Kapverden 2025 (7): Wanderung durch das Vale do Paúl

No stress, Ihr Lieben!

Gott, was bin ich gestresst! Vielmehr total hinüber. Hier zu wandern, das ist nix für Feiglinge und Waschlappen.

Gestern schickte ich ja erneut eine Info an die Agentur, man möge Rücksicht darauf nehmen, dass ich alt und klapprig bin, wenn es um die Auswahl der Wanderroute ginge. Ich sollte das dann dem Tourguide sagen, er würde alles an meine Bedürfnisse anpassen.

Nach einem sehr frugalen Frühstück („gestern gab’s noch Eier und Cornflakes“ wurde sich beschwert, Eier hätte ich auch schön gefunden!) machte ich mich wanderbereit. Unklar war mir, ob mein Begleiter zur Unterkunft kommen würde, oder ob ich zu einem der Zufahrtswege laufen müsste. Nachdem ich 15 Minuten hier oben untätig rumsaß, versuchte ich, sowohl Agentur als auch Tourguide zu erreichen. Erfolglos. Also lief ich hinunter, wo Nivaldo, der Wanderführer, und Nelson, der Fahrer schon seit 8:30 Uhr auf mich warteten. Sie hätten das Hotel zweimal angerufen, dort hätte man behauptet, man hätte mich nicht gefunden. Dabei saß ich bis 9 Uhr im Zimmer und stand dann 15 Minuten direkt davor. Ich führe dieses Verhalten auf meine Kritik an der Kinderarbeit gestern zurück. Wir können also guten Gewissens festhalten, dass ich mir keine Freunde damit gemacht habe. Eigentlich ist das Hotel rein von diesen Gesichtspunkten aus ein no-go.

Nelson fuhr uns eine total malerische Straße entlang bis Chá de Padre (wenn ich das jetzt richtig nachvollziehe), von da aus waren wir auf uns allein gestellt. Ihr denkt, daß klingt dramatisch? Ja, das sollt Ihr auch! Ich schicke vorweg, dass Nivaldo sich maximal auf meine Bedürfnisse eingestellt hat, allein, er kann ja nicht verhindern, dass es mal auf- und mal abwärts geht. Das liegt irgendwie in der Natur von Bergen und Tälern begründet.

Aufwärts zu kraxeln ist bei mir inzwischen zu einer Anstrengung sondergleichen geworden, abwärts geht es und in der Waagerechten habe ich keine Probleme, aber ich durfte pausieren, so oft ich wollte (und ich wollte oft) und währenddessen erläuterte Nivaldo mir, was wir alles sahen.

Das Tal ist der Hammer, es ist die grüne Lunge der Kapverden und auch deren Speisekammer. Es gibt hier ausreichend Wasser, ich erwähnte das Levadasystem gestern, und es regnet auch mehr als im Landesdurchschnitt. Was die Fotos nicht wiederzugeben Vermögen, ist die Leistung, dieses Tal urbar zu machen, indem man Terrassen und die ganzen Wege anlegt. Was muss das für ein Knochenjob gewesen sein!

Übrigens, um mal aufs Wetter zu sprechen zu kommen: Für sportliche Aktivitäten ist die ständige Bewölkung einem strahlenden Sonnenschein natürlich deutlich vorzuziehen. Was hier alles wächst, blüht und gedeiht! Papaya, Bananen, Kohl, Maniok, Guave, Yams, Mango, Kaffee, Mandeln, Orangen und Zuckerrohr, sehr viel Zuckerrohr. Der wird hier zu Schnaps und Melasse verarbeitet. Und sogar Zimtbäume gibt es hier.

