Frohe Weihnachten, Ihr Lieben!
Heute – ganz im Sinne der Weihnacht – sollte es ein ruhiger und friedlicher Tag werden. Zum Sonnenaufgang hatte ich mir den Wecker gestellt und saß dann kurz vorher mit Kaffee am offenen Fenster, es fehlte nur das Kissen mit den Bommeln dran. Es war dann aber ein eher unspektakuläres Ereignis. Ich legte mich dann nochmal ein bisschen hin.
Am späten Vormittag fuhr ich dann mit Bussen bis zum nördlichsten Haltepunkt von Las Palmas (der letzte hat im Leerlauf so vibriert, dass ich nie im Leben jemals eine Hautstraffung benötigen werde). Dort befindet sich der Mirador de Las Coloradas. Ein Aussichtspunkt in einem kleinen Ort auf einem Mondlandschaftshügel. Früher war rundherum und ist heute noch teilweise militärisches Sperrgebiet.
Ich kraxelte auf den Mirador de la Cruz, von dem aus man perfekte Fernblicke genießen kann. Ich wanderte weiter Richtung Canteras-Strand. Es wurde leider immer schottiger und steiler. Kurz hinter dem Confital-Strand musste ich nachgeradezu alpine Fähigkeiten beweisen, bis mich nur noch 5 Meter von der Promenade trennten. Leider komplett steil und mit Kakteen in Sprungweite. Zwei schon erlittene Bänderrisse reichen mir für mein Leben und so alpinierte ich zurück. Einen ziemlichen Umweg, diverse Schürfwunden und einen Riss in der Hose später stand ich auf der Promenade, schaute die Gefahrenstelle hoch. Maximal 2 Meter und durchaus machbar. Jeder Pekinese hätte das geschafft! Aber Kiste ist ja bekanntlicherweise die Vorsicht der Porzellanmutter!
Auf dem Weg liegt übrigens eine archäologische Stätte. Höhlen der Canarios. Jetzt offensichtlich bewohnt von Aussteigern, die natürlich und ökologisch leben wollen und so herrlich unkonventionell sind.
Ich hatte Bärenhunger! Jetzt schnell in ein Restaurant, etwas totaaaal leckeres essen. Puh! Alles voll. Alles! ALLES!! Ratet mal, in welchen drei Raststätten es Plätze gab! Burger King, die vegane Saftbar und der All-you-can-eat-Chinese hätten mich gerne willkommen geheißen.
Am Ende von Las Canteras bin ich dann in eine Seitenstraße, dort fand ich eine Avocado-Bar. Prima. Arrugadas mit Guacamole! „Guacamole ist aus…“ Manchmal hat man so einen Lauf… Also einen Wrap mit Salat, aber dazu als Weihnachtsgeschenk noch Sticks mit Hummuspaste. Und das Bier war extrem lecker! Nach Wanderungen ist es das eigentlich immer! Der Kellner ein Fan von Basquiat. Sehr sympathisch. Das ist übrigens kein Fußballverein, sonst hätten wir uns darüber nicht unterhalten können.
Wegen einer einzigen Tomate bin ich dann noch in den Supermarkt. Die brauchte ich dringend für meine Wanderung morgen. Ich nehme mir nämlich einen dreistöckigen Bocadillo mit.
Abends habe ich mich dann wieder auf die Klippen gesetzt. 17 Uhr. Da wurde es dann sentimental. Es bin ich. Damals haben wir zuhause immer so ziemlich genau gegen 17 Uhr die Kerzen im Baum angezündet. Dann wurden – früher wild durcheinander, später gesittet nacheinander – die Geschenke ausgepackt und dann wurde zusammen sehr einfach gegessen. Toast mit Räucherfisch z.B.
Vorher natürlich immer das Drama, wer geht zu wem, wer muss bestimmte Verwandte ertragen, wer kocht, wer räumt auf… Und der Stress mit den Geschenken! Jetzt saß ich einfach auf den Klippen, es war Heiligabend und ich… fand es unglaublich friedvoll und schön!
Hier und da saßen andere Leute in den Klippen und schauten verträumt aufs Meer. Manche knutschten. Ich chattete ein bisschen mit einer Klassenkameradin aus dem Spanischkurs und einer Freundin aus Köln. Die Sonne ging unter. Ich blieb sitzen. Das Meer brandete gegen die Felsen. Mir wurde klar, dass ich hier leben will. Auf den Kanaren.
Sentimentaler alter Wirrkopp! rief ich mir zu und begab mich in mein Appartement. Dort warteten kühler Wein und eine Empanada de Carne auf mich, mein Weihnachtsmenü. Ähm… kann ein Gericht alleine eigentlich ein Menü sein?
Morgen ist eine Megawanderung geplant, von der ich noch nicht weiß, ob ich sie schaffen werde. Die Australierin aus dem Kurs hat eine ähnliche gemacht und musste ein Taxi rufen, weil sie sich verirrt hatte. Sollte ich Silvester nicht bei Rolfs Party sein, dann sucht mich im Tal von Agaete.
Ihr Lieben! ¡Felices Fiestas! Ich wünsche Euch alles erdenklich Liebe und Gute und sende Euch ganz viele Grüße aus Costa Ayala!
Euer Gerald
Carmen Jiménez