Barcelona 2025, Tag 2: Oh Zeiten, oh Sitges!

Ihr Lieben,

ich faule Sau hab doch tatsächlich bis 10 Uhr geschlafen. Ja, so wird das natürlich nichts mit größeren Erkundungsfahrten! Ich inhalierte ein paar Tassen Kaffee (im Grand Hotel Rolf gibt es handaufgegossenen Filterkaffee!) und man bot mir an, zusammen nach Sitges, etwa 30 Kilometer westlich von Barcelona gelegen, zu fahren. Ich hatte ja früher eine starke Abneigung gegen Mallorca, Gran Canaria und eben auch gegen bestimmte mediterrane Küstenstädte. Ich brachte das alles in Verbindung mit Saufgelagen, Nackedeis, die durch die Fußgängerzonen rennen (auf Rhodos in Faliraki übrigens schon erlebt!), unaufhaltsamen Verfall der Sitten. Würde ich auch hier eines Besseren belehrt werden und mich in den Ort schockverlieben?

Busfahrpläne in Barcelona vermitteln eher eine grobe Orientierung als eine verlässliche Aussage. Aber das ist ja in jeder Großstadt so. Daher warteten wir ein wenig auf die Linie 16. Dafür bekamen wir aber Bruce Willis als Fahrer, der wie ein Max Verstappen die Autopista entlangpeste, dass es eine adrenalinöse Schreckensfreude war. Laut Rolf waren wir fast 10 Minuten schneller am Ziel als sonst.

Sitges war seit den 80er Jahren ein bekannter Schwulen-Treffpunkt mit einem gewissen Ruf (siehe oben). Inzwischen hat sich die Szene dort fest etabliert und die Stadt war heute geschmückt für die nächste Woche stattfindende Pride, bzw. Orgull auf katalanisch. So eine wilde Busfahrt trocknet aus und daher fanden wir uns vor der ausführlichen Besichtigung erst einmal auf die Terrasse einer Gay-Bar ein, um ein Kaltgetränk zu uns zu nehmen.

Es ist erstaunlich, welche Klischees andere Gäste bedienten. So waren Albin und George aus „La cage aux folles“ anwesend, aber auch der dicke Bär, der sein T-Shirt so weit hochkrempelte, dass man seine prächtige, unglaublich behaarte Wampe bewundern konnte. Und der – wie mir erklärt wurde – eigentlich eher konservative, von Spaniern bevorzugte Badeort bietet diesen Menschen, bietet uns einen sicheren Raum. Ich lieb’s!

Wir liefen Richtung Strand und bogen nach links zum Wahrzeichen von Sitges ab, der überregional bekannten Kirche Sant Bartomeu i Santa Tecla. Bevor wir aber die Treppen dorthin erklommen, wandten wir uns rechts dem Segelclub zu, wo wir tatsächlich einen Tisch ergatterten, obwohl andere Restaurants auf dem Weg ziemlich überfüllt waren. Möglicherweise lag das daran, dass das Menú del día etwas hochpreisiger war und kein Getränk beinhaltete. Wer sich davon hat abschrecken lassen, dem ist etwas entgangen. Der Tisch direkt am Wasser, die tolle Aussicht! Schon der Hauswein überzeugte uns. Das Essen war speziell, „Schweinegeheimnis“ und Zwerchfellfleisch. Leute, ich war hin und weg! Die Muscheln, die ich vorweg hatte, schwammen in einem See aus Kräuterbutter und waren göttlich. Das Zwerchfellfleisch (was ist das eigentlich genau?) butterzart, die Beilagen raffiniert. Die Tarta de Santiago hinterher ein Gedicht! Eine zweite Flasche Wein und zwei Flaschen Wasser später waren wir dennoch nur den sprichwörtlichen Apfel samt Ei los. Aber psssst!!! Soll ein Geheimtipp bleiben!

Wir erkundeten die Gegend um die Kirche, sehr nett, sehr gepflegt. Otto machte Siesta unter einem undefinierbaren Baum, während Rolf mich zum Friedhof begleitete. Damit Ihr Bescheid wisst: ich habe mir Gruft 2811 ausgesucht, die ist frei und hat seitlichen Meerblick. Wunderbare Grabstätten gibt es da, es ist ein sehr idyllischer Ort. Wir liefen um den Friedhof außen herum wieder Richtung Sitges, sammelten Otto ein und streunten ein wenig durch die Gassen. Es war ziemlich heiß, so ließen wir den Strandspaziergang sein (am Ende stehen die Villen der Reichen und Schönen) und gönnten uns einen Abschiedsdrink.

Leider war der Bus, mit dem wir die Rückfahrt antreten wollten, überfüllt und ließ uns stehen. Wir eilten zum Bahnhof, wo wir dann den Zug nach Barcelona erwischten und in Sants ausstiegen. Von dort aus liefen wir dann noch 25 Minuten nach Hause.

Hat sich denn nun mein Vorurteil ins Gegenteil verkehrt? Teilweise ja. Der Ort ist viel netter als gedacht. Aber halbnackt durch die Fußgängerzone stolzierende Gecken brauche ich immer noch nicht.

Wir legten uns in Sant Antoni eine halbe Stunde hin, machten uns anschließend wieder stadtfein und gingen zu einer um die Ecke gelegenen Tapasbar, wo wir draußen einen freien Tisch erwischten. Wir hatten Tortilla, Chorizo, Käsefritten, Croquetas, Pan Tomate und Oliven para picar, also quasi zum Teilen. Wunderbar. Inzwischen wehte auch ein laues Lüftchen, das war erfrischend.

Barcelona ist schon ein wirklich l(i)ebenswertes Nest. Mir scheint, dass das Zusammenleben (noch?) klappt und man sich so sein lässt und so nimmt, wie man halt ist. Man sollte aber nicht ausblenden, dass es hier auch offensichtliche Probleme gibt, wie die große Zahl Obdachloser z. B. Zudem sind die Mieten explodiert. Davon unbeschadet können Expats und Touristen hier leben wie die Made im Speck.

Das war ein eher gemütlicher Tag mit viel Entspannung und ein bisschen Völlerei. Muss man sich auch mal gönnen.

Morgen habe ich gebuchtes Programm. Wenn Ihr mögt, gucken wir uns zusammen den Parc Güell an und schippern ein wenig vor der Stadt hin und her. Über Begleitung freue ich mich ja immer.

Liebe Grüße aus Barcelona, Euer

P. S. : Ich hatte nachts das Fenster offen gelassen und gegen morgen wurde ich durch wildes Geschnatter diskutierender Menschen wach. Im Dämmerschlaf mischte sich das mit kruden Träumen. Wollt Ihr mehr darüber wissen? Ja? Nun, Pech gehabt, so einen Unsinn kann ich unmöglich weitererzählen.

I steh in der Költ’n und woat auf a Taxi, oba es kummt net… Äh… Hitz’n und Bus…

Barcelona 2025, Tag 1: Tibidabo

Ihr Lieben,

hat es den Gerry nun vollends erwischt, oder was soll diese absurde Überschrift? Aber von Anfang an…

Die Arztbesuche gestern waren jetzt weder besonders beunruhigend, noch sehr erhellend. Wie es weitergeht, zeigt sich in den kommenden Wochen; beim Zahnarzt war man zumindest scheinbar ehrlich entsetzt, dass ich so eine Passion hinter mir hatte. Vom der Praxis aus fuhr ich direkt zum Flughafenhotel, das doch nicht sooo nah am Terminal liegt, wie ich mir eingebildet hatte, da war das andere vor der Bosnienreise schon wesentlich dichter dran. Aber man bot mir für den Morgen einen kostenlosen Shuttle an. Auch ein Frühaufsteher-Frühstück wäre vorhanden gewesen, aber ich wollte jede Minute Schlaf auskosten, die ich bekommen konnte. Leider gab es da dann nicht viel von, die Angst, zu Verpennen, war zu groß. Zwar gab es eine Weckruf-Taste am Telefon neben dem Bett, aber die war, wie mir die Rezeption auf Rückfrage mitteilte, seit Jahren deaktiviert. Egal, ich schaffte es, mich um halb 5 aus dem Bett zu schälen und rechtzeitig am Gate zu sein.

