercado San José. Während im Erdgeschoss der wahrscheinlich übliche Touristenkitsch angeboten wurde (wobei sich einige nette Sachen darunter fanden), gab es im ersten Stock Gemälde und Plastiken. Und die haben mich wirklich beeindruckt! Da hätte ich mit einem Sprinter voller Kunst rausgehen können. Allein: Wie transportieren und wo zuhause noch Platz finden? Wirklich sehenswert!!!
Wir fuhren am beeindruckenden Capitolio vorbei, das nach amerikanischem Vorbild errichtet wurde, aber ein paar Meter höher ist. Hier tagt das Parlament. Von dort aus ging es am ersten Telegrafenamt, jetzt das erste LGBTQ-freundliche Hotel Kubas, vorbei nach Chinatown, wo es – naja, es ist wohl halt so – gar keine Chinesen gäbe, wie mir erklärt wurde. Aber es gibt dort eine Manufaktur von Romeo&Julieta, einer der bekannten Zigarrenmarken Kubas. Im Laden durfte leider nicht fotografiert werden. Man hätte auch sehr exklusiven Rum erwerben können, aber ich mochte jetzt nicht noch eine Flasche Rum in den ohnehin schon schweren Koffer packen und damit durch Kuba reisen. Vielleicht erstehe ich am letzten Tag eine Flasche, mal sehen.
Weiter ging es zum Platz der Revolution, wo ich ein paar Minuten Freizeit hatte. Man setzt dort seine Helden sehr pompös ins Bild. José Martí, Che Guevara, Camilo Cienfuegos… Auf dem Platz sammeln sich sehr viele Oldtimer, da die touristischen Clasicó-Touren sich wohl wenig unterscheiden. Ein Fest für Liebhaber. Selbst ich war ganz hingerissen, obwohl ich mich für Autos eigentlich nicht (und schon gar nicht rasend) interessiere.
Durch das Botschafts- und Reichenviertel Miramar, mit teilweise prachtvollen Villen, und an den Strandhotels Havannas vorbei ging es weiter nach Fusterlandia. Dort, im Stadtteil Jaimanitas, erschuf der kubanische Künstler José Fuster ab den 80er-Jahren eine farbenfrohe Mosaik-Insel. Sein Werk ist inspiriert von u.a. Picasso und Gaudí. Gaaanz wunderbar! Hier konnte ich leider nicht widerstehen und kaufte eine Skulptur. Mal sehen, wie ich die unbeschadet nach Hause bringe.
Zum Schluss fuhren wir noch in den Stadtwald von Havanna, dem Parque Almendares, wo Aluan mich zu einem Waldrestaurant kutschierte, wo es die angeblich beste Piña Colada der Stadt geben sollte. Ich bin kein ausgewiesener Experte, aber sie war wirklich lecker. Gefährlich für den Laden war nur, dass das nicht-alkoholische Basisgetränk in einer ausgehöhlten Ananas kam und die Flasche Rum zur Selbstbedienung daneben gestellt wurde. Gut, ich war bescheiden, aber wer weiß, ob die Flasche nicht schon mal leer zur Theke zurück ging… Man hatte frische Langusten, ob wir nicht vielleicht… Naja, wir wollten, zumal ich so auch zu einer typisch kubanischen Beilage kam, „Moros y Christianos“, Bohnen und Reis. Außerdem konnte ich mich so auch bei Aluan bedanken, der die vereinbarte Fahrzeit schon längst überzogen hatte.
Es war alles in allem kein Schnäppchen, aber die Tour ist – zumal bei Kaiserwetter wie heute – ein Traum. Zu mehreren fällt das dann ja auch am Ende weniger ins Gewicht, denn der Preis ist pro Auto, nicht pro Person. So sah ich unterwegs auch Clasicós mit gefühlt 10 Touristen an Bord. Das wäre mir bei der Hitze dann doch zu kuschelig geworden. Leider habe ich versäumt, ein paar Fotos mit mir hinterm Steuer oder zumindest vor dem Auto stehend machen zu lassen, aber davon geht meine Welt jetzt auch nicht unter. Auch ohne diese Aufnahmen werde ich diesen Ausflug nicht so schnell vergessen.
Dann war erstmal Verarbeitung der gesammelten Eindrücke angesagt. Das klappte hervorragend auf meinem schmalen, dafür aber kilometerlangen Balkon mit Blick auf den Golf von Mexiko. Ein Cristal durfte dabei natürlich nicht fehlen.
Nachdem ich mich gesammelt hatte, beschloss ich, masochistisch veranlagt wie ich bin, wieder per pedes ins Zentrum zu laufen. Diesmal aber durch die Gassen und Straßen der Stadt, nicht am Ufer entlang.
