Tag 3: Giraldo al borde de un ataque de nervios en Dubai

Ihr Lieben,

Almodóvar muss mir seinen Filmtitel borgen: Ich stand kurz vor einem Anfall, ich hatte heute einige der schlimmsten Momente meines Lebens und bin gerade auf Dubai nicht wirklich gut zu sprechen. Auch das Hotel hat wieder Minuspunkte gemacht. Okay, ich möchte nicht verhehlen, dass es auch einige wirklich gute Momente gab, aber die hätten den Tag überstrahlen sollen. Sie werden durch Ereignisse überschattet… Ach, ich erzähle mal chronologisch, Ihr werdet das alles zuordnen können.

Schlaf gut, Frühstück gut, Hotelshuttle schlecht. Punkt 10 Uhr fand ich mich an der Rezeption ein, um in die Stadt zu shuttlen. Ob ich denn reserviert hätte, der Bus sei ja ausgebucht? What? Ich fragte gestern früh nach dem Shuttle, der fiel aus. Ich fragte abends, ob er denn heute gehe. Ja, klar! Im Nachhinein tut es mir ja ein bisschen leid, aber da musste ich sarkastisch werden: Ob man vielleicht nachvollziehen könne, dass es möglicherweise eine gute Idee gewesen wäre, mich in meinen vorherigen Gesprächen den Shuttle-Bus betreffend über die Reservierungspflicht aufzuklären? Man guckte betreten und fragte, ob ich denn für morgen eine Reservierung wünsche. „Morgen gehe ich aufs Schiff!“, blaffte ich über den Tresen. „Aber vielen Dank!“.

Ich trippelte also wieder zur Metro „max“ (die heißt wirklich so), wobei es noch heißer war als gestern, was ich kaum für möglich hielt. Wenigstens hatte ich an mein Dubai-Käppi gedacht und das Hirn so vorm langsamen Gartod bewahrt. Naja, zumindest fühle ich nichts, aber das merkt man ja immer als Letzter, wenn im Oberstübchen etwas nicht stimmt.

An der Dubai Mall stieg ich aus und wanderte wieder die 99 Kilometer von der Metro in die Mall hinein. Ich wunderte mich etwas, dass da so viele Absperrgitter standen und so viel Security im Einsatz war. Nun, man wird sich ja was dabei gedacht haben, immerhin ist heute der Nationalfeiertag: Heute vor 52 Jahren haben sich die sechs Emirate zu den VAE vereinigt. Tag der emiratischen Einheit quasi. Da wuchs zusammen, was…. ach jeh, ich schweife ab.

Ich überlegte, erst das VIP-Ticket für meinen Nachtbesuch im Burj Khalifa abzuholen. Die App mit dem Code gab mir eine vage Wegbeschreibung. Untergeschoss der Mall, zum „To-the-Top-Schalter“. Ich irrte wie ein Geisteskranker durch die Mall und fand alles: Ein Polizeimuseum, ein Legoland, einen deutschen Herrenschneider, ein Aquarium, die berühmte „Himmelsscheibe von Dubai“ sowie die verschollene Leiche von Jimmy Hoffa. Nur den Ticket-Counter fand ich nicht. Ich fragte mich mehr als eine Stunde durch, bis ich endlich davor stand. Und er ist so einfach zu finden, wenn man NICHT von der Metroseite her kommt. Vom Brunnen aus oder von den Bussen her ist es nämlich recht simpel. Wenigstens habe ich jetzt ungefähr die Systematik der Mall verstanden. Ich mag sie nicht besonders.

Mit meinem Burj-Ticket in der Hand erklomm ich wieder die Rote Linie, ich war sie ja gestern nicht komplett gefahren und wollte die Route in Gänze gemacht haben. Zudem wollte ich einen Stopp am „Dubai Frame“ einlegen, einer Konstruktion, deren Aufzüge einen auf einen gläsernen Steg in 150 Metern Höhe bringen. Man soll quasi einen durchsichtigen 360°-Rundumblick haben. Ihr wisst ja, auf sowas stehe ich total! Die Fahrt war dann auch ganz nett, vor allem, um noch einmal einen Blick auf die schönen Creek-Viertel zu werfen. Am Frame stieg ich dann aus und wunderte mich ein bisschen über die langen Schlangen an den Kassen. Als ich nahe genug war, um lesen zu können, dass die Wartezeit an den Aufzügen 75 Minuten betragen würden, war der Bus weg. 75 Minuten in der prallen Sonne in einer Warteschlange? Keinesfalls! Dann lieber 30 Minuten auf den nächsten Touristenbus warten und auf die blaue Linie wechseln. Oh, guck mal da! Ein Linienbus, der zu einer Metrostation fährt. Ich wollte ein Ticket lösen, das ging nicht, man brauchte ein schon aufgeladenes Kärtchen, wie weiland meine Tageskarte von gestern. Wo ich denn eines erstehen könne? Na, hier in der Pampa nirgendwo.