Der Flughafen war bumsvoll, der Flieger war bumsvoll, in Barcelona war es bumsvoll. Der Flughafenbus war, Ihr ahnt es, bumsvoll. Die Straßen ins Zentrum… dito.

Rolf erwartete mich schon auf der Straße vor seinem Haus und nachdem ich mich kurz frisch gemacht hatte (im Haus, nicht auf der Straße!), gingen wir in eine nahegelegene Eisdiele, um Kaffee zu trinken. Dann wechselten wir in eine Bar um die Ecke, um auch noch einen Cava zu trinken. Ein Urlaubsstart ohne Sekt? Geht ja fast gar nicht.

Gegen 11 Uhr holten wir dann Otto in der Wohnung ab, der hatte noch Dinge zu erledigen gehabt, und fuhren in Richtung des – neben dem Montjuic – zweiten Hausbergs Barcelonas, dem (TADAA!) Tibidabo. Man fährt ein wenig mit der S-Bahn, steigt dann in eine nette Standseilbahn, hier Funicular genannt, um dann mit einem Minibus auf den Gipfel zu fahren, wo die Kirche des heiligen Herzens über dem Sühnetempel thront. Man kann hier auf verschiedenen Ebenen wunderschöne Ausblicke genießen. Von der unteren Kirche fährt ein Aufzug über die Plattform der oberen Kirche zum oberen Panoramaplatz, von wo aus man dann noch ein paar Stufen bis zur alles überragenden Christusstatue hinauslaufen kann. Schwups, ist man am höchsten Punkt Barcelonas angelangt. Die Kirche ist um eine kleine, Juan Bosco geweihte Kapelle herumgebaut und ist deutlich von Gaudí (unteres Portal), der Sacre Coeur in Paris und der Christusstatue in Río de Janeiro inspiriert. Ein ganz tolles Ausflugsziel! Der Name des Berges, Tibidabo, leitet sich vom Lateinischen „Ich werde Dir geben“ ab. Direkt neben der Kirche befindet sich ein riesiger Vergnügungspark, der seine besten Zeiten aber schon hinter sich haben dürfte. Wir verzichteten daher darauf, Riesenräder, Falltürme, Megaschiffschaukeln und dergleichen Attraktionen aus dem vorletzten Jahrhundert auszuprobieren.

Zurück in der Stadt liefen wir zu einem Stammrestaurant der beiden Jungs, um ein Menú del día einzunehmen. Das ist ein sehr preiswertes Essen mit 3 Gängen inkl. einem Getränk und entwickelte sich aus dem vom Franco-Regime als für Restaurants verpflichtend eingeführten Menú turístico, mit dem Devisen ins Land geholt werden sollten. Es ist nun nicht mehr aus dem spanischen Leben wegzudenken, ist aber qualitativ sehr gut und immer immens reichhaltig. Ich hatte z. B. Meeresfrüchte-Paella, Schweinebacken in Rotweinsauce und Milchkaffee sowie ein großes Bier für 16 Euro. Kannste überhaupt nicht meckern! Man ist versucht, gar nicht mehr zu kochen, so billig wie das ist.

Die anderen liefen nach dem Essen schon einmal in die Wohnung vor, ich plünderte derweil das Weinregal eines nahegelegenen Supermarktes. Mich als Gast zu haben, geht doch zu sehr zu Lasten des Weinkellers, da versuche ich, einen Ausgleich zu schaffen. Danach ging es erst einmal ins Bett, ich war fix und alle… Naja, die Siesta ist ebensowenig aus Spaniens Kultur wegzudenken wie das Tagesmenü und das heiße ich gut. Einziges Manko: es ist gerade sehr heiß in Barcelona und man ruht muckelig warm. Aber über die Unterkunft kann ich aber nun mal gar nicht meckern, Rolf und Otto haben ein schönes Gästezimmer hergerichtet und die Schlafcouch ist erstaunlich gut. Und so eine Küche hätte ich gerne! Riesig!

Für den Abend hatten wir bekanntermaßen Konzertkarten, Ismael Serrano spielte im Palau de Música. Wir machten uns einigermaßen zeitig auf den Weg, damit wir noch einen schönen Spaziergang machen konnten. Wir waren dann in zwei Kirchen, in dem schönen Innenhof eines ehemaligen Hospitals (mit einem riesigen Jacarandabaum) und bei zwei Kunstevents steckten wir auch unsere Nase einmal durch den Türspalt. Auf dem Weg nahmen wir noch eine Erfrischung zu uns, ich die erste Sangria seit Jahren. Sie hatte aber nichts mit der Fruchtbowle auf Touri-Inseln gemein.

Obwohl wir herumbummelten, waren wir früh am Palau de la Música, da nahmen wir dann einen hochpreisigen Cava zu uns, bevor wir unsere Plätze aufsuchten. Der Palau ist ein Gebäude von Gaudí und wunderschön! Von außen wie von innen! Erwähnte ich, dass ich seine Architektur sehr mag? Da ich meine Karte erst sehr viel später gekauft hatte, hatte ich einen „schlechteren“ Platz ganz weit oben im zweiten Rang. Man sah von dort aus zwar nichts vom Parkett, aber ich hatte die ganze Bühne im Blick. Von Otto erfuhr ich später, dass weiter vorne, dafür aber links die Sicht eher eingeschränkt war. So weit, so gut. Tolles Gebäude, gute Sicht, Versprechungen auf ein gutes Konzert. Dann aber der Sitzplatz. Gebaut im Jahre 29174 der Hobbitzeitrechnung, glänzt die Bestuhlung des Palau mit fehlendem Sitzabstand. Sowohl in Höhe, Breite, Tiefe als auch in allen anderen Dimensionen. Ich hatte schon vorher gelesen, dass das Konzert ohne Pause durchgespielt wird. Sagen wir mal so, ich wäre auch nicht zu meinem Platz zurückgekehrt. Jede Fluglinie hätte ich wegen eines solchen Sitzes verklagt. Während ich dies schreibe, habe ich mehr als dezente Rückenschmerzen.

Aber zum Konzert selbst. Otto hat das initiiert, da er durch Zufall auf die Musik von Ismael Serrano gestoßen war und die Konzertankündigung las. Ich hörte mir zuhause ein paar Stücke auf dem Kanal mit dem roten Y an, fand sie alle sehr ähnlich, aber nicht schlecht, daher ging ich mit. Was soll ich sagen? Die Stücke sind alle sehr ähnlich, aber statt wie üblich mit kleiner Instrumentierung zu arbeiten, trat Serrano mit großem Orchester auf. Es klang aber auch da alles gleich. Verstanden habe ich wenig, auch von den längeren Sprechteilen. Serrano ist zweifelsohne ein sehr guter Sänger, das symphonische Arrangement war aber 08/15 gestrickt. Deswegen haben mir die ruhigen Teile mit Gitarre solo, nur untermalt von leichtem Piano, am besten gefallen.

Das herausragendste Element am Konzert aber waren seine Fans. Sie sangen oft inbrünstig mit (und das gar nicht mal so schlecht), klatschten lautstark mit (und das gar nicht mal so gut), filmten fast das ganze Konzert mit (es war ein einziges Handydisplaymeer) und sprangen hie und da auf, wiegen sich hin und her und machten allerlei andere Kapriolen. Vor mir saß ein offensichtlich frisch verliebtes Pärchen, das kopulierte bei bestimmten Songs fast. Die da-Capos waren Legion, mir war es dann am Ende zu viel und ich schlich mich während Zugabe Nummer 5 raus.