War ich gestern unglücklich über den Verfall, war ich jetzt entsetzt. Ab der zweiten Reihe wird es nämlich leider schlimmer. Dass hier noch niemand von einstürzenden Gebäuden… Obwohl, man weiß es ja nicht…
Wieder wurde ich ohne Ende angequasselt. Cambio, Habanos, Chicas? Ein junger Mann klopfte mir im Vorbeigehen auf meine Plauze und fragte mich, ob ich sein Papá sein wolle. Sachma! Ich war froh, als ich nach einer Dreiviertelstunde am Paseo del Prado war. Da war so einiges los, viele, auch wieder einige sehr begabte Künstler präsentieren sich dort. Und wieder, alle 50 Meter, „Geld tauschen?“. Wenigstens keine horizontalen Angebote mehr. Da ich Geld brauchte, sagte ich zweimal ja. Das erste Mal wollte man mir ungültige Scheine andrehen (die inzwischen aufgegebene Touristenwährung), beim zweiten Mal nur zum offiziellen Kurs. Beide Male wurde ich nach Ablehnung wüst beschimpft. Herrjeh.
Ich schlug mich zur Wiege des Daiquiri durch, so die Eigenwerbung der Bar Floridita, in der sich Ernest Hemingway so gerne aufgehalten hatte. Als touristisches Highlight war die natürlich brechend voll. Und Papa Hemingway wird dort auch verehrt bzw. ausgeschlachtet (kommt auf die Sichtweise an) wie nix. Getränkepreise sind in Dollar zu entrichten. Ich bestellte neben der bronzenen Statue des Autors einen Haus-Daiquiri namens Floridita und war nach wenigen Minuten genervt, weil jeder ein Selfie machen wollte und mal höflich fragte, ob ich kurz beiseite gehen könne, oder mich aber auch einfach wegschubste. Gottseidank konnte ich dann einen anderen Thekenplatz ergattern. Der Daiquiri war übrigens megaleecker!
Ich schlenderte die Calle Obispo runter bis zur Plaza de Armas, wo ich ein Taxi zum Hotel Nacional nahm. Dort suchte ich nach dem Geldwechsler von vorgestern. Ich fand stattdessen eine Geldwechslerin, die aber nur für 50 Dollar Pesos dabei hatte. Und das alles in kleinen Scheinen. Sie zählte etwa eine Stunde lang durch. Naja, fast. Aber ich war froh, wieder Pesos zu haben. Wenn auch in einem Stapel von etwa 10 cm Höhe.
Ich beschloss, sofort einige dieser Pesos auf den Kopf zu hauen, nämlich in einem der Restaurants auf der Calle 21, das ich jetzt auch mal namentlich erwähne: CuatroLunas heißt es. Ich war äußerst angetan. Auf der Straße angequasselt, das ist ja eigentlich nicht meins, aber die Karte sah gut aus und so folgte ich dem Mann in den zweiten Stock. Ich fand mich in einem eher schicken Restaurant wieder. Alle sehr freundlich, das Ambiente nett. Ich bestellte Schweineschnitzel mit frittierten Malanga. Ich hatte keine Ahnung, was letzteres sein sollte. Die Schnitzel waren dünn und etwas durchsehnt und lagen auf eher kaltem Püree, garniert das Ganze mit Karotten und Zwiebeln. Die Malanga sahen aus wie Kroketten und wurden mit purem Honig als Sauce serviert. Klingt grauslich? Ja, tut es, aber es war superlecker! Alles passte irgendwie zusammen. Das muss man so erst einmal hinbekommen.
Dann die nächste positive Überraschung. Ich dachte, ich müsste jetzt aus meinem Stapel Kleingeld viereinhalbtausend Pesos zusammensuchen. Aber die Rechnung war in mehreren Währungen ausgewiesen und das fast zum Eltoque-Kurs. Das ist die inoffizielle Tabelle für Geldwechsel in der Straße. Ich trank noch einen tausend Jahre alten Rum, ließ ein Megatrinkgeld da und war trotzdem inkl. zwei Bier pappsatt und glücklich für gerade mal 20 Dollar. Man drückte mir eine Visitenkarte in die Hand, ich solle beim nächsten Mal vorher anrufen, dann bekäme ich wohl den heute leider besetzten Logenplatz auf dem Balkon.
Was soll ich sagen? Das war ein durch und durch geiler (oops, Verzeihung), vielseitiger und spannender Tag. Wenn man mal eine nur kurze Zeit in Havanna sein sollte (wobei eine Stippvisite bei 11 Stunden Flug ja nur etwas für die ganz Harten ist), kann man so einen super Tag verbringen. Man muss allerdings, wenn man auf Aluan zurückgreifen will, entweder Spanisch oder Französisch beherrschen. Dabei ist sein Schwager Hamburger und lebt hier seit Ewigkeiten.
Für morgen habe ich noch nicht wirklich ein Programm, aber ich versuche, mich abends mal zur Wiege des Mojito durchzuschlagen. Den gibt es in Hemingways zweiter Lieblingsbar.
Süppelt Ihr einen mit? Dann bis morgen! Liebe Grüße, Euer Gerry
Ich süppel ein Eierlikörchen mit! Frohe Ostern, Hase!
Ich hänge hinterher mit der Lektüre deiner Abenteuer und so bin ich gerade mal mit Tag 3 durch. Aber dieser Tag klingt ja wohl grandios.
Na, dann aber schnell mal ne Zusatzschicht einlegen… 🤣
Sonst gibt es nachher einen Riss im Zeit-Raum-Kontinuum.