Von friesischer Freiheit und ostfriesischer Landschaft

Ihr Lieben,

bei der gestrigen Annektion des Appartements traf mich ja in der Küche fast der Schlag. Auf den Fotos stand da eine Kaffeemaschine. Ganz klassisches Filtermodell. Ich kaufte schon zuhause extra Filter und gemahlenen Kaffee und dann… Schnappatmung! Was soll ich sagen, sie stand im Schrank. Völlig umsonst schnappgeatmet. Oder heißt es geschnappatmet?

Gestärkt von Kaffee und Rührei brach ich auf, Friesland zu erobern. Ich erwähnte bereits, dass ich schon oft hier war, aber meistens eher planlos. Und bisher auch nie allein. Da ließ man sich eben irgendwie zusammen treiben. Gestern aber studierte ich den Reiseführer und war baff, was ich alles bei meinen bisherigen 3 oder 4 Aufenthalten so verpasst hatte. Klar hatten wir die beiden schiefsten Türme der Welt in Suurhusen und Midlum gesehen, den Leuchtturm und den Käsehof in Pilsum, den Schlosspark in Lütetsburg. Aber, so schrieb ich gestern einer Freundin, man kann ja 3 Wochen hier sein und jeden Tag etwas Neues entdecken. Na, denn mal los.

Für heute nahm ich mir Dornums historischen Stadtkern vor, dann eine grobe Draufsicht auf Aurich, um dann über Wittmund und Esens wieder zu meinem temporären Zuhause zurückzukehren. Ich stellte mir sogar einen Wecker, um nicht den wettertechnisch als gut vorhergesagten Morgen zu verplempern und fuhr um halb zehn los.

Dornum hört man schon von Weitem! Irgendwelche Rabenvögel haben den Ort fest in ihrer Hand und krächzen sich die Seele aus dem Leib. Vor Jahren war ich mal mit meiner Ex-Schwägerin und meiner „Gattin“ dort, da war das auch schon so. Die Bewohner scheint es nicht zu stören. Dornum ist echt ein netter Ort. Es gibt Reste zweier Schlösser, davon ist eins nicht durchgehend besuchbar, da dort die Dornumer Realschüler untergebracht sind,Touristenströme sind da womöglich eher kontraproduktiv. In dem anderen Schloss war früher ein Hotel mit angeschlossener Restauration. Jetzt wird dort anders restauriert. Die Kirche des Fleckchens, das den Beinamen „Herrlichkeit“ trägt, steht auf einer Warft, das ist eine Erdaufschüttung, die im flachen Ostfriesland einen Überflutungsschutz darstellt. Drumherum sind pittoresk Gräber arrangiert. Sehr hübsch!

In allen heute besuchten Städtchen gibt es Mahnmale oder Gedenkstätten an die damaligen jüdischen Gemeinden. Man scheint in Ostfriesland rigoros gegen diese vorgegangen zu sein. In Dornum wurden zum Beispiel Thorarollen und die Einrichtung der nahegelegenen Synagoge auf dem Marktplatz verbrannt. Eine makabre Auflistung berichtet, was aus den jüdischen Bewohnern geworden ist. Die meisten starben in Vernichtungslagern. Ja, und in Hamburg schreit man nach dem Kalifat und auf Sylt nach den Faschisten. Wohin bewegt sich die Republik? Ich besuchte noch den kleinen jüdischen Friedhof.

In Friesland gibt es haufenweise Mühlen. Die Ortschaften wetteifern darum, wer die schönste, älteste, größte, lustigste und farbenfroheste Mühle hat. Damit jede Gemeinde eine Chance hat, wird zudem noch nach verschiedenen Mühlentypen unterschieden. Dornum hat die letzte Bockwindmühle ihrer Art aus dem Dreißigjährigen Krieg. Die schaute ich mir dann auch noch an. Ihr seht sie im Beitragsbild.

Mein nächster Stopp war Aurich. Das ist ein beschaulicher Ort mit einem großen, nicht besonders ansprechenden Marktplatz (scheußlicher Turm eines Aachener Bildhauers und einbebauzaunte Markthallen), aber einer netten Fußgängerzone. Souvenirshops überwiegen, aber es gibt auch viele inhabergeführte Geschäfte und sogar Metzgereien und andere Lebensmittelgeschäfte. Man stelle sich vor: Ein Metzger auf der Schildergasse oder ein Weinladen auf der Hohe Straße. Eine unrealistische Vorstellung.