Also, alles in allem ein sehr schönes Erlebnis mit kleinen Abstrichen! Wir waren nun doch hungrig und durstig, liefen durch das subkontinentale Viertel mit vielen indischen und pakistanischen Läden und ließen uns in einer indisch geführten Bar mit Tapas nieder. Super Schinken, guter Käse, sehr heiße Croquetas (man wies darauf hin, als schon zwei Münder verbrannt waren), das war ein schöner Ausklang des Abends. Vom Nachbartisch quasselte uns noch ein amerikanisches Pärchen an, da war von einem der Urgroßvater in Düsseldorf stationiert gewesen.

Wieder in der Butze wollten wir eigentlich alle a) ins Bett und b) ich noch kurz schreiben, aber dann haben wir doch noch einen Absacker im Wohnzimmer genommen. Es ist aber auch zu schön, mit den Beiden mal wieder zusammen zu sein!

Da es nun sehr spät ist (knapp 2 Uhr), habe ich meine Pläne für morgen umgeworfen, ich wollte um 7 Uhr zu den Klöstern in Montserrat fahren. Aber irgendwie, irgendwo und irgendwann muss ich ja auch mal ausschlafen. Daher müsstet Ihr Euch morgen überraschen lassen, wohin es uns treibt. Schaut Ihr dennoch vorbei? Das würde mich freuen!

Liebe Grüße, Euer

P. S.: Heute ist so viel wieder passiert, aber ich fürchte, ab 20 Seiten Länge liest das keiner mehr :-). Zudem, niemand liest z. B. gerne über Achselschweiß. Aber wir haben deswegen mit einer wildfremden Frau sehr gekichert. Und der Fanblock bei Otto und Rolf war auch speziell.

Fragt uns einfach bei Gelegenheit.

Barcelona 2025 – der Prolog

Ihr Lieben!

Wie denn, schon wieder Barcelona? Da war der Kerl doch erst im Dezember. Ja, Ihr Lieben, ich verstehe die Frage. So aber trug es sich zu:

Eurowings (HIER könnte ihre Werbung stehen) bietet „Blind Booking“ an. Ohne Gepäck, grob das Thema ausgesucht (Stadt, Land, Party, Strand oder so ähnlich), die möglichen Zielorte werden entsprechend angezeigt. Dann kann man für unter 100 Euro irgendwo hinfliegen, man hat allerdings keinen Einfluss auf das Ziel. Ich probierte das zum dritten Mal aus (ich endete schon einmal in Zürich und einmal in Mailand), aber durch Flugpreisrecherchen war klar, dass Barcelona das wahrscheinlichste Ziel sein würde. Man kann Flughäfen streichen, aber dann wird es teurer und teurer oder auch unmöglich, im geplanten Zeitraum wegzukommen. Ich rief Rolf an, meinen langjährigen Freund, der inzwischen dort lebt. „Hättest Du Lust und Zeit für einen Besuch, dann würde ich BCN nicht ausschließen?!“.

Er hätte ein Gästezimmer für mich und würde sich auch freuen. Na dann… „Wollen Sie jetzt wirklich buchen, ohne zu wissen, wo es hingeht?“ – „Yep!“ – „Yeah, Sie fliegen nach Barcelona!“. Nennt mich Hellseher-Gerry. Aber ich freue mich wirklich sehr auf Rolf und Otto, der zu der Zeit auch dort sein wird.

Wenn wir Freunde in anderen Städten besuchen, dürfen wir nicht vergessen, dass diese vor Ort ja einen Job und möglicherweise schon andere Termine haben und nicht vollzeitlich zur Bespaßung zur Verfügung stehen. So schrieb mir Rolf, am ersten Abend seien er und Otto im Palau de la Música Catalana. Ich erwarb dann auch eine Konzertkarte, allerdings jwd oben im Rang, mit wahrscheinlich problematischer Sicht. Aber den Palau muss man auch mal gesehen haben! Ein Prachtexemplar des spanischen Modernisme, aka spanischer Jugendstil.

Ich organisierte mir auch schon ein Besucherticket für den Parc Güell (ich bin bekennender Gaudí-Fan!) und für eine Katamaran-Fahrt. Ich wollte nicht wieder überall vor verschlossenen Toren stehen, wie bei meiner Dezemberreise. Zudem plane ich, die Klosteranlagen in Montserrat zu besuchen.

Da der Flug schon um 6 Uhr früh geht, habe ich mir wieder ein Hotel direkt am Terminal gegönnt, diesmal das Leonardo. Bin gespannt. Vorher muss ich noch zum HNO, dann ins Büro, dann zum Zahnarzt. Dem muss ich noch verklickern, dass mein CT ergeben hat, dass die Implantate nicht richtig sitzen. Das wird wohl nicht so bleiben können. Aber der Rückbau, falls erforderlich, muss bis zu meiner Rückkehr warten.

Es würde mich wie immer sehr freuen, wenn ich virtuelle Begleitung habe. Ab Donnerstagabend könnt Ihr dann meinen 4-Tage-Trip verfolgen. Und falls Ihr nichts von mir lest, liegt das wahrscheinlich eher an technischen Problemen, als daran, dass ich bei der Katamaranfahrt vom Boot gefallen bin und mein Dasein seitdem in einer Delphinkolonie friste, die mich gnädig aufgenommen hat, und wo ich mich von Krill und Plankton ernähre.

Also, bis dann in Barcelona! Liebe Grüße, Euer

P.S.: Das Vorschaubild ist übrigens ein Kühlschrankmagnet von meinem letzten Besuch in Barcelona. Ich muss mich mal zusammenreißen, dass ich nicht schon wieder welche kaufe 🙂

Die Leiden des alten Gerry

Ihr Lieben,

ich hätte diesen Schnipsel auch „Die Angst des Gerrys vor dem Zahnarzt“ nennen können. Die Literatur hält ja viele Möglichkeiten solcher Anspielungen bereit. „Der alte Mann und der Schmerz“.

Vor Ärzten habe ich keine Angst (außer Zahnärzten, man denke an den Film „Der Marathon-Mann“), aber ich kann mit ihnen nicht umgehen. Mein zahnärztlicher Eingriff hatte leider Konsequenzen. Die neu eingesetzten Implantatbasen haben wahlweise einen Nerv getroffen oder eine Entzündung hervorgerufen. Das ist ein Risiko bei einem solchen Eingriff, über das ich auch aufgeklärt wurde. Ich hatte nach zwei, drei Tagen nur dumpfen Pochens plötzlich heftige Schmerzattacken bis in die Stirn. Mein linkes Auge tränte ununterbrochen und ich dachte, jeden Moment ploppt mein Augapfel aus der Höhle. Es war schrecklich.

Ich rief Montag in der Frühe die Zahnarztpraxis an, wo ich jetzt hingehen solle. Man sagte mir, der HNO sei die richtige Anlaufstelle. Dort berichtete ich von der Zahn-OP, es gab eine kurze Sono, dann ein Rezept für Amoxicilin und Prednisol. AU bis Mittwoch. Ich hatte zwar irgendwie noch Fragen, aber… siehe Absatz 2, Zeile 2.

Auf dem Heimweg war mir schlecht vor Schmerzen. Gottseidank hatte ich ein ganzes Arsenal von Ibuprofen und dergleichen vorrätig. Dienstag wurde es dann mit dem Cortison und der Antibiose besser, aber Mittwoch, natürlich nachmittags, als die Praxis schon geschlossen hatte, hatte ich einen derben Rückfall. Ich konnte das linke Auge gar nicht mehr offen halten, fast schwallartig schossen Tränen raus, in der Stirnhöhle fand eine illegale Techno-Party statt.

