Bukarest 2025: Paläste, Prunkbauten, Popen

Ihr Lieben,

was ich gestern noch vergaß zu erwähnen: Man muss immer auch ein halbes Auge auf den Boden richten. Stellenweise sind die Gehwege und Fußgängerzonen unglaublich marode. Löcher, fehlende Platten… dazu die Unart, auch an Fußgängerüberwegen mal kleine Poller in den Weg zu stellen.

Ich nahm mir ja vor, auszuschlafen, das ist mir auch gelungen. Durch nunmehr lauwarmen Kaffee und aromatische Tomaten gestärkt machte ich mich auf zu unerforschten Welten, allerdings per pedes und Metro, nicht mit einer Enterprise. Wie komme ich zur Nationalkathedrale? Wo ist denn der Triumphbogen? Apropos. Bukarests Architekten haben gerne Bauten aus anderen Metropolen kopiert, man wollte dazugehören. Passagen aus Mailand, Palazzi aus Rom, der Petit Palais aus Paris findet sich eins zu eins im Gebäude der CEC-Bank wieder. Der Prachtboulevard Ceaușescus sollte sich mit den Champs-Elysées messen. Die Nationalbank (glaube ich) wurde nach Genfer Vorbild hochgezogen. Und ja, man hat daher auch einen Arcul de Triumf. Den kann man raufkraxeln. Und wo man raufkraxeln kann, ist der Gerry nicht sehr weit.

Erst einmal aber ging es in den „Frühlingspalast“ der Familie Ceaușescu, die Eintrittskarte buchte ich beim Frühstück online, wobei die englischsprachigen Führungen leider ausverkauft waren und ich daher eine rumänische Führung buchen musste; man konnte aber einen deutschen Audioguide für 4 € dazumieten.

Eigentlich war das Haus ursprünglich für protokollarische Anlässe gedacht, aber nach dem Tod von Gheorghe Gheorghiu-Dej, dem Vorgänger von Nikolae Ceaușescu, nahm dessen Familie das Haus für sich in Beschlag. Einzig Nixon durfte da mal auf Staatsbesuch hin. Natürlich steht die Villa in einem Viertel, in dem auch heute keine armen Menschen leben; in der Nähe gibt es schöne Parks und Seen. Die Führung durch das Haus selbst war nur mäßig interessant, der Schwerpunkt lag auf Erläuterungen, welche Vase zu welcher Angelegenheit Ceaușescu von wem geschenkt bekam. Teller von Königin Elisabeth, Vasen von Königin Wilhelmina, der Teppich von Shah Reza Pahlevi. Hier wohnte Ehefrau Elena, da wohnte Sohn Valentin, dort Tochter Zoia usw. usf. Nicolae aß gern saure Suppen, hatte einen Herrenfriseur im Haus, die Mosaiken im Schwimmbad wurden von berühmten Künstlern entworfen. Die Führerin versprühte die Vitalität eines altbackenen Brötchens, sie war sichtlich gelangweilt von ihrem immer wiederkehrenden Monolog, den sie völlig monoton herunterleierte. Kritische Anmerkungen zur Geschichte der Familie gab es nur in fast stummen Untertönen. Zudem war die Besuchergruppe riesig und trampelte sich gegenseitig auf den Füßen herum. Fotografieren im Haus war verboten, vielleicht findet Ihr Fotos von den Innereien im Internet, es ist alles sehr pseudoversaillistisch. Die Mosaiken im Schwimmbad sind nur aus Versehen auf mein Handy gelangt. Draußen kreischten übrigens Pfaue um die Wette. Die haben ja ein druchdringendes Organ, meine Güte!

Durch den König-Michael-Park (benannt nach dem König des Landes, nicht dem König des Pop, obwohl der eine Gedenktafel an der nach ihm benannten Allee hier hat; den Humor dahinter finde ich spitze) spazierte ich zum Triumphbogen. Der erste stand dort Ende des 19. Jahrhunderts, war aus Holz gefertigt und war der Unabhängigkeit gewidmet. Dann gab es einen weiteren hölzernen, um den „Ruhm“ des ersten Weltkriegs zu feiern (man beschäftige sich gerne mal mit der Wankelmütigkeit in Bezug auf Verbündete in den Kriegen). In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts dann gab es einen aus Stein, dem Pariser Vorbild nachempfunden. Eintritt 3 Euro. Man hat von oben einen schönen Blick. Auf den Zwischenetagen wird ein wenig zur Geschichte des Bogens erläutert.

Mein nächstes Ziel war die Baustelle der Nationalkathedrale. Mir war bewusst, dass man da nicht einfach so reinspazieren durfte, aber ich wollte das schon mal aus der Nähe sehen. Ein gigantischer Bau, er wird nach Fertigstellung wohl die größte orthodoxe Kirche Europas darstellen. Mich würde mal interessieren, wie viel Prozent Bauzeit und Kosten dieses Projekt in Relation zur Kölner Opernsanierung hat.