Ich schaute mir das Schloss von außen an, das jetzt Gerichte beherbergt, die Kirche, das „Pingelhuus“ (auch hier ist der Hafen gewandert, dass Pingelhuus kündigte die Abfahrt der Schiffe an) und die Ostfriesische Landschaft. Allerdings hier im Sinne eines Gebäudes für den Kommunalverband. Wie Mannschaft halt. Natürlich hat auch Aurich eine Mühle, nämlich die höchste Galeriemühle Deutschlands.

Ganz in der Nähe findet man den Upstallsboom.Ebenfalls auf einer Warft trafen sich dort vor hunderten von Jahren die friesischen Häuptlinge zu Versammlungen, um das Zusammenleben zu regeln. Man genoss das Privileg der friesischen Freiheit, die von Kaiser Karl verliehen worden sein soll und den dortigen Friesen zusicherte, keinen Herren außer dem Kaiser zu haben. Zum Andenken daran steht dort seit 1833 eine steinerne Pyramide.

Wittmund, mein nächster Halt, ist ebenfalls beschaulich. Irgendwie ist hier überhaupt wenig los. Viele Gaststätten haben noch keine Außengastronomie (was wahrscheinlich auch dem Wetter geschuldet ist) und Menschenmassen wie in Antwerpen findet man hier auch nicht. Wittmund wartet mit einer Besonderheit auf. Dem Beispiel des Walk of Fame in Los Angeles folgend haben sich (bzw. wurden) in der Fußgängerzone Prominente mit ihren Handabdrücken und ihrer Unterschrift verewigt. Darunter mehrere Bundespräsidenten, einige Sportler, Schauspieler und Künstler. Alles m/w/d, außer bei den Präsidenten :-). Ich entdeckte Otto Waalkes und Udo Lindenberg.

Auch in Wittmund stand mal eine Synagoge. Sie wurde dem Erdboden gleichgemacht. Außerdem wartet der Ort mit einem überdimensionierten Marktplatz mit einem beeindruckenden Kreishaus, einer ansehnlichen Kirche und – natürlich – einer Pelde-Mühle, dem ältesten Galerieholländer Deutschlands, auf.

Von Wittmund aus ging es nach Esens. Beschau… ach, Ihr ahnt es schon. Nette Innenstadt, schöne Lädchen, großer Marktplatz. Hier gibt es einen Tidebrunnn, der den Stand der Tide im benachbarten Badeort Bensersiel anzeigt. Dazu Kirche, jüdisches Museum, Mühle. Ich shoppte ein bisschen: Kitsch für das Badezimmer, Stoffbeutel mit norddeutschen Bekenntnissen und ein paar neue Schuhe. Ich hatte leider nur ein Paar mit und das ist für langes Laufen äußerst unbequem! Aber immerhin waren die Schuhe reduziert, was ich nicht wusste und mir an der Kasse einen Freudenkiekser entlockte.

Ob Ihr es glaubt oder nicht, zu genau dem Zeitpunkt, an dem ich die Einkäufe im Wagen verstaute, fing es an zu regnen. Ich hatte fast 7 Stunden Glück gehabt! Ich fuhr ins Appartment, machte auf dem Weg dorthin noch einen Stopp im Supermarkt, weil ich das Pils gestern so lecker fand, und erstand noch Brötchen (ich hätte beinahe nach „Schrippen“ gefragt) für das Abendbrot. Zwar gibt es ansprechende Restaurants im Ort, aber da würde ich nicht gerne drinnen sitzen, was bei der Witterung gerade aber erforderlich wäre. Mal sehen, wenn es weiter so aufklart, wird vielleicht morgen etwas daraus.

Das war insgesamt ein schöner Tag und ich bin auch schnell in den Urlaubsmodus reingekommen. Morgen gehe ich dann an den Strand, schwimmen und sonnen. Nee, Spassssss! Ich stöbere gleich mal wieder im Reiseführer, dann gucke ich mir was nettes aus.

Sehen wir uns morgen wieder? Das würde mich freuen. Liebe Grüße, Euer

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