Tag 11: Nun doch ein viertes Land – ganz offiziell

Mieli skaitytojai!

Der Nachteil eines Apartments auf so einer Rundreise ist ja der, dass man sich dem morgendlichen Müßiggang hingibt. Denn kein Frühstück wartet auf einen, dass bis 10 Uhr oder wann auch immer eingenommen werden muss. Und man kann sich dann so prima noch einmal rumdrehen. Und dann noch einen Kaffee und noch einen Kaffee…. So kam ich erst sehr spät aus den Plumeaus in die Plünnen und in die Puschen.

Mein erster Besuch galt der Kirche St. Peter und Paul, ein eindrucksvolles Beispiel für den Hochbarock in Europa. Mehrere tausend Figuren sind aus dem Stuck herausgearbeitet, sie sind sehr kunstvoll und vielfältig. Man könnte Stunden verbringen, sich alle diese kleinen Kunstwerke der Bildhauerei anzusehen.

Aber ich wollte um 13 Uhr eine kleine Bootstour über die Neris unternehmen und die Kirche liegt etwas außerhalb der Innenstadt. Die Bootsfahrt sollte 45 Minuten dauern und an der Mindaugas-Brücke starten. Als ich mich dort kurz vorher einfand, stellte sich heraus, dass ich der einzige Kunde war; die drei Mitglieder der Besatzung fläzten sich herum und schienen nicht besonders motiviert, daher beschloss ich gar nicht erst, nach der Tour zu fragen. Ich hätte mich auch unwohl gefühlt, so ganz alleine auf dem Boot. Zudem hatte ich ja schon einiges von der Flussseite aus gesehen. Und es nieselte auch. Igitt. Mindaugas war übrigens der einzige König Litauens.

So begab ich mich dann zum Präsidentenpalast und knipste mich mit dem. Dann erwarb ich Tickets für den Besuch der Universität, wo in der Universitätskirche jemand für mich Orgel spielte, das fand ich sehr aufmerksam! Die Universität ist in verschiedenen Stilen gebaut und durchaus sehenswert. Sehr, sehr viele junge Studentinnen und Studenten wuseln sich auf den vielen Innenhöfen. Hier macht studieren bestimmt viel Spaß.

Auch für den zur Uni gehörigen Glockenturm erwarb ich ein Ticket. Man fährt nach ein paar Stufen mit einem Glasaufzug hoch, das ist ja mal wieder so richtig was für mich! Ich musste die Augen schließen! Gibt es eigentlich wissenschaftliche Untersuchungen, warum Höhenangst immer schlimmer wird? Auf der 4. Etage des Turms waren die spektakulären Ausblicke dann durch Gitterfenster verdeckt, also habe ich mich eine schmale Stiege hinaufbemüht, um an die Brüstung des Glockenturms zu gelangen. Schon beim Aufstieg habe ich mich gefragt, wie ich jemals lebend da wieder herunter kommen soll. Aber die Ausblicke sind wirklich spektakulär! Und das Wetter hatte sich inzwischen gebessert. Im untersten Stock des Turmes gibt es noch eine kleine Ausstellung, auf der ersten Ebene (wo der Aufzug startet), gibt es ein foucaultsches Pendel. Sehr interessant.

Weiter ging es in das ehemalige jüdische Viertel. Auf dem Weg dorthin kam ich an einer Kirche vorbei, in der gerade ein Gottesdienst stattfand, ich glaube auf russisch. Es ist schon interessant: jedes Mal wenn ich ein religiöses Gebäude besuche, findet dort irgendetwas statt oder jemand spielt Orgel oder jemand wird getauft. Religiöses Leben spielt hier eine größere Rolle als bei uns. Wobei: dieser Gottesdienst war nur von 20 Frauen und zwei Männern besucht. Aber immerhin vier Messen täglich, wenn ich das richtig gedeutet habe!

Das jüdische Viertel war nicht einfach zu finden. Es hieß früher Klein-Jerusalem und war ein weltweit geachtetes Zentrum des Judentums. In Vilnius gab es fast 100 Synagogen, das Jiddisch wurde hier kultiviert, es gab über 150 jüdische Vereine. Warum fand ich es nicht? Nun, es wurde fast alles ausgerottet, was an jüdischem Leben hier war. In Litauen wurde sowohl von deutscher als auch russisch/litauischer Seite mit unglaublicher Brutalität vorgegangen. Ein entsetzliches Kapitel in der Geschichte Litauens!

Ich lief weiter zur alten Bastion. Die ist nicht weiter sehenswert, aber auf meinem Weg nach Osten gab es sehr schöne Aussichtspunkte, von denen man aus über die gesamte Stadt blicken konnte. Außerdem kam ich noch an der leicht verfallenen und seit langem geschlossen Himmelsfahrt-Kirche vorbei, ein bemerkenswertes Mahnmal an die Vergänglichkeit.

Auf meinem Weg zurück kreuzte ich erneut die Republik Uzupis. Hier nahm ich dann auf der Terrasse des quasi Regierungsgebäudes, dem Café Uzupio, mein Bier mit Blick auf die Vilnia ein. Das hatte ich zwar gestern schon vor, aber da war die Terrasse von Briten okkupiert, die sich gegenseitig mit Lebensmitteln bewarfen und grölten. Kurz vorm Brexit noch mal die Sau rauslassen. Und dann holte ich mir doch einen Stempel für meinen Pass. Ich war nun offiziell und nachweisbar dort.

Apropos Ländervertretungen: Ich bin an so ziemlich allen Botschaften in Vilnius vorbeigekommen. Wenn man nun davon ausgeht, dass alle fast 200 Länder dieser Welt eine diplomatische Vertretung in Vilnius unterhalten und dann annimmt, dass Vilnius in ebenso vielen Ländern ein Gegenstück hat, dann ist die prozentuale Quote an Diplomaten im Beruferanking Litauens sehr hoch. Wie mag das in noch kleineren Ländern sein?

Auf dem Weg ins Apartment kaufte ich noch Käse bei einem Lidl ein – wiewardasmitderWeltunddem Dorf? – da ich wieder nach mehreren Stunden Fußmarsch zu erschöpft war, ein Restaurant zu suchen. Zudem hatte ich noch Fisch und musste die Route für morgen überlegen. Kaunas soll doch nicht wirklich sooo besuchenswert sein. Auch ein Wein musste noch in die Einkaufstüte. In Litauen gibt es übrigens strikte Gesetze, was Alkohol angeht. Sie werden begründet mit einem Weltspitzenplatz an Alkoholikern und daraus resultierenden Suiziden. Puh.

Also, für heute nur noch viele Grüße an alle und ? ? .

Euer Gerry

Und ich Dummerchen dachte immer, die heißt Norma Jean Baker.
Den wollte ich Euch nicht vorenthalten. Ist der nicht putzig?

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