Ernsthaft? Was soll das? Was haben sich die hiesigen Verkehrsbetriebe dabei gedacht? Ich versuchte, per App nach der Möglichkeit eines Online-Tickets zu suchen, aber beide SIM-Karten funktionierten mal wieder nicht. Irgendwie hatte ich dem Emirat mehr zugetraut. Touristen in Deutschland geht es mit Nahverkehr und Netzabdeckung ja möglicherweise ähnlich. Ich war zum wiederholten Male an diesem Tag etwas angepisst. Der rote Bus kam dann auch noch mit Verspätung.

Ich wechselte auf die blaue Linie. Die zäh wie Leim vorankam, herrschte doch mal wieder ein unglaublich dichter Verkehr. Immerhin kam ich irgendwann am Souk Madinat an, wo in der Nähe ja der Burj Al Arab steht. Ich hatte allerdings schon so viel Zeit verplempert, dass ich mir den Fußweg dahin schenkte. Man sah ihn aber ab und zu in naher Ferne auch vom Souk-Gelände aus. So, jetzt mal was positives: Verabschiedet Euch von Euren Vorstellungen eines überlaufenen Souk mit drängelnden Händlern. Hier ist alles schickimicki, ausgepreist, edel und einfach nur schön! Beinahe hätte ich meine Koffer abholen lassen und wäre hier eingezogen, denn selbstverständlich gehört auch ein Hotel zu dem Komplex. Kneipen gab es auch, die beschallten mithilfe talentierter Sänger die Gegend mit Coverversionen von Elton-John- oder Billy-Joel-Songs. Echt schön da! Zudem wurde aus Anlass des Nationalfeiertags eine Ausstellung mit Handwerkskünsten präsentiert. Ich fand den Falken sehr interessant, aber nicht sooo interessant, als dass ich ihn auf meinem Unterarm hätte sitzen lassen wollen, wie es der sympathische Herr geplant hatte.

Mein nächster Ausstieg war an der Dubai Marina. Hier war gut was los. Wir erinnern uns: Nationalfeiertag. Ich lief ein bisschen herum, auch mal zum Strand, aber insgesamt war es mir doch etwas zu voll und zu laut und so fuhr ich zur Dubai Mall zurück. So langsam bekam ich von den harten Schalensitzen etwas Rücken. Der Fahrstil der Busfahrer, inklusive der sporadischen Vollbremsungen, tut dazu übrigens sein übriges.

Ich kannte mich ja nun in der Mall einigermaßen aus. Eigentlich kann ich jetzt jederzeit als „Mall-Experte“ in irgendeiner Talkshow auftreten. Und so fand ich problemlos den Weg zum Brunnen von Dubai, der mehrmals am Tag, aber insbesondere abends, eine spektakulär synchronisierte Fontänenshow bieten soll. Hier fing ich schon an, mich zu wundern. Wieder überall Absperrgitter und die Menschmassen, denn das waren sie inzwischen, wurden mit schrillem Gepfeife und Herumfuchteln mittels grüner und roter Stäbe kanalisiert. Als es nicht mehr weiterging und sich die Massen in die Mall zurückstauten, stieß ein Mann plötzlich eines der Absperrgitter um und die Massen quollen durch diese Lücke. Ich war darüber sogar froh, da ich fast direkt hinter dem Übeltäter stand und mich so einer aufkommenden Panik durch Flucht entziehen konnte. Auf dem Platz vor dem Brunnen war es zwar brechend voll, aber irgendwie verteilte sich alles ganz gut. Die Schaulustigen standen maximal in drei Reihen, daher wunderte ich mich über die Steuerungsmaßnahmen schon zu diesem Zeitpunkt etwas.

