Tag 2: Die Kaphalbinsel

Ihr Lieben,

nachts ist es im Viertel etwas lauter. Die Dam- und Herrschaften, die sich auf der Straße verlustieren, sind wahrscheinlich alkoholisiert und lärmen ein bisschen. Angestachelt durch den Lärm kläffen einige Hunde hysterisch. Irgendwann kann man das ausblenden und einschlummern. Bis zu dem Zeitpunkt, wo der Muezzin der benachbarten Moschee zum Gebet ruft. Dies tut er sehr früh und mit absoluter Hingabe. Ich stand umgehend senkrecht im Bett. Irgendwann haben sich die Gläubigen eingefunden und man konnte wieder einschlummern.

Am Morgen dann erst einmal ausgiebiges Frühstück, sodann Auffüllen der Weinvorräte und Ergänzung des Kühlschrankinhaltes um unverzichtbare Lebensmittel. Um 10 Uhr brachen wir dann zur Kaphalbinselentdeckungsfahrt auf. Wir beschlosssen, am Kap der guten Hoffnung anzufangen, um sozusagen gute Geister heraufzubeschwören. Der Eintritt ist happig und für „Internationale“ deutlich teurer als für Residents. Wir fanden das natürlich diskriminierend, hatten aber politisch korrekt absolutes Verständnis dafür. Auf dem Weg zum Kap passierten wir eine Straußenfamilie mit sehr vielen kleinen Küken. Unvorstellbar, dass diese winzigen Dinger mal so groß werden.

Wir knipsten uns und andere vor dem berühmten „Ich-war-hier“-Schild. Die anderen natürlich nicht für unser Fotoalbum, sondern für deren. Aber so konnten wir Revanche einfordern und auch ein Dreierbild von uns erhalten, ohne uns zu sehr vor dem Selfieobjektiv verrenken zu müssen. Wir liefen die Klippen hinauf, beschlossen aber oben, nicht dem Pfad zum Leuchtturm zu folgen, da wir zu viel Zeit verloren hätten. Also retour und mit dem Wagen zur anderen Kapseite, wo wir die Standseilbahn nach oben nahmen.

Auf einer Plakette am Leuchtturm werden einige Regeln erläutert, die den Naturpark betreffen. Ich las „Please respect Vegetarians“ und war verwundert, warum ich das tun solle. Es ging natürlich um die Vegetation. Speisen wollten wir dann im Nationalparkrestaurant „Two Oceans“, aber das war für eine geschlossene Gesellschaft reserviert. Man empfahl uns die Imbissbude nebenan. Pft! Da hatte ich ja nun gar keine Lust zu und überredete die anderen Hungrigen, unser Essen zivilisiert an einem Tisch an einem anderen Ort einzunehmen.

Wir wollten den ersten Ort nach der Ausfahrt aus dem Cape National Reserve ansteuern, das wäre Miller’s Point gewesen. Aber dort gab es leider irgendwie gar nichts. Ich setzte zurück und fuhr gewohnheitsmäßig auf die rechte Seite. Ein gleichzeitig einsetzender Aufschrei der Mitfahrer „Wir werden alle sterben!!!“ brachte mir in Erinnerung, dass wir in einem Linksverkehrland waren. Wir haben alle überlebt. Übrigens ist Otto vormittags gefahren und wir haben mittags gewechselt. Wir beide leiden unter den gleichen Herausforderungen, wie zum Beispiel den Abstand nach links einzuschätzen sowie den Blinker richtig zu verorten. Rolf sitzt im Fond und leidet still.

In Simon’s Town dann fuhren wir auf den Touristen-Parkplatz, um endlich ein Restaurant zu entern; wir waren inzwischen alle von der „Ein-Keks-hilft-uns-jetzt-kurz-weiter“-Methode weit entfernt. Wir ließen uns im Bertha’s nieder, wo ich schon 2018 einmal gespeist hatte. Rolf und ich hatten den Alles-drin-und-drauf-Burger, der wirklich einer der besten war, den ich je gegessen habe. Schon auf dem Parkplatz intonierte ein Männergesangsverein tradionelles Liedgut, vorm Restaurant trommelte und sang sich eine Frau die Seele aus dem Leib. Otto lief zu ihr und spendierte ihr etwas Geld, worauf sie ihm ein Liebeslied vorsang, was ihn eigentlich verpflichtet hätte, die Dame zu ehelichen, so berührend war das.