Ich wurde Donnerstag wieder beim HNO vorstellig. Kurze Sono. Überweisung CT, Medikamente aufgestockt, AU verlängert. Der Nächste bitte. Ich hätte Fragen gehabt. U.a., wo ich denn jetzt einen kurzfristigen CT-Termin herbekommen sollte? Ich lief in das radiologische Zentrum gegenüber. Ja, aha, dringend, soso, Schmerzen, sieh an… dann gerne Dienstag früh. Die Kasse lässt grüßen? Ehrlich, ich bin ohne Termin raus, habe drei andere Praxen angerufen, bin dann wieder reumütig reingelaufen und habe den Termin in 6 (!) Tagen bestätigt. Wofür CT? Ausschluss Trigeminusbeteiligung und Sinusitis, glaube ich verstanden zu haben. Hm.

Wahrscheinlich wird sich alles irgendwie wieder einpendeln, aber ich würde mich wohler fühlen, wenn die behandelnden Ärzte mich auch mal als ratlos wahrnehmen würden. Wer jetzt sagt, ich solle halt Fragen stellen… Ja, wenn ich wüsste, welche Fragen ich stellen kann und soll, wäre ich ein gutbezahlter Schamane. Soll das Implantat wieder raus, heilt das von selbst zu, kann das chronisch werden, hängt es überhaupt zusammen?

Na, ich will mich nicht beklagen (und habe es dennoch gerade getan), immerhin gibt es die gesetzliche Versicherung, auch wenn diese eine zweiter Klasse ist (als freiwillig Versicherter, ohne die die gesetzlichen Kassen gar nicht mehr zurecht kämen). Dazu noch die irrwitzige Geschichte, dass mein Zahnarzt mir Ibu 600 verschrieben hatte, für die ich 5 Euro Rezeptgebühr zahlen musste, 20 Stück, 12.000 Einheiten also. Für 30 Tabletten 400er, freiverkäuflicher Ibu (insg. 12.000 Einheiten) zahlt man etwa 2 Euro 50. Aber ich war zu sehr mit meiner ausgeflippten linken Gesichtshälfte beschäftigt, um darüber nachzudenken.

Wie geht es weiter. Ich hoffe, das CT (wieso sagen alle inkl. mir eigentlich „das CT“, wenn es doch DIE Tomographie ist?) zeigt nur eine temporäre, wenn auch blöde Entzündung. Ich hoffe, dass beim Fädenziehen am Mittwoch wieder alles okay ist. Ich hoffe, dass die Behandlung dann einfach fortgesetzt werden kann. Und ich hoffe, dass ich mir zukünftig dreimal den Sinn solcher Maßnahmen überlege. Mit fast 60 kann man ja auch mal auf ein paar Zähne verzichten.

P.S.: Zur Vorgeschichte ist anzumerken, dass ich innerhalb von zwei Jahren zwei Zähne gezogen bekam, bei Nr. 27 brach die Wurzel im Kiefer (ZA: „Nicht zu retten!“), Nr. 26 brach vertikal einfach einmal durch (ZA: „Wieder nicht zu retten!“). Und nein, ich war weder an einer Wirtshausschlägerei beteiligt, noch bin ich cracksüchtig. Wieso passiert wo etwas? Diese Frage stellte ich dann. Antwort: „Das kann man so gar nicht sagen…“

P.P.S.: Eine Selfie meiner Mundhöhle als Vorschaubild wollte ich Euch ersparen, daher das Hauptessen dieser Woche. Rechts kauen war nämlich problemlos, daher gab es reichlich gefülltes Gemüse, hat für 3 Tage gereicht.

Rumgeschnipsel

Ihr Lieben,

diesmal gab es wirklich Geschnipsel, und das nicht nur in der Küche. Aber fangen wir mal mit etwas erfreulichem an: Am vergangenen Sonntag war Konfirmation meines 3. Neffen, da wollte ich natürlich unbedingt hin. Am Abend vorher kaufte ich mir auch brav ein IC-Ticket und morgens um 8 bimmelte es das erste Mal: „Ihr Zug fährt von einem anderen Gleis!“. Naja, kann ich mit leben. 10 Minuten später: „Geringfügige Verspätung!“. Ehrlich, wenn man um 11 Uhr in Duisburg an einer Kirche sein soll… Ich nahm kurzerhand einen Mietwagen. Ich hasse die Deutsche Bahn!!! Vorteil: Stressfrei war ich in 45 Minuten an der Kirche.

Der Gottesdienst war sehr schön, die Kirche hat eine sympathische Pfarrerin. Zudem habe ich seit langer Zeit mal wieder andere Teile der Familie gesehen, Cousin mit Familie und die Ex-Schwägerin z.B. Der Neffe hatte sich übrigens von allen u.a. Geld für eine Luxus-Eismaschine gewünscht, die hat er dann von mir bekommen. Nicht ganz uneigennützig, ich verspreche mir jetzt ständig selbstgemachtes Eis bei unseren Treffen! Zum Essen konnte ich wegen einer Magenverstimmung dann leider nicht mitkommen. Schade.

Drei Tage vorher war ich noch mit der Kulturtruppe in der Kleinen Glocke, wo wir darüber sprachen, welches Museum wir eigentlich hätten besuchen können, um unserem Namen gerecht zu werden. Dafür brauchten wir dann auch geschlagene zwei Minuten. Nun, Essen und Trinken sind ja auch irgendwie Kultur. Bratwurst und Bratkartoffeln insbesondere. Das war ein sehr netter Abend!

Am Mittwoch dann der Tag des Schreckens. Ich weiß nicht, ob ich mal erwähnte, dass ich im Oberkiefer zwei Zähne verloren hatte, weil bei einem die Wurzel im Kiefer gebrochen war. Yep! Und nein, ich war an keiner Wirtshausschlägerei beteiligt. Der andere, benachbarte Zahn brach kurz darauf auf meiner Harzreise einfach mal senkrecht durch und war laut Doc Dens auch nicht mehr zu retten. Ich entschied mich für zwei Implantate. Das führte zu einem Praxiswechsel, weil meine Zusatzversicherung den Kostenvoranschlag der bisherigen Praxis nicht vollständig akzeptierte. Das machte es für mich nicht angenehmer, da nun ein mir unvertrauter Zahnreißer die Arbeit übernehmen sollte.

Zuvor hatte ich meine erste Zahnreinigung in der neuen Praxis. Das war in zweierlei Hinsicht eine positive Erfahrung, denn erstens war sie 45 Euro preiswerter (was bei meiner Zusatzversicherung egal ist, sie zahlen unbegrenzt für Zahnreinigung) und zweitens, die Zahnhygienikerin ist aus Honduras und in Spanien aufgewachsen, ich habe also noch ein bisschen Konversationskurs dabei. Die Implantatvorbereitung war dann unangenehm, aber deutlich harmloser, als ich mir in meinen wilden Träumen zusammenfantasiert habe. Und ich hatte auch nur zwei Tage lang leichte Schmerzen. Blöd sind wirklich nur die Nähte, die zwei Wochen drinbleiben und sich wie Taue anfühlen.

Während meiner Krankschreibung habe ich dann meine Septemberreise grob durchgeplant (Feintuning kommt dann kurz vorher). Das war ganz schön anstrengend. Am ersten Tag hatte ich alle Flüge vornotiert, am zweiten die Hotels gebucht. Dann zurück zu den Flügen, schwupps, war der von Chișinău nach Belgrad schon wieder weg. Mist. Anderen Tag gewählt, alle Hotels wieder angepasst. Es ist jetzt keine preiswerte (geschweige denn eine öko-freundliche) Reise. Aber ich habe immer mit Aufgabegepäck, keine Flüge mitten in der Nacht, anständige Fluglinien (bei den Bewertungen zu z.B. flyone stellten sich mir die Nackenhaare auf!), die Hotels immer mit Kühlschrank und Schreibtisch, immer zentral gelegen. Man kann die Reise also auch deutlich preiswerter planen. Eine Geschäftsidee: eine Fluglinie, die die Städte auf dem Balkan sinnvoll verbindet, damit man nicht dauernd über Wien oder Bukarest fliegen muss!