Hier auf der Insel kennt jeder jeden, daher gab es immer ein „Hallo“, an Touristen außer mir habe ich nur zwei Pärchen und zwei Einzelwanderer gesichtet. Wir machten Stopp an einem sehr schönen Aussichtspunkt, wo wir frisch gepressten Fruchtsaft bekamen, uns erholten und plauderten. Nivaldo ist in der Bergrettung und in der freiwilligen Feuerwehr engagiert, ist im Umweltschutz aktiv und hat seine eigene Agentur. Ein sehr ausgeglichener, sportlicher (Mountain-Running!) und sympathischer Mann mit genauer Ortskenntnis und einem großen Wissen über Land und Leute.

Die Wanderungen im grünen Tag sind aus meiner Sicht nur etwas für geübte Hiker. Na gut, ich habe es ja letztendlich auch geschafft. Fast jedenfalls. Aber es gibt sehr steile Passagen und hohe Stufen, geschätzt bis zu 40 Zentimeter, das ist natürlich eine Belastung für den Bewegungsapparat. So, und wieso fast? Wir hatten das Tal durchquert und hätten noch anderthalb Stunden Straße vor uns gehabt. Das war mir dann zu viel und wir ließen uns gegen einen kleinen Obolus von einem Dorfbewohner mit einem Minibus zur oberen Hotelzufahrt kutschieren. Dabei nahmen wir auch die Hälfte des Dorfes gleich noch mit; ich glaube, die haben sich gefreut (obwohl die Berge für die hier lebenden Menschen ein Klacks zu sein scheinen, so wie die uns öfter überholt haben – mit schweren Bündeln im Nacken!). Der LKW in den Bergen, auf den Trails heißt übrigens Esel. Davon sind uns auch einige begegnet.

Apropos kleine Dörfer: Ich schrieb gestern, dass ich mangels Unterhaltungsmöglichkeiten früh zu Bett ging, aber tatsächlich gibt es hier deutlich mehr Discotheken als in Poll. Gut, da gibt es gar keine, aber Ihr versteht bestimmt, was ich meine…

Irgendwann waren wir am Hotel angelangt. Auf dem letzten Teilstück kam uns ein Mann entgegen, der verzweifelt seine Frau und Kinder suchte. Sie seien vor ihm gewesen und jetzt weg. Und wir hatten – aus entgegengesetzter Richtung kommend – niemanden gesehen. Aber am Hotel trafen wir neue Gäste an, die wir fragten, ob sie einen Ehemann vermissten. So war das dann, er hat den Abzweig zum Hotel verpasst und die Frau war, im Gegensatz zu dem aufgelösten Mann, darob völlig unaufgeregt. Die Familie kommt auch aus der Schweiz und hat über die gleiche Agentur wie ich gebucht.

Beim Abendessen, natürlich gab es vorher ein ausgedehntes Nickerchen!, tauschten wir dann unsere Tageserlebnisse aus. Es ist ein ganz spezieller Touristenschlag, der hier Urlaub macht. Alle sehr offen, weitgereist, unterhaltsam. Das gemeinsame Abendessen macht schon viel Spaß! Heute übrigens Cachupa mit Hühnerbein, gefolgt von hausgemachter Maracuja-Eiscreme, sehr lecker.

Morgen gönne ich mir den Luxus, spät zum Frühstück zu gehen, ein Fahrer bringt mich erst um 11 Uhr zu meiner nächsten Unterkunft. Bin gespannt, wer (ob überhaupt jemand) sich um mein Gepäck kümmert.

Falls Ihr googeln möchtet, wo wir morgen zusammen den Tag verbringen: der Ort heißt Punta do Sol. Es wird dort auf jeden Fall touristischer. Ich hoffe, wir sehen uns. Alles Liebe, Euer

P.S.: Ich bin positiv hinüber! Selbst den König der Löwen haben wir heute gesehen!

P.P.S.: Die Flagge der Kapverden besteht aus den 10 großen Inseln (das sind die Sterne), dem Himmel und dem Ozean, den weißen Streifen für den Frieden, die das rote Blut, das bis zur Unabhängigkeit geflossen ist, umrahmen.

P.P.P.S.: Nein ich bin nicht durchgeschwitzt, es hat geregnet 🙂

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