Die Brunnenshow ist toll. Zu einem fetzigen arabischen Song schossen die Fontänen hoch und wiegten sich zur Musik. Das war schon geil. Ach, das sagte ich ja mit „toll“ bereits. Man kann sogar mit einem Boot auf dem See drumherum fahren, aber dazu fehlte mir die Zeit, denn ich hatte ja ein 19-Uhr-VIP-Ticket für den Burj Khalifa! Yeah!

Tja, was soll ich sagen? VIP? Fürn Hintern! Wir wurden wie auf einem Almauftrieb in einem Affentempo durch eine Ausstellung gejagt (die man auch ohne VIP sehen darf, dann allerdings ohne Erläuterungen, die aber ohnehin so gar keine neuen Erkenntnisse brachten), wir waren zu etwa 100 Menschen, die sich in die Aufzüge quetschten, wir wurden wie Vieh durch die Etagen gelotst, sollten Fotos kaufen, bekamen einen Teelöffel kalten Kaffee und einen zugegebenermaßen leckeren Keks, eine Dattel und sollten dann Souvenirs oder superteure Fake-Fotos kaufen (man wurde vor einem Greenscreen fotografiert und der Burj wurde nachher reinkopiert). Dafür hatten wir das Privileg, statt auf den Etagen 124 und 125 auch noch auf der Etage 148 auf einen Balkon gehen zu dürfen, von dem man aus durch total speckige Glasscheiben auf das Dubaier Lichtermeer glotzen durfte, immer alle zehn Sekunden weggeschubst von Mitmenschen, die bedrohlich mit ihrem Selfiestick herumwedelten. Ungelogen: Die 20 Etagen machen es dann auch nicht mehr. Und 60 Euro Aufpreis für eine Dattel und einen Keks? Nee, das muss nicht. Verglichen mit der Aktion in Saigon ist der Ausblick schöner, aber das Erlebnis an sich deutlich schlechter.

Ich hielt mich nicht lange oben auf, und so konnte ich eine weitere Brunnenshow, diesmal mit Adeles „Skyfall“ untermalt ansehen. Inzwischen standen die Zuschauer in Zehnerreihen. Die Zu- und Abgänge zur Mall waren dem Gutdünken der Sicherheitskräfte unterworfen. Innendrin – ich wollte zur Metro, ich Dummkopf! – war es so voll, dass sich die Menschen wie ein zusammenklebender Lavastrom fortbewegten. Richtung Metro-Footwalk staute sich dieser Strom immer öfter (weil die Sicherheitskräfte Absperrketten bildeten), aber dennoch drückten von hinten ja weitere Leiber nach. Es war schrecklich! Das kann man gar nicht beschreiben. Wenn da eine Panik ausgebrochen wäre, hätte es massenweise Tote gegeben. Ich übrigens hatte Panik und musste mich sehr konzentrieren, nicht auszurasten. Es gibt einige Menschen, die schon einmal Panikattacken wegen Gedränges von mir mitbekommen haben, die werden bestätigen können, dass das kein nettes Erlebnis ist. Und bei allen vorherigen Ereignissen war es deutlich harmloser. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Schleuserei falsch und unnötig war. Stellenweise wurden die Ströme ganz dicht links und rechts der Wände geleitet und die Mittelgasse (doppelt so breit) war durch Absperrgitter nicht zugänglich und menschenleer.

An der Metrostation „Mall“ zankten sich dann die Massen um die Ticketautomaten. Ein Mann der RTA, die sind für den ÖPNV zuständig, muss mir etwas angesehen haben, er prügelte sich mit mir zu einem davon durch und erledigte alles für mich. Ich habe gerade ungelogen Pipi in den Augen, während ich das schreibe. Mein persönlicher Held von heute. Durch die Ticketkontrollen wurden wir einfach durchgewunken, man hatte die Schranken aufgemacht. Die Zustände in den Wagons waren schlimmer als in jedweder denkbaren Dystopie. In der Station „max“ angekommen, habe ich mich erst einmal hingesetzt. Nach 15 Minuten lief ich dann zu Fuß zum Hotel, was aber ganz gut tat, um wieder runterzukommen. Ich zitterte tatsächlich wie Espenlaub und war nervlich am Ende.

