Ihr Lieben,
ständig habe ich Fernweh. Das ist wahrscheinlich kein so rasend großes Geheimnis. Und um meine Schmerzen zu lindern, bediene ich mein Nahweh, dann ist das Fernweh nicht mehr so stark. Und mein Nahweh hat mich an die Mosel geführt, nach Cochem, deren Reichsburg das Moselbild prägt wie kaum ein anderes Wahrzeichen.
Ich arbeitete den wahrscheinlich kürzesten Arbeitstag meines Lebens, um nach vier Stunden im Büro gen Rheinland-Pfalz zu fahren. Cora war auch schon sehr aufgeregt. So brach ich viertel vor eins auf, um von einem Stau in den nächsten zu kommen. Mit zwei größeren Staus hatte ich schon gerechnet, da auf der Strecke unter anderem auch die Ahrbrücke instandgesetzt wird. Was ich nicht vorhersehen konnte war der schwere LKW-Unfall auf der Strecke, der meine Fahrt um 45 Minuten im Schritttempo verlängert hat.
Im Ort angekommen fand ich direkt vor dem Hotel einen Parkplatz. Ein Wunder. Man durfte da aber nur drei Stunden stehen. Es stellte sich zudem heraus, dass ich im Gästehaus einen halben Kilometer weiter moselabwärts untergekommen bin. Im dritten Stock! Ohne Aufzug. Ein schwacher Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Ich machte mich katzenwäschenfrisch (die Fahrt war wegen der nicht wirklich funktionierenden Klimaanlage von Cora so heiß (insbesondere im Stau), dass mein Handy sich wegen Überhitzung ausschaltet und ich ohne Navigation fuhr) und enterte die Stadt.
Mein erstes Ziel war die Burg. Puh, ganz schön weit oben. Und das auf kurze Distanz. Ich schleppte mich die Stufen hoch, um – völlig außer Atem – an der Pestkapelle feststellen zu müssen, dass es wieder bergab ging. WARUM???? UMHIMMELSWILLEN!!!!!! Nach einer Kurve ging es dann wieder munter bergauf und ich erreichte das Burggelände. Wie ich denn da reinkäme, wollte ich von der Souvenirshopverkäuferin wissen. Nur mit Führung, beschied sie mich, es ginge in zwei Minuten los. Man muss wissen, dass ich – sorry, weit über 30 Grad warm – pladdernassgeschwitzt vor ihr stand. Aber ich ergab mich in mein Schicksal und buchte die Führung, in der Furcht, 376 Stufen zum Bergfried hochlaufen zu müssen.
Die Furcht war unbegründet. Wir waren eine kleine Gruppe und wurden durch einen niederländischen Guide durch 7 der 55 (oder so) Zimmer geführt. Das war sehr interessant. Die Burg, so wie sie heute ist, ist eigentlich das teure Geschenk eines superreichen Berliner Unternehmers hugenottischer Abstammung an seine Frau, die ihn aber während des Wiederaufbaus im ausgehenden 19. Jahrhundert wegen eines anderen superreichen Kerls verließ. Das Sommerhaus (SOMMERHAUS!!!!) blieb ungeschenkt. Die ganze Geschichte kann man aber besser im Netz nachlesen als bei mir. Immerhin hat Cochem deswegen jetzt statt einer armseligen Ruine wieder ein stolzes Wahrzeichen.
Ich entdeckte, dass es einen Shuttle-Bus von und zur Burg gab. Ich beschloss, den Abstieg damit zu machen. Äh, die Abfahrt. Ihr wisst schon. Mit einem Affenzahn fuhr der nicht allzukleine Bus durch die Serpentinen und Gassen von Cochem. Respekt. Wir endeten am Endertplatz, von wo aus ich meinen Wagen aus der Kurzparkzone vorm Hotel zum Bahnhofsparkplatz bringen wollte, wo man 3 Euro pro Tag bezahlt. Parken in Cochem ist eigentlich katastrophal. Man darf in den meisten Fällen maximal drei Stunden und nachts ist alles für Anwohner. Letzteres ist ja auch okay. Fährt man eben zum Bahnhof. Aber wenn da der Kartenleserautomat defekt ist und man nicht mal eben 6 Euro in Münzen hat, ist schon wieder Käse. Ich fuhr wieder zu meinem Kurzparkplatz, der war wundersamerweise noch frei. Ich kaufte eine Postkarte für 60 Cent, so dass ich vier Euro Wechselgeld bekam und fuhr wieder zum Bahnhof, wo ich Cora jetzt schutzlos für zwei Tage sich selber überlassen habe. Gerüchteweise wird auf dem riesigen Gelände gerast, daher habe ich Cora zwischen einem Zaun und einem Laternenmast geparkt.
Ich lief zurück in die Stadt. Der Schrittzähler in meiner SmartWatch glühte. 34 Etagen und 13000 Schritte. Ich brauchte ein Bier. Oder zwei. Die fand ich auf der Terrasse Hotel Cochemer Jung, deren liebe Bedienung ich jetzt mal explizit hervorheben muss. Eine so nette Dame. Das Bier dagegen war ein wenig hochpreisig. Naja, Tourihotspot. Für den Abend hatte ich schon daheim einen Tisch in der hochgelobten Pizzeria „Et da Vinci“ reserviert, die mir aber schrieben, ich solle bitte etwas später kommen, es sei rappelsvoll. Wie Cochem übrigens nicht so sehr, wie ich befürchtet hatte. Gut besucht, aber man musste sich nicht aneinanderreiben.
Ich beschloss, mir die City anzusehen und lief über den Martinsplatz am Rathaus zum alten Kloster und stattete dem Friedhof einen Besuch ab. Ich lief die Gassen rauf und runter und war sehr angetan. Die Moselpromenade hier ist recht nett. Und man hat immer irgendeine schöne Aussicht. Noch vor der Zeit lief ich aber dann auf die andere Moselseite zum Italiener. Mein Terrassenplatz war noch belegt, so nahm ich vor der Tür, da standen zwei Bistrotische, einen Wein, bis mein gebuchter Tisch frei wurde. Seeeehr tolle Bedienung, sehr nette Aussicht und die Pizza war auch okay. Es ist schon klar, warum der Laden so brummt.
Ich lief wieder über die Brücke und suchte mir eine Weinbar. Ich landete im Stüffje, das aber schon aufräumte. Ich habe aber mit einem Kellner (oder dem Besitzer) noch nett bei einem leckeren Weißburgunder geplaudert. Er hat mir noch einen Riesling zum Probieren gegeben, aber der war mir auch wieder zu kräftig. Ich bin ein Burgundertyp. 🙂 Der Laden ist sehr nett, aber ich suche mir für morgen was mit Terrasse. Insgesamt klappt man hier früh die Bürgersteige hoch. Die Tagestouristen Laugen die Einwohner aus und abends will man dann wohl seine Ruhe. Nicht, dass mir nachts nicht noch haufenweise weinseligtorkelnde Männer entgegenkamen. Das sind dann die Hoteltouristen.
Ich erinnerte mich an den Weinautomat mit gekühlten Flaschen (Foto weiter oben) und besorgte mir dort einen Blanc-de-noir fürs Hotelzimmer, wo ich jetzt gerade – mit KLIMAANLAGE! – diesen kurzen Erlebnisbericht schreibe. Ich hoffe, Ihr habt einen kleinen Eindruck von Cochem bekommen und würde mich freuen, wenn Ihr auch morgen wieder hier an der Mosel seid.
Liebe Grüße
Euer Gerry