Ihr Lieben!
In Mindelo gibt es eine sehr überschaubare Raserszene. Das merkt man auch nachts. Drei oder vier Idioten mit ganz kleinen Genitalien knattern dann, aber auch tagsüber die Hauptstraßen lang. Da fühlt man sich wie zuhause. Obwohl, das Problem ist dort ja eingedämmt.
An Weihnachten isst man hier Bolo de Rei, Königskuchen. An dem kaut man etwas länger, da doch eine eher trockene Angelegenheit. Klar, muss ja für drei Könige reichen. Erinnert an Panettone.
Nach dem Frühstück packte ich alles einmal aus und wieder ein. Wenn man so aus dem Koffer lebt, verliert man ja den Überblick, was man wo versteckt hat. Ich fand z. B. die leichte Strickjacke wieder, die ich im Hotel in Punta do Sol wähnte. Leider tauchte die verlorene Brille nicht unversehens wieder auf.






Ich lief noch einmal in die City. Heute war das erste Mal so richtig gutes Wetter mit nur wenigen Miniwölkchen. Es wird dann auch sehr schnell warm unterm Toupet. Ich nahm im Schatten noch einen Café com leite und kehrte zur Unterkunft zurück. Dort kam der Fahrer eine halbe Stunde zu früh. Wer weiß, wofür es gut war, denn am Flughafen wurde eine viel frühere Abflugszeit als in meinen Unterlagen angezeigt. Beim Flighttracker dann eine dritte. Fliegen im Hütchenspieler-Modus. Na, welche Uhrzeit nehmen Sie?
Ich fasse zusammen:
- Flugbestätigung 14:50h
- Flighttracker 14:00h
- am Schalter 13:50h
- tatsächlicher Abflug 13:35h
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Der Flug war kurz und unaufregend. Einzig vor dem Start gab es einen kleinen Loriot-Moment, als die Flugbegleiter fast alle Passagiere mal die Plätze tauschen ließen, da sie die Propellermaschine im Ungleichgewicht sahen. Am Flughafen Praia war binnen 3 Minuten der Koffer da und am Ausgang wurden Herr Müller, Mister Baker, Monsieur Pattisier und Senhor Cozinheiro schon erwartet. Nur auf Herrn Diepolder wartete keiner. Gut, scheinbar war ich ja auch zu früh. Allerdings konnten andere Agenturen sich irgendwie darauf einstellen. Aber, noooo stress…

Irgendwann schlenderte jemand mit einem Soul-Tours-Schild vorbei. Gottseidank, denn inzwischen versuchten Dutzende Taxifahrer, mich mit Gewalt in ihre Fahrzeuge zu zerren. Santo, so sein Name, wollte zuerst nicht glauben, dass ich sein Gast sei, „You are Gerald???“, fuhr mich aber doch schnittig zum Hotel und trug dort klaglos mein Gepäck auf die zweite Etage. Das Hotel soll eine Pousada sein. Ich dachte immer, das wären ausgewählte, eher luxeriöse Unterkünfte mit historischem Bezug. Tja, was soll ich sagen, irgendwie ist das Ding originell, mit einem Innenhof, auf das die Zimmer hinausgehen. Antike Möbel und schöne, moderne Kunst. Aber! Die genervteste Rezeptionistin aller Zeiten wies mir ein fensterloses Loch zu. Das auch noch nicht fertig war. Ich bekam ein anderes fensterloses Loch zugewiesen. Bzw. es gibt Fenster, zum Gang hin. Das Badezimmer, auch fensterlos, müffelt ziemlich. Alles erinnert an eine Karawanserei aus sehr einfachen Zeiten. Vielleicht will Kismet mir damit gerade an Weihnachten etwas mitteilen? Zwei Tage werde ich es wohl aushalten. Müssen. Abends musste ich mir noch ein Glas organisieren, denn in dem einen (!) Plastikzahnputzbecher schwammen noch die Überreste der Vorgänger. Ziemlich ekelhaft! Im Bett lag irgendwelcher Plastikmüll.



Immerhin liegt der „Palazzo Pity“ in der Fußgängerzone. So konnte ich vortäuschen, ich hätte einen großen Erkundungsrundgang hinter mich gebracht, bevor ich mich auf ein Bier niederließ. Immerhin hatte ich schon den Präsidentenpalast, die Diego-Gomes-Statue und die Jaime-Mota-Kaserne gesehen.










