Ihr Lieben,
am Abend trank ich auf dem Zimmer natürlich noch das ein oder andere Glas Wein, als ein fürchterliches Grunzen einsetzte. Einer meiner Zimmernachbarn schlief offensichtlich mit geöffneten Fenstern, meine waren auch sperrangelweit aufgerissen. Und er schnarchte um sein Leben, das hatte ich so noch nicht gehört. Selbst die Einbauschränke wackelten. Ein Hoch auf den modernen Hörschutz.
Um halb 9 morgens begab ich mich ins Bistro, wo das Frühstück serviert wurde. Es war ganz anständig. Leider fing es draußen an zu nieseln, das versprach schon mal nichts Gutes. Als ich noch fantasierte, mit Regenschirm bewaffnet ausreichend gerüstet zu sein, verstärkte sich der Regen zur Bindfadendichte. Also fiel der Beschluss, mit Cora durch die Lande zu fahren.
Erste Station war der ehemalige „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes“, im Volksmund „Regierungsbunker“ genannt. Dort kann man zu einem sehr stolzen Eintrittspreis eine Führung buchen, die Fotografieerlaubnis kostet ebenfalls extra. Aber es ist wahnsinnig interessant und spannend! Angelegt in einem früher geplanten, nie fertiggestellten Eisenbahntunnel wurde auf über 17 km Wegstrecke der Ernstfall geprobt und alles für die wichtigsten Vertreter des Volkes vorgehalten. Heute vielleicht undenkbar! Nach damaligen Verhältnissen atombombensicher, autark und angeblich super geheim. Dazu muss man wissen, dass nach der Wiedervereinigung die kompletten Pläne des Bunkers in den Archiven der Stasi gefunden wurden. Es lohnt sich, pünktlich zur Eröffnung hier zu sein, da es sich später ziemlich knubbelt, wahrscheinlich insbesondere bei Regenwetter.
Als die Führung zu Ende war, nieselte es immer noch. Daher war mein nächster Stopp die Römervilla. Die Existenz einer bestehenden großen römischen Anlage war wohl schon länger bekannt, das Ausmaß wurde aber erst sichtbar, als in den 80er Jahren die Umgehungsstraße in Ahrweiler gebaut wurde und dabei die Ruinen in ihrer Gesamtheit freigelegt wurden. Jetzt ist alles überdacht und man kann die Fundamente und Überbleibsel eines römischen Herrenhauses mit Nebengebäuden begehen. Hier ist der Eintrittspreis noch zivil, insbesondere wenn man eine Gästekarte hat, zudem ist es, jedenfalls für mich, immer spannend, Wege entlang zu laufen, auf denen vor Tausenden von Jahren schon andere Menschen gegangen sind. Und dabei ein bisschen ihre Geschichte zu spüren.
Auch nach diesem Programmpunkt hatte das Wetter sich noch nicht wirklich gebessert. Ich beschloss, den schönsten Programmteil meiner Reise jetzt zu absolvieren. Ich ging weinkaufen. Ja, ja! Dieses Verb existiert, es wurde extra für mich erfunden. Von mir. Und von anderen vor mir wahrscheinlich auch. Ich fuhr zur Winzervereinigung, zum Kloster Marienthal und zu Brogsitter und belud Cora, bis sie ächzte. Ich fürchte, meine Kreditkarte ächzte auch. Aber das höre ich ja Gott sei Dank erst Wochen später.
Erst jetzt klarte es endlich etwas auf, ich stellte Cora auf dem Hotelparkplatz ab und lief durch das Adenburgtor die Weinberge hoch zur Gedenkstätte Silberbergtunnel. Kurz bevor man an der Gedenkstätte ankommt, hat man einen sagenhaften Blick auf ganz Ahrweiler. Der Silberbergtunnel gehörte auch zu dem Eisenbahnprojekt, das durch die französischen Besatzer untersagt wurde, daher stehen dort Viaduktpfeiler, aber die Verbindung für die Schienen wurde nicht mehr fertiggestellt. Dafür konnten sich im Zweiten Weltkrieg die Ahrweiler bei Angriffen in der sogenannten „Stadt im Berg“ verschanzen. Bis zu 2400 Menschen fanden dort Unterschlupf, bis durch Bombardement auch der Tunnel zerstört wurde.
Ich überlegte, noch zur Weinbergkapelle weiterzuwandern, hörte dann aber das 16-Uhr-Läuten aus der Stadt, ein klares Zeichen, zurückzugehen und für das leibliche Wohl in Form eines großen Krugs Bier zu sorgen. Auf dem Weg am Bahnhof vorbei dachte ich darüber nach, noch schnell nach Bad Neuenahr zu fahren, aber dann fiel der Zug aus. Ja ehrlich, kann man mir noch klarere Zeichen geben? Ich denke nein!
Ich beschloss im Marktbrunnen einzukehren, wo ich 10 Minuten lang beobachtete, wie sich drei Kellner kettenrauchend ausschließlich mit sich selbst beschäftigten, so dass ich die Lust verlor und zu meinem gestrigen Tisch beim Hotel zum Stern zurückkehrte. Den passenden Loriot-Ausspruch, ob ich den Herren vielleicht etwas bringen könne, verkniff ich mir. Im Stern wurde ich prompt bedient und plauderte auch noch nett mit dem Kellner.
Das Abendessen gestaltete sich schwierig. Ich hatte zu spät in den von mir ausgewählten Gaststätten angerufen. Alles ausgebucht. Auf gut Glück ging in den Innenhof der Pizzeria Perla, wo ich noch einen Platz ergattern konnte. Das war gut so, denn die Chefin war super nett, der Wein extrem lecker und das Essen sehr gut.
Alles in allem kann man es an der Ahr auch mal bei Regen aushalten. Es war ein schöner Tag und ich könnte noch länger bleiben. Morgen mache ich dann das Umland unsicher. Ihr seid doch sicherlich dabei, oder?
Liebe Grüße, Euer Gerry