Gebucht habe ich zudem Barcelona (inkl. einer Konzertkarte) Ende Mai, Bukarest im Juni und Brügge Anfang Oktober. Und mittendrin ist ja auch noch eine Berlinreise geplant. Aber wie soll Michael Palin (von den Monty Pythons) gesagt haben: “Wenn dich einmal das Reisefieber packt, gibt es kein bekanntes Heilmittel, und ich bin gerne bis zum Ende meines Lebens daran erkrankt.”

Gestern war ich dann noch bei meinen Lieblingsneusserinnen! Amy kann ja leider nicht mehr so, daher bin ich jetzt außer der Reihe wieder nach Neuss gefahren. Damit ich nicht erneut eine nächtliche Odyssee durchleben muss, haben wir uns auf den Nachmittag geeinigt. Zudem war ja abends ESC, den wollte ich – obwohl die Vorentscheide mich haben schuddern lassen – nicht verpassen. Das war ein schöner Nachmittag und die ESC-Party abends (mit mir als einzigem Gast) war dann auch ganz unterhaltsam. Die teils gruseligen Songs habe ich mir dabei mit Erdbeerbowle schön getrunken.

Heute bin ich dann leider mit starkem Druck hinter der Stirn aufgewacht. Die seit Tagen schwelende Erkältung hat sich unerlaubterweise ausgebreitet. Naja, das Wetter ist gerade mau, ich kann mit bestem Gewissen auf dem Sofa liegen und leiden, wie es nur echte Männer zu tun vermögen.

Nachtrag von Montag, 19.05.: Die Schmerzen wurden im Laufe des Tages immer schlimmer, ich konnte gegen frühen Morgen dann nicht mehr schlafen. um halb 8 schleppte ich mich zur Haltestelle, von wo aus ich den Zahnarzt um 8 Uhr anrief. Ich solle direkt zum HNO. Der hat Gottseidank immer von 8 bis 10 Uhr offene Sprechstunde und ich kam schnell dran. Tja, was soll ich sagen? Kieferhöhlenentzündung, ausstrahlend bis in die Stirnhöhlen. Antibiose, Cortison und AU sind die Therapie. Mist!

Alles Liebe, bis Barcelona vielleicht, Euer

P.S.: Seit langer Zeit habe ich übrigens in der letzten Woche mal wieder für meine Futterecke gekocht: Gefüllter Chicorée und Spargel-Auflauf. Beides konnte man essen.

Gefüllter Chicorée

Ihr Lieben,

heute gibt es etwas ganz einfaches, das aber überproportional lecker ist! Der Online-Supermarkt war so nett, mir heute alle Zutaten, die ich noch nicht hatte, vorbeizubringen. Wir brauchen:

  • 2 Stück Chicoree
  • 300 Gramm Hackfleisch
  • 1 kleingehackte Schalotte
  • zwei gepresste Knoblauchzehen
  • einen Becher Sahne
  • gaaaanz viel Gratinkäse (oder was auch immer Euch schmeckt, ein Bergkäse, geraspelt, würde auch super passen)
  • italienische Kräuter-Mischung
  • Salz, Pfeffer, Zucker, Chiliflocken
Sehr hübsch arrangiert, gelle? Aber der Ofen macht alles wieder schön!

Das Hackfleisch wird mit den Gewürzen und den Zwiebelgewächsen vermengt, dann kommt eine halbe Packung Raspelkäse dazu sowie ein halber Becher Schlagsahne. Wieder vermengen.

Der Chicorée wird gewaschen, halbiert und die „Schiffchen“ auseinandergenommen und wieder lose zusammengesetzt. Ein paar innere Blätter zurückbehalten und kleinhacken. Das Kleingehackte unter die Hackfleischmenge mischen.

Die großen Schiffe in eine Auflaufform setzen und mit der Hackfleischmasse füllen. Rest Käse sowie die verbliebene Sahne drüber. Noch einmal salzen und pfeffern. Ab in den auf 160°C vorgeheizten Ofen für 40 Minuten. Nötigenfalls abdecken, wenn es oben zu dunkel wird.

Ich hatte einen einfachen Tomatensalat dazu, ein Glas Grauburgunder und es war himmlisch. Aus den zwei Früchten konnte ich 6 Schiffchen machen, es reicht also für 3 bis 4 Personen. Kartoffeln mit (Petersilien-)Butter würden auch dazu passen. Sauce gibt es ausreichend, Chicorée lässt viel Saft beim Backen. Haut rein!

Spargelauflauf

Ihr Lieben,

ewig habe ich ja nichts mehr für den Blog gekocht (wobei ich ja mein Ostermenü hätte einstellen können, aber da war ich doch zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt), das liegt natürlich auch daran, dass ich schon fast alles gekocht habe. Klar, ich könnte statt Meeresfrüchte-Risotto jetzt ein Aprikosen-Nuss-Risotto einstellen, aber das Prinzip ist das gleiche.

Spargel hatte ich glaube ich auch schon öfter, aber meines Wissens noch nicht als klassischen Auflauf. Ich esse Spargel am liebsten weiß, mit Kartoffeln, gutem Schinken und Petersilienbutter. Den Auflauf lehne ich daran an, mache es natürlich aber ein kleines bisschen anders:

Pro Person schäle ich je 250 Gramm Spargel und gelbe Kartoffeln und würfele sie, ebenso wie 100 Gramm Schinken. Das vermenge ich schon einmal in einer großen Schüssel. Dann verrühre ich mit dem Schneebesen (für 2) 250 ml Sahne mit 3 Eiern, Salz, Pfeffer, etwas Chili, Muskatnuss, zwei gepressten Knoblauchzehen und einem Hauch Zucker, gieße es über die Würfel, gebe eine halbe Packung geriebenen Käse dazu (ich tendiere hier zu eher mildem), vermenge wieder alles, gebe es in eine Auflaufform und streue den Rest Käse darüber.

Alles ab in den Ofen für etwa 1 Stunde, etwa 180°C, wenn es zu sehr oben bräunt, mit Alufolie abdecken. Serviert wird mit etwas Petersiliengarnitur und einem leckeren Glas Weißwein.

Eine Hollandaise, die ja klassisch wäre, als Auflaufbindemittel anzurühren habe ich mich nicht getraut, ich hatte Angst, dass das dann alles eher gerinnt. Aber Sahne ist ja irgendwie auch nichts anderes als Butter 🙂

P.S.: Die Menge reicht auch gut für 3 bis 4 Personen, es ist seeehr unkompliziert und schnell gemacht; zudem schmeckt es mir sagenhaft gut!

Bosnien-Herzegowina 2025: Der Epilog

Ihr Lieben,

natürlich gibt es noch ein kleines Nachwort. Man muss ja irgendwie auch noch zu Hause ankommen.

Während ich so durch ein Land oder eine Stadt jückele, denke ich oft, ach, das kannst du dir ja mal für dein Tagebuch merken. Und dann vergesse ich das wieder. Soll ich Euch denn noch die Geschichte mit den Maiskörnern erzählen? Oder die mit dem verirrten chinesischen Touristen? Und dann der Ticketschalter an der Haltestelle, mit der Ticketdame, die keine Tickets verkaufte?

Die Nacht verbrachte ich nicht so gut, erstens wegen der Aufregung (Kommt das Taxi? Werde ich verschlafen? – Von wegen, man wird im Alter entspannter!), zweitens, weil eine Horde feierwütiger Irrer in der hellhörigen Pension die Nacht zum Tag machten. Ihr erinnert Euch, der Frühstücksraum gegenüber? Mein halbnackter Auftritt mit der Bitte, nicht ausgerechnet vor meiner Türe die Fête ausklingen zu lassen, fruchtete nur für etwa 5 Minuten. Statt Dancing in the Kasbah halt Party in the Pension.