Praias Altstadt liegt auf einem Hochplateau, an dessem Rand sich ein Vergnügungspärklein für Kinder und eine Restaurant-Terrasse befinden. Das Bier vom pfiffigen und aufmerksamen Kellner war kalt und lecker, die Aussicht schön, aber die überlaute Musik in der kapverdischen Version von Rolf Zuckowski zehrte sehr schnell an den Nerven. Ich machte mich auf und suchte einen geöffneten Minimarkt. Am Weihnachtstag ein aussichtsloses Unterfangen. Die wenigen Mercados geschlossen, quasi alle Restaurants geschlossen. Nur zwei chinesische Ramschläden waren für Kundschaft bereit. Ich setzte mich in die einzig geöffnete Bar, die ich fand, einem Hotel zugehörig, mit dem Hintergedanken, mich dort zumindest mit Wein und Wasser fürs Zimmer zu versorgen. Allein, die einzige Kellnerin lehnte an einem Baum, rief ununterbrochen einen nach dem anderen mit ihrem Handy an und hatte diesterwegen selbstverständlich keine Zeit, sich um Gäste zu kümmern. No Stress? Sorry, nach 30 Minuten Ignoriererei habe ich Stress, der in Richtung Mordlust geht.
Ich lief ein bisserl rum und fand einen freien Tisch in einer, sagen wir mal Speisewirtschaft am völlig überfüllten Weihnachtsmarkt. Auf der Insel Santiago leben etwa 250.000 Menschen. Ich glaube, die waren alle hier. Ein Gewusel und Gewimmel sondergleichen. Die Speisekarte hätte in großen Teilen auch chinesisch sein können. Was sind Buzios? Was ist Bitoque? Hm. Bitoque. Klingt interessant. Nehme ich. Trommelwirbel! Paukenschlag. Es ist eine Art dünnes Steak mit Spiegelei drauf, dazu Pommes, Reis und Salat. Elke, Du wärst begeistert hier vom Reis. Immer total klebrig! Das bekommt bei uns kein China-Imbiss hin! Ja, also, mit viel Ketchup konnte man das essen. Bei den Getränken hatte ich wieder einmal Kuba-Vibes. Ich fragte ein halbes Dutzend Cocktails ab, für jeden einzelnen lief die Kellnerin zur Bar, kam wieder und richtete mir aus, dass der gerade nicht machbar wäre. Was es denn gäbe? Maracuja-Caipi. Okay, nähme ich. Ich bekam Gurke-Apfel-Irgendwas. No Stress. Zum essen dann bitte diesen Weißwein. Sie brachte eine Art Kellergeisterverschnitt. Neinnein, den anderen. Gibt nur den einen. Okay. Dann einen roten? Gäbe aber nur einen. Willkommen in Hava… äh… Praia!







Ich erwarb dann noch eine Flasche Wasser und den einen Roten (auf der Flasche steht, dass man ihn nicht länger als 4 Jahre aufbewahren soll, aber leider nicht, wann er abgefüllt wurde). Wenn Ihr also morgen nichts mehr von mir hört… (hatten wir das nicht schon bei der Muräne?).
Den Rest des Abends verbrachte ich dann auf dem Zimmer. Praia gefällt mir ziemlich gut, es ist wieder ganz anders, als auf den anderen Inseln. Das koloniale Erbe kommt viel stärker durch, die Stadt ist deutlich urbaner. Es ist halt nur keine gute Idee, lebensmittellos an einem Feiertag hierherzukommen. Und man sollte sich definitiv (!!!) ein anderes Hotel suchen. Vielleicht das mit der Kellnerin mit der Verkaufsallergie? Ach, ich weiß es doch auch nicht.
Morgen früh werde ich für einen Stadt- und Marktrundgang abgeholt. Den Markt hatte ich schon zu Beginn meines Rundganges passiert, der war natürlich heute geschlossen. Geht Ihr mit? Dann könnt Ihr Euch Eure Souvenirs selbst aussuchen und müsst Euch nicht auf meinen Geschmack verlassen. Bis morgen, Euer


