Sveiki kopā!
Letzte Nacht war dann ganz angenehm – zumindest von der Lautstärke. Die Matratzen hatten leider etwas klösterliches, sie waren sehr, sehr hart. Ach, dieser Gerry, immer was zu mosern und zu meckern! Also ehrlich, es war eine deutliche Verbesserung.
Heute beschloss ich, meinen geschundenen Füßen etwas Gutes zu tun und Boot zu fahren. Am Basteihügel fahren regelmäßig Boote den Kanal hinunter, biegen dann auf die Daugava (dt. Düna) ab, fahren an der Altstadt vorbei, um am Hafen wieder in den Kanal einzubiegen. Diese Rundfahrt dauert ca. eine Stunde und kostet 18 €.
Ich wurde von zwei Australiern (Vater und Tochter) angesprochen, ob dies nicht sehr teuer sei. Auf meine Anmerkung hin, wie oft man das im Leben denn täte, stiegen sie auch ein. Ich hielt sie zuerst für ein japanisches Paar; das mit Japan sagte ich, das mit dem Paar gottseidank nicht. Das wäre unangenehm gewesen. Die Beiden erkunden das Baltikum per Fernbus und sind sehr glücklich mit dieser Reisemethode. Die Tochter soll im Herbst auf die Uni und sollte vorher noch etwas erleben.
Die Bootsfahrt ist ganz nett. Die Boote sind klein, und mit 12 Personen dann auch schon voll. Die Erklärungen kommen auf englisch, sind gut verständlich und die Fahrt bietet noch einmal einen anderen Blick auf Riga. Wir fuhren vorbei an der Nationalbibliothek, einem sehr futuristischen Gebäude, unter diversen Brücken hindurch, sahen die Altstadt vom Fluss aus, die Insel Kipsala am anderen Ufer, die mit alten und hübschen Holzhäusern aufwarten kann, waren am Kreuzfahrt- und Industriehafen, und schipperten an vielen kleinen Parkanlagen vorbei.
Von der Bootsanlegestelle lief ich am Freiheitsmonument vorbei zur Geburtskathedrale, der größten orthodoxen Kirche im Baltikum. Ich wollte die Kirche eigentlich nicht betreten, weil ich kurze Hosen trug. Aber einer der Kirchenmitarbeiter winkte mich herein, und so hatte ich das Glück, einer Zeremonie beizuwohnen. Es wird viel und harmonisch gesungen, viel geküsst – also, die Ikonen – und sich sehr viel bekreuzigt. Der Priester trug sehr kostbar aussehende liturgische Gewänder.
Danach ging ich durch einige Parkanlagen Richtung Zentralbahnhof. Denn ich hatte gestern abend gelesen, dass viele Beschwerden bei Google eingegangen sind, dort gäbe es keine Auto-Anmietstation von Hertz. Ich schrieb an meinen Mietwagenvermittler, der mir heute früh antwortete, das Büro befände sich auf der ersten Etage im Gebäudeblock A. Ich wollte sichergehen, dass morgen nichts schief geht und mich selbst davon überzeugen, dass ich das Büro finde. Natürlich gibt es keins, wie die vielen Beschwerdeführer schon schrieben. Ich kontaktierte also wieder den Vermittler. Ich bekam umgehend Antwort, ich möge die Hertz-Zentrale hier vor Ort anrufen, um einen Treffpunkt auszumachen. Um was man sich alles kümmern muss! Nee nee nee! Ich telefonierte also mit der hinterlegten Nummer, um die Information zu erhalten, ich möge mich pünktlich um 11 Uhr beim Informationsschalter einfinden, an dem ich ja bereits vorher gefragt hatte, wo die Hertz-Autos übergeben werden. Ich bin sehr gespannt, ob das klappt! Vorsichtshalber habe ich auf meinem Weg zurück in der Altstadt nachgeschaut, ob es mein „Heimreisehotel“ wirklich gibt. Tadaah! Es existiert.
Meine Mittagspause verbrachte ich bei einem Bier an einer kleinen Kreuzung in der Altstadt. Einer dieser Glotzmomente, die ich immer so sehr genieße. Ein Ambulanzwagen ist hier mit 5 mm Abstand zu parkenden Autos und Biertrinkern durchgepest, E-Roller-Fahrer nieteten Fußgänger um, Touristen stolperten über die Kopfsteinpflaster. Hier ist wohl immer etwas los! Und man hört viele, viele Sprachen. Auch so exotische wie bayrisch.
Um 15 Uhr fand ich mich dann an der Nationaloper ein, um an einem weiteren Rundgang der Riga Free Tours teilzunehmen, dem Besuch des Jugendstil-Viertels. Kaspars war zwar auch einer der Guides, aber ich wurde Liga zugeteilt, einer jungen und ebenfalls sehr gut englischsprechenden Führerin, die ihre Sache auch sonst sehr gut gemacht hat. Leider spielte das Wetter so gar nicht mit, denn schon nach fünf Minuten Fußweg kamen wir in einen Wolkenbruch. Wir deckten uns umgehend in der nächsten Drogerie mit Ponchos und Regenschirmen ein, aber trotzdem schrumpfte die Gruppe wegen des immer stärker werdenden Regens von ca. 30 Personen auf tapfere sechs. Mit Liga waren wir quasi die sieben tapferen Schneiderlein. Hmmm, äh…. ich glaube das Märchen hieß anders.
Wir sahen sehr viele Jugendstilhäuser, die in der Zeit von 1899 bis 1915 in Riga gebaut wurden; es gibt mehrere hundert davon; daraus lässt sich ableiten, wie wohlhabend Riga in dieser Zeit war. Ein Fokus lag auf den Häusern von Michail Eisenstein, dem Vater des russischen Regisseurs Sergej Eisenstein. Er gestaltete ganze Straßenzüge. Auch im strömenden Regen eine sehr eindrucksvolle Tour.
Zudem sahen wir die Universität, die Kirche der heiligen Gertrud (Schutzpatronin der Reisenden), sowie ich auf meinem Rückweg zum Hotel noch das Nationaltheater. Ich habe inzwischen erzählt bekommen, dass es diese Touren auch in Tallinn und in Vilnius gibt und werde sie dort auf jeden Fall mitmachen, denn sie sind sehr informativ und werden auf eine charmante Art und Weise durchgeführt.
Der Regen hatte zwar schon gegen Ende der Tour nachgelassen, aber es nieselte und nieselte und nieselte. Daher habe ich mich dann um 17:30 Uhr auf das Hotelzimmer begeben, wo ich von meinen Biervorräten zehrte. Ein positiver Aspekt des Zimmers ist, dass der Kühlschrank wie Bolle kühlt und ich fast tiefgefrorene Getränke habe. Das finde ich persönlich ausgezeichnet.
Am Abend ging ich dann nicht aus, da ich mir überlegen muss, wie ich morgen wann wohin fahre. Das sieht im Restaurant mit Tablet und dergleichen immer ein bisschen wichtigtuerisch aus, oder? Daher gibt es jetzt Snacks aus einem Imbiss (Miniwraps und Hähnchen) und dazu einen spanischen Rosé. Olé!
Morgen sehen wir uns voraussichtlich in einem anderen Land. Und ich habe die nächsten zehn Tage noch keine Unterkunft. Ich werde meinem ersten Zimmer irgendwann tränenüberströmt hinterhertrauern!
Also, vielleicht bis morgen in Estland oder Litauen (ich gucke mal aufs Wetter).
Euer Gerald