Ihr Lieben,
über den gestrigen Gastbeitrag habe ich mich sehr gefreut. Noch einmal einen herzlichen Dank an Frank und Willy! Ich nehme das jetzt auch einmal zum Anlass, die achtköpfige Reisegruppe in den Himmel zu loben. Es funktioniert einfach! Ohne große Diskussionen. Jeder macht sein Ding und dennoch sind wir eine wirklich harmonische Gruppe. Wie Willy und Frank gestern schrieben, ist natürlich für sie die Herausforderung auf so einer Reise auch noch eine andere. Daher auch der Gedanke, einen niederländischen Post verfassen zu lassen. Klar, beide sprechen besser deutsch, als 99,99% meiner Freunde niederländisch! Mich würde interessieren, wer sich von meinen Lesern die Mühe gemacht hat, den Gastbeitrag ohne Google zu verstehen.
Gestern war Faulenzerei angesagt. Das Tagesprogramm versprach, dass wir mehrmals am Tag gefüttert werden würden. Hat geklappt. Es sollte einen Vortrag geben (den ich verpasst hatte, faulenzen ist anstrengend und bringt den Tagesrhythmus durcheinander!). Aber ich machte viele Fotos von Niluferszenen (Ni-Lufer wäre übrigens ein schöner Name für eine/n Pahraon/en/in), da müsst Ihr für die Bilder einfach den gestrigen Artikel noch einmal ansehen.
Um einer möglichen Monotonie vorzubeugen (es gibt sie nicht!), wurde nach dem Mittagessen von Achmed II ein Ägypten-Quiz ür alle Passagiere angesetzt. Willy und Frank gewannen es. Ich scheiterte an der Frage, welcher ägyptische Fussballspieler bei Liverpool unter Vertrag steht. HÄH? Was ist Fußball? Außerdem wusste ich nicht, wie viele Personen am Bau der Pyramiden beteiligt gewesen sein sollen. Ich hätte Herodot nicht so voreilig aus meiner Facebook-Freundesseite rauskicken sollen.
Am Abend gab es einen Spaziergang in Beni Suef. Da der gestrige Spaziergang bei denjenigen, die ihn aus unserer Gruppe unternahmen, Tränen der Freude hervorriefen, machte ich den heutigen auch mit. Was soll ich sagen? Puh! Es macht irgendwie keinen Spaß, in einem Polizeikordon, in einem Polizeikokon, wie eine Ziegenherde einem festgelegten Pfad, ohne Kontakt zu Ägypten, zu folgen. Monika ging am festgelegten Umkehrpunkt 3 Schritte weiter und hat damit fast internationale Konflikte ausgelöst (trägt sie womöglich Schuld am Scheitern der Ampel?). Erstaunlicherweise werden wir in Kairo völlig frei und selbständig herumlaufen können sollen. Ist Beni Suef etwa ein Terroristennest? Nein, man hat wieder gewunken und war superfreundlich.
Nach dem Spaziergang saßen wir auf dem Sonnendeck und Reiseleiter Achmed II gesellte sich zu unser aller Freude zu uns. Kurz vor Bettgehzeit legte ein wunderschönes, altes Schiff neben uns an. Es soll für eine 10-tägige Reise den dreifachen Preis aufrufen! Könnt Ihr bitte für mich sammeln? Die Mitarbeiter des Schiffes zogen nach der Längsseitenverbindung beider Schiffe auf jeden Fall erst einmal alle Gardinen zu. Der Plebs sollte nicht in das Schiff schauen dürfen. Zu spät. Monika und ich sahen alles. DA STEHT EIN FLÜGEL IM RESTAURANT!
Heute Morgen fuhren wir dann schon auf Höhe der ersten Pyramiden vorbei. Sie waren aber nur schemenhaft in der Ferne zu erkennen. Dennoch knipsten sich alle die Seele aus dem Leib. Hallo? Wir stehen ab morgen livehaftig davor!
Es wurde im Laufe der Fahrt immer urbaner und noch urbaner und gegen 13 Uhr landeten wir an unserem Liegeplatz an. Direkt nach dem Mittagessen fuhren wir zu unserem ersten Ziel in Kairo: dem Nationalmuseum für ägyptische Zivilisation. Hier befinden sich zahlreiche Mumien der alten Dynastien. Achmed II warf die Frage auf, ob es ethisch vertretbar sei, Leichen so öffentlich zur Schau zu stellen. Er mag das nicht. Aber immerhin sei es dem Museum gelungen, eine einigermaßen friedvolle Umgebung für die Mumien zu schaffen, in der Fotografier- sowie Sprechverbot verhängt wurden. Das stellte sich leider als großer Irrtum heraus; zwar wurde nicht viel fotografiert, aber dafür herrschte ausgelassene Partystimmung. Übertönt wurde diese nur von dem Geschrei der Wärter, man solle leise sein und seine Kamera wegstecken. Bei Ramses II herrschte nachgeradezu Karneval. Ich war dann auch recht schnell mit diesem Teil des Museums durch. Ein bisschen gruselig ist das schon alles irgendwie. Und als halbfertiger oller Jurist fiel mir wieder der Paragraph bzgl. der Störung der Totenruhe ein.
Es gab eine weitere Ausstellung mit Kunstgegenständen der letzten paar tausend Jahre, sowie eine Textilausstellung. Skulpturen, Kaaba-Vorhänge, Gemälde, Schmuck. Das war dann noch ganz interessant. Das Museum war übrigens rappelsvoll, sieht man ja oben auf dem Bild. Vor den Eingängen zu den Ausstellungshallen gibt es zudem einige Geschäfte; an einem Stand ließ ich mir von einer Maschine einen Papyrus malen, ich erwarb aromatisches Oudh-Öl und erstand im Museumsshop für mich einen schönen Steinskarabäus. Der bringt Glück (jaja, ist so!) und kostete mich 2 Euro 50. Ich hätte ihn im Bazar möglicherweise für die Hälfte bekommen, aber 30 Minuten Handeln kosten mich 120 Minuten Lebenszeit. Erwähnte ich, dass ich Festprei…. ach ja, tat ich.
Ja, und dann lernten wir den kairoer Verkehr kennen. Ich sage es Euch, das ist nichts für schwache Nerven! Nach einer langen chaotischen Fahrt, unter anderem an der Saladin-Zitadelle, der Stadt der Toten und in der Ferne der Alabaster-Moschee vorbei, erreichten wir den fantastischen und großen Basar Kairos, Khan El Khalili.
Ich bin ja weiß Gott kein Freund von Menschenansammlungen, und der Basar war voll!, aber der ist schon wirklich sehenswert. Bling-Bling an allen Ecken und Enden, toll illuminiert, mit schönen Gebäuden. Ich kann ja nicht handeln, war aber stolz wie Oskar, als ich eine Statue des Gottes Bes (ich hoffe, es ist Bes, nicht, dass ich mir einen Dämon ins Haus hole!) und mehrere Skarabäen für etwa 20% weniger bekam. die sofortige Zustimmung zu meinem Preisvorschlag hat mich allerdings im Nachhinein etwas stutzig gemacht.
Bei diesem Ausflug gab es zwei Optionen: Entweder trieb man sich auf eigene Faust 75 Minuten herum und kehrte zum Ausgangspunkt zurück, oder aber man schloss sich nach nur 30 Minuten Freizeit Achmed I an, um einen geführten Spaziergang durch den Basar zu einer anderen Abholstelle durch den Bus mitzumachen. Ich lief. Und es hat sich gelohnt. Ich hatte etwas Sorge, dass mir der Moloch Kairo einen Tacken zu laut, zu viel, zu trubelig, zu alles sein könnte. Aber die WOW-Momente ließen mich das vergessen. Wir bekamen nicht erklärt, was was war, aber das war jetzt genau richtig. Wenn ich an das Kairo von 2012 denke (also, wie man es mir damals gezeigt hatte) und der Präsentation von heute: Ätzend gegen Spannend! Ich denke, es ist eine genauso faszinierende Stadt wie Istanbul, wo ich übrigens mehrmals, aber eben auch schon mit der Doppelkopfgruppe war.
Die Rückreise zum Schiff war wieder verkehrschaotisch. Und sie hat etwas länger gedauert, da eine… nennen wir sie mal Elvira… vermisst wurde. Der Bus stoppte, es wurde telefoniert, alle tuschelten „Wo ist Elvira?“. Die NATO wurde in Gefechtsbereitschaft versetzt, Botschaftsdepeschen wurden ausgetauscht. Da hieß es nach 10 Minuten plötzlich: „Da sitzt sie doch!“. Die arme Frau hatte es gewagt, sich woanders hinzusetzten und hätte dadurch fast für diplomatische Verwicklungen gesorgt.
Nach dem Abendessen haben wir noch einen sehr schönen Abend miteinander auf dem Sonnendeck verbracht. Wir sind an einem ausgemusterten Thomas Cook-Schiff angedockt, das würde in Deutschland als „Lost Place“ durchgehen und eine Attraktion sein. Für uns ist es ein Landgangssteg. Das Thema kam auf, wie wir die Reise wahrnehmen. So eine Einstimmigkeit habe ich selten erlebt. Es ist ein Traum. Für speziell mich ein wahrgewordener Traum. Und ja, ich weiß, dass gerade ich es in Ägypten nicht leicht hätte und einiges andere auch nicht stimmt. Das bestätigen ja selbst unsere beiden Achmeds.
Jetzt folgen zwei Tage Extrem-Kairoing! Pyramiden! Gizeh. Sakkara. Dashur! Koptisches Viertel. Alabaster-Moschee. Noch mehr Bazare! Und, und das ist ein Sahnehäubchen, das ägyptische Museum!
Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr unsere Erlebnisse hier in der 22-Millionen-Menschen-Metropole weiter verfolgt!
Liebe Grüße, Euer Gerry
Hallo Gerald,
also mir fiel der Gastbeitrag nicht schwer zu lesen 🙂 , witzigerweise habe ich erst nach einiger Zeit aufgrund des Inhalts gemerkt das er in niederländisch war :-). Tolle Idee. Ich genieße es wieder Deine Reise mit zu machen und freue mich auf weitere Erzählungen aus Kairo. Viel Spaß noch
Grüße Sylvia
Liebe Sylvia, mit Deiner Vielsprachigkeit wundert mich das nicht. 😁
Schön, dass Du wieder mitgereist bist!
Liebe Grüße vom Schiff
Gerald