Harz, 6. Tag: Wer andern eine Grube gräbt…

Ihr Lieben,

das Frühstück im Hotel hat mich nicht enttäuscht. Chef, fallst Du das liest… ich bleibe ein paar Wochen hier und arbeite dann nach. So ein schönes Haus und so umsorgende Personen drumherum. I like it! Und dann auch noch die schöne Gegend!

Heute haben wir uns zu einer Wanderung verabredet, die Uwe ausgesucht hatte. Also, eine von den 300 Alternativen, die abgewogen werden mussten. Gruppenreisen halt. 🙂 Das Wetter war aber morgens nicht schön, es nieselte und war diesig, so beschloss die Gruppe, etwas später als geplant loszulegen. Das gab mir Zeit, noch einmal auf eigene Faust loszugehen und mir die vielgepriesene Neuwerkkirche genauer anzusehen. Zudem brauchte ich auch noch etwas aus der Drogerie, da war ein früher Einkaufsstraßenbummel ja auch nicht verkehrt. Ich betrat die Kirche durch eine Tür und ein Organist empfing mich mit Musik. Wie nett, dachte ich. Dann ging ich zum Tisch mit den Informationsbroschüren, wo ich die Fotografiergebühr zahlen und eine Kerze erstehen wollte. Die Kirche sei doch noch gar nicht geöffnet, das wäre jetzt aber unangenehm. Ich durfte dann aber einfach bleiben. So kam ich in den Genuss eines kleinen Privatkonzertes und hatte auch die allererste Kerze des Tages angezündet. Das mache ich übrigens oft, Kerzen in Kirchen anzuzünden. Ich wünsche mir dann immer, obwohl nicht gläubig, eine schöne (weitere) Reise und ich bilde mir ein, dass diese nur wenige Minuten dauerende Einkehr den Tag auch irgendwie beeinflusst.

Die Neuwerkkirche ist schön anzusehen und definitiv einen Besuch wert. Sie ist nüchtern protestantisch, aber im Gegensatz zu den calvinistisch oder puritanisch orientierten Kirchen des Nordens mit bunten Tupfern und mit einer farbenfroh ausgemalten Apsis versehen. Die Orgel ist dafür wieder langweilig und unspektakulär. Der Kerzenraum ist einladend gestaltet. Es gibt einen Park drumherum mit schönem Baumbestand.

Ich stopfte meine Kulturbeutellücken in einer Drogerie und hatte noch Zeit bis zum Treffen. So besuchte ich auch St. Cosmas und Damian, die Wahrzeichenkirche von Goslar mit den beiden unterschiedlichen Türmen, die auch Marktkirche genannt wird. Hier ist es innen wieder sehr karg und die Orgel ein trauriges kleines Ding. Übrigens: Wusstet Ihr eigentlich, dass ich mal auf Empfehlung eine Probe-Orgelstunde bei einem musikalischen Nachfolger von Johann Sebastian Bach hatte? Er befand mich völlig untalentiert und hat mich erst als größte Zeitverschwendung seines Lebens beschimpft und mich dann als Schüler abgelehnt. Grmpft! In der Marktkirche gibt es zur Zeit eine Ausstellung mit Bildern von Hans Manhart. Die Bilder gefallen mir außerordentlich gut! Wer Zeit und Lust hat…!

Wir waren um 11 Uhr am Marktbrunnen verabredet, ich hatte noch drei Minuten Zeit, die menschenfressenden Detailfiguren des Brunnens zu fotografieren und den Goslarer Dukatenscheißer am Kaiserhaus zu finden. Ja, und dann ging sie los. Die längste kürzeste Wanderung der Welt. Angekündigt waren etwas mehr als 2 Kilometer, gefühlt waren es 15. Es waren wahrscheinlich 7 oder 8. Aber es hat sich gelohnt. Im Nebeldunst erstiegen wir den Rammelsberg, der Teil des Weltkulturerbes Goslars ist. Dazu mussten wir durch das Breite Tor und am Klusfelsen vorbei, wo es eine kleine Einsiedelei gibt. Der Klusfelsen selbst sieht aus wie ein Jabba the Hut, den Medusas Blick in Stein verwandelt hat.

Nach geraumer Zeit des Anstiegs mit wirklich schönen Ausblicken auf das dunstige Goslar (die Fotos können die Atmospäre in keinster Weise wiedergeben) erreichten wir den Maltermeisterturm, der im 16. Jahrhundert als Überwachungs- und Alarmturm errichtet wurde. Später wohnte dort der Maltermeister, der die Holzzuteilung für den Bergbau verwaltete. Ein Malter = zwei Kubikmeter = ein Ster. Den zwei Kubikmetern begegnen wir später wieder. Inzwischen befindet sich hier eine beliebte Ausflugsgaststätte, wo wir uns erfrischten. Der Ausblick ist phantastisch, zudem klarte es auch noch auf und die Sonne kam durch.

Weiter ging es – diesmal bergab – zum Herzbergerteich, wo wir nach rechts zur Weltkulturerbestätte Rammelsberg abbogen. Was soll das sein? Der Reichtum Goslars in seiner Blütezeit begründete sich auf außerordentliche Erzvorkommen im Rammelsberg. Seit etwa um das Jahr 1000 herum wurde hier gewerbsmäßig Erz gefördert. Aber schon vor dreitausend Jahren, also in der Bronzezeit, wurde Kupfer abgebaut. Das Erz in Goslar war eines der reichhaltigsten europaweit. Gold, Blei, Zinn, Kupfer, Silber, Eisen undundund, natürlich in unterschiedlichen Anteilen. Das heutige Gesamtbild der UNESCO-Anlage wird dominiert von Bauten aus den dreißiger Jahren. Zusammen mit dem Altstadtkern Goslar ist es Weltkulturerbe.

Man kann so einiges in der seit 1988 stillgelegten Anlage erfahren, viele verschiedene Besichtigungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Ich habe gequengelt, ich wollte unbedingt mit der Grubenbahn in den Stollen rein. Die Begeisterung der Gruppe war eher mau. Aber Claudia, die ich schon vorher liebte, wollte dann mit mir in den Berg fahren. Jetzt liebe ich sie natürlich umso mehr. Wir mussten einen Helm aufsetzen, der uns übrigens ausgezeichnet stand, bekamen von unserer Grubenleiterin eine kurze Einweisung und quetschten uns dann in geschlossene Waggons, um 500 Meter in den Stollen einzudringen. Leute, das ist nix für Klaustrophobiker. Im Stollen selbst läuft man bis zur Schachtfahranlage, die aber nicht mehr in Betrieb ist. Denn der Berg ist abgesoffen. Dann gibt es einen Stollen, in dem es eine Art Zickzack-Lehrpfad gibt, anhand dessen der Weg des Gesteins zur Verhüttung bzw. sonstigen Weiterverarbeitung verfolgt werden kann. Ihr merkt schon anhand der Länge des Absatzes, dass ich total begeistert von diesem Besuch war. Es lohnt sich absolut, zumal unsere Frau Fritsche (glaube ich) auch kompetent und fesselnd vorgetragen und erklärt hat. Supi, supi, supi!

Uwe und Petra haben sich im Museumscafé verlustiert und feierten unsere Rückehr aus dem Berg frenetisch. Es stand nun zur Diskussion, ob wir noch ins Ausflugslokal Kinderbrunnen laufen oder wieder in die Stadt zurückfahren. Wir beschlossen, uns zu trennen, damit jeder bis zum Abendessen sich erholen, frischmachen oder noch mehr rumlaufen könne, wie ersiees eben wollte. Ich lief weiter rum. Ich entdeckte völlig menschenleere Fachwerkviertel, eine weitere Kirche, zu der ich aber auf Beelzebubkommraus keinen Zugang fand, fand durch Zufall das Museum für moderne Kunst, das hatte aber wegen einer Großveranstaltung geschlossen, außerdem einen auf außerirdisches Leben spezialisierten Laden. Hm. Das war der Zeitpunkt, wo ich mich einfach mal wo hinsetzen wollte. Und so fand ich mich im Hotel „Alte Münze“ auf der Terrasse ein, wo ich bei einem Bier Tagesrückschau hielt, als plötzlich eine Stimme „Der Gerry“ rief. Ute und Andreas waren angekommen und so saßen wir gemeinsam vor der Münze und plauderten. Ab jetzt zu sechst.

Es drohte, zu gewittern und wir fanden uns wieder im Brauhaus ein, wo wir einen sehr netten Abend verbrachten und unsere Eroberung des Brockens morgen planten. Draußen schiffte, blitzte und donnerte es. Ich glaube, das bedeutet für morgen klares Wetter, oder? Essen wieder lecker (ich hatte die Harzspezialitätenplatte), sehr lustiges Gequassel und würdiger Abschluss eines ereignisreichen Tages. Im Hotel nahmen Ute, Andreas und ich noch einen Absacker und morgen geht es dann um 9 Uhr los vom Bahnhof Goslar aus nach Wernigerrode und von da aus mit der dampfenden Schmalspurbahn zum Brocken.

Quedlinburg ist ja eine unmittelbare Wow-Stadt. Goslar ist eine Stadt, die entdeckt werden muss. Dann aber ist sie ebenso wow. Vorteil der wirklich schönen Ecken: Touristen verirren sich nicht dorthin. Ja, und wir sind nun 6 Personen, das ist natürlich etwas anderes, als alleine zu reisen. Aber wir kleben nicht aneinander, daher klappt das. Uwe wird von uns allen gequält, aber er hat das initiiert und muss da durch. Ich sage einfach mal an der Stelle hier „Danke, Uwe, wir sind ein nerviger Hühnerhaufen, aber Du machst das prima.“

Morgen also der berühmte Brocken. Da soll es eine fantastische Erbsensuppe geben, wie unsere Kellnerin uns vorschwärmte. Wollen wir die virtuell zusammen schlürfen? Würde mich sehr freuen! Liebe Grüße, Euer

P.S.: Gibt es einen Jesus, der wie Konrad Adenauer aussieht? Möglicherweise.

P.P.S.: Der Malter… Das Sprengen im Berg heißt Schießen. Und nachdem druckluftbetriebene Maschinen die manuellen Druckluftbohrer ersetzt hatten, konnte Gestein als etwa 2 Kubikmeter-Block aus dem Berg geschossen werden. Ihr merkt, die Tour hat mich nachhaltig beeindruckt! Auch die Wiederbefülluung mit Schiefer, die Technologien zur Beförderung, die Arbeitsbedingungen… jaja, ich höre ja schon auf.

P.P.P.S.: Macht diese Tour! Und Ende.

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