Antwerpen 2024, Teil 2

Ihr Lieben,

das Haus hat strikte Hausregeln: Keine Partys, keine Musik, kein Lärm, keine fremden Besucher, kein gar nichts. Es gäbe 4 night guards, die gnadenlos durchgriffen, sollte gegen die Regeln verstoßen werden. Was sollen wir sagen: Party, Musik, Besucher, Alkohol im Treppenhaus usw. usf. Heute morgen, ich wollte zum Bäcker gegenüber, latschte ich erst einmal über Gläser und Bierflaschen sowie durch eine klebrige Getränkelache, die vor unserer Tür standen bzw. eben „lachen“… Haben die night guards mitgefeiert?

Wir hatten Tonnen von Lebensmitteln und Getränken ins Auto gepackt, weil wir keine Zeit mit Einkaufen verplempern wollten. Gut, Kaffeepads, Milch, Sekt und Wein haben wir getrunken bzw. genutzt. Ich nehme es vorweg: All die Nüsse, die Chips, das Brot, Marmelade, Käse, Wurst kamen hingegen wieder im Originalzustand mit nach Hause. Wein und Sekt hatten wir sowieso viel zu viel dabei. Aber gegenüber war eine Bäckerei, die fanden wir viel verlockender zum Frühstück als unser gesundes Eiweißbrot. So ein frisches Croissants ist auch viel urlaubsgemäßer.

Wir packten unsere Siebensachen, räumten ein bisschen auf und verließen unsere Bleibe, die gemischte Gefühle hinterlässt. Die Betten waren sehr bequem, die Lage war okay. Demgegenüber das speckige Sofa, der Aufzug des Grauens und die Mitbewohner. Aber im Ernst: Theoretisch hätten in unserer Wohnung 10 Menschen übernachten können, wenn sie sich a) entweder alle furchtbar lieb gehabt oder b) sich dermaßen ins Koma gesoffen hätten, dass alles egal gewesen wäre. Das hieße pro Person etwa neun Euro Übernachtungskosten und das in Antwerpens Zentrum. Klar lockt das ein gewisses Klientel an. Wir haben aber – auch dank Ohrstöpsel – nur am Rande davon mitbekommen.

Wir schleppten uns zum Parkhaus, beluden Cora und entschieden uns, zuerst zum Begijnhof zu laufen. Beginen waren Laienschwestern, die keusch und karitativ in Gemeinschaften zusammenlebten, meist waren es Töchter aus gutem Hause. In den Niederlanden und in Belgien waren sogenannte Beginenhöfe sehr populär. Es gibt übrigens eine ehr nette Romanserie über eine Begine des Mittelalters, die Kriminalfällte löst, habe ich früher gerne gelesen.

Beginenhöfe sind Oasen der Ruhe, meist mit Gärten, klösterlich anmutend. Auch der inmitten von Antwerpen bildet da keine Ausnahme. Sehr ruhig, sehr schön, sehr grün. Ganz wunderbar und einen Besuch wert.

Unser nächstes Ziel war die Sankt-Paul-Kirche. Sie besticht insbesondere durch ihre reichen Kunstschätze im Inneren. Gemälde von Rubens, van Eyck und anderen Berühmtheiten sind zu finden. Wir betraten das Gotteshaus von der Hofseite her und durchquerten es bis zum Haupteingang. Dabei liefen wir an einer Messe vorbei, in der gerade mit voller Wucht ein Teil eines Requiems gegeben wurde. Auch der Altarraum ist außergewöhnlich prachtvoll!

Ein Stück entfernt liegt das sehr moderne Museum am Strom. Das Gebäude liegt am Antwerpener Hafen und hat eine (für mich) anziehende Architektur. Natürlich war die Zeit zu knapp, um die 10 (!) Etagen des Museums zu besuchen, aber man kann ohne Ticketerwerb auf die oben gelegene Panoramaplattform fahren/steigen und hat einen sagenhaften Blick über die ganze Stadt, die Schelde und das Umland. Bei Sonne wären wir wahrscheinlich ausgeflippt, leider war es um diese Zeit noch etwas bewölkt und diesig. Ein Aufstieg lohnt sich aber allemal.

