Ardievu, Latvija! Tere tulemast, Eesti!
Der Tag begann wie üblich mit Aufstehen, Waschen, Frühstücken, Packen und Auschecken. Moment, Packen und Auschecken sind ja gar nicht gewöhnlich. Oh, schade, ich werde Riga heute verlassen. War schön hier. Ich habe mich mit meinem Gepäck, einem sehr schweren Koffer und zwei Taschen sowie einem Rucksack, zum Bahnhof gequält und habe mich dabei natürlich mehrmals verlaufen.
Mit Ach und Krach schaffte ich es pünktlich zu meinem Termin mit dem Hertz-Meet-and-Greet-Man. Er sehr proper, jung, adrett, im Anzug. Ich dagegen verschwitzt wie eine alte fette Sau. Aber egal, ich war ja der Kunde. Der junge Mann sprach nicht allzu gut Englisch und war etwas fahrig, auch wollte er mich partout nicht ohne zusätzliche Versicherung fahren lassen, ich denke man hat es ihm so beigebracht. Ich sprach erneut mit der Hertzzentrale in Riga und erklärte, dass ich schon alle erforderlichen Versicherungen daheim abgeschlossen hätte. Man ließ mich also endlich fahren. Da ich ja nur alle Jubelmonate in einem Auto sitze, hatte ich etwas Bedenken, wieder – Achtung Kalauer – in Fahrt zu kommen. Aber es klappte ganz gut. Ein anfängliches Piepen, dass mich sehr gestört hat, erwies sich als nicht richtig geschlossene Heckklappe, das war schnell behoben. Ansonsten ist das Auto sehr schön, es ist ein Toyota Auris, scheckheftgepflegt, und fährt sich sehr, sehr angenehm. Bis ich aus Riga heraus war, verging einige Zeit. Das sehenswerte Riga aka Altstadt ist recht schnell erkundet, aber die Vororte ziehen sich wie Kaugummi. Und es ist außerhalb der Altstadt ziemlich viel Verkehr. Und es gibt Straßen, die in einem Zustand sind, dass alle, obwohl zweispurig, auf der vermeintlich besseren Spur fahren.
Mein erster Weg führte mich nach Sigulda, ein an sich nicht weiter spektakulärer Ort, aber in der Umgebung gibt es einige Sehenswürdigkeiten. So besuchte ich das Schloss Turaida, wo sich schon im 17. Jahrhundert hochdramatische Szenen abspielten; man googele (?) mal nach der Rose von Turaida. Unbedingt den Turm raufkraxeln. Ganz tolle Aussichten!
Angeschlossen ist ein Dorf, wo es Ausstellungen gibt aus früheren Zeiten. In der Schmiede arbeiteten noch zwei Männer, wahrscheinlich den ganzen Tag für die Touristen. Ich erwartete dann natürlich, dass auch für die Touristen im Badehaus ein paar Mitarbeiter den ganzen Tag baden, bis sie schrumpeln und aussehen wie Gollum. War dann aber nicht so. Soll heißen, es wurde gar nicht gebadet!
Außerdem besuchte ich das Schloss des livländischen Ritterordens (gerade verhüllt, wenn auch leider nicht von Christo) und die Schwertordenburg. Inzwischen war es schon sehr spät, dass ich mir die Seilbahn, die ich mir vorgenommen hatte, sowie den Besuch weiterer Schlösser und Ruinen gespart habe.
Beide Ausflugsziele sind einen Besuch wert. Und das hat sich wohl herumgesprochen, denn ich wurde in Sigulda von zwei asiatischen Gruppen angesprochen, wie sie denn zu den Burgen kämen… Paar Kilometer sagte ich. Wo denn hier Busse fahren? Ich konnte leider nicht helfen. Konnte ja schlecht 9 Asiaten in meinen Auris packen.
Weiter ging es nach Cėsis, einer sehr hübschen Stadt mit einer sehr sehenswerten Schloss-/Burganlage mit einem wunderbaren Park. Hier blieb ich länger als geplant, denn es ist wirklich pittoresk dort. Hübsche Häuser auch.
Die Fahrt nach Pärnu war dann etwas anstrengend! Das erste Teilstück war noch asphaltiert, dann bog ich auf die Bundes(?)straße v132 oder 158, ich weiß es nicht mehr so genau, um mich dann über Dutzende von Kilometern auf Schotterpisten fortzubewegen. Navi sei Dank. Mein scheckheftgepflegtes Auto! Herrje!