Das Taxi war mehr als pünktlich da, die Stadt war leer, ich war in 0,nix am Flughafen. Hier verlief auch fast alles reibungslos, außer, dass man mir meinen Plastikkorkenzieher abnahm, der schon mehrere Male unbeanstandet im Handgepäck mitreiste. Außerdem blieb meine Jacke im Koffer-MRT hängen, was ich aber erst nach der Passkontrolle bemerkte. Ein Grenzbeamter war aber so lieb und brachte sie mir wieder.

Diesmal war der Flieger bumsvoll, und die XXL-Beinfreiheit erschien mir eher wie M. Auch die Eltern versagten diesmal. Hinter mir schrie, ach was, kreischte ein Mädchen den gesamten Flug lang, 120 Minuten, mit 130 Dezibel vor sich hin. Ich war ab einem bestimmten Punkt mehr erstaunt, als genervt. Wie schaffen die das, nicht nach 5 Minuten total heiser zu sein? Gibt es da einen Schutzmechanismus des Körpers, der sich im Alter verliert? Die Mutter und die Tante (?) riefen sprechsingend dazu ununterbrochen „Dai dai dai“. Sie bemerkten leider auch nach 15 Minuten nicht, dass das absolut keinen Effekt hatte. Außerdem plädiere ich zum wiederholten Mal für die Abschaffung der verstellbaren Rückenlehne. Wahrscheinlich vergeblich.

In Köln herrscht ja seit Wochen Chaos bei der Bahn, das durch aktuelle Maßnahmen auf eine nicht mehr messbare Spitze getrieben wurde. Daher erstaunte es mich umso mehr, dass ich in Köln nur 3 Minuten auf eine S19 warten musste, an der Trimbornstraße 2 Minuten auf den 159er-Bus. Ein Träumchen!

Ich kaufe ein „ja“ und löse auf: Das in der Busreise in die Herzegowina inkludierte Sandwich war sogar ganz lecker, allein kam irgendwer auf die Idee, man könne da ja Maiskörner draufstreuen. Was soll ich sagen, ist ja nicht mein Bus.

Als ich von der Bastion herabstieg, kam eine große chinesische Reisegruppe an mir vorbei. An einer Gabelung trennten sich unsere Wege. Nur, dass nach etwa 3 Minuten ein völlig außer Atem hechelnder älterer Mann an mir vorbeipeste. Ich konnte ihn stoppen und zur Abzweigung zurückbringen. Von da aus sah man im Tal seine Gruppe. Er rief begeistert Danke und rannte um sein Leben. Ob ich wohl in seinem Tagebuch vorkomme?

Ja, und dann war da dieser Schalter an der Bahnhaltestelle, auf dem ein Schild prangte, man könne dort Tickets erwerben. Da saß eine Dame hinter. Die brabbelte ungnädig irgendwas auf Bosnisch, dass ich jetzt für mich mit „Es tut mir leid, leider gibt es keine Tickets heute!“ übersetzte, wahrscheinlich aber „Jetzt geht mir mal alle nicht auf den Sack, Ihr dummen Touris!“ bedeutete. Aber man kann auch für 1,80 BAM bei den Fahrern Einzeltickets erstehen.

Was gibt es denn noch für Beobachtungen? Ich fand die Gebühren für das Abheben enorm hoch. Bei 400 BAM waren das mal umgerechnet 15 Euro. In der Wechselstube haben sie vielleicht einen schlechteren Kurs, nehmen aber nur 2 BAM Provision. Da muss man mal für sich gucken, wie man da vorgeht. Bargeld braucht man nämlich immer, in der Regel sind die Kartenleser „kaputt“. Sogar in Museen. Man ist hier dem Bargeld noch zugeneigter, deutlich zugeneigter sogar, als hier in Deutschland.

Die Verständigung klappt i.d.R. mit Händen und Füßen. In der Touristik beschäftigte Personen sprechen Englisch, manchmal sogar deutsch, aber Verkäuferinnen, Taxifahrerinnen, Bauarbeiter (:-)) sprechen halt bosnisch. Aber wie bereits erwähnt. Alle (die Ticketdame halt tief im Inneren) sind furchtbar nett und zuvorkommend.

Ansonsten, wenn es Euch da hinzieht und Ihr Fragen habt… fragt Euren Friseur, hab meine Zeit ja auch nicht geschenkt bekommen! Nee, quatsch… fragt ruhig.

Wir sehen uns spätestens in Bukarest. Alles Liebe und Gute bis dahin, Euer

Bosnien-Herzegowina 2025 – Tag 3: auf der Suche nach den verlorenen Dingen

Ihr Lieben,

es ist Euch vielleicht aufgefallen, aber seit kurzer Zeit fehlen in meinem Text ein paar Buchstaben… so wird der Tag nach Dienstag twoch geschrieben. Manchmal fehlt das Wort, das in anderen Sprachen „with“, „con“ oder „avec“ heißt. Im Editor sieht das richtig aus, hier dann leider nicht. Ich bin diesem Bug auf der Spur, aber nicht hier in Sarajevo.

Edit: Problem behoben! YEAH!!!

Heute morgen schon hatte ich Panikmomente. Mein Zimmerschlüssel war weg! Irgendwie war ich ja ins Zimmer gekommen, also musste er im Zimmer sein. Ich kehrte alles von oben nach unten, durchwühlte alle meine Plünnen, kroch unters Bett… vergeblich, kein Schlüssel. Ich ging erst einmal frühstücken, das Zimmer liegt direkt gegenüber dem Frühstücksraum an der Rezeption (übrigens ein mehr als kleines Manko) und so hatte ich es im Auge. Das Frühstück selbst war etwas bescheiden, aber wir erinnern uns, ich bin in einer Pension und in nicht in einem Luxushotel. Etwas skurril war nur, dass ankommende Gäste warten mussten, bis andere gingen, was nicht an fehlenden Sitzplätzen, sondern an fehlendem Geschirr lag. Für mich gab es noch Eier, für die nachkommenden Gäste nicht, die frühen Frühstücker hätten zu viele Eier konsumiert. Amerikaner? (böser Gerry!)

Wie sagte schon der berühmte Philosoph Edgar di Lepeldro: „Nach der Panik sollte Systematik einsetzen!“. Die bemühte ich dann nach dem Frühstück. Wo könnte der Schlüssel sein? Ich hatte noch nicht unter dem Kühlschrank geguckt, aber wie sollte der Schlüssel auch unter den Kühlschrank kommen, haha? So ein Unsinn, haha!! Der Schlüssel lag natürlich unter dem Kühlschrank. Breiten wir bitte den Mantel des Schweigens über diese Geschichte aus.

Nun aber zum Tagesgeschäft, ich werde ja schließlich nicht fürs Schlüsselsuchen bezahlt. Moment, „bezahlt“? Naja, man wird ja wohl noch einmal träumen dürfen. Da der liebe Gerry lernresistent ist, lief er natürlich wieder einen Berg hinauf, diesmal zur gelben Bastion. Bei gefühlten 40° C im Schatten schon am frühen Morgen, war ich oben angekommen schon durchgeschwitzt wie nix. Mein Wortschatz ist ziemlich beschränkt, daher: die Aussicht ist wieder einmal nur spektakulär. Die gelbe Bastion selbst, deren Eingang ich suchte und suchte und irgendwann fand, ist nicht besuchbar; ich unterhielt mich mit einem Rohre über die Mauer schmeißenden Bauarbeiter, der mir erklärte, dass sie seit dem Krieg, schwer beschädigt übrigens, geschlossen ist. Aber immerhin gibt es einen Bauarbeiter vor Ort, vielleicht tut sich in Zukunft etwas. Vielleicht war es aber auch nur ein Metalldieb.