So ein Croissant hält ja nicht ewig und eine von Elkes Klientinnen drängte sie vor Abreise dazu, sie müsse unbedingt Fritten (gestern erledigt), Waffeln und Muscheln essen. Heute waren die Waffeln dran. Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu flämischen Waffeln, seit ich mal um die Ecke des Manneken Pis in Brüssel eine so widerlich süße Waffel kredenzt bekam, dass ich den Rest meines Lebens darauf verzichten wollte. Wir ergatterten einen der begehrten Tische am Waffelhuis (vielmehr beim Konkurrenzlokal daneben) gegenüber der Kathedrale und ich entschied mich dann für Pfannkuchen mit Obst und Schokosauce, das ist ja auch sehr flämisch. Es war sehr lecker und nur ein bisschen teuer, und das Probestück von Elkes Waffel hat mich auch wieder ein bisschen mit diesem Gebäck versöhnt. Für den Fall, dass kein Tisch frei gewesen wäre (und es war seeehr voll am Kathedralplatz), hatten wir einen Plan gefasst: Uns ganz eng an einen Tisch zu pressen, auf dem die Teller schon leer waren, und den Leuten intensiv in die Augen zu starren, so dass sie uns freiwillig die Plätze überlassen würden. War aber ja nicht nötig. Und jetzt kam auch endlich die Sonne durch!

Ich wollte unbedingt Pralinen mitnehmen. Jetzt ist es so, dass es an allen Ecken und Enden z.B. Leonidas-Läden gab oder Touristenbuden mit „echt belgischer Schokolade“, aber ich bin da ein verwöhntes Rotzblag. Es muss Pierre Marcolini oder vergleichbares sein. Aus Brügge kannte ich „The Chocolate Line“, den suchten wir dann im Stadtpalais auf. Ich verrate jetzt nicht, was da ein Kilogramm Pralinen kostet, sonst fallt Ihr in Ohnmacht und könnt meinen Blog nicht zuende lesen. Ich werde jetzt, bis die Schachtel leer ist, jeden Tag eine Praline essen, auf Meißner Porzellan, mit Stoffserviette, Silberbesteck und ausgewählten Weinen dazu. Dafür veranschlage ich dann jeweils eine Stunde.

Um die Ecke liegt das Rubenshaus, das zur Zeit aber renoviert wird und bis mindestens 2027 nicht besuchbar sein wird. In Köln könnte man das Datum direkt auf 2127 raufsetzen, vielleicht bekommen die Antwerpener das aber besser hin. Dennoch konnten wir einen Blick von Außen erhaschen. Schon auf dem Weg zum Begijnhof stießen wir auf einen Kunsthandwerksmarkt. In der Nähe des Rubenshauses gab es einen, der eher auf Fressen und Saufen ausgerichtet war und nebenher Plastiktinnef aus Fernost feilbot. Beide Märkte erforschten wir mit Hingabe, ich erstand auf dem ersten ein Armband und auf dem zweiten Tonnen von Käse.

Es wurde Zeit, an die Heimfahrt zu denken, Elke musste noch vor Einbruch der Dunkelheit Amy von ihrer Pflegemami abholen. Wir besuchten noch einmal das Stadtpalais, wo wir beim Besuch der Pralinerie freie Tische im Restaurant des Hofes gesichtet hatten. Ein Kaltgetränk und einen Snack später machten wir uns auf zum Parkhaus, um Antwerpen zu verlassen. Eine Aufgabe hatten wir aber noch: Wir mussten belgisches Bier kaufen. Zwar hatten viele entsprechende Läden geöffnet, aber finde in Antwerpen davor mal einen Parkplatz. Wir parkten dann am Bahnhof in der Tiefgarage, pesten zum DelHaize dort und kauften zwei kleine Kisten. Das Parkhaus war dann noch eine kleine Herausforderung, auf die ich im Detail jetzt aber nicht eingehe. Ich war nervlich aber etwas beansprucht.

Die Heimfahrt verlief stockungs- und störungsfrei, in Poll luden wir die Habseligkeiten um und ich war um 18 Uhr fertig mit Auspacken und Verräumen. Ich finde, das war eine super Idee von Elke, man muss auch mal spontan sein. Antwerpen ist eine Reise wert, das Wetter hat mitgespielt und für nur eine Nacht haben wir echt was gesehen, erlebt, unternommen.

Ich hoffe, unser kleiner Trip macht Euch auch Lust. Wir sehen uns in zwei Wochen wieder, dann in Ostfriesland. Bis dahin alles Gute und noch einen schönen Pfingstmontag! Liebe Grüße, Euer

P.S.: Gestern Abend bei der Weinplörre sprachen uns zwei Frauen an, die wir nur mit allergrößter Anstrengung davon überzeugen konnten, dass wir uns nicht kennen. Sie sind noch nicht einmal darauf gekommen, als sie feststellen mussten, dass wir gar kein Flämisch sprechen. Das war auf jeden Fall genug Stoff, um für den Rest des Trips einen Running Gag zu haben.

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