In direkter Nachbarschaft liegt die kleine Kirche St. Johannes Chrysostomus. Da geht es sehr wuselig zu. Der Priester sitzt draußen, die Beine hochgelegt und die Gemeinde steht Schlange, um bei ihm Gehör zu finden. Derweil putzen Gemeindemitglieder die Kirche, fegen den Hof, arrangieren Blumen. Nicht der schlechteste Job, oder? Nur das ständige Handabschlecken der Bittsteller würde mich stören. Ein entzückender Ort.

Jetzt war ich gerade schon auf Religion gepolt, da guckte ich mir direkt noch den Patriarchatshügel und die Domnița Bălașa-Kirche an. Ersterer ist ein sehr ruhiger und entspannender Ort. Wenige Besucher verirren sich auf den Hügel mit dem wirklich schönen Gebäudekomplex. Die Kirche selbst beherbergt eine äußerst sehenswerte Ikonostase.

In der zweiten Kirche, die durch hohe Gebäude versteckt ist und die man fast schon suchen muss, platzte ich in eine Taufe. Ich duckte mich und guckte ein kleines bisschen zu. Jeder Pfarrer hätte Tränen des Glücks (und der Verzweiflung) in den Augen gehabt: Der Priester litanisierte etwas und dann setzte der wohl begabteste Kirchenchor unserer Zeit ein. Konzertreif. So einen engelsgleichen Gesang bekommen die inbrünstig krakeelenden Inges und Wilfrieds in unseren Kirchen nicht hin. Erst recht nicht, wenn die Gemeinde mitgrölt. Ach, ich bin ungerecht. Ich weiß.

Es war inzwischen schon 16 Uhr und ich hatte ein Hüngerchen. Ich lief wieder durch das Lipscani-Viertel und war allerorten abgeschreckt von der lauten Beschallung. Endlich traf ich auf ein Restaurant, das authentische Küche versprach und nur dezente Musik laufen ließ. Kaum hatte ich bestellt, war die Freude darüber offenbar so groß, dass man aufdrehte. Michael Jackson. Vorhin war ich ja noch durch die Michael-Jackson-Allee gelaufen. Man liebt ihn und man kann hier wohl nicht gut ohne Lärm sein. Das traditionelle rumänische Essen, das ich bestellte, waren dann Lammspieße und Pommes. Immerhin hatte ich zum Kaffee typische Papanaşi mit Schmand und Blaubeeren. Eine Riesenportion, die ich nicht schaffte.

Es wurde Zeit für ein kleines Mittags… äh… Vorabendschläfchen und so kehrte ich für zwei Stunden ins Hotel zurück. Ich wette, ich kann nachher nicht einschlafen. Egal. Abends hatte ich kaum Hunger und so gönnte ich mir nur ein Stück Pizza auf die Hand. Heute Nachmittag hatte ich übrigens ein Salatblatt dabei, nicht, dass es heißt, ich ernährte mich hier nicht wirklich ausgewogen. Ach ja, und die Frühstückstomate nicht zu vergessen!!

Es ging zum heute letzten Programmpunkt in Bukarest: Auf der Piața Unirii, die am Ende der Champs-Nicolae liegt, gibt es einen Haufen Springbrunnen, die werden wochenends zur Freude der Touristen illuminiert und choreographiert. Ich war bereits um 21 Uhr vor Ort, da sprudelten sie schon schön bunt. Eine Menge Leute waren ebenfalls vor Ort. Um 21 Uhr 20 wurden die Wasserspiele abgestellt. Geraune. Man muss sich übrigens die Masse an Springbrunnen vorstellen, die sich auf diesem Platz verteilt, es sind Dutzende! Um 21:30 Uhr dann die Ansage, es ginge los. Und es ging los! Mit, wer konnte es ahnen, Michael Jackson. Heal the world. Danach folgte ein Oldie, but Goldie nach dem anderen. Und es war spektakulär und wunderschön. Fast schöner als die Wasserspiele in Dubai und Singapur. Einfach, weil es so viele Brunnen waren, weil es so ungezwungen und leicht war und weil Volksfeststimmung herrschte. Kleinkinder tanzten zu Pink Floyds Wall. Man wird übrigens nass, wenn man zu nah an die Brunnenränder geht. Das war ein supertoller Abschluss für den Tag. Solltet Ihr Euch mal hierher verirren, dürft Ihr das keinesfalls verpassen!

Morgen geht es schon wieder zurück in die Heimat. Und ich habe noch keine Kühlschrankmagnete. Herrjeh! Bin gespannt, ob ich das noch auf die Reihe bekomme.

Liebe Grüße aus Bukarest, Euer

Diesen Begriff nehme ich übrigens zu aller Leidwesen in meinen Wortschatz auf. Wie geht es Dir, Gerry? Wow, echt total fruttifresh, danke!

2 Gedanken zu „Bukarest 2025: Paläste, Prunkbauten, Popen“

  1. Ich gebe zu, dass ich so viel Schönes und Sehenswertes in Bukarest nicht erwartet hätte.
    Danke wieder einmal für deine tollen Berichte und die wunderbaren Bilder.
    Viel Glück beim Finden der Kühlschrankmagneten und gute Heimreise.

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