Im Hotel habe ich dann nur noch meinen Wein aufgemacht und zu schreiben begonnen. Es tut mir leid, dass ich mich gerade so entblättert habe, aber ehrlich: Ich musste das jetzt im wahrsten Sinne des Wortes „los“ werden. Jetzt geht es auch schon wieder viel besser. Dennoch: Dubai hat heute in meinem Ansehen schwer Schaden genommen.

Es sollen aber heute im Bericht auch die schönen Dinge haften bleiben: Mein Held von der RTA, die Brunnenshow, die freundliche junge Dame, die mir im teuersten Süßigkeitenladen der Welt eine Kostprobe gab: Hafiz Mustafa. Suuuper lecker, eine Art Lokum der Spitzenklasse, aber mit Kilogrammpreisen zum Niederkieen, aber vor Schreck. Übrigens eine total schöne Ladeneinrichtung auch! Was noch? Ach ja, der Madinat Souk. Superschön!

Es wäre gelogen zu sagen, dass Dubai schrecklich sei. Aber im Moment denke ich, dass es okay war, herzukommen, ich aber in Zukunft doch darauf verzichten könnte. Morgen gehe ich ja aufs Schiff und habe noch eine Nacht hier. Aber da versuche ich, mich nicht vom öffentlichen Nahverkehr, ach was rede ich, von gar keinem Verkehr, abhängig zu machen und nur so in den Tag zu leben. Vielleicht eine Bootsfahrt, vielleicht eine Führung durch die für Nichtmuslime einzig zugängliche Moschee in Dubai.

Ich bin so unschlüssig, dass ich mich selbst überraschen werde. Seid Ihr dabei?
Liebe Grüße, Euer inzwischen entpanikisierte Gerry

P.S.: Wer kann dazu schon nein sagen?

P.P.S.: Und ein Bierbild gibt es heute auch nicht, es gab tatsächlich kein Bier, hatte keine Zeit dazu 🙂 Dafür aber ein unscharfes „Jetzt lasst mich doch auch mal ans Fenster-Bild“:

P.P.P.S.: Das Video mit der dreiminütigen ersten Brunnenshow darf ich hier gerade nicht hochladen, wie man mir mehrmals mit „Hoppla, das ist etwas schief gegangen“ mitteilt. Wer es sehen möchte: wieder in D werde ich das auf Youtube hochladen dürfen. Hier darf ich das nicht.

4 Gedanken zu „Tag 3: Giraldo al borde de un ataque de nervios en Dubai“

  1. Lieber Gerry, schon beim Lesen bekam ich Schnapp-atmung…

    schappp-oooh, wie du dich durch diese unbekannten Gebilde da in den Massen bewegt hast ohne fremdenFührer (….)

    Die Foto der Wolkenkratzer sind aber der Knaller!!! Gutes Auge !

    Ab heute (?).geht’s aufm Schiff dann wieder in deutsch-geordneten Bahnen weiter..reläääx?!

    Tja, das mit den Menschenmassen überall…lässt mich immer nur nach Juist reisen, seufz…

    Freue mich auf deine nächsten lebendigen Nachrichten hier, äscht!!

    Petra grüsst in die weite Gerry-Welt!

    1. Dann sollte ich das auch mal buchen, liebe Petra, da war ich auch noch nicht. Womöglich gibt es dann dort eine Massenprügelei am Buffet um das letzte Croissant 🥐 😂
      Bis spätestens zum Tapas Abend? Liebe Grüße, Gerry

  2. Hallo Gerry, die Bilder sind schon sehr beeindruckend, aber wie du nun bestimmt selbst gemerkt hast, sehr viel Show dabei.
    Da sieht man doch mal, was die mir dem ganzen Geld machen, welches wir beim tanken lassen müssen🤣
    OK bin gespannt auf deine Schiffahrt, lass es dir gutgehen 👋 VG Claudi

    1. Der Regent wollte in allem der Beste sein, bis die Finanzkrise 2008 ihn und Dubai an die Grenzen brachte. Eine Finanzspritze aus Abu Dhabi rettete das Emirat wohl.
      Ein spannender, aber auch sehr anstrengender Ort.
      Liebe Grüße, Gerry

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