Ihr Lieben,
Frühaufstehritual war angesagt, d.h. kurz vor Ausflug Katzenwäsche. In der Nacht hatte ich noch Disko, da plötzlich ein Deckenspot im Stakkato blinkte, das hat man aber heute früh behoben. Unser erster Ausflug führte uns zu den Felsengräbern von Beni Hasan, wo um das 21. und 20. vorchristliche Jahrhundert herum Großgrundbesitzer und ihre Familien ihre letzte Ruhestätte fanden. Die Gräber sind sehr tief, bis zu 40 Metern, in die Felsen geschlagen und sind nicht zu besichtigen, ja, teilweise noch gar nicht ausgehoben. Dafür stehen dem interessierten Besucher aber vier über den Gräbern befindliche Grabkapellen für eine Besichtigung zur Verfügung.
Man erklimmt zunächst 73.971 Stufen (einige Wissenschaftler behaupten, es seien weniger als 300, aber was wissen die schon?) und hat dann einen prächtigen Blick über einen Wüstenstreifen hinunter in das üppige Niltal. Die Grabstätten sind mit einigen hieroglyphischen Reliefs versehen, aber das erstaunliche sind die auf Putz gemalten Fresken, mit Darstellungen des Alltagslebens zu der Zeit, die deutlich überwiegen. Es wird geangelt, gejagt, gesponnen, gerungen, Schach gespielt. Weinherstellung, Bildhauerei, Ölproduktion und dergleichen werden thematisiert. Sogar eine Darstellung von Geschlechtsverkehr gibt es. Prädikat: Absolut fantastisch! Nicht nur wegen der Darstellung der Weinherstellung.
Für eine kurze Verschnaufpause kehrten wir auf das Schiff zurück. Sowohl die Fahrt nach Beni Hasan als auch die zurück boten uns einiges. Passend zu den eben beschriebenen Fresken hatten wir Alltagsleben pur. Dazu wieder viel Gewinke und Gejohle; das lässt einen so richtig willkommen fühlen. Achmed II erzählte auch vor ein paar Tagen, dass ab Luxor die Ägypter nicht durch Tourismus verdorben sind und sich wirklich freuen, Ausländer zu sehen, die sich für ihr Land interessieren. Zudem war die Fahrt auch landschaftlich sehr interessant, durch den Kontrast fruchtbaren Nilufers und der Geröllwüste. Als hätte eine riesige Machete einen Trennstrich geschlagen, so abrupt ist die Grenze.
Den zweiten Ausflug, er ging zu den Ausgrabungen von Amarna, hier speziell zum Echnaton-Tempel, schenkte ich mir. Erstens, weil der Schlendrian bei mir Einzug hielt, und zweitens, weil der Tempel von Echnatons Nachfolgern quasi geschleift wurde. Er hatte während seiner Regierungszeit die alten Götter abgelehnt und einen neuen Kult durchgesetzt. Das ging natürlich gar nicht! Eigentlich ist mir Echnaton sympathisch, es gibt eine Büste von ihm, die er wohl autorisiert haben muss, und die ihn in einem sehr unerhabenen Zustand zeigt; googelt die mal.
Wir verließen Tell-Amarna Richtung Minya und hatten wieder einmal eine wunderbar idyllische Fahrt, bei der man gar nicht oft genug über die Vielfältigkeit des Uferlebens staunte. Das Leben spielt sich am Fluss ab. Wäsche wird gewaschen, Vieh getränkt, es wird geangelt, Ruderboot gefahren. Es ist schlichtweg bezaubernd, fesselnd, fremd und bekannt, überraschend und – ich werde nicht müde, es zu betonen – wunderschön! Leider, bzw. gottseidank kann man das alles gar nicht fotografieren, weil man mehr mit Schauen beschäftigt ist, als mit Handyfummelei.
Vor dem Abendessen besuchten viele von uns noch den Vortrag von Achmed I über die politische Entwicklung Ägyptens von der Zeit Mohamad Alis bis zu General Nasser. Das war äußerst informativ und ich bin gespannt auf die morgige Fortsetzung. Das erstaunliche in der Geschichte Ägyptens in dem Zeitraum ist ja, dass wohl keiner dabei gut wegkommt. Weder die Kommunisten, noch die Royalisten, noch die religiösen Interessengemeinschaften, geschweige denn die damaligen Großmächte.
Nach dem Abendessen gab es die Gelegenheit, mit Polizeieskorte die nähere Umgebung um den Anleger in Minya herum zu erkunden. Auf Nachfrage bei der Reiseleitung wurde mir beschieden, es läge an der Polizei, wie der Spaziergang verliefe. Daher ließ ich auch diesen Programmpunkt einfach mal links liegen. Monika, Rolf und Otto waren aber bei der Rückkehr ganz angetan. Während wir hier lagen, wurde frische Ware auf das Schiff gebracht. Es ist erstaunlich, welche Lasten da gehievt werden. Das wäre bei uns undenkbar. Naja, um ehrlich zu sein, so einiges wäre bei uns undenkbar. Das ist ja auch nichts schlechtes. 🙂
Mohameds (der aus der Bar) Stadt liegt in der Nähe und heißt auch noch Beni Mohamed, er besucht seine Familie. Er hat aber betont, man werde sich gut um uns kümmern, auch wenn er fort sei. Und das war dann auch so! Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen, aber die Crew wulackt hier ohne Ende. Ich bin restlos begeistert von allen. Kabinenservice, Haustechnik, Restaurant- und Barpersonal, Rezeption, Reiseleiter und Wäscherei; Kapitän und Maschinisten tun ein übriges. Ich hoffe, Phoenix-Reisen honoriert diese Hingabe an den Job ausreichend!
Das war wieder ein sehr schöner Tag! Ich ordne diese Reise ganz weit oben in meiner Liste der tollen Erlebnisse ein. Manchmal erwische ich mich, wie ich an der Reling stehe und immer wieder „geil, geil, geil“ murmele. Ich kann diese Reise einfach nur weiterempfehlen.
Morgen haben wir wieder einen reinen Flusstag (Ausnahme: abends Spaziergang an der Corniche am Anleger in Beni Suef), der sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: Fressen, Blechen, Fressen, Fressen, Zuhören, Fressen und Spazieren. Und zwischendurch Saufen.
Am morgigen Abend gibt es übrigens noch eine Überraschung, es steht aber noch nicht wirklich fest, wie sie aussieht. Ich empfehle, vorbeizuschauen!
Ganz liebe Grüße, Euer Gerry
P.S.: Es ist abends kalt in Ägypten! Und Monika hat mehrere Bodyguards mit 🙂