Irgendwann kam ich dann an die A1, die Riga mit Tallinn verbindet (wegen der Ausflüge habe ich einen mehr als kleinen Umweg genommen), aber hier war schnelles Vorankommen auch nicht möglich. Diese von vielen Lastern befahrene Strecke ist zweispurig und es gibt keine Überholspur. Also tuckert alles mit pi x Daumen 80 Stundenkilometern durch die Pampa. Um 19 Uhr kam ich in Pärnu an und suchte mein Hotel, die Villa Ammende.
Dort wurde ich sehr herzlich empfangen, bekam mein Zimmer gezeigt, dass mir ein wenig klein vorkam, und bekam sofort ein viel größeres im Gärtnerhaus. Ob es mich denn nicht störe, dass ich nicht im Haupthaus untergebracht sei?
Alles ist hier wunder-, wunderschön! Alles im Jugendstil, alles antik. Das Personal reißt sich ein Bein aus, und ist an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kaum zu übertreffen. Nach der langen Fahrt nahm ich natürlich erst einmal ein Bier zu mir. Imperial Gold. So fühlte ich mich auch. Das Zimmer dass ich hier habe, ist zwar ganz günstig, aber dafür haben die Getränkepreise es in sich. Aber ich sehe das einfach mal als Ausgleich: ich wohne hochherrschaftlich, zahle wenig für die Übernachtung, dafür aber mehr für die „Lebensmittel“. Ausgleichende Gerechtigkeit halt.
Nach dem Bier ging ich runter zum Strand, keine drei Minuten von der Villa entfernt. Wenn ich mich in der Villa schon in einer anderen Welt gefühlt habe, dann bin ich am Strand nachgeradezu ausgeflippt. Gott sei Dank konnte mich niemand beobachten. Ich bin ein Kind des Meeres. Es ist so wunderwunderwunderwunderwunderwunderschön hier, die Sonne, die über dem Meer untergeht, die hölzernen Bademeisterhäuschen, die Liegen, die Schirme, der feine weiße Sand und das Rauschen des Meeres. Ein Traum!
Man merkt aber deutlich, dass Nachsaison ist. Auf der Suche nach etwas zu Essen musste ich gut eine halbe Stunde durch den Ort laufen, um in einer Pizzeria einzukehren, die aber wagenradgroße Pizzen serviert. Auch hier mit einer Freundlichkeit…
Auf dem Weg durch den Ort sah ich viele bunte, hübsche Holzhäuser. Auch gibt es hier schöne Cafés und Parks und dergleichen mehr. Ich beschloss spontan, noch eine Nacht länger zu bleiben und fragte Karl, den Rezeptionisten, ob das Zimmer denn noch zu dem Preis verfügbar wäre. Ist es!
Und während ich dies hier schreibe, sitze ich im Salon, trinke einen Alto-Adige-Pinot…. dann kommt Karl, ob er mich stören dürfe, er hätte ein paar Seiten ausgedruckt, was man hier so alles unternehmen könne und wegen meines Interesses an Saaremaa auch die Fährzeiten. Ehrlich: Ich war kurz vorm Heulen. So kundenorientiert und das ganz, ohne devot zu sein. Auch die Weinkellnerin ist kompetent und nett.
Jetzt noch ein Weinchen und dann vielleicht noch eins… ?
Bis morgen, wenn Ihr mögt.
Liebe Grüße von einem gerade sehr, sehr glücklichen Gerald.
P.S.: Vom Wohl und Wehe des Alleinreisenden….
Heute früh beim Frühstück in Riga.
1: „Dann fahrn wir doch um 10 Uhr dahin!“
2: „Eh, darf ich jetzt erstmal frühstücken?“
1: „Na dann halb 11.“
3: „Bisse bescheuert? Da dusche ich gerade noch!“
4: „Sollen wir nicht hierbleiben? Soll regnen!“
1: „Ihr kotzt mich an!“
3: „Heul doch!“
4: „Also, ich bleib hier.“
2: „Mit Euch frühstücken ist scheiße!“
Es wird dich nicht überraschen: Den kleinen Schriftzug hätte ich auch fotografiert, wenn ich ihn entdeckt hätte.