Tag 15: Tag des Schreckens

Ihr Lieben,

die ersten Neuigkeiten beim Frühstück heute: Das vereinigte Königreich schränkt den Flugverkehr von und nach Südafrika ein. Es gibt eine neue Covid-Virusvariante, die als – na, sagen wir mal besorgniserregend eingestuft wird. Wir waren noch entspannt. Ein paar Minuten später erzählte uns James, dass er die ersten Stornierungen aus UK reinbekam. Sukzessive folgten andere Länder und andere Stornierungen, darunter auch Deutschland, auch mit eingeschränktem Flugverkehr. Lufthansa war natürlich nicht zu erreichen, die Nachrichtenlage war dünn und so begannen wir, unsere Tagesplanung (entspannt shoppen und essen in Stellenbosch) über den Haufen zu schmeißen und Evakuierungspläne zu schmieden. Wir schauten sogar nach sofort verfügbaren Flügen über die abenteuerlichsten Umwege. Kapstadt – Nairobi – Dubai – Dublin – Frankfurt. Oder Kapstadt – Windhuk – Kairo – Abu Dhabi – Brüssel. Ike, die sich natürlich um ihre Rückreise nächste Woche sorgt, stieß zu uns und telefonierte erst einmal alle ihre Lufthansakontakte ab. Ziemlich bald war klar, dass die beiden Frikadellen wahrscheinlich das Land mit ihrer gebuchten Maschine verlassen könnten, die Frikandel aber eventuell ein Mitflugverbot ereilt. Also, Mail an Lufthansa, dass der Umsteiger in München statt nach Düsseldorf für Otto auf Amsterdam umgebucht wird. Es gab auch später eine Antwort, dass der Wunsch an die zuständige Stelle weitergeleitet würde, momentan aber viel los sei. Ach was. Wir werden auf jeden Fall mit vollem Körpereinsatz für Ottos Transport kämpfen.

Dann die Notwendigkeit, einen PCR-Test vorzulegen. Woher nehmen und nicht stehlen? James vermittelte uns zu einer Praxis in Stellenbosch, zu der wir mit wehenden Frackschößen eilten, die uns aber wegen kompletter Terminüberbuchung dann doch nicht mehr drannehmen konnte. Man schickte uns in eine nahegelegene Klinik. Die quoll über vor verängstigten Touristen, die alle um einen Dringlichkeitsstufe 1-Test bettelten. Wie wir natürlich auch. Denn es war klar, dass die Labore vollkommen überlastet waren und wohl jetzt auch noch sind. Man konnte uns nicht versprechen, dass der Test rechtzeitig fertig wird. Aber die Damen von der Pathologie (ein skurriler Ort für Covid-Tests, wie ich finde) waren alle unglaublich charmant und halfen uns mit den Formularen und luden uns alle zu ihrem Weihnachtsfest ein, falls wir nicht aus dem Land kämen. Wir warteten natürlich im Vorraum alle aufeinander und als wir dann geschlossen gingen, winkte und cheerte uns die komplette Damenriege hinaus. Wir alten Männer waren sehr gerührt. Und die auf Einlass wartenden anderen Touristen irritiert. Ich glaube, wir drei haben zusammen irgendwie einen Schwarm-Charme. 🙂

Während wir uns auf den Heimweg nach Franschhoek begaben, rief Ike an, wir sollten vorerst bleiben, wo wir sind, es hagele und stürme wie am jüngsten Tag. Also, wenn es kommt, dann kommt es dicke. Kurze Zeit später gab sie Entwarnung und wir rotteten uns im Maison Chablis zu einer Vollversammlung zusammen, um weitere Maßnahmen zu diskutieren. Auf jeden Fall werden wir schon morgen nach Kapstadt aufbrechen, damit wir erstens wegen der Autorückgabe nicht in ein eventuelles Chaos kommen und zweitens, wir im Falle, dass der PCR-Test nicht rechtzeitig vorliegt, einen Antigen-Test machen lassen können. Der reicht für Geimpfte aus, den konnten wir nur heute hier nicht machen, da der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Also, heute nur Stress, keine Fotos und keine glücklichen Selfies. Aber wir sind guten Mutes, dass wir rauskommen und fühlen uns einigermaßen vorbereitet. Mal sehen. Zuhause sollen wir dann ja alle noch 14 Tage in Quarantäne. Na, die hätte ich ja lieber hier verbracht, unter Nutzung von Spahn-IV, dem Zuschuss für gestrandete Urlauber in südafrikanischen Luxusquarantänehotels.

Auf jeden Fall finde ich es bemerkenswert, wie viele Menschen uns über WhatsApp, Homepage-Kommentare und E-Mails ihre seelische Unterstützung haben zukommen lassen. Das finden wir sehr nett. Jetzt – es ist inzwischen Abend – gibt es erst einmal einen großen Schluck Wein und dann gehen wir noch irgendwo essen.

===WERBEPAUSE===

Wir hatten ja noch eine Reservierung für unseren nun ins Wasser fallenden morgigen Abschiedsabend im „French Connection“. Da musste ich ja auch noch vorbei und den Tisch stornieren. Und obwohl das Restaurant rappelsvoll war, hat man uns noch einen Tisch organisiert, um den Abend vorzuverlegen. So hatten wir wenigstens mit Ike zusammen noch einen schönen Abend bei gutem Essen, der uns ein bisschen mit dem Tag versöhnte. Otto traf dort überraschenderweise noch eine Kollegin (die Welt ist klein), die heute erst ankam und nach Landung von all den Horrornews überfallen wurde. Sie meinte aber, sie mache dann jetzt halt erst mal Urlaub und würde dann weitersehen. Etwas anderes kann man ja auch nicht tun.

Ike brachte uns, da es regnete, noch zur Ecke Berg Straat, wo sich Otto ins Hotel verabschiedete und Rolf und ich im Tuk Tuk noch einen Absacker nahmen. Der Kellner sagte beim Bezahlen, dass er sich freut, dass wir so oft da wären und das war dann natürlich wieder ein berührender Moment. Er würde sich wünschen, dass wir nächstes Jahr wiederkämen. Klar, es ist so, dass alle hier super freundlich sind oder sein müssen. Aber oft ist es eben auch nicht nur aufgesetzt. Wenn ich da an das in Deutschland üblich gewordene, lieblos hingeschleuderte „Gernäähh!“ denke, bei dem man weiß, dass davon kein einziger Buchstabe stimmt. Ach, es stimmt mich sentimental, dass die Abreise so nahe liegt.

Und weiter oben habe ich gelogen. Es gibt jetzt doch noch ein Unsie (gebt Euch keine Mühe, dieses Wort steht nicht im Duden):

Morgen dann het laatste nieuws aus Kapstadt.

Euer Gerry

P.S.: Warum eine Passionsblume? Naja, die war halt da…. 🙂

4 Gedanken zu „Tag 15: Tag des Schreckens“

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