Ihr Lieben!
Die Hotelmanagerin geht mir inzwischen ziemlich auf die Nerven. Ich wollte meine Getränke zahlen, aber die Rechnung war viel zu hoch. Die Dame an der Rezeption meinte, da sei ja auch noch das Essen bei. Im Reiseprogramm stand Halbpension, die Rezeptionistin korrigierte die Rechnung und ich ließ ein Trinkgeld für die Köchinnen in Höhe der Essenskosten da. Kaum auf dem Zimmer, um den Rest meiner Plünnen zu packen, klopfte man wie wild an die Tür, die Managerin wünsche, dass ich das Essen bezahle. Much Stress! Ich gab ihr die Nummer von Elber, der klärte das dann wohl. Als es hinunterging, schickten sie wieder das kleine Mädchen für das Gepäck. Also, so schön der Ausblick und so nett das Konzept des Gemeinschaftsessens ist… da möchte ich nicht noch einmal wohnen. Nicht wegen der Schlichtheit der Unterkunft oder dem problematischen Zuweg, nicht wegen des spärlichem Heißwasser, es ist einfach nur das besch…. Management.

40 Minuten zu früh kam das Mädchen angewieselt und schnappte sich meinen Koffer. Inzwischen war mir das auch egal. Ob ich nun oben auf der Terrasse oder unten auf der Mauer dumm rumhocke… Ziemlich pünktlich kam dann Calú und brachte mich über die schöne Küstenstraße durch Pombas, Sinagoga und Ribeira Grande nach Punta do Sol. Auf dem Weg hielten wir öfter an, weil er viel zu telefonieren hatte. Aber er erklärte auch viel. Kurz vor Punta do Sol hielt er für einen Fotostopp und bot mir einen erweiterten Ausflug für morgen an. Ich würde ja sonst ewig am Hafen hocken. 100 Euro für ein halbes Dutzend sehenswerter Stopps. Ein wahrer Businessmann. Aber ich schlug ein. Der Gedanke, ohne Herzkasper noch einiges von der Insel mitzunehmen, klang verlockend.







Sinagoga hat seinen Namen von der inzwischen verfallenen Synagoge einer größeren jüdischen Gemeinde, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts hier ansiedelte. Geblieben sind noch Familiennamen und ein jüdischer Friedhof. Alle Städtchen hier sind sehr klein und übersichtlich, auch die Distrikthauptstadt Ribeira Grande. Auf Santo Antão leben gerade mal knapp 50.000 Menschen, Zahl abnehmend, da die jungen Kapverdianer ihr Glück woanders suchen.
Die Unterkunft in Punta do Sol ist sehr schön, wenn auch extrem hellhörig, wie sich später herausstellte. Über meinem Zimmer befindet sich nämlich die Dachterrasse mit Restaurant. Holzstühlerücken auf Fliesen, toller Sound. Man hatte zwei Zimmer für mich reserviert, da hat man wohl das Storno für meinen ursprünglichen Begleiter vergessen (auch diese Geschichte nervt, aber das muss ich persönlich erzählen, das würde hier den Rahmen sprengen). Ich richtete mich ein und brach zur Erkundung des Ortes auf. Tja, das war recht schnell erledigt. Es ist ein ziemlich verschlafenes und übersichtliches Nest. Nett. Kirche, alter Flughafen (die Hauptattraktion!, weil angeblich wegen zu vieler Ziegen und Hunde auf der Landebahn nicht mehr anzufliegen), der winzige Hafen, das Zentrum mit Rathaus, Bank und Minimarkt. Fertig. Aber nett.







Ich setzte mich auf eine Barterrasse am großen Platz und genehmigte mir ein Bierchen und aß das erste Mal in meinem Leben Muräne. Ich dachte immer, die seien giftig, aber hier wird einem die frittierte Version davon überall angeboten. Also, wenn Ihr morgen nix von mir hört… Ist sogar ganz lecker, aber mit sehr, sehr vielen Gräten.

Einen kleinen Aufreger gab es: Im Hotel angekommen, war mein Ersatztelefon mit den ganzen Tour-Kontakten weg. Ich ging schwer davon aus, dass es mir im Auto aus der Tasche gerutscht war, und ich es daher morgen wiederbekäme, schrieb aber dennoch eine Mail an die Agentur, dass ich solange nicht mehr über WhatsApp erreichbar sei. Man begab sich wohl auf die Suche und tatsächlich hatte sich Calú gemeldet, dass das Handy noch im Wagen lag. Ich komme scheinbar in das Alter von Brillenkettchen und Handygürteltaschen *seufz*. Calú kam dann an der Bar vorbei, wo ich saß, und überreichte es mir. Woher er wusste, wo ich hocke? Ich sag ja: die Insel ist klein… Ich lud ihn dann noch auf ein Essen ein. Und scheinbar kennt er jeden und ihn jeder.
Eigentlich wäre ich noch nach Fontainhas gewandert, weil das so schön sein soll. Aber es ist auch Part der für morgen zugebuchten Tour. Zudem war es stark bewölkt und hatte auch schon einmal leicht genieselt. Daher suchte ich den örtlichen Minimarkt auf, der, man höre und staune, auch kapverdischen Wein im Regal stehen hatte. Eine Flasche Rosé-Wein aus Fogo landete im Rucksack. Es folgten das obligatorische Nickerchen und der Erstaufschlag Tagebuch. Der Wein ist ziemlich stark, drei Tage offen stehen lassen, dann hat man wahrscheinlich eine Art Port.
Im Hotel hätte ich an einem Weihnachtsessen teilnehmen können. Also, Weihnachten ist ja für mich gerade so weit weg wie der Saturnmond Thetys. Zwar hängt überall weihnachtliche Dekoration, aber ein Gefühl stellt sich hier nicht ein. Ich begab mich zum Hafen, dort wurde mir das Restaurant Caleta empfohlen. Was soll ich sagen? Alles reserviert. Nachbarrestaurant? Alles ausgebucht. Ich hätte ein schönes Weihnachtsdinner jetzt ganz nett gefunden. Im dritten Restaurant, Império, allerdings meerblicklos, war ich der zweite Gast. Wenn der unentwegt und superlaut in sein Telefon quasselnde Mann denn ein Gast war… Im Laufe des Abends wurde es aber auch hier sehr voll. Es gab Spaghetti mit Mariscos. Und Katze auf Schoß. Was die immer mit mir haben. Die spüren meine Allergie und machen sich lustig! Und es gab Chá und Mangoeiscreme. Alles in allem also ein fast betulicher Tag, wenn man von den paar Aufregungen absieht.




Und während ich dies hier schreibe, habe ich die Live-Musik von der Dachterrasse als Untermalung. Gerade wurde etwas vom Buena Vista Social Club gespielt. Einmal mehr Kuba-Vibes.
Morgen also mittlere Inselrund- und dann Abfahrt zurück nach São Vicente. Wenn Ihr nicht hierbleiben wollt, müsst Ihr eben wieder mitreisen. Bis morgen denne, liebe Grüße, Euer