Nach dem Essen ging es dann zu den Pinguinen von Boulder’s Bay. Diese Kreaturen sind lustig und würdevoll zugleich! In ihren Fräcken stehen sie stoisch herum und beäugen die sie beäugenden Touristen. Ich mag sie sehr. Leider riechen sie etwas streng, aber nur ein bisschen. Vielleicht duften wir Menschen für sie ja auch nicht nach Rosen. Irgendwie würde ich hier gerne viel mehr Liebe für sie ausdrücken, aber ich denke, es ist besser, die Bilder für sich selbst sprechen zu lassen.

Einer der Höhepunkte einer Kaphalbinselfahrt ist ja der Chapman’s Peak. Eine wunderbare Küstenstraße mit grandiosen Ausblicken. Die nahmen wir denn dann, um über Hout Bay, Camps Bay und Clifton wieder nach Hause zu fahren. Ab Camps Bay ist das eine beliebte Staustrecke und so hatten wir ausreichend Zeit, die Schönen und Reichen beim Partymachen zu bestaunen. Kleines Intermezzo: Otto und Rolf reisen ja auch sehr viel, und ständig erinnert sie hier etwas an einen anderen Ort. Ich kenne dieses Phänomen natürlich auch. Kapstadt hat von allem ein bisschen. Singapur, Sidney, Mallorca und Gran Canaria fielen. Und Camps Bay dann natürlich eher Malle.

Daheim haben wir ein bisschen genickert und uns mental auf eine Gay Night in Cape Town vorbereitet. Wir wollten ins „Manhattan“, ein schwules Caférestaurant. Wir folgten einer Offline-Wegbeschreibung von Google und irrten ewig herum, bis uns klar wurde, dass dies nicht zielführend war. Mein Südafrika-Handy wurde aktiviert und wir mussten feststellen, dass das gesuchte Objekt quasi neben unserer Haustür zu finden war. Gefühlt waren wir bis dahin aber schon einmal nach Johannesburg und zurück gelaufen. Dort angekommen – im Manhattan, nicht in Joburg – stellten wir fest, dass der Laden vollkommen überlaufen war. Ehrlich? Ich bin aus dem Alter heraus, in dem ich mich wie ein kreischender Teenie irgendwo anstelle. Wir liefen auf gut Glück durch das Viertel und erspähten einen Balkon mit offensichtlich glücklichen Gästen. Dieses Lokal erkoren wir dann aus, um uns zu sättigen. Hotel Grey in der Jarvis Street. Tapas. Aber was für welche. Bisschen asiatisch angehaucht, sehr lecker. Und es gab Live-Musik. Eine sehr enthusiastische Dame gab R&B- sowie Soulklassiker zum besten. Da war definitiv Talent im Spiel, aber sie musste über den Restaurantlärm hinwegschreien, was einen kleinen Abzug in der Emotionalität mit sich brachte. (oh Gott, ich bin „The Voice“ geschädigt)

Ein denkwürdiges Highlight haben wir uns für den Abend aufgehoben. Beefcakes, der Burgerladen. So ein doppeldeutiges Wort für eine eindeutige Bar. Halbnackte Männer bedienen aufgeregt kreischende Frauen und Tunten wie uns drei (naja, wir haben nicht gekreischt) bei ohrenbetäubender Musik, bei der eine Unterhaltung nur unter drohendem Stimmbandriss möglich gewesen wäre. Und halbnackt ist hier die Untertreibung des Jahres. Obwohl als schwul deklariert, dominierte das irgendwie nach diversen Drinks so gar nicht zarte Geschlecht das Geschehen. Denn es fand eine Junggesellinnenparty statt, bei der Gäste und Bedienung alles gaben. Inklusive Körperabschleckdrinks. Naja, wer’s mag. Aber die Männer in der Bar waren hyperfreundlich und erstaunlicherweise hat die Flasche Wein uns trotz des Spektakels nur umgerechnet 12 Euro gekostet. Ein Erlebnis.

Zuhause haben wir dann noch einen Absacker genommen und über den tollen, abwechslungsreichen Tag sinniert. Bisher sind wir uns einig darüber, wie gut wir es hier angetroffen haben.

Morgen soll auch mal etwas über Kultur hier stehen, daher planen wir einen Besuch des MOCAA und einen Besuch am Strand. Äh. Ja. Naja, Strand kann ja auch als kulturell… äh.

Ihr haltet MOCAA für ein Getränk? Lasst Euch morgen eines Besseren belehren. Wir würden uns über Eure virtuelle Begleitung freuen!

Liebe Grüße,
Rolf, Otto und Gerry

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