Ihr Lieben,
immer noch bin ich ganz verzückt von der schönen Oper gestern. Ein paar szenische Elemente haben mich irritiert und zwar dergestalt, dass es deswegen keinen Aufschrei gegeben hat. Schießende Kinder (wobei die Jungs auf die als Wild verkleideten Mädchen schossen), eine debile Wirtsgehilfin (ist das im Libretto so gewollt?) und eine betende Menge. Das Publikum war inklusive meiner einer dennoch begeistert. Besonders das Ännchen und der Fürst waren mit unglaublichen guten Stimmen besetzt.
Der späte Abend war dann nicht ganz so entspannt, weil in einem Zimmer schräg gegenüber (übrigens schon gestern früh) ein Hund um sein Leben kläffte und jaulte. Offensichtlich hatten seine Besitzer das Tier mal eben eine lange Zeit alleine gelassen. Die Rezeption konnte (oder wollte) nichts unternehmen und so bleibt mir nur, zu hoffen, dass der Hund vor Aufregung die ganze Bude… äh… Sorry.
Während des Frühstücks überlegte ich mir dann pingelig genau, welche Stationen ich heute mit dem Bus anfahren wollte. Man muss ja doch eine gewisse Zeit auf die Nachfolgefahrt warten. Elbschlösser? Oder lieber Großer Garten? Und die Zigarettenfabrik im Stil einer Moschee! Ich muss ja auch noch auf die Brühl’schen Terrassen! Also, wird Zeit, dass Du in die Puschen kommst, mein Lieber!
Schon an der Einstiegshaltestelle tummelten sich Millionen von Menschen. So viel also zu meinem Plan. Ich beschloss, die Ausstiegshalte schwer zu begrenzen. Das stellte sich als eine gute Idee heraus, denn bei jedem Wiederzustieg wurde ich mindestens einmal abgewiesen, da der Bus zu voll sei.
Ich fuhr also nur an der Zigarettenmoschee vorbei und verließ den Bus erst beim großen Garten. Diesen kann man mit einer Parkeisenbahn erkunden, die in ca. 20 Minuten einmal durch die riesige Anlage fährt. Sie wird von Dresdner Schülern betrieben. Es wundert vielleicht nicht, dass ich kein einziges Mädchen gesehen habe. Irgendwie ist Eisenbahn doch ein Jungs-Ding. Es ist auf jeden Fall eine Gute-Laune-Aktivität.
Ich fuhr weiter zu den Elbschlössern. Auf den Terrassen des Lingner-Schlosses kredenzte man mir ein süffiges Landbier. Der Blick von dort aus über die Elbe hin nach Dresden ist fantastisch! Ich spinxte noch bei Schloss Eckberg über die Mauer und lief an Schloss Albrechtsberg wieder zum Bus. Die Elbschlösser sind ein wunderbares Ensemble mit stellenweise würdevoller Patina. Sehr lohnenswert ein Ausflug dorthin.
Ich verließ den Bus ein letztes Mal am Albertinum und lief von dort über die Brühlsche Terrasse, an der Kunstakademie (mit der Zitruspresse als Kuppel) vorbei zur Frauenkirche. Leute, Leute. Es ist echt schwer, da mal reinzukommen. Dauernd ist sie für Besichtigungen gesperrt, sei es wegen eines Konzerts oder einer Andacht oder weil die Putzkolonne da mal durch muss – ich weiß es nicht. Ich brachte aber in Erfahrung, dass ich ab 19:30 Uhr mein Glück versuchen könne. Ganz knapp vor meiner Stadtführung. Ob ich es jemals schaffen werde, sie von innen zu besichtigen??? Als Ersatzhandlung besuchte ich dann halt die Kathedrale Sanctissimae Trinitatis. Fühlte sich aber irgendwie nicht richtig an :-).
So langsam merkte ich meine Spreiz-Senk-Platt-Quadratfüße, kaufte mir ein paar Postkarten und ließ mich an der Käseglocke auf ein Kellerbier nieder (neinneinnein, ich bin wirklich kein Biertrinker!) und schrieb der Handvoll Menschen, die mir auch noch schreiben. Der Dresdner ist scheinbar sehr originall im Vergeben von Spitznamen. Die Käseglocke ist ein als Wartehalle erbauter Pavillon, der ein kleines gastronomisches Angebot hat. Sehr nette Bedienung, sie lieh mir einen Stift und war total begeistert, dass es noch Postkartenschreiber gibt. Was gibt es noch? Die Zitruspresse hatte ich oben ja schon erwähnt. Auf dem Rathaus steht eine güldne Figur, die die rechte Hand in einer Art und Weise ausstreckt, die an dunkle Zeiten erinnern, die keineswegs irgendein Heil brachten. Man diskutierte und verwarf die Idee der Demontage. Es ist nun das Nieselmännel, das prüft, ob es regnet. Die Friedenstaube auf der sächsischen Staatskanzlei, die es leider nicht mehr gibt, sah eher aus wie eine Henne und wurde entsprechend benannt. Es gibt noch massenweise anderer solcher Beispiele. Naja, in Köln macht man das ja auch. Ich finde insbesondere die „Mülltüte“ sehr passend!
Das Wetter, mit dem ich wirklich Glück hatte!, wurde schlechter und ich fuhr ins Hotel zurück, um mich für den Abend umzuziehen. Auf dem Weg dorthin lief ich über die Augustusbrücke, auf der sich Menschenmassen versammelt hatten. Was war denn da los? Drei Fesselballons machten sich vor der Staatskanzlei zum Start bereit. Das ist schon ein erhabenes Bild, wenn so ein Ding mit Zischen in die Lüfte steigt. Aber mich bekämen da ja keine zehn Pferde rein. Leute, das ist ein Korb! Ein KORB!!! An dünnen Seilen an einer Art Bettlaken befestigt, das sich nur wegen etwas heißer Luft aufbläht. Danke, aber nein danke!
Ich schrieb noch ein wenig Tagebuch, dann eilte ich zu Frauenkirche, um mit einer Menschenmenge zu kollidieren, denn es ist ja voll, also in Dresden, erwähnte ich es schon? Und all diese Menschen wollten ebenfalls in die Kirche. Ich war kurz versucht „Huhu, Horst!“ zu rufen, um mich ann bis zu einer mir völlig fremden Person vorzudrängeln, konnte mich aber gerade noch so beherrschen. Ich kam trotzdem mit dem ersten Schwung rein; viele, viele andere mussten draußen bleiben.
Der Innenraum ist ganz nett gestaltet, es ist für Erntedank geschmückt. Fast noch interessanter fand ich die ein wenig labyrinthische Unterkirche. Nun, ich war auf jeden Fall mal drin!
Ich hatte nur nicht viel Zeit, musste ich doch zu meiner Nachtwächterführung am Taschenbergpalais. Was soll ich sagen? Nach einer halben Stunde war ich völlig genervt von dem Führer und verließ die Gruppe. Ich hätte mir durchaus mehr Zeit für die Frauenkirche nehmen können. Die Witze des Herrn hatten 50er-Jahre-Niveau, sehr zotig, er verhaspelte sich ständig und war an sich sehr anstrengend.
Dresdner, die meine Nachrichten auf Facebook verfolgen, rieten mir, auch einmal ins Dresden 1900 zu gehen, übertitelt mit „Museumsgastronomie“. Das liegt auch sehr schön an der Frauenkirche und es gibt eine Menge sächsischer Spezialitäten. Ich entschied mich für einen Batzen, der Kellnerin zufolge der Haushit, ein Braten mit Biersauce, Sauerkraut und Bratkartoffeln. Das war auch wirklich sehr lecker und der Service war prima.
Am Nachbartisch saß ein älterer Mann, der schwer alkoholisiert mit allen Umsitzenden in grottemschlechten Englisch (er hatte Italiener und Amerikaner an der Angel) über die Probleme der Welt disputierte. Ziemlich auffällig. Er könnte vielleicht Nachtwächter in Dresden werden.
So, das war wieder ein erlebnisreicher Tag. Ich brauche definitiv mehr Zeit. Ich habe noch 271 Pläne, wie packe ich die in einen Tag?
Die Auflösung gibt es morgen (Spoileralarm: ich schaffe nicht wirklich alles). Bis denn und liebe Grüße aus der Landeshauptstadt!
Euer Gerry