Der Aufstieg lohnt sich nicht allein wegen des Ausblicks, sondern auch wegen eines sehr schönen Cafés (nicht direkt an der ersten Festungsmauer, sondern noch ein Stück die Straße hoch), wo man einen bosanska kahva trinken und dabei trocknen kann. Wenn man mehrere slawische Sprachen spricht, ist Bosnisch übrigens leicht zu erlernen. Leider spreche ich solche Sprachen ja nicht, aber es wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass ich mich in Teilen bemühe. Allerdings sollte es mir vielleicht zu denken geben, dass man die Musik von bosnisch auf spanisch umschaltete, sobald ich meinen Kaffee bekommen hatte. Die Heino-CD war wahrscheinlich verschollen.

Da ich nun schon einmal auf den Berg gekraxelt war, lief ich durch die Wohngebiete am Hang herum. Wahrscheinlich als einziger Tourist. Überhaupt als einziger Mensch, die Straßen und Gassen waren wie ausgestorben. Kurz vor der Bastion gibt es wieder einen sehr großen Friedhof, es dominieren die Sterbedaten 92 bis 94. Der Krieg ist auch nach 30 Jahren allgegenwärtig.

Mit (with) dem nächsten Tagesordnungspunkt vereinte ich direkt mehrere touristische Highlights von Sarajevo. Ich fuhr auf einer der ältesten Straßenbahnlinien der Welt (die Österreicher haben hier Testballons fahren lassen, bevor Sie mit dem Bau in Wien anfingen), besuchte einen Konsumtempel (der mich jetzt nicht so beeindruckt hat) und landete im Nationalmuseum von Bosnien-Herzegowina. Leute, das ist fantastisch! Hier kann man einen ganzen Tag verbringen, theoretisch. Falls ihr also einmal einen Kurztrip nach Sarajevo planen solltet, dann unbedingt mit mindestens vier bis fünf Stunden für dieses Museum.

Die verschiedenen Abteilungen behandeln Archäologie, Flora und Fauna, Geologie, Aspekte des früheren Alltagslebens und vieles mehr. Die Qualität der Präsentation reicht dabei von altbacken (Schmetterlingssammlung) bis herausragend (prähistorische Ausstellung). Insbesondere Nerds kommen hier bestimmt auf ihre Kosten, z.B. in der Käferausstellung oder in der Mineralienkollektion. In einem Gebäudeteil wurde das Ende des Vietnamkriegs thematisiert. Wenn man dem Museum also etwas vorwerfen kann, dann, dass es einfach zu viel ist. Ein weiterer guter Grund, hier zu verweilen: es ist angenehm kühl in dem wunderschönen Gebäude, das einen entzückenden kleinen, wenn auch unspektakulären Botanischen Garten im Hof beherbergt. Die früher wohl existierende Cafeteria musste Getränkeautomaten weichen, aber selbst der Kaffee aus dem Automaten hat bosnische Qualität.

Dass man Schilder anbringen muss, dass man bestimmte, eigentlich selbstverständliche Dinge nicht tun sollte, sagt übrigens viel über unsere Gesellschaft aus.

Bei der Stadtführung vorgestern besuchten wir ja auch das jüdische Viertel, dort erzählte uns unser Guide, dass Sarajevo eines der kostbarsten Bücher der Welt bewahrt, eine sehr alte jüdische Haggadah. Diese ist so wertvoll, dass sie Kenel zufolge nur an zwei Tagen für jeweils zwei Stunden der Öffentlichkeit präsentiert wird. Ich hatte Glück, die Kammer mit der Haggadah war heute geöffnet. Der Wert dieses Buches wurde einmal versehentlich auf 700 Millionen Dollar geschätzt, aber das Gutachten enthielt einen Zeichenfehler. Aber es dürfte, insbesondere bei Sammlern, dennoch einen Millionenbetrag erzielen. Ich erstand ein Faksimile, vielleicht irrt sich ein Gutachter ja auch bei mir und ich habe für immer ausgesorgt.

Ich lief zurück in die Stadt, an der Statue des ersten bosnischen Königs Trvtko I, am Erinnerungspark und dem Mahnmal für die ermordeten bosnischen Kinder (Stich ins Herz, mal wieder) vorbei bis zum Markale. Überall in Sarajevo sind stilisierte, große Rosen in den Boden gemeißelt. Jede steht für einen Platz, an dem mindestens drei Menschen starben. Es gibt etwa 200 solcher Rosen und sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Märkte und ich haben ein zwiespältiges Verhältnis zueinander. Einerseits liebe ich sie sehr, andererseits weigern sie sich, ihre Öffnungszeiten an meine Bedürfnisse anzupassen. So war dort, wie übrigens auch im Museum, nicht mehr viel los, als ich ankam. Andererseits bin ich inzwischen ja froh, dass es auch mal nicht so ganz trubelige Plätze gibt. In der Baščaršija gibt es übrigens edel gestaltete Innenpassagen, die ebenfalls nicht so überlaufen sind. Dabei schätze ich sehr, dass es hier keine Basarmentalität gibt, handeln ist hier unüblich.

Ich nahm mal wieder eine gehopfte Belohnung zu mir, am Nachbartisch junge Skandinavier, die sich nach allen Kräften bemühten, sich die Kante zu geben. Mehrheitlich ist der Tourist hier auch eher jünger als ich. Wen wundert es? Für alte Knochen ist das Auf und Ab nicht gemacht. Und BIH ist wohl eher ein hippes Reiseziel und ältere Menschen haben es nicht so wirklich auf dem Schirm. Eine Ausnahme bilden Rudel älterer, meist vermummter türkischer Frauen, die sich hier vielleicht sicherer wähnen, als in anderen europäischen Ländern. Vermutlich zu recht. Und Skandinavier, die sich die Kante geben? Naja, das Bier kostet hier ein Zehntel, man denke an meinen Norwegen-Bericht.

Ich verbrachte den Rest des Tages im Baščaršija-Viertel, betrieb Sightseeing, Shopping und Genießing und vergaß beim Einkaufen, dass ich ja gar keinen Koffer mithabe. Mal sehen, wie ich das Problem mit Getränken und Baklava-Paketen löse. Wahrscheinlich buche ich mein Täschchen noch zum Aufgabegepäck um. Die Alternative, alles noch vor Abflug zu verzehren, kommt selbst für mich nicht in Frage… 😁

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Kurze Verschnaufpause auf dem Zimmer… hier könnte übrigens IHRE Werbung stehen!

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Als alt… äh… junggebliebenes Gewohnheitstier kehrte ich abends wieder im Pod Lipom ein. Ich wusste, dass ich den Wein dort mochte und dass er bezahlbar war. Diesmal nahm ich Sish Kebab, Salat und gebackene Kartoffeln. Ganz wunderbar! Gurke, Tomate und Salat kommen hier mit Geschmacksverstärker auf den Tisch, anders kann ich mir den hohen Schmackofatzfaktor nicht erklären. 😜 Das Kalb butterzart, und die Kartoffeln… die Kartoffeln… Elke, Du verstehst mich, gelle? Und da man hier auch Köpfe und Kutteln und dergleichen serviert, könnt Ihr erahnen, wie toll die Brühe ist, die hier traditionellerweise die Sauce ersetzt.

Das Problem mit dem Koffer löste ich, indem ich den Schnaps an den Rezeptionisten weitergab. Der freute sich sehr und bestellte mir ein Taxi für kurz nach Mitternacht, aka 6 Uhr früh. Ich verstaute alles andere nach präzisen geometrischen Anweisungen aus der mystischen Kabbala und bekam den Koffer tatsächlich zu. Ein Mirakel! Nur wiegen darf ihn keiner.

Ihr Lieben, die Reise ist schon wieder vorbei, mein Flieger geht morgen früh um 8 Uhr etwas. Eigentlich war Bosnien-Herzegowina nur ein weiteres Land zum „Abhaken“. Ich bin aber so dermaßen positiv überrascht, dass ich eine Wiederkehr weit weniger ausschließe als befürchte. Mostar, auch wenn überfüllt, ist die Hübsche. Sarajevo ist die Interessante und daher für mich erste Wahl. Land(schaften) und Leute sind wunderbar. Ich kann nur jedem raten, hierherzukommen, bevor das alles hier völlig überrannt wird und an Charme verliert. Die blutige Geschichte scheint überwunden, aber das dachte man ja schon oft an anderer Stelle. Andererseits, 1975 war auch 30 Jahre nach deutschem Kriegsende, um das mal ins Verhältnis zu setzen. Die vielen Zeichen der Ermahnung in Bosnien-Herzegowina helfen hoffentlich gegen das Vergessen.

Vielen Dank wieder einmal für die tolle Begleitung durch Euch und Eure vielen Rückmeldungen in meinen Status und durch PNs! Wir sehen uns, oder? Vielleicht in Bukarest. Liebe Grüße, Euer

Bosnien-Herzegowina? 9 von 10 Gerrys.

Bosnien-Herzegowina 2025 – Tag 2: Brückentag in Mostar

Ihr Lieben,

irgendwie habe ich da was verwechselt. Ich dachte zwar, ich hätte Urlaub, stehe aber dauernd mitten in der Nacht auf. Naja, heute war es einigermaßen zivil. Zwar informierte man mich gestern, dass die mitgebuchte Abholung direkt am Hotel nicht durchgeführt werden könne und ich zum Büro kommen müsse, aber da es nur 5 Minuten Fußweg entfernt ist, ist mir auch das gelungen. Es war eine ziemlich große Gruppe, die sich da vor der Agentur knubbelte. Hm.

Ziemlich pünktlich fuhren wir in einem schon betagten Bus los und unser Reiseleiter Adis zeigte während der Vorbeifahrt noch das ein oder andere in Sarajevo, wo ich gestern noch nicht hingekommen war, wie z.B. Präsidentenpalast und Parlament. Unser erster Stopp war dann Konjic, das unter anderem für die dortige Schnitzkunst bekannt sein soll, die sogar in das Immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen wurde. Zweitens gibt es eine Brücke, die mehrmals zerstört und einigermaßen originalgetreu wieder aufgebaut wurde. In der Stadtsilhouette fällt zudem ein Minarett auf, dessen obere Hälfte fehlt. Die ist dem Erstbombardement im Jahr 1992 zum Opfer gefallen und der Turm soll als Mahnmal so erhalten bleiben.

Wir fuhren und fuhren und fuhren und fuhren… es gab zwar Zeitangaben, wie lange wir von welchem Punkt zu welchem unterwegs sein sollen, aber diese beruhten offensichtlich nicht auf wissenschaftlichen Berechnungen. War vorher die Landschaft zumindest idyllisch, majestätisch, sehr grün und abwechslungsreich, so lag jetzt der Schwerpunkt deutlich auf Industriegebiet und Einöde. Mitten in der Pampa hielten wir an einer unattraktiven Tankstelle an, für Toilettenpause und Snackeinkauf.

Die dann angekündigten 45 Minuten zum nächsten Ziel wurden um eine halbe Stunde überzogen, der Bus ruckelte weiter durch die Einöde und legte zwischendurch auch mal die ein oder andere Vollbremsung hin, die uns aus den Sitzen schmiss. Gegen 12:30 Uhr waren wir dann in Kravica, bei den berühmt-berüchtigten Wasserfällen. Sagen wir mal so, wer schon mal an den Victoria Falls war… naja, es ist ganz nett. Leider völlig überlaufen. Ein kleines Disneyland. Man kann schwimmen, fressen, saufen und sich im Boot über einen See paddeln lassen. Auf und Abstieg waren sehr beschwerlich, denn die angekündigte Fahrt mit der Bimmelbahn war gestrichen.

Ab da ging es dann aber verhältnismäßig zügig und die Attraktionen wurden auch interessanter. Wir besuchten die wirklich sehenswerte mittelalterliche, unter dem Schutz der UNESCO stehende Stadt Počitelj, die wir von der oberen Festung bis zur unteren Moschee hinabliefen. Es gibt nur wenige Einwohner, alles ist wunderbar erhalten, aber auch sehr steil mit sehr vielen Treppen. Es gibt Stände mit selbstgemachten Marmeladen, Honig, getrockneten Früchten, selbstgepresstem Saft. Ich erstand Feigen, die Ortschaft ist voller Feigenbäume.

Von dort aus fuhren wir nach Blagaj, wo die einzige Quelle des Flusses Buna liegt; an dieser Quelle haben Derwische ein Kloster errichtet. Seit 1920 lebt dort keiner von ihnen mehr, aber es wird noch als religiöse Stätte genutzt, vor allem von Souvenirverkäufern und Restaurantbetreiben. Auch hier ist es ziemlich schön und der Ort einen Besuch wert. Aber voll, voll, voll. Und der Weg vom Busparkplatz steil.

Der Höhepunkt des Tages stand an: der Besuch von Mostar und seiner berühmten Brücke. Gestern meinte der Stadtführer, das Mostar ohne die Brücke gar nichts wäre, aber das ist nicht zutreffend, die Altstadt ist wirklich sehr sehenswert. Das finden aber auch Millionen anderer Menschen! Und alle waren sie heute hier! Das Geschiebe und Gedränge könnt ihr euch kaum vorstellen, auf der Brücke ging zeitweise gar nichts. Während wir – kurz vorher – aus der Ferne die Brücke bewunderten, sprang einer der Brückenspringer ins Wasser, den konnte ich nachher aus der Nähe betrachten. Der hatte ganz schön beeindruckende Verletzungen. Scheint also ein einträgliches Geschäft zu sein. Wir besuchten noch eine kleine Moschee und bekamen dann Freizeit. Dreimal dürft ihr raten, was ich da zuerst tat! Nach meiner kleinen Belohnung bin ich aber natürlich noch weiter durch die Innenstadt. Schon nach kurzer Zeit wird es erstaunlich angenehm, die Touristenmassen konzentrieren sich wirklich auf einen Umkreis von 100 m um die Brücke herum. Ich erstand mangels Weinkaufgelegenheit einen selbstgemachten Granatapfelschnaps, den ich mir mit Limo verdünne.

Obwohl unser Adis ein Kriegsveteran und später so etwas wie ein Sonderbeauftragter der UNO für die Kriegsfolgen war, sprachen wir erstaunlich wenig über Geschichte. Aber sie läuft einem natürlich auch insbesondere in Mostar über den Weg. Mostar war mehrmals belagert und attackiert worden. Es gibt große Friedhöfe, auf denen das Sterbedatum ganzer Felder identisch ist. Kinder dabei. Das ist erschütternd.

Die Rückfahrt zog sich und gegen 21 Uhr waren wir wieder in Baščaršija. Ich war fix und alle. 13 Stunden wahlweise in einem ausgenudelten Bussitz oder auf steilen Abhängen unterwegs. Dazu einen sehr verstörenden Sitznachbarn. Der spielte z.B. mit verkniffenem Gesicht Luftschlagzeug. Puh. Ich eilte in meine Lieblingsbäckerei, orderte zwei Bureki und nahm sie mit ins Hotel. Fettriefend und absolut köstlich! Der Hammer! Ich schaffte aber nur einen, sehr mächtig die Dinger.

Fazit des Tages? Also, der Ausflug war in Teilen ja sehr schön, aber wenn man dreiviertel der Zeit herumfährt und vor Ort nur eine kleine Führung und dann ein bisschen Freizeit hat… dazu die recht große Gruppe und der völlig unbequeme Bus… vielleicht würde ich beim nächsten Mal einen kleineren Ausflug buchen oder aber für einen Tag einen Mietwagen nehmen. Mit dem Auto kommt man hier doch recht gut von Ort zu Ort, wie mir scheint.

Morgen schlafe ich erstmal aus, weitere Pläne habe ich noch nicht. Es gibt gute Museen, aber das Wetter ist ja viel zu schön für Innenaktivitäten.

Ihr Lieben, ich hoffe, wir sehen uns morgen wieder. Bis dahin alles Liebe und Gute, Euer