Barcelona 2025, Tag 1: Tibidabo

Ihr Lieben,

hat es den Gerry nun vollends erwischt, oder was soll diese absurde Überschrift? Aber von Anfang an…

Die Arztbesuche gestern waren jetzt weder besonders beunruhigend, noch sehr erhellend. Wie es weitergeht, zeigt sich in den kommenden Wochen; beim Zahnarzt war man zumindest scheinbar ehrlich entsetzt, dass ich so eine Passion hinter mir hatte. Vom der Praxis aus fuhr ich direkt zum Flughafenhotel, das doch nicht sooo nah am Terminal liegt, wie ich mir eingebildet hatte, da war das andere vor der Bosnienreise schon wesentlich dichter dran. Aber man bot mir für den Morgen einen kostenlosen Shuttle an. Auch ein Frühaufsteher-Frühstück wäre vorhanden gewesen, aber ich wollte jede Minute Schlaf auskosten, die ich bekommen konnte. Leider gab es da dann nicht viel von, die Angst, zu Verpennen, war zu groß. Zwar gab es eine Weckruf-Taste am Telefon neben dem Bett, aber die war, wie mir die Rezeption auf Rückfrage mitteilte, seit Jahren deaktiviert. Egal, ich schaffte es, mich um halb 5 aus dem Bett zu schälen und rechtzeitig am Gate zu sein.

Der Flughafen war bumsvoll, der Flieger war bumsvoll, in Barcelona war es bumsvoll. Der Flughafenbus war, Ihr ahnt es, bumsvoll. Die Straßen ins Zentrum… dito.

Rolf erwartete mich schon auf der Straße vor seinem Haus und nachdem ich mich kurz frisch gemacht hatte (im Haus, nicht auf der Straße!), gingen wir in eine nahegelegene Eisdiele, um Kaffee zu trinken. Dann wechselten wir in eine Bar um die Ecke, um auch noch einen Cava zu trinken. Ein Urlaubsstart ohne Sekt? Geht ja fast gar nicht.

Gegen 11 Uhr holten wir dann Otto in der Wohnung ab, der hatte noch Dinge zu erledigen gehabt, und fuhren in Richtung des – neben dem Montjuic – zweiten Hausbergs Barcelonas, dem (TADAA!) Tibidabo. Man fährt ein wenig mit der S-Bahn, steigt dann in eine nette Standseilbahn, hier Funicular genannt, um dann mit einem Minibus auf den Gipfel zu fahren, wo die Kirche des heiligen Herzens über dem Sühnetempel thront. Man kann hier auf verschiedenen Ebenen wunderschöne Ausblicke genießen. Von der unteren Kirche fährt ein Aufzug über die Plattform der oberen Kirche zum oberen Panoramaplatz, von wo aus man dann noch ein paar Stufen bis zur alles überragenden Christusstatue hinauslaufen kann. Schwups, ist man am höchsten Punkt Barcelonas angelangt. Die Kirche ist um eine kleine, Juan Bosco geweihte Kapelle herumgebaut und ist deutlich von Gaudí (unteres Portal), der Sacre Coeur in Paris und der Christusstatue in Río de Janeiro inspiriert. Ein ganz tolles Ausflugsziel! Der Name des Berges, Tibidabo, leitet sich vom Lateinischen „Ich werde Dir geben“ ab. Direkt neben der Kirche befindet sich ein riesiger Vergnügungspark, der seine besten Zeiten aber schon hinter sich haben dürfte. Wir verzichteten daher darauf, Riesenräder, Falltürme, Megaschiffschaukeln und dergleichen Attraktionen aus dem vorletzten Jahrhundert auszuprobieren.

Zurück in der Stadt liefen wir zu einem Stammrestaurant der beiden Jungs, um ein Menú del día einzunehmen. Das ist ein sehr preiswertes Essen mit 3 Gängen inkl. einem Getränk und entwickelte sich aus dem vom Franco-Regime als für Restaurants verpflichtend eingeführten Menú turístico, mit dem Devisen ins Land geholt werden sollten. Es ist nun nicht mehr aus dem spanischen Leben wegzudenken, ist aber qualitativ sehr gut und immer immens reichhaltig. Ich hatte z. B. Meeresfrüchte-Paella, Schweinebacken in Rotweinsauce und Milchkaffee sowie ein großes Bier für 16 Euro. Kannste überhaupt nicht meckern! Man ist versucht, gar nicht mehr zu kochen, so billig wie das ist.

Die anderen liefen nach dem Essen schon einmal in die Wohnung vor, ich plünderte derweil das Weinregal eines nahegelegenen Supermarktes. Mich als Gast zu haben, geht doch zu sehr zu Lasten des Weinkellers, da versuche ich, einen Ausgleich zu schaffen. Danach ging es erst einmal ins Bett, ich war fix und alle… Naja, die Siesta ist ebensowenig aus Spaniens Kultur wegzudenken wie das Tagesmenü und das heiße ich gut. Einziges Manko: es ist gerade sehr heiß in Barcelona und man ruht muckelig warm. Aber über die Unterkunft kann ich aber nun mal gar nicht meckern, Rolf und Otto haben ein schönes Gästezimmer hergerichtet und die Schlafcouch ist erstaunlich gut. Und so eine Küche hätte ich gerne! Riesig!

Für den Abend hatten wir bekanntermaßen Konzertkarten, Ismael Serrano spielte im Palau de Música. Wir machten uns einigermaßen zeitig auf den Weg, damit wir noch einen schönen Spaziergang machen konnten. Wir waren dann in zwei Kirchen, in dem schönen Innenhof eines ehemaligen Hospitals (mit einem riesigen Jacarandabaum) und bei zwei Kunstevents steckten wir auch unsere Nase einmal durch den Türspalt. Auf dem Weg nahmen wir noch eine Erfrischung zu uns, ich die erste Sangria seit Jahren. Sie hatte aber nichts mit der Fruchtbowle auf Touri-Inseln gemein.

Obwohl wir herumbummelten, waren wir früh am Palau de la Música, da nahmen wir dann einen hochpreisigen Cava zu uns, bevor wir unsere Plätze aufsuchten. Der Palau ist ein Gebäude von Gaudí und wunderschön! Von außen wie von innen! Erwähnte ich, dass ich seine Architektur sehr mag? Da ich meine Karte erst sehr viel später gekauft hatte, hatte ich einen „schlechteren“ Platz ganz weit oben im zweiten Rang. Man sah von dort aus zwar nichts vom Parkett, aber ich hatte die ganze Bühne im Blick. Von Otto erfuhr ich später, dass weiter vorne, dafür aber links die Sicht eher eingeschränkt war. So weit, so gut. Tolles Gebäude, gute Sicht, Versprechungen auf ein gutes Konzert. Dann aber der Sitzplatz. Gebaut im Jahre 29174 der Hobbitzeitrechnung, glänzt die Bestuhlung des Palau mit fehlendem Sitzabstand. Sowohl in Höhe, Breite, Tiefe als auch in allen anderen Dimensionen. Ich hatte schon vorher gelesen, dass das Konzert ohne Pause durchgespielt wird. Sagen wir mal so, ich wäre auch nicht zu meinem Platz zurückgekehrt. Jede Fluglinie hätte ich wegen eines solchen Sitzes verklagt. Während ich dies schreibe, habe ich mehr als dezente Rückenschmerzen.

Aber zum Konzert selbst. Otto hat das initiiert, da er durch Zufall auf die Musik von Ismael Serrano gestoßen war und die Konzertankündigung las. Ich hörte mir zuhause ein paar Stücke auf dem Kanal mit dem roten Y an, fand sie alle sehr ähnlich, aber nicht schlecht, daher ging ich mit. Was soll ich sagen? Die Stücke sind alle sehr ähnlich, aber statt wie üblich mit kleiner Instrumentierung zu arbeiten, trat Serrano mit großem Orchester auf. Es klang aber auch da alles gleich. Verstanden habe ich wenig, auch von den längeren Sprechteilen. Serrano ist zweifelsohne ein sehr guter Sänger, das symphonische Arrangement war aber 08/15 gestrickt. Deswegen haben mir die ruhigen Teile mit Gitarre solo, nur untermalt von leichtem Piano, am besten gefallen.

Das herausragendste Element am Konzert aber waren seine Fans. Sie sangen oft inbrünstig mit (und das gar nicht mal so schlecht), klatschten lautstark mit (und das gar nicht mal so gut), filmten fast das ganze Konzert mit (es war ein einziges Handydisplaymeer) und sprangen hie und da auf, wiegen sich hin und her und machten allerlei andere Kapriolen. Vor mir saß ein offensichtlich frisch verliebtes Pärchen, das kopulierte bei bestimmten Songs fast. Die da-Capos waren Legion, mir war es dann am Ende zu viel und ich schlich mich während Zugabe Nummer 5 raus.

Also, alles in allem ein sehr schönes Erlebnis mit kleinen Abstrichen! Wir waren nun doch hungrig und durstig, liefen durch das subkontinentale Viertel mit vielen indischen und pakistanischen Läden und ließen uns in einer indisch geführten Bar mit Tapas nieder. Super Schinken, guter Käse, sehr heiße Croquetas (man wies darauf hin, als schon zwei Münder verbrannt waren), das war ein schöner Ausklang des Abends. Vom Nachbartisch quasselte uns noch ein amerikanisches Pärchen an, da war von einem der Urgroßvater in Düsseldorf stationiert gewesen.

Wieder in der Butze wollten wir eigentlich alle a) ins Bett und b) ich noch kurz schreiben, aber dann haben wir doch noch einen Absacker im Wohnzimmer genommen. Es ist aber auch zu schön, mit den Beiden mal wieder zusammen zu sein!

Da es nun sehr spät ist (knapp 2 Uhr), habe ich meine Pläne für morgen umgeworfen, ich wollte um 7 Uhr zu den Klöstern in Montserrat fahren. Aber irgendwie, irgendwo und irgendwann muss ich ja auch mal ausschlafen. Daher müsstet Ihr Euch morgen überraschen lassen, wohin es uns treibt. Schaut Ihr dennoch vorbei? Das würde mich freuen!

Liebe Grüße, Euer

P. S.: Heute ist so viel wieder passiert, aber ich fürchte, ab 20 Seiten Länge liest das keiner mehr :-). Zudem, niemand liest z. B. gerne über Achselschweiß. Aber wir haben deswegen mit einer wildfremden Frau sehr gekichert. Und der Fanblock bei Otto und Rolf war auch speziell.

Fragt uns einfach bei Gelegenheit.

2 Gedanken zu „Barcelona 2025, Tag 1: Tibidabo“

  1. Begonnen als „bumsfidele“ Reise, mit mehr „Bums“ (voll) als „fidel“, ging es in ein sehr teures Restaurant. Ich zitiere:
    „Meeresfrüchte-Paella, Schweinebäckchen in Rotweinsauce und Milchkaffee sowie ein großes Bier für 16 Euro.“ 16 Euro??? Ja, bist du narrisch
    Dafür bekommt man bei uns knapp einen kleinen, sehr kleinen Vorspeisenteller.
    Ich liebe den Palau de la Música kenne ihn von einer Besichtigung. Ich beliess es aber bei einem kurzen Probesitzen und kam dank freundlicher Unterstützung auch wieder raus aus dem Sitzchen.
    Ich freue mich sehr auf deinen nächsten Bericht und auf weitere tolle